Shintō, Versuch einer Begriffsbestimmung
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Das Wort
Der Begriff „Shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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bedeutet wörtlich „Weg der Götter“ und wird land·läufig als Selbst·bezeichnung der ein·heimischen Religion Japans angegeben. Auf den ersten Blick scheint diese Definition un·prob·lematisch. Was einen ein wenig stutzig machen könnte, ist lediglich, dass „shintō“ offenbar ein Wort chinesischen Ur·sprungs ist und dass es sich keines·wegs um ein häufig ge·brauchtes Vokabel handelt. Wer ein modernes japanisches Text·ver·arbeitungs·programm benützt und die Silben „shin-tou“ eintippt, erhält als Kanji-Schreibung meist homophone Begriffe wie „
Der Begriff „shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
, Neue Partei“ oder „
, Osmose“ vor·ge·schlagen, bevor die Zeichen 神 (Gott·heit) und 道 (Weg) erscheinen. Shintō im religiösen Sinn ist tatsächlich im Alltags·japanisch kaum ge·bräuchlich. Selbst hin·sichtlich der Aus·sprache (shintō oder shindō) sind sich moderne Japaner nicht immer sicher. Woher kommt diese erstaunliche Zurück·haltung gegenüber einem Wort, das mitunter als In·begriff des Japanischen schlechthin dargestellt wird?
Der Begriff „Shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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- Shintō-Religion, „Weg der Götter“
Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō
Der Begriff „kami“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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- (einheimische) Gottheiten (s.a. Ikonographie)
Shintō-Schrein; rel. Gebäude für einheimische Gottheiten (kami)
Der Begriff „jinja“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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- shintōistische Kultstätte, „Schrein“
Torii, Schreintor; wtl. „Vogelsitz“; s. dazu Torii: Markenzeichen der kami
Der Begriff „torii“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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- Eingangstor (eines Schreins)
rituelle Verunreinigung, Befleckung, Schande
Der Begriff „kegare“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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- rituelle Verunreinigung
Purifikation, Reinigungsritus, rituelle Waschung
Der Begriff „misogi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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- rituelle Waschung
Purifikation, Weihezeremonie, Exorzismus
Der Begriff „harae“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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- Reinigungszeremonie (s.a. Shintō-Priester)
Generelle Merkmale
Vorlage:Sidebox3 Shintō wird in der gängigen Ein·füh·rungs·liter·atur gerne mit der japanischen Ur·religion gleich·gesetzt. Oft wird zu·gleich der Ein·druck ver·mittelt, es handle sich um eine besonders archaische Religion, die in Japan — im Gegen·satz zu anderen modernen Gesell·schaften — auf mirakulöse Weise in die Moderne hinüber ge·rettet worden wäre. Dies verleitet wiederum zu dem Trug·schluss, Shintō habe in vor·bud·dhis·tischer Zeit bereits genau so aus·gesehen wie heute. Bei näherer Be·trachtung stößt man aller·dings rasch auf Widersprüche in diesem Modell und es stellt sich heraus, dass vieles, was uns heute als typisch shin·tō·is·tisch erscheint, eigentlich bud·dhis·tische Wurzeln hat. In anderen Fällen kann man daoistische Einflüsse vermuten.
Schreine (jinja)
Wenn es auch schwierig ist, den religiösen Inhalt von Shintō näher zu umreißen, so hat Shintō doch einen eindeutigen Ort, an dem er praktiziert wird, nämlich den Shintō-Schrein (jinja [jinja (jap.) 神社 Shintō-Schrein; rel. Gebäude für einheimische Gottheiten (kami)]). Schreine stellen damit die räumliche Basis des Shintō dar. Wie im Kapitel Bau·ten genauer erörtert, handelt es sich bei „Schreinen“ um Orte, an denen die dort verehrten Gottheiten gleichsam wohnen. Wenn man einen Schrein aufsucht, begibt man sich also in die unmittelbare Nähe einer Gottheit. Hier richtet man zumeist Gebete und Opfergaben an eine oder mehrere Gottheiten, um im Austausch dafür bestimmte Vorteile zu erhalten. Obwohl die genauen Funktionen von Schreinen verschieden sein können und auch großen historischen Veränderungen unterworfen waren, sind gewissen bauliche Merkmale von Schreinen über lange Zeit erstaunlich konstant geblieben. Es ist diese Konstanz in den äußeren Formen, die den Eindruck erweckt, Shintō sei insgesamt ein unveränderliches, geschichtsloses Phänomen.
Torii
Die markantesten bauliche Merk·mal eines Shintō-Schreins sind frei stehende symbolische Durchgänge bestehend aus zwei einfachen Pfosten und zwei Quer·balken, die
Torii, Schreintor; wtl. „Vogelsitz“; s. dazu Torii: Markenzeichen der kami
Der Begriff „torii“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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genannt werden. Sie sind heute vor allen Schreinen zu finden und eignen sich daher auch als Em·blem der Shintō-Religion all·gemein. Ob dies aller·dings schon in vor·bud·dhis·tischer Zeit so war oder ob torii vielleicht erst mit dem Bud·dhis·mus nach Japan kamen, ist fraglich. In früheren Zeiten muss es jedenfalls auch bud·dhis·tische Tempel ge·geben haben, die man durch torii betrat. Einer der ältesten bud·dhis·tischen Tempel Japans, der
buddh. Tempel im heutigen Ōsaka; zählt zusammen mit dem Asuka-dera zu den beiden ältesten Tempeln Japans (Gründung 593)
Der Begriff „Shitennō-ji“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
in Osaka, zählt heute noch dazu. Spätestens ab der Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit waren aber Schreine anhand von torii zu identifizieren (mehr dazu im Kapitel Bauten, Torii).
