Essays/Horrorklassiker

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Horror-Klassiker aus der Edo-Zeit

hyakumonogatari
Beginn einer Runde Geistergeschichten (hyaku monogatari).
Illustration aus Kawanabe Kyōsais Gespensterbuch Hyakki gadan, 1889.
Bildquelle: Nichibunken [2010/9]

In der

Edo 江戸 (jap.)

Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);

Ort, Epoche

Der Begriff „Edo“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Glossarseiten

Bilder

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Geographische Lage

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Geographische Lage von Edo; s.a. Geo-Glossar

-Zeit gab es ein Gesellschafts·spiel namens „Hundert Geschichten“, bei dem man sich gegen·seitig Grusel·geschichten erzählte. „Hundert Geschichten“ (Hyaku monogatari) ist daher auch der Titel einer (lediglich fünfteiligen) Serie von „Gespensterportaits“, in denen der berühmte Ukiyoe-Künstler Katsushika Hokusai (1760–1849) die be·kanntesten Gruselmotive seiner Zeit festhielt.

Alle Bilder illustrieren Erzählungen, in denen Liebe, Eifersucht und Mord letzt·lich dazu führen, dass eine Person nach dem Tod nicht zur Ruhe kommt und sich in einen Rachegeist ver·wandelt. Die meisten Motive entstammten dem Kabuki Theater und waren zur da·maligen Zeit so be·kannt, dass eine Andeutung genügte, um dem Be·trach·ter die Geschichte in Erinnerung zu rufen. Die unten ab·ge·bildeten Bild·bei·spielen von Hokusai und seinen Zeit·ge·nossen (bitte zum Vergrößern anklicken) könnten also alle auch als Vor·lage jener Geschichten ge·dient haben, mit denen der Er·zähler auf der Ab·bildung oben seinen Zuhörern wohlige Schauer über den Rücken jagt.

Motive und Variationen

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Okiku

Okiku ist eine Magd, die ihrem Herrn die Liebe verweigert und darauf·hin von ihm in einen Brunnen ge·stürzt wird. Der Vor·wand für seine Tat: Sie habe einen Teller ent·wendet, den er in Wirk·lich·keit selbst ver·steckte. Daher ihre Er·scheinung als Teller zählendes, bzw. teller·förmiges Gespenst (s. Hokusais Okiku).

Die Illustrationen von Hiroshige und Yoshitoshi illustrieren eine Version der Tellergespenst-Er·zählung, laut welcher Okiku tat·säch·lich einen der Teller zerbricht, um die Liebe ihres Herren zu testen. Auch in dieser Version wird sie darauf von ihrem Herrn in einen Brunnen ge·stürzt. Als sie aber dem Brunnen als teller·zählender Geist wieder ent·steigt, nimmt sich ihr Herr und Lieb·haber aus schlechtem Gewissen selbst das Leben.

Die tragische Geschichte der Okiku existierte wahr·schein·lich schon vor Beginn der Edo Zeit. 1741 wurde sie unter dem Titel Banchō sarayashiki (Das Tellerhaus in Banchō) für die Bühne adaptiert.

Oiwa

Oiwa wird von Iemon, ihrem grausamen Ehemann be·trogen und ver·giftet, sodass sie einen qualvollen Tod stirbt. Sie er·scheint je·doch als Geist wieder und zwar mit ihrem durch Gift ent·stellten Gesicht. Dieses zeigt sich dem Iemon nicht nur in einem zer·schlis·senen Friedhofslampion, wie bei Hokusai und Kuniyoshi, sondern auch an·stelle seiner neuen Ehe·frau. Als Iemon den Geist ver·nichten will, tötet er statt dessen seine frisch·ver·mählte Braut, um derent·willen er den Mord an Oiwa vollführt hat.

Oiwa ist heute einer der bekanntesten Rachegeister des Kabuki Theaters. Die Geschichte wurde erst·mals 1825 in einem Stück namens Yotsuya kaidan auf die Bühne ge·bracht und ist seither in immer neuen Versionen dramatisiert, bzw. für das Kino adaptiert worden.

