Nikkō, das spirituelle Zentrum des Tokugawa Shōgunats
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Der Tempel-Schrein Komplex von Nikkō [Nikkō (jap.) 日光 Tempel-Schreinanlage im Norden der Kantō-Ebene, Präf. Tochigi; beherbergt u.a. den Tōshō-gū Schrein] im Norden der Kantō-Region wurde schon in der Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit (8.–12. Jh.) als heiliger Ort verehrt. Zu landes·weiter Bedeutung stieg der Ort aller·dings erst auf, als das Mausoleum des ersten Tokugawa Shōguns [Shōgun (jap.) 将軍 Shōgun; Titel der Militärherrscher aus dem Kriegeradel (bushi, Samurai)], Tokugawa Ieyasu [Tokugawa Ieyasu (jap.) 徳川家康 1543–1616; Begründer des Tokugawa Shogunats; Reichseiniger], hierher verlegt wurde. Nikkō wurde damit das spirituelle Zentrum der Tokugawa-Dynastie, die Japan über zwei·ein·halb Jahr·hunderte (von 1600–1867) regierte, und ist zugleich das re·prä·sen·ta·tivste archi·tek·to·nische Beispiel für den shōgunalen Herr·scher·kult der Edo [Edo (jap.) 江戸 Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);]-Zeit. Die Anlage wurde 1999 als UNESCO Kultur·erbe aus·ge·zeich·net.
Religiöse Anlage
Vorlage:WmaxX Der obige Plan aus der späten Edo-Zeit zeigt die wich·tigs·ten religiösen Gebäude von Nikkō, die auch heute noch mehr oder weniger unverändert dort zu finden sind. Den pro·mi·nen·tes·ten Platz hält dabei der Tōshō-gū [Tōshō-gū (jap.) 東照宮 Tōshō Schrein, Mausoleum des Tokugawa Ieyasu in Nikkō, Präf. Tochigi] inne, wo Ieyasu als Gott verehrt wird. Er ist auf dem Plan als ummauerter Teil·bereich rechts der Bildmitte zu erkennen. In dieser Form entstand die Anlage erst zwanzig Jahre nach Ieyasus Tod, 1634–1635 unter seinem Enkel Iemitsu [Tokugawa Iemitsu (jap.) 徳川家光 3. Tokugawa Shōgun (1604–1651), r. 1623–1651], der sich eben·falls am gleichen Ort ein Mau·so·leum (Taiyū-in [Taiyū-in (jap.) 大猷院 Mausoleum des 3. Tokugawa Shōguns, Iemitsu, err. 1652–53], der um·mau·er·te Bereich links des Tōshō-gū) errichten ließ.
Der Plan zeigt jedoch auch eine Anzahl weiterer Tempel- und Schreinbauten, die einem alten Pilgerzentrum angehören, das sich vom heutigen Zentrum der Anlage bis zum zwanzig Kilometer entfernten Chūzenji-See (Abb. oben, links) mit seinen ein·drucks·vollen Wasser·fällen erstreckt. Auf dem Plan sind die Ent·fer·nun·gen zwischen den einzelnen Teil·anlagen natürlich stark verkürzt dargestellt. Mit heutigen tech·ni·schen Mitteln ist ihre Be·sich·ti·gung zwar an einem Tag zu schaffen, es empfehlen sich aber mindestens zwei Tage, wenn man sowohl dem Haupt·schrein als auch den umge·benden Natur·sehens·würdig·keiten die gebührende Auf·merk·samkeit zukom·men lassen möchte.
Das gesamte Heiligtum von Nikkō wird im Norden durch hohe Berge begrenzt. Drei dieser Berge bilden so etwas wie eine Familie bestehend aus Vater (Nantai-san), Mutter (Nyoho-san) und Kind (Tarō-san), die zugleich als die Haupt·gott·hei·ten des Futarasan [Futarasan Jinja (jap.) 二荒山神社 ursp. Schrein des Tempel-Schrein Komplexes von Nikkō (Tochigi-ken)] Schreins angesehen werden. Dieser Schrein wird bereits in den Engishiki [Engishiki (jap.) 延喜式 „Bestimmungen der Engi Ära“; Gesetzeswerk mit zahlreichen religionspol. Bestimmungen, v.a. zum Schreinzeremoniell, aus dem 10. Jh.] aus dem zehnten Jahr·hun·dert als Haupt·schrein der alten Provinz Shimotsuke (heute Tochigi-ken) aus·ge·wie·sen und repräsentiert das ur·sprüng·liche Heiligtum von Nikkō.1 Die ältesten Schreine und Tempel der Anlage leiten sich jedoch historisch noch weiter zurück, nämlich auf einen buddhistischen Mönch der Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō]-Zeit namens Shōdō [Shōdō (jap.) 勝道 735–817; buddhistischer Mönch aus Ost-Japan, in erster Linie als Gründer des religiösen Zentrums von Nikkō bekannt] (735–817). Er soll in der Kantō-Region mehrere namhafte Tempel ge·grün·det haben. In der Ent·stehungs·geschichte von Nikkō sind also Bud·dhis·mus und ein·hei·mische Berg·götter bereits aufs Engste miteinander verbunden. Folgerichtig wurde Nikkō im japanischen Mittel·alter zu einem Zentrum des syn·kre·tis·tischen Berg·kults Shugendō [Shugendō (jap.) 修験道 gemischt-rel. Bergkult, Orden der yamabushi].