Kami
Schon vor Über·nahme des Bud·dhis·mus nannten die Japaner ihre Götter und Geister
Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō
Der Begriff „kami“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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. Der Begriff kami hielt sich durch alle Phasen der japan·ischen Religions·geschichte, auch wenn sich damit die unter·schied·lichsten religiösen Phäno·mene be·zeich·nen lassen.
Die Mythen sprechen häufig von
altjap. für „acht Millionen“ bzw. unendlich viele
Der Begriff „yaoyorozu“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
no kami, wtl. acht Millionen Götter, was aber genauso als Ausdruck einer un·vor·stell·bar großen Zahl auf·ge·fasst wird.
Japanische Shintō-Schreine sind zumeist namentlich bekannten Gott·heiten geweiht, die teils den alten Mythen ent·stammen, oft aber auch durch den Bud·dhis·mus nach Japan kamen oder aus historischen, später ver·göttlichten Persön·lichkeiten ent·standen sind. Das be·kannteste Beispiel einer mythologischen Gott·heit ist
Der Begriff „Amaterasu“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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mit dem Haupt·schrein in
kaiserlicher Ahnenschrein (wtl. Götterpalast) von Ise, Präfektur Mie, bestehend aus den Anlagen Gekū und Naikū
Der Begriff „Ise Jingū“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
. Die meisten der Sieben Glücksgötter ent·stammen dagegen dem Bud·dhis·mus oder leiten sich von anderen nicht-japanischen Vor·bildern her. Ein berühmtes Bei·spiel für die Ver·gött·lichung einer historischen Per·sön·lich·keit ist Tokugawa Ieyasu [Tokugawa Ieyasu (jap.) 徳川家康 1543–1616; Begründer des Tokugawa Shogunats; Reichseiniger], der im bekannten
Tōshō Schrein, Mausoleum des Tokugawa Ieyasu in Nikkō, Präf. Tochigi
Der Begriff „Tōshō-gū“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
Schrein in
Tempel-Schreinanlage im Norden der Kantō-Ebene, Präf. Tochigi; beherbergt u.a. den Tōshō-gū Schrein
Der Begriff „Nikkō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
verehrt wird.
Laut einer klassischen Definition des Shintō-Gelehrten
Der Begriff „Motoori Norinaga“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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kann alles, was in ir·gend einer Weise außer·ge·wöhn·lich und ehrfurchtgebietend ist, kami genannt werden, un·ab·hängig davon, ob es sich um et·was Gutes oder Schlech·tes, Er·habe·nes oder Ab·sto·ßen·des han·delt. Neben ein·drucks·vol·len Na·tur·er·schei·nun·gen wie Ber·gen, Bäu·men oder Flüs·sen können auch Menschen oder Tiere als kami be·zeich·net werden.
Motooris Zitat lautet in wörtlicher Übersetzung:
Was man unter kami versteht, sind zum einen die Gottheiten von Himmel und Erde, wie wir sie in den alten Klassikern finden, und zum anderen die Seelen·geister (mitama), die in den verschiedenen Schreinen verehrt werden. Ferner können natürlich auch Menschen, ebenso wie Tiere, Pflanzen, das Meer und die Berge als kami bezeichnet werden, sofern sie eine seltene, ungewöhnliche oder überlegene Kraft besitzen, die Ehrfurcht (kashikoki) hervorruft. „Überlegen“ (suguretaru) bezieht sich dabei nicht nur auf Vornehmes, Gutes und Tugendhaftes, denn auch ungewöhnlich Böses und Absonderliches kann Ehrfurcht hervorrufen und kami genannt werden.1
Norinaga schließt daraus, dass natürlich auch der herrschende
jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels
Der Begriff „Tennō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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und seine Vorfahren kami sind. Im Unterschied zu christlichen Gottes·vor·stel·lungen wird diese Gött·lichkeit aber nicht aus einem Prinzip (z.B. Allmacht), sondern aus einer Wirkung (ehrfurchtgebietend) abgeleitet. Kami werden also gleichsam empirisch begründet, nämlich aufgrund von besonderen – ansonsten unerklärlichen – Effekten auf die konkrete Lebenswelt der Menschen. Norinaga – und mit ihm viele andere Shintōisten – argu·mentiert also nicht, dass man aus diesen oder jenen Gründen an die kami glauben muss, sondern setzt den Glauben an schicksals·bestim·mende Kräfte als gegeben voraus und nennt diese Kräfte „kami“.