Männliche Totengeister

Schwache Frauen, die sich gegen Unterdrückung und Aus·beu·tung nur wehren können, indem sie sich nach ihrem Tod in Rache·geister ver·wan·deln, stehen ein·deutig im Zentrum ja·pa·nischer Ge·spens·ter·ge·schich·ten. Es gibt jedoch auch ein paar männ·liche Ver·treter dieses Typs. Einer davon ist Kohada Koheiji, der als tragischer Held in einer Ge·schich·te des Autors und Malers Santō Kyōden erstmals im Jahr 1803 auf·tauchte und bald auch auf der Kabuki Bühne zu sehen war: Koheiji wird von seiner Frau und seinem Neben·buhler ermor·det, rückt ihnen aber des Nachts als Rache·geist zu Leibe und treibt sie in den Wahn·sinn. Auf Hokusais Bild grinst er gerade über den Rand des Moskito·netzes.

Asakura Tōgo (s. Abb. von Kuniyoshi) ist ein Dorf·vor·steher, der sich der aus·beu·terischen Besteue·rung seines Landes·herren widersetzt, dafür brutal hin·ge·rich·tet wird und schließ·lich als Rache·geist den Landes·herren und seine Familie in Wahn·sinn und Tod treibt.

Lachende Hannya

Hannya sind gehörnte weibliche Dämonen, die eine wichtige Rolle in den Gespensterstücken des Nō Theaters spielen. Der Name Hannya soll auf den Schöpfer der ent·sprechenden Maske im Nō zurück·gehen. Ironischerweise ist hannya ur·sprüng·lich ein buddhistischer Begriff, der sich von Sanskrit prajna herleitet und soviel wie „Einsicht“ bedeutet.

Hokusais Motiv der lachenden Hannya, die offenbar drauf und dran ist, einen Säugling zu ver·speisen, soll sich von einer Legende aus Nagasaki herleiten.

Die Legende von der Dämonin des Rashō-mon (Abb. Kuniyoshi) ist eine klassische Ge·spenster·ge·schich·te aus der

Heian 平安 (jap.)

auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)

Ort, Epoche

Der Begriff „Heian“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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Bilder

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Geographische Lage

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Geographische Lage von Heian; s.a. Geo-Glossar

-Zeit, die den Kampf des un·er·schrock·enen Kriegers Watanabe Tsuna mit einer weib·lichen Dämonin zum Thema hat: Die Dämonin haust im Rashō-mon, einem der Stadt·tore Kyotos, und macht von hier aus die Stadt un·sicher. Trotz seines Mutes und seiner Kraft gelingt es Tsuna ledig·lich, ihr mit dem Schwert einen Arm ab·zu·hacken (den sie schlussendlich wieder in ihren Besitz bringt). Die Attacke der Dämonin und Tsunas geistes·gegen·wärtiger Schwerthieb sind ein be·liebtes Ukiyoe-Motiv. Meist ver·lieh man dabei der Dämonin das Gesicht einer Hannya Maske.

Die Schlange als Sinnbild erotischer Obsession (shūnen)

Das letzte Bild in Hokusais Serie wirkt auf den ersten Blick friedlich, ist aber voller un·heim·licher Anspielungen. Schlangen sind u.a. ein Sinnbild der Eifer·sucht oder der obsessiven Umkehr von Liebe in Hass. Es hieß, dass ins·besondere eifer·süchtige Frauen, die aus ent·täuschter Liebe starben, als Schlangen wiedergeboren werden würden.

Die Schlange windet auf Hokusais Bild um das Totentäfelchen (

ihai 位牌 (jap.)

Ahnentäfelchen

Gegenstand

Der Begriff „ihai“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Bilder

  • Schlange hokusai.jpg
  • Butsudan.gif

) eines Mannes. Wie ab·sichts·los schwimmt ein Blatt in einer Schale mit bud·dhis·tischem Duftwasser, das dem Toten zur Seite ge·stellt wurde. Das Blatt könnte aber auch ein Mit·bringsel der Schlange sein, die dem Toten einen Besuch ab·stattet. Gleich·zeitig ver·schmilzt das Muster ihrer Haut mit den Stoffen, durch die sie hin·durch·kriecht. Vielleicht waren das ehe·mals ihre eigenen Gewänder und die Existenz als Schlange ist das Ende einer Karriere als Rachegeist, der den un·treuen Ehemann in den Tod getrieben hat? Vorlage:Sidebox

Hokusais Bild gemahnt an die Legende von

Kiyohime 清姫 (jap.)

