Kappa, die Flussgeister

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Kappa, die Flussgeister
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1 Moderner kappa
Kappa-Figur aus dem Anime Kappa no Kū to natsuyasumi („Summer Days with Coo“).
Werk von Hara Keiichi. 2007. Bildquelle: unbekannt.

Kappa [kappa (jap.) 河童 Flussgeist, wtl. „Flussjunge“] sind vergleichsweise harmlose Wesen der japanischen Geisterwelt. Es handelt sich um Kobolde, die aus einer Kombination von Affe und Schildkröte entstanden zu sein scheinen und an den Ufern von Gewässern hausen. Auf vielen Abbildungen tragen sie eine Art Schildkrötenpanzer auf dem Rücken. In der modernen Manga [Manga (jap.) 漫画 wtl. „zehntausend Bilder“; ehemals eine Art von Infotainment, heute japanische Comics]-Kultur werden sie oft niedlich und putzig (jap. kawaii [kawaii (jap.) かわいい „süß“, „niedlich“; Kanji (nicht in Gebrauch): 可愛い (vgl. kawaii bunka)]) dargestellt. In älteren Darstellungen und Legenden sind jedoch auch kappa, ebenso wie andere yōkai [yōkai (jap.) 妖怪 Fabelwesen, Geisterwesen, Gespenster], ziemlich unheimlich und heimtückisch.

Unheimliche Charakteristika

Es heißt, kappa würden insbesondere Kinder gerne ins Wasser ziehen, um sie zu ertränken. In anderen Fällen tun sie das auch mit Pferden und Kühen. Manche Quellen wissen zu berichten, dass es die kappa dabei auf einen magischen Edelstein abgesehen haben, den sie im Anus ihrer Opfer vermuten. Wieder andere meinen, kappa würden die Leber ihrer Opfer essen. In jedem Fall versuchen die kappa ihre Opfer von hinten her zu attackieren und sind dabei offenbar ziemlich analfixiert.

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2 Kappa-Fangmaschine
Ein kappa fühlt sich vom blanken Hinterteil des Fischers sichtlich angezogen, vermutet er dort doch den magischen shirikodama (wtl. „Arschjuwel“). Der Fischer, der um diesen Effekt weiß, sitzt auf einer komplizierten Vorrichtung, um den kappa im richtigen Moment zu fangen.
Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Bildquelle: Muian, über Internet Archive.
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3 Kappa und Donnergott
Ein versehentlich in einen Fluss gestürzter Donnergott (Raijin) flieht vor einem Flussgeist (kappa).
Werk von Utagawa Hirokage. Edo-Zeit, 1859. Nichibunken, Kyōto.
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4 Sieg über einen bösartigen kappa
Die Szene illustriert die Geschichte eines Kriegers der sengoku-Zeit aus der Provinz Aki (Hiroshima) namens Ara-Gensaburō (auch Inoue Motoshige), der die Kraft von 70 Männern besaß. Hier sieht man ihn, wie er einen gewalttätigen Kappa namens Fushizaru (Schluchtaffe), der Frauen und Kinder verspeiste, unschädlich macht. (Quelle: Furuya Tomiyoshi, 1920.)
Werk von Tomioka Settei (1710–1787). Edo-Zeit, 1759. Museum für Kunstgewerbe, Hamburg.

Das eigentümlichste Merkmal der kappa ist eine Delle in ihrer Schädeldecke, die Sitz ihrer Kraft und zugleich ihre größte Schwachstelle darstellt, denn sie muss stets mit Flüssigkeit gefüllt sein. Gelingt es also, einen kappa umzudrehen, verliert er seine Kraft. Auch soll man kappa übertölpeln können, indem man sich tief vor ihnen verneigt. Da sie durchaus höflich sind, werden sie die Verbeugung erwidern und dann leert sich ihre Delle ...