Als allgemeine Cha·rakter·istika des kami-Begriffs können somit ihre zahlen·mäßige Un·begrenzt·heit, ihre Viel·gestaltigkeit sowie ihr unberechenbarer Einfluss auf das Leben der Menschen fest·gehalten werden. Diese flexible, moralisch un·be·stimmte Auf·fass·ung von Gött·lich·keit hat sich in der japanischen Religion bis heute er·halten. So konnten und können selbst Gegen·stände als Gott·heiten an·ge·sehen und verehrt werden (in erster Linie Schwerter und Spiegel, aber auch un·be·deutende und all·tägliche Dinge). Zu·gleich werden auch aus·länd·ische Götter und der christliche Gott mit dem Begriff kami be·zeichnet. Da es im Japanischen keinen Plural gibt, ist es ohne Weiteres möglich mono·theistische und poly·theistische Vor·stellungen in einem Begriff zu vereinen. Der Begriff kami ist also sehr viel weiter als „Gott“ oder „Gottheit“, schließt diese Vor·stellungen aber mit ein.
Dank seiner Viel·gestaltig·keit ist es also kaum möglich, den Begriff kami in das Korsett einer be·stimmten kon·fession·ellen Religion zu pressen. Und dennoch ist der kami Begiff vielleicht das einzige indigene religiöse Konzept, das sich einer voll·kommenen Ver·schmelz·ung mit dem Bud·dhis·mus ent·zogen hat. Selbst bud·dhis·tische Mönche akzep·tierten die kami stets als natur·gegebene Realität und ver·suchten lediglich, sie aus bud·dhis·tischer Sicht zu erklären. In den meisten religi·ösen Zentren, egal ob ur·sprüng·lich bud·dhis·tisch oder nicht, wurden und werden sowohl Buddhas als auch kami verehrt, es handelt sich also im Grunde um ge·mischt-religiöse „Tempel-Schrein An·lagen“. Trotz dieser räum·lichen Nähe blieb eine gewisse kul·tische Tren·nung aufrecht, d.h. bud·dhis·tische und ein·heim·ische Gott·heiten wurden mit jeweils eigenen Riten bedacht und oft auch von jeweils eigenen Priestern betreut.
Shen/shin
In den meisten Komposita, in denen das Zeichen für kami 神 vorkommt, wird die sino-japanische Lesung shin (oder jin) verwendet, etwa in shintō [Shintō (jap.) 神道 Shintō; wtl. Weg der Götter, Weg der kami] oder jinja [jinja (jap.) 神社 Shintō-Schrein; rel. Gebäude für einheimische Gottheiten (kami)]. Die chinesischen Konnotationen des Schriftzeichens sind jedoch mit den oben besprochene Bedeutungen von kami nicht unbedingt identisch und haben wohl ihrerseits dazu beigetragen, den kami-Begriff zu erweitern.
Im chinesi·schen Kontext lässt sich das Zeichen 神 — auf Chine·sisch shen [shen (chin.) 神 Geist (sowohl im Sinne von „Gespenst” als auch von „geistiger Kraft“); jap. shin oder kami] gelesen — am besten mit „Geist“ über·setzen und besitzt in der Tat einen ähnlich großen Be·deutungs·um·fang wie der deut·sche Begriff. D.h. shen kann ebenso ein Gespenst bezeich·nen wie den Geist im Unter·schied zum Körper oder zur Materie. Es ist zunächst einmal eine unsichtbare Macht (oder unsichtbare Mächte), die wir sowohl außerhalb von uns als auch in uns selbst am Werke finden. In diesem letztere Sinne lässt sich shen z.B. heute noch im japanischen Kompositum seishin 精神 — „Geist“, „Psyche“, wtl. „Fein-Geist“ — wie·der·fin·den. Frühe bud·dhisti·sche Autoren in China verstanden unter dem Begriff shen hingegen den „reinen Geist“ im Gegen·satz zum Alltags·bewusst·sein shi 識 (jap. shiki, skt. vijñāna).2 Ähnlich ver·wen·deten auch shintō-bud·dhis·tische Theo·logen des japa·nischen Mittel·alters das Konzept shin 神 (kami) im Sinne von „Geist“, „Bewusst·sein“ und setzten es mit seinem japanischen Homonym shin 心 („Herz“, „Bewusst·sein“) gleich.
Shen/shin kann also auch das Göttliche bezeichnen, das jedem indivi·duellen Bewusst·sein inne·wohnt, es stellt sozu·sagen einen Ideal·zustand des Geistes dar, den der Mensch erreichen kann, wenn er alle „Trü·bungen“ seines Bewusst·seins be·seitigt. Dieser Ideal·zustand wurde in China auch durch Kompo·sita wie shenming 神明 (Geist-hell) oder mingshen 明神 (hell-Geist), also „er·leuch·tetes Bewusst·sein“, ausge·drückt. Interes·santer·weise wurden diese beiden Begriffe in Japan zu kami-Titeln, wobei Myōjin [Myōjin (jap.) 明神 Titel für eine Schreingottheit (kami), z.B. Kanda Myōjin] 明神 auf ver·schie·dene Schrein·götter an·ge·wen·det werden kann, wäh·rend shinmei [shinmei (jap.) 神明 generelle Bezeichnung für Schreingottheiten (kami); als Schreinnamen (Shinmei-sha) allerdings nur für Zweigschreine von Ise verwendet; s.a. shinmei-zukuri] 神明 meist spezi·fisch für Ise [Ise (jap.) 伊勢 vormoderne Provinz Ise (heute Präfektur Mie); Stadt Ise; Kurzbezeichnung für die Schreinanlage von Ise Ise Jingū] steht. Die buddhis·tischen Kon·nota·tionen dieser Begriffe sind in Japan weit·gehend in Ver·gessen·heit geraten, haben aber bei der ur·sprüng·lichen Prägung dieser Götter·titel mit Sicher·heit eine Rolle gespielt. Kami können daher aus buddhis·tischer Sicht auch den Zustand der bud·dhis·tischen Erleuch·tung reprä·sen·tieren.