Heldin einer berühmten Legende aus der Heian-Zeit (10. Jh.); Sinnbild rasender Eifersucht

Fiktive Person

Der Begriff „Kiyohime“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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  • Kiyohime yoshitoshi.jpg
  • Kuniyoshi kiyohime1.jpg
  • Dojojiengi.jpg

, die von Kuniyoshi und Yoshitoshi illustriert wird: Kiyohime hat ein Ver·hältnis mit einem jungen Mönch. Als dieser sich seiner religiösen Gelübde be·sinnt und sie ver·lassen will, ver·folgt sie ihn und ver·wandelt sich, ge·trieben von ihrer Eifer·sucht, im Zuge der Ver·folgung in eine Schlange. Schluss·endlich versteckt sich der Mönch unter einer Tempel·glocke, doch die Schlange windet sich um die Glocke und ent·wickelt eine der·artige Hitze, dass der Mönch darin zu Tode kommt. Die Legende stammt aus dem japani·schen Altertum und findet sich unter anderem in den „Geschichten aus alter und neuer Zeit“ (

Konjaku monogatari 今昔物語 (jap.)

„Geschichten aus alter und neuer Zeit“ (12. Jh.); umfangreiche Sammlung von Geschichten und Anekdoten, meist aus einem buddhistischen Kontext

Text

Der Begriff „Konjaku monogatari“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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  • Rashomon yoshitoshi.jpg
  • 10hahn.jpg
  • Ubume hokusai.jpg

). In der ursprüng·lichen Fassung stirbt Kiyohime aus ent·täusch·ter Liebe, wird aber unmittel·bar nach ihrem Tod als Riesen·schlange wieder·geboren und verfolgt den Mönch in dieser Gestalt.

Totengeister von Kyōsai und Yoshitoshi

Kawanabe Kyōsai fertigte mehrere Portraits von un·heim·lichen Totengeistern (

yūrei 幽霊 (jap.)

Totengeist

Geist

Der Begriff „yūrei“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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) an, ohne konkret an·zu·geben, auf welche Geschichten sich seine Dar·stel·lungen bezogen. In beinahe psycho·analytischer Weise betont er die obsessiven psychischen Kräfte, die sich in den Totengeistern verkörpern.

Yoshitoshi nimmt die Motive seiner Vorgänger in seiner Gespensterserie erneut auf, lässt aber auf den hier ge·zeigten Bildern alle vor·der·gründig-gespenstischen Elemente bei·seite. Die Ver·wandlung einer Frau in eine Schlange deutet sich lediglich durch die merk·würdige Silhouette der Figur und durch das Muster des Kimonos an. Stoff·muster, die die Schuppen der Schlangen·haut an·deuten, finden sich auch in den Schlangenbildern Hokusais und Kuniyoshis.

Von Kaidan zu J-Horror

Die Edo-Zeit gilt allgemein als eine Blütezeit des Horror·genres, sowohl auf liter·arischem als auch auf bildnerischem Gebiet. Besonders im neun·zehnten Jahr·hundert scheint die Be·geisterung für das Über·sinnliche einen Höhe·punkt erfahren zu haben. Wie die obigen Ab·bildungen zeigen, haben viele der heute noch be·kannten Gespenster·geschichten (

kaidan 怪談 (jap.)

Gespenstergeschichte

Text

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Glossarseiten

) ihre Wurzeln in dieser Zeit. Neben den traditionellen Fabelwesen (

yōkai 妖怪 (jap.)

Fabelwesen, Geisterwesen, Gespenster

Geist

Der Begriff „yōkai“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Glossarseiten

Bilder

  • Daruma yokai kuniyoshi.jpg
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  • Hyakkiyako.jpg

) spielten auch Totengeister (yūrei) eine immer größere Rolle. Geistergeschichten und -dar·stel·lungen erfreuten sich in der ausgehenden Edo-Zeit unter anderem deshalb großer Be·liebt·heit, weil eine zu·nehmend strengere Zensur fast alle anderen gegen·warts·bezogenen Themen untersagte. Die Welt des Übersinnlichen — ob sie nun für real gehalten wurde oder nicht — galt jedoch als politisch un·ver·dächtig und wurde daher zu·nehmend als Projektionsfläche für die Dar·stel·lung aller möglichen ge·sell·schaft·lichen Missstände herangezogen. In der

Meiji 明治 (jap.)

posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt

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-Zeit, als die Welt der Geister und Fabel·wesen einen beinahe schon nostalgischen Touch erhielt, verhalfen Kawanabe Kyōsai oder Tsukioka Yoshitoshi dem morbiden Grauen der Edo-Zeit zu einer letzten Blüte. Viele Motive aus dieser Zeit lassen sich aber nach wie vor in japanischen Horrorfilmen und Manga wiederfinden.

Religion in JapanEssays
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„Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001