Wissenschaftliche Abbildungen

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5 Kappa von Toriyama Sekien
Ein kappa steigt zwischen Lotosblüten und -blättern aus einem Teich.
Der Bildtext lautet: „Kappa, auch Kawatarō genannt.“ Kawatarō könnte man frei mit „Fluss-Hans“ oder „Fluss-Max“ ins Deutsche übersetzen.
Werk von Toriyama Sekien (1711–1788). Edo-Zeit. British Museum.

In der Edo-Zeit wurden kappa, ebenso wie andere Geisterwesen, auch Gegenstand quasi-naturwissenschaftlicher Dokumentationen in illustrierten Enzyklopädien. Eine frühe Darstellung findet sich bereits im Wakan sansai zue [Wakan sansai zue (jap.) 和漢三才図会 „Illustrierte [Enzyklopädie] der Drei Sphären [= Himmel, Erde, Mensch] in China und Japan“ von Terajima Ryōan, 1712; basiert auf dem chinesischen Sancai tuhui] aus dem, Jahr 1712. Die vielleicht bekannteste stammt jedoch von Toriyama Sekien [Toriyama Sekien (jap.) 鳥山石燕 1712–1788; Künstler und Gelehrter; vor allem bekannt für seine illustrierten Gespenster-Enzyklopädien] und zeigt einen kappa zwischen Lotosblüten, also in einem völlig naturalistischen Kontext (s.o.).

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6 Wassertiere, darunter auch ein kappa, von Hokusai
Doppelblatt mit teilweise imaginären, magisch begabten oder einfach ungewöhnlichen Wassertieren, darunter auch ein kappa (rechts unten). Die weiteren Tiere sind (von rechts oben nach links unten): Wassermann (ningyo 人魚); Flussotter (kawa uso 水獺); See-Maus (hier umiuji 海鼠, heute Seegurke); Wasser-Panther (suihyō 水豹); Schuppentier (ryōri 鯪鯉); See-Pferd (kaiba 海馬); suisai?
Werk von Katsushika Hokusai. Edo-Zeit. Internet Archive, (bildbearbeitet).

Katsushika Hokusai [Katsushika Hokusai (jap.) 葛飾北斎 1760–1849; Maler und Zeichner. Bekanntester Verteter des ukiyo-e-Farbholzschnitts] wiederum nahm einen kappa auf eine Doppelseite in Band drei seiner Manga-Serie auf, die man vielleicht am ehesten als infotainment charakterisieren könnte. Alle Wesen auf diesem Blatt sind imaginäre Wassertiere, die Hokusai aber wahrscheinlich für real hielt und sie möglichst „naturnah“ darstellte.

Sexuelle Angstphantasien

Noch in jüngerer Zeit hieß es, kappa würden sich gerne in Toiletten — natürlich in Toiletten traditionelle Bauart — aufhalten und inbesondere Frauen dort sexuell belästigen. Auch von Vergewaltigungen war die Rede und in der Edo -Zeit tötete man mitunter missgestaltete Babys, die als das Produkt derartiger sexueller Übergriffe interpretiert wurden.1 Ein „Frühlingsbild“ (shunga [shunga (jap.) 春画 wtl. „Frühlingsbilder“; Gemälde und Druckwerke mit expliziten sexuellen Darstellungen]) des berühmten Frauendarstellers Kitagawa Utamaro [Kitagawa Utamaro (jap.) 喜多川歌麿 1753–1806; ukiyo-e-Meister, vor allem für seine Frauenportraits berühmt] macht derartige Angst- und Lustphantasien auf hinterhältige Weise explizit, indem bei genauerem Hinsehen unterhalb der lasziven Perlentaucherin (ama [ama (jap.) 海女 Traditionelle, japanische Fischersfrau bzw. Perlentaucherin; ursprünglich bezog sich der Ausdruck ama 海士 auf sämtliche Fischer, wobei Männer in Booten fischten, während Frauen tauchten; im Laufe der Zeit wurde ama auf Frauen eingegrenzt und dem entsprechend 海女 („Meerfrau“) geschrieben]) in der Bildmitte eine zweite im Wasser auftaucht, die von zwei kappas vergewaltigt wird.