Kegare
Shintō wird häufig als Religion ohne moralisch verbindliche Vor·schriften charakterisiert. Tat·säch·lich gibt es im Shintō nichts, was etwa den fünf Laien·geboten des Buddhismus, oder den Zehn Geboten der Juden und Christen entspricht. Es gibt jedoch ein Merk·mal, das sich durch alle doku·mentierten Phasen der kami-Religion zieht und das auch heute noch prägend für viele Bereiche der japa·nischen Gesell·schaft ist, nämlich eine sehr ausgeprägte Vor·stellung von ritueller Rein·heit bzw. — negativ ausge·drückt — die Angst vor ritueller Verun·reini·gung (
rituelle Verunreinigung, Befleckung, Schande
Der Begriff „kegare“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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). Eine solche Verun·reini·gung zieht den Un·willen der kami nach sich und ist daher die Ur·sache negativer Kon·se·quen·zen nicht nur für den einzel·nen, son·dern für die gesamte Gemein·schaft.
Der Tod und alles, was damit zu tun hat, wird als Haupt·quelle der Verun·reini·gung angesehen. Ein·heimi·sche kami sollen daher mög·lichst nicht mit Zeichen des Todes, ebenso wenig aber auch mit Blut und mit Krank·heiten kon·frontiert werden. Ein heute noch gängiger Nach·hall dieser alten Auf·fassung besteht im all·ge·meinen Brauch, auf den traditionellen Neujahrsbesuch bei einem Shintō-Schrein zu verzichten, wenn im ver·gange·nen Jahr ein Todes·fall in der Familie eingetreten ist.
Interessanterweise sind Shintō-Priester ganz besonders dazu angehalten, Tabu-Regeln zu befolgen und müssen sich daher vor der Ver·un·reinigung durch Krank·heit und Tod besonders in Acht nehmen. Diese Tabu·isierung des Todes kann jedoch meiner Meinung nach nicht von Anfang an Teil des kami-Glaubens gewesen sein. Sie kann erst in Kraft getreten sein, als andere Religionen sich für diesen religiös essenziellen Bereich zuständig fühlten. Tat·sächlich nimmt der japanische Bud·dhis·mus gerade auf dem Gebiet des Jenseitsglaubens und des Begräbniskults eine be·herr·schende Stellung ein. Das Todes·tabu des Shintō ist daher meiner Meinung nach das Produkt einer historischen Arbeits·teilung, nach der Buddhas ten·den·ziell für den Tod und das Jenseits, kami für das Leben und das Dies·seits zuständig sind.
Was die Vorstellung von kegare von anderen ethischen Ver·haltens·kodices, etwa der
„Tat“, auch „konsequente Folge“; moralische Bilanz der gesetzten Handlungen (jap. gō 業)
Der Begriff „Karma“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
-Lehre unter·scheidet, ist die Tat·sache, dass den kami kein moralisches Urteils·vermögen, sondern eher eine spontan-natur·gesetzliche Reaktions·weise, eine Art un·will·kürlicher Unmuts·äußerung unterstellt wird, die nicht lange nach den genauen Um·ständen und Ur·sachen fragt. Dabei spielt es nur eine sekundäre Rolle, ob die Verun·reinigung durch willentliche Über·tretung (Ver·letzung religiöser Tabus) oder unwillkürlich (Krank·heit, Tod, Menstruation, Geburt) herbei·geführt wurde. Üblicher·weise können zwar unwillkürliche Ver·letz·ungen des Rein·heits·gebots durch asketische Praktiken (Fasten, sexuelle Enthaltsamkeit, ...) oder durch bestimmte Reinigungs·zeremonien (
Purifikation, Reinigungsritus, rituelle Waschung
Der Begriff „misogi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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oder
Purifikation, Weihezeremonie, Exorzismus
Der Begriff „harae“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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) gesühnt werden, um die Gefahr einer gött·lichen Ver·geltung ab·zu·wehren. In Einzel·fällen genügt dies aber nicht und somit können auch un·ab·sicht·liche Tabu·über·tre·tungen als Ursache gött·licher Strafen erkannt und ent·spre·chend geahndet werden (z.B. durch Aus·schluss aus der Gemein·schaft).
Aus der Sicht einer westlich-aufkläre·rischen Perspektive wirken viele aus alter Zeit über·lieferten Tabu·regeln ungerecht. Im modernen Japan spielen sie denn auch meist nur noch eine unter·geord·nete Rolle. Wenn es aber um den Tod geht, hat man doch den Ein·druck, dass die gene·relle Scheu vor kegare nach wie vor einen wich·tigen Platz in der kultu·rellen Befind·lich·keit Japans ein·nimmt.
Trennung von Shintō und Buddhismus
Shintō und Buddhismus ergänzen sich also, sie stehen in einem arbeit·steiligen Ver·hält·nis zu·einander. Dieses Ver·hält·nis ist aber keines·wegs aus·gewogen. Über weite Strecken der japanischen Religions·geschichte scheinen die kami nicht für viel mehr als für religiöse Hilfs·dienste zuständig gewesen zu sein. Gleich·zeitig waren sie der allgemeinen Be·völk·erung näher als die Buddhas, ähnlich wie Polizisten der allgemeinen Be·völk·erung näher sind als Richter.
Shintō und Bud·dhis·mus lassen sich daher gar nicht so leicht als gleich·wertige Religionen gegen·über stellen. Nachdem sich der Bud·dhis·mus dank der massiven Förderung durch den antiken japanischen Staat als Quasi-Staats·religion durch·gesetzt hatte, musste der kami-Glauben erst eine Reihe von Trans·formationen durchlaufen, bevor er allgemein als ver·gleich·bar und zugleich als gegen·sätzlich zum Bud·dhis·mus aufgefasst wurde. Erst in diesem Pro·zess beginnen sich die Um·risse von „Shintō“ als eigen·ständiger Religion langsam abzuzeichnen. (s. Sidepage Shintō und jindō.)
Die Wurzeln dieser Entwicklung reichen nicht weiter als ins japanische Mittel·alter zurück. Im dreizehnten Jahr·hundert ent·standen erste theologische Theorien, die die traditionelle Hierarchie von kami und Buddhas umkehrten, im fünfzehnten Jahr·hundert gaben sich solche Theologien die Selbst·bezeich·nung „Shintō“ (s. Shintō im Mittelalter). In der
Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
Der Begriff „Edo“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
-Zeit (1600–1867) gab es die ersten Be·stre·bun·gen, kami-Schreine gegen·über bud·dhis·tischen Tempeln auf·zu·werten und unter In·tel·lek·tu·ellen wurde es all·mählich üblich, „Shintō“ als generelle Be·zeichnung der ein·heimischen Religion zu verwenden. In den allgemeinen Wort·schatz ging dieser Begriff aber erst nach dem politischen Umbruch von 1868 ein, als man versuchte, Shintō als National·religion zu etablieren. Dieses Vorhaben, das von einer Welle anti-bud·dhis·tischer Aus·schreitungen begleitet war, markierte auch in rechtlicher Hinsicht einen deutlichen Ein·schnitt gegenüber den syn·kre·tis·tischen Glaubens·formen der Ver·gangen·heit: Bereits 1868 wurde ein Gesetz erlassen, das die allgemeine Praxis, Buddhas und kami am gleichen Ort zu verehren, verbot (
Verordnungen zur Trennung von kami-[Schreinen] und Buddha-[Tempeln] (ab 1868)
Der Begriff „shinbutsu bunri no rei“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
). Viele bud·dhis·tische Tempel aber auch manche Shintō-Schreine mussten daher abgerissen werden, viele religiöse Traditionen wurden vollkommen ausgelöscht.
Diese Politik wurde im Zuge einer allgemein anti-bud·dhis·tischen Stimmung zunächst von breiten Teilen der Be·völkerung unterstützt, stieß allerdings in der Praxis auf erhebliche Wider·stände. Nach einer kurzen Phase der Be·geist·erung geriet die gewaltsame Trennung von Buddhas und kami daher ins Stocken und ist bis heute nur un·voll·ständig vollzogen: Noch heute gibt es neben jedem großen bud·dhis·tischen Tempel auch einen kleinen Schrein für den shintō·istischen Schutz·gott des Tempels und noch heute werden bud·dhis·tische Gestalten in Shintō-Schreinen verehrt.
Die Politik der
posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt
Der Begriff „Meiji“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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-Zeit hatte aber dennoch zur Folge, dass Shintō in den Brenn·punkt religions·geschichtlicher Debatten rückte. Weite Kreise innerhalb der japanischen Forschung und der frühen westlichen Japanologie tendierten von nun an dazu, Shintō als japanische Ur·religion anzusehen, die allerdings lange Zeit hindurch vom Bud·dhis·mus „überlagert“ gewesen war. Erst in den letzten Jahren hat sich dieses Bild relativiert und man beginnt, in den Formen der Koexistenz von Buddhismus und kami-Glauben eine eigene Form der japanischen Religion zu erkennen, von der sich „Shintō“ erst nach und nach weg ent·wickelte. Eine eindeutige De·finition von „Shintō“ ist aller·dings auch von der neueren Forschung noch nicht entwickelt worden.