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7 Utamaros kappa
Eine Perlentaucherin (ama) wird unter Wasser von zwei Flussgeistern (kappa) vergewaltigt, während eine andere halb erschreckt, halb neidisch zusieht. Vielleicht imaginiert sie sich aber auch nur selbst in sexuellem Kontakt mit den kappa. Perlentaucherinnen bzw. Fischerinnen sind ein beliebtes erotisches Sujet der Edo-Zeit, die Kombination mit kappa scheint jedoch Utamaros Idee gewesen zu sein. Der Band mit erotischen Bildern (shunga), dem diese Illustration angehört, erschien im übrigen anonym, doch sind sich Experten einig, dass die Illustrationen von Utamaro stammen.
Werk von Kitagawa Utamaro (1753–1806). Edo-Zeit. British Museum.

Nahrungsopfer

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8 Kappa maki
Digitale Zeichnung von Sushi mit Gurken (kappa maki).
Bildquelle: Irasuto no sato.

Trotz oder gerade wegen ihres unheimlichen Charakters werden kappa in ländlichen Schreinen oder Volksfesten verehrt, um sie günstig zu stimmen und die von ihnen ausgehenden Gefahren abzuwehren. Dabei werden ihnen zumeist Gurken als Nahrungsopfer dargeboten, denn Gurken gelten als ihre Lieblingsspeise. Aus diesem Grund nennt man auch Sushi aus Reis und Gurken „kappa-Röllchen“ (kappa maki [kappa maki (jap.) かっぱ巻き mit Gurken gefüllte Sushi-Röllchen; Gurken gelten als die Lieblingsspeise der Flussgeister (kappa)]).

Verweise

Fußnoten

  1. Foster 1998.

Literatur

Siehe auch Literaturliste

Michael Dylan Foster, „The Metamorphosis of the Kappa: Transformation of Folklore to Folklorism in Japan“. Asian Folklore Studies 57/1 (1998), 1–24.

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
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    Kappa-Figur aus dem Anime Kappa no Kū to natsuyasumi („Summer Days with Coo“).
    Werk von Hara Keiichi. 2007. Bildquelle: unbekannt.
  2. ^ 
    Kappa hokusai.jpg
    Ein kappa fühlt sich vom blanken Hinterteil des Fischers sichtlich angezogen, vermutet er dort doch den magischen shirikodama (wtl. „Arschjuwel“). Der Fischer, der um diesen Effekt weiß, sitzt auf einer komplizierten Vorrichtung, um den kappa im richtigen Moment zu fangen.
    Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Bildquelle: Muian, über Internet Archive.
  3. ^ 
    Kappa und Donner.jpg
    Ein versehentlich in einen Fluss gestürzter Donnergott (Raijin) flieht vor einem Flussgeist (kappa).
    Werk von Utagawa Hirokage. Edo-Zeit, 1859. Nichibunken, Kyōto.
  4. ^ 
    Aragensaburo.jpg
    Die Szene illustriert die Geschichte eines Kriegers der sengoku-Zeit aus der Provinz Aki (Hiroshima) namens Ara-Gensaburō (auch Inoue Motoshige), der die Kraft von 70 Männern besaß. Hier sieht man ihn, wie er einen gewalttätigen Kappa namens Fushizaru (Schluchtaffe), der Frauen und Kinder verspeiste, unschädlich macht. (Quelle: Furuya Tomiyoshi, 1920.)
    Werk von Tomioka Settei (1710–1787). Edo-Zeit, 1759. Museum für Kunstgewerbe, Hamburg.
  1. ^ 
    Kappa.jpg
    Ein kappa steigt zwischen Lotosblüten und -blättern aus einem Teich.