Shintō und Nationalismus
In den ersten Jahrzehnten nach der Meiji Restauration (1868) durchlief die japanische Religions·politik eine Art trial-and-error-Phase, in der der Shintō — oder besser gesagt die japanischen kami-Schreine — einmal mehr einmal weniger im Zentrum der politischen Auf·merk·samkeit standen. Institutionen, die als ideologisches Zentrum staatlich organisierter Schrein·kulte fungieren sollten, lösten sich in rascher Folge ab. Mit den ersten militärischen Erfolgen des modernen Japan (insbesondere nach dem Russo-Japanischen Krieg 1904–05) wurde Shintō stärker in den Dienst eines aggressiven National·ismus gestellt, der die Annexion und Kolo·niali·sierung umliegender asiatischer Länder recht·fertigen sollte. Der sich so ent·wickelnde Staats·shintō (
Staatsshintō, staatliche Ideologie der Moderne vor dem 2. WK
Der Begriff „kokka shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
) kulminierte schließlich in der Zeit des sog. Ultra·nationalismus von den dreißiger Jahren bis zum Zweiten Welt·krieg. Mit der Niederlage Japans verlor dieser Staats·shintō sowohl seine rechtliche Basis als auch seine Glaub·würdigkeit, während der Begriff Shintō als Bezeichnung für die ein·heimische Religion nach wie vor in Ver·wendung blieb. Dies mag ein weiterer Grund für die eingangs erwähnte Tatsache sein, dass dem Begriff ein negativer Bei·geschmack anhaftet und viele Japaner ihn vermeiden. Das gilt natürlich nicht für die Ver·treter des Shintō selbst. Sie sind großteils bemüht, „Shintō“ von der Asso·ziation mit dem Staats·shintō rein zu waschen. Andererseits spielt die Ideologie des Staats·shintō in rechts·extremen Kreisen nach wie vor eine wichtige Rolle und auch die gemäßigt konservative Liberal Demo·kratische Partei (LDP), die seit dem Zweiten Weltkrieg fast ununterbrochen an der Regierung ist, kann sich nicht zu einer eindeutigen Ablehnung aller Reste des Staats·shintō durchringen. Das Thema Shintō spiegelt daher die Schwierig·keiten wider, die Japan als ganzes mit der Be·wältigung seiner nationalistischen Ver·gang·en·heit hat.
Im Westen ist der Begriff Shintō selbst zwar im All·gemeinen nicht mit dem Stigma des National·ismus behaftet (dafür ist der Begriff einfach zu fremd und exotisch), aber die wissen·schaft·liche Beschäftigung mit dem Thema hat nach dem 2. Welt·krieg doch spürbar nachgelassen. Shintō wurde zu einer Art Tabuthema. Erst in jüngerer Zeit gibt es wieder Ansätze, sowohl den Staatsshintō als auch die Ursachen seiner Ent·stehung historisch auf·zu·arbeiten und in Relation zur gesamten Religions·geschichte Japans zu stellen.
Kategorien von Shintō
Als sich Anfang der Meiji-Zeit herausstellte, dass sich die Idee von Shintō als Staats·religion nicht ohne weiteres durch·setzen ließ, rückte die Meiji-Regierung von der Vor·stellung ab, eine Staats·religion nach dem Muster europäisch-christlicher National·staaten zu installieren. Dennoch sollten die all·gemeinen Bürger·pflichten sowie der Respekt gegenüber Staat und Tennō mithilfe des Shintō gefördert werden. Shintō wurde aus diesem Grund offiziell nicht als „Religion“, sondern als „Zere·monial·system“ definiert. Dieses Zeremonialsystem war in erster Linie die Verehrung des Tennō ausgerichtet, seine Befolgung galt als patriotische Pflicht. Alle Shintō-Schreine hatten sich diesem Zweck unter·zu·ordnen. Es wurde jedoch anerkannt, dass es auch einzelne Shintō-Sekten gab, die „religöse“ Anliegen im Sinne einer trans·zendenten Heils·lehre ähnlich dem Buddhis·mus oder dem Christen·tum propa·gierten. Aus der Unter·scheidung dieser beiden Arten von Shintō entwickelten sich die Kategorien Schrein Shintō (
Schreinshintō; im Ggs. zu „Sektenshintō“ (kyōha shintō), ...
Der Begriff „jinja shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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) und Sekten-Shintō (
Sektenshintō; im Ggs. zu „Schreinshintō“ (jinja shintō)
Der Begriff „kyōha shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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), womit im wesent·lichen Shintō-Richt·ungen gemeint waren, die zu dieser Zeit (19. Jh.) neu ent·standen waren und heute zu den Neuen Religionen gerechnet werden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Religions·politik, die Shintō zwar nicht als Religion ansah, aber sehr wohl in den Dienst national·istischer Pro·paganda stellte, insgesamt als „Staats-Shintō“ (
Staatsshintō, staatliche Ideologie der Moderne vor dem 2. WK
Der Begriff „kokka shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
) bezeichnet. Zugleich wurde „Schrein-Shintō“ als Religion angesehen und aus dem Staats·kult herausgelöst. Diese Tren·nung von Religion und Staat wurde nach einer ent·sprechenden Anweisung seitens der ameri·kanischen Besatzung sogar verfassungs·mäßig besiegelt. Was unklar blieb und bis heute bleibt, ist die Verbindung des Schrein-Shintō mit dem Tennō. Um hier eine Trenn·linie zu ziehen, wird gelegentlich der sog. „imperiale Shintō“ (
Imperialer Shintō, Shintō des kaiserlichen Hofes
Der Begriff „kōshitsu shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
) als eigene Kategorie von Shintō definiert, um die traditionellen kami-Kulte des kaiser·lichen Hofes von sonstigen Schrein·riten zu unter·scheiden. Außerdem ist häufig von „Volks·shintō“ (
Volksshintō, Shintō als Volksreligion
Der Begriff „minzoku shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
= lokales religiöses Brauch·tum) als weiterer Kategorie die Rede.
Versucht man, diese Kategorien klar und historisch konsistent von einander abzu·grenzen, stößt man auf unüber·windliche Schwierig·keiten. So lässt sich der „imperiale Shintō“ nicht klar vom „Schrein-Shintō“ trennen, da er selbst auf den Tradi·tionen einzelner Schreine beruht. Allerdings ordnen sich nicht alle Schreine dem Anspruch des Tennō unter, Ober·haupt der Shintō Religion zu sein. Noch schwieriger wird die Situation beim Begriff „Volks·shintō“: Sucht man in Japan außer·halb der etab·lierten Schrein·tradi·tionen nach volks·religiösem Brauchtum, findet man beispiels·weise Be·sessen·heits·kulte, in denen Heiler mit der Hilfe von Medien Geister aus dem Jen·seits sprechen lassen (Bsp.
blinde Priesterin oder Shamanin; früher auch ichiko 市子
Der Begriff „itako“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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). Solche Kulte werden heute aber weder von offiziellen Shintō-Orga·nisa·tionen, noch vom Bud·dhis·mus anerkannt. Die Heiler selbst bedienen sich im übrigen sowohl bud·dhis·tischer als auch shin·tō·is·tischer Konzepte. Es gibt also tat·säch·lich starke volks·reli·giöse Traditionen in Japan, aber diese ent·ziehen sich der ein·deu·tigen Zu·ordnung zu Shintō oder Buddhismus. Um die Ver·wirrung perfekt zu machen, leben viele dieser Tradi·tionen, bei·spiels·weise Be·sessen·heits·kulte, im so·ge·nannten „Sekten-Shintō“ weiter fort, der seiner·seits zu den Neuen Religionen gezählt wird.
Die Versuche, Shintō in verschiedene Kategorien zu unterteilen und auf diese Weise schlüssig darzustellen, haben also bisher zu keinen be·friedigend·en Er·geb·nissen, sondern eher zurück in die ideo·logi·schen Fall·stricke des Staats·shintō geführt. Moderne Religions·historiker ziehen unter·schiedliche Kon·sequen·zen aus diesem konzep·tionellen Wirr·warr. Manche vermeiden den Begriff „Shintō“ überhaupt, zu·mindest wenn es sich um histo·rische Themen handelt. Nelly Naumann [Naumann, Nelly (west.) 1922–2000; deutsche Japanologin und Mythenforscherin], die sich als Expertin der japanischen Mythologie einen Namen gemacht hat, spricht bei·spiels·weise in ihrem Haupt·werk lediglich von der „ein·heimischen Religion Japans“. Ich selbst sympa·thisiere mit diesem An·satz und verwende am liebsten den Begriff kami-Glaube. Im Rahmen dieser Web·site wird der Begriff „Shintō“ jedoch der all·gemeinen Ver·ständ·lich·keit halber bisweilen auch dort ver·wendet, wo man ihn besser unter geistige An·führungs·striche setzen sollte.
Verweise
Verwandte Themen
Fußnoten
- ↑ Motoori Norinaga, Kojikiden, Bd. 3. Übersetzt nach Matsumura Kazuo in Shintō jiten (1994), S. 37; für eine engl. Übersetzung siehe Concepts of Kami: Definitions and Typology (Encyclopedia of Shinto) [2011/10]).
- ↑
Beispielsweise beim buddhistischen Philosophen Zong Bing 宗炳, 375–444 (–79). Michael Radich schreibt dazu:
Zong Bing further explains the relation between vijñāna [Alltagsbewusstsein, B.S.] and the approach to awakening by the old analogy of a mirror obscured by dust, where vijñāna is the dust: just as a mirror can be obscured by a thin or a thick layer of dust, so spirit (shen 神) can be obscured by fine or coarse vijñāna, which “sticks” (fu 附) to spirit and obscures its original nature (like the “original brightness” [benming 本明] of the mirror). However, practicing (contemplation of) emptiness works to reduce the layer of obscuring vijñāna, and when it is eliminated entirely, “original spirit” (benshen 本神) is consummated (qiong 窮). The resulting state is nirvāṇa.
Hong ming ji 弘明集, nach Radich 2014, S. 476.
Internetquellen
- Encyclopedia of Shintō, Inoue Nobutaka (Hg.)