    Der Bildtext lautet: „Kappa, auch Kawatarō genannt.“ Kawatarō könnte man frei mit „Fluss-Hans“ oder „Fluss-Max“ ins Deutsche übersetzen.
    Werk von Toriyama Sekien (1711–1788). Edo-Zeit. British Museum.

  2. ^ 
    Kappa hokusai3.jpg
    Doppelblatt mit teilweise imaginären, magisch begabten oder einfach ungewöhnlichen Wassertieren, darunter auch ein kappa (rechts unten). Die weiteren Tiere sind (von rechts oben nach links unten): Wassermann (ningyo 人魚); Flussotter (kawa uso 水獺); See-Maus (hier umiuji 海鼠, heute Seegurke); Wasser-Panther (suihyō 水豹); Schuppentier (ryōri 鯪鯉); See-Pferd (kaiba 海馬); suisai?
    Werk von Katsushika Hokusai. Edo-Zeit. Internet Archive, (bildbearbeitet).
  3. ^ 
    Kappa shunga.jpg
    Eine Perlentaucherin (ama) wird unter Wasser von zwei Flussgeistern (kappa) vergewaltigt, während eine andere halb erschreckt, halb neidisch zusieht. Vielleicht imaginiert sie sich aber auch nur selbst in sexuellem Kontakt mit den kappa. Perlentaucherinnen bzw. Fischerinnen sind ein beliebtes erotisches Sujet der Edo-Zeit, die Kombination mit kappa scheint jedoch Utamaros Idee gewesen zu sein. Der Band mit erotischen Bildern (shunga), dem diese Illustration angehört, erschien im übrigen anonym, doch sind sich Experten einig, dass die Illustrationen von Utamaro stammen.
    Werk von Kitagawa Utamaro (1753–1806). Edo-Zeit. British Museum.
  4. ^ 
    Kappamaki.png
    Digitale Zeichnung von Sushi mit Gurken (kappa maki).
    Bildquelle: Irasuto no sato.

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • ama 海女 ^ Traditionelle, japanische Fischersfrau bzw. Perlentaucherin; ursprünglich bezog sich der Ausdruck ama 海士 auf sämtliche Fischer, wobei Männer in Booten fischten, während Frauen tauchten; im Laufe der Zeit wurde ama auf Frauen eingegrenzt und dem entsprechend 海女 („Meerfrau“) geschrieben
  • kappa 河童 ^ Flussgeist, wtl. „Flussjunge“
  • kappa maki かっぱ巻き ^ mit Gurken gefüllte Sushi-Röllchen; Gurken gelten als die Lieblingsspeise der Flussgeister (kappa)
  • Katsushika Hokusai 葛飾北斎 ^ 1760–1849; Maler und Zeichner. Bekanntester Verteter des ukiyo-e-Farbholzschnitts
  • kawaii かわいい ^ „süß“, „niedlich“; Kanji (nicht in Gebrauch): 可愛い (vgl. kawaii bunka)
  • Kitagawa Utamaro 喜多川歌麿 ^ 1753–1806; ukiyo-e-Meister, vor allem für seine Frauenportraits berühmt
  • Manga 漫画 ^ wtl. „zehntausend Bilder“; ehemals eine Art von Infotainment, heute japanische Comics
  • shunga 春画 ^ wtl. „Frühlingsbilder“; Gemälde und Druckwerke mit expliziten sexuellen Darstellungen
  • Toriyama Sekien 鳥山石燕 ^ 1712–1788; Künstler und Gelehrter; vor allem bekannt für seine illustrierten Gespenster-Enzyklopädien
  • Wakan sansai zue 和漢三才図会 ^ „Illustrierte [Enzyklopädie] der Drei Sphären [= Himmel, Erde, Mensch] in China und Japan“ von Terajima Ryōan, 1712; basiert auf dem chinesischen Sancai tuhui
  • yōkai 妖怪 ^ Fabelwesen, Geisterwesen, Gespenster
Religion in JapanMythen
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Kappa, die Flussgeister.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001