Englische Online Version des enzyklopädischen Wörterbuchs Shintō Jiten (1994). Ehr·geizigstes und viel·ver·sprech·endstes Web Projekt der Kokugakuin Daigaku. - Web Versions of IJCC Publications, Kokugakuin Daigaku
Online Resources der gleichen Universität, vor allem einzelne Fachartikel in Englisch. - Jinja Honchō - The Association of Shintō Shrines (en., jap.)
Offizielle Website der 1946 gegründeten Dachorganisation japanischer Schreine. Vertritt das oben beschriebene, traditionelle Shintō-Bild.
Literatur
Viele Einführungswerke des Shintō vertreten einen Ansatz, der mir aus den oben ge·schilderten Gründen problematisch erscheint, und können daher nicht wirklich empfohlen werden. Es gibt allerdings auch empfehlenswerte neuere Gesamtdarstellungen:
Etwas ausführlicher und aus dem deutschsprachigen Sprachraum, aber nicht ganz so aktuell, ist die dreibändige Serie "Die einheimische Religion Japans" im Brill Verlag:
Spezifische Werke zur historischen Problematik des Begriffs „Shintō“ (alle in Engl.):
Berühmter Artikel eines führenden japanischen Religionshistorikers, der zum Anstoß einer Neuorientierung in der westlichen Shintō-Forschung wurde.
- Japanese Journal of Religious Studies 29/3–4, 2002. (Online.) [Sondernummer des JJRS.]
Ausführlich, aber für meinen Geschmack zu „essentialistisch“:
Nur für überzeugte Shintō-Anhänger empfehlenswert:
Zitierte Literatur:
Glossar
- Asakusa Jinja 浅草神社 ^ Schrein im Bereich der Tempelanlage von Asakusa. Geweiht den drei Fischern, die den Tempel der Legende nach gründeten.
- Daikoku 大黒 ^ Gott des Reichtums und Stellvertreter der Sieben Glücksgötter (Shichi Fukujin); skt. Mahakala = „Großer Schwarzer“; auch Daikoku-ten
- Jiyū Minshu-tō 自由民主党 ^ japanische Liberal Demokratische Partei (LDP)
- Kaempfer, Engelbert (west.) ^ 1651–1716; deutscher Arzt und Naturforscher, Japanreisender (1790–1792); Autor einer detaillierten Japanbeschreibung
- kokka shintō 国家神道 ^ Staatsshintō, staatliche Ideologie der Moderne vor dem 2. WK
- kōshitsu shintō 皇室神道 ^ Imperialer Shintō, Shintō des kaiserlichen Hofes
- Meiji Ishin 明治維新 ^ Meiji Restauration, wtl. Meiji-Erneuerung, umfasst den politischen Umsturz 1867–68 und die nachfolgende Konsolidierung Japans als moderner Nationalstaat
- Meiji Tennō 明治天皇 ^ 1852–1912; 122. japanischer Kaiser (r. 1867–1912); Namensgeber und politische Symbolfigur der Meiji-Zeit; Eigenname: Mutsuhito
- minzoku shintō 民俗神道 ^ Volksshintō, Shintō als Volksreligion
- Naumann, Nelly (west.) ^ 1922–2000; deutsche Japanologin und Mythenforscherin
- Nichiro Sensō 日露戦争 ^ Russo-japanischer Krieg, Feb. 1904 – Sept. 1905, um Einfluss über Korea und die Mandschurei; gilt als erster Sieg einer asiat. Nation über eine europ. Großmacht
- Nikkō 日光 ^ Tempel-Schreinanlage im Norden der Kantō-Ebene, Präf. Tochigi; beherbergt u.a. den Tōshō-gū Schrein
- shinbutsu bunri no rei 神仏分離令 ^ Verordnungen zur Trennung von kami-[Schreinen] und Buddha-[Tempeln] (ab 1868)
- shinmei 神明 ^ generelle Bezeichnung für Schreingottheiten (kami); als Schreinnamen (Shinmei-sha) allerdings nur für Zweigschreine von Ise verwendet; s.a. shinmei-zukuri
- Shitennō-ji 四天王寺 ^ buddh. Tempel im heutigen Ōsaka; zählt zusammen mit dem Asuka-dera zu den beiden ältesten Tempeln Japans (Gründung 593)
- ^ Ein Beispiel für ein torii im einfachen, rustikalen shinmei-Stil.
Salvador Busquets Artigas, flickr (SBA73), 2008 (mit freundlicher Genehmigung). - ^ Portrait des Gelehrten Norinaga im Alter von 61 Jahren.
Werk von Yoshikawa Yoshinobu. Edo-Zeit, 1790. Motoori Norinaga Museum.
Religion in Japan, Inhalt
- 一 Grundbegriffe
- 二 Bauten
- 五 Mythen
- Einleitung
- Mythologie:
- Götter des Himmels
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- Jenseits:
- Jenseits
- Geister:
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- Tiere:
- Imaginäre Tiere
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- 六 Geschichte
- Einleitung
- Altertum:
- Prähistorie
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- Frühe kami-Kulte
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- Kūkai
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- Nichiren Buddhismus
- Mittelalterl. Shintō
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- Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
- Bishamon-ten: Wächter und Glücksgott
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- Lokale Vorstellungen, Japan:
- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
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„Shintō: Versuch einer Begriffsbestimmung.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001