Eingangsbereich
Nipponisimo, 2008.
Um die Anlage zu betreten, muss man den Fluss Daiyagawa überqueren, der die süd·liche Grenze des Areals dar·stellt. Die elegante „Götter·brücke“ markiert den Haupt·zu·gang (auf dem obigen Plan rechts unten). Zur Gänze mit zinnober·rotem Lack bedeckt, diente sie seit jeher lediglich für ze·re·mo·nielle Zwecke oder den höchsten Adel, während ge·wöhn·liche Unter·tanen, so sie überhaupt das Privileg erhielten, den Schrein zu besuchen, eine wenige Meter fluss·abwärts gele·gene Brücke benützten, die heute durch eine schnöde Beton·konstruk·tion für den Auto·verkehr ersetzt worden ist. Jenseits der beiden Brücken liegt die Haupt·anlage des Tempel-Schrein Komplexes auf einem terrassenförmig gestalteten Hang. Die prächtigen Gebäude befinden sich — wie etwa auch auf Berg Kōya [Kōya-san (jap.) 高野山 Klosterberg südl. von Nara; sprituelles Zentrum des Shingon Buddhismus] — in einem hohen Zedern·wald, der sie dem Blick von außen entzieht und mit einem mystischen Flair umgibt. Diese Zedern (sugi [sugi (jap.) 杉 Japanische Zeder]) wurden allerdings erst anlässlich der Errichtung der shōgunalen Mausoleen, also Anfang des sieb·zehn·ten Jahr·hun·derts, gepflanzt.
Das Yōmei-mon
Das Tor zum zentralen Teil der Anlage, das Yōmei-mon [Yōmei-mon (jap.) 陽明門 „Tor der Sonnenklarheit“; ursprünglich Name des östlichen Tores im Kaiserpalast von Kyōto, später auch in Nikkō errichtet], durfte früher nur von hoch·ran·gigen Mit·glie·dern des Adels durch·schrit·ten werden. Doch selbst wenn man als gewöhn·licher Sterb·licher nur bis hier her ge·langte, bot das Tor mit seinen zahl·losen Schnit·ze·reien Anlass, einen ganzen Tag lang selbst·ver·ges·sen in Be·trach·tung seines opulenten Dekors vor ihm zu verweilen — so jedenfalls die Begründung für einen seiner Bei·na·men: Higurashi-mon („Das Tor, wo man den ganzen Tag zubringt“). Die Grund·form dieses Tores erinnert stark an buddhis·tische Tempeltore, doch weichen viele Details von der bud·dhis·tischen Stan·dard·iko·nographie ab.
Edo-Zeit, 1636. Matsui Fumio/TOKYO VIEWS, flickr 2010.
Zunächst fallen ungewöhnlich viele legendäre Tiere ins Auge: Drachen, Löwen (oder viel·leicht eher komainu [komainu (jap.) 狛犬 wtl. „Korea-Hund“, auch „Löwenhund“; Wächterfigur vor religiösen Gebäuden]-artige Mischun·gen von Löwe und Hund), kirin-Drachen·pferde,2 und Ele·fanten (oder genauer: baku [baku (jap.) 獏 Baku, elefantenartiges legendäres Tier, das Träume frisst; auch: Tapir], die sowohl Rüssel als auch Klauen besit·zen und als Beschüt·zer vor bösen Träumen gelten). Diesen Tieren wird allge·mein eine Schutz·funk·tion vor bösen Geistern zuge·spro·chen, weshalb sie auch anderswo Tempel und Schreine zieren, doch in so großer Zahl wie am Yōmei-mon findet man diese tierischen Beschützer ansonsten kaum. Darüber hinaus gibt es aber auch mensch·liche Figu·ren: Neben Kon·fuzius im Kreise seiner Schü·ler sind z.B. die vier ele·ganten Vergnü·gun·gen des Ge·lehr·ten (kinkishoga [kinkishoga (jap.) 琴棋書画 die Vier Eleganten Zerstreuungen des klassischen chinesischen Gelehrten: Laute, Brettspiel (Go), Kalligraphie, Malerei.]) dar·gestellt: Lauten·spiel (koto [koto (jap.) 琴 Mit 13 Saiten bespannte Wölbbrettzither; aus China übernommenes Instrument der klassischen höfischen Musik Japans]), Brett·spiel (Go), Kalli·graphie und Male·rei. Diese aus·geprägt chine·sische Motiv·wahl ist eines der neuar·tigen Ele·mente aus der Entste·hungs·zeit des Yōmei-mon, die man auf älte·ren religiö·sen Ge·bäu·den nicht findet. Man bemühte sich offenbar bewusst, Al·ter·na·tiven zur meditative Ruhe der Buddhas einerseits und der respekt·ein·flößen·den Kraft der zornvollen Mantra-Könige andererseits in die religiöse Ikono·graphie aufzunehmen. Zu dieser Abkehr von traditionellen Motiven passt es auch, dass die übli·chen bud·dhis·tischen Tor·wäch·ter (niō [niō (jap.) 仁王 Wächterfigur, Torwächter]) im Yōmei-mon durch realis·tische Darstel·lungen von japa·nischen Bo·gen·schüt·zen ersetzt sind.
Bildquelle: unbekannt.
Der Tōshō-gū ist somit ein an·schau·liches Bei·spiel für das In·einander·greifen religiöser Richtungen in Japan, wobei in diesem Fall zur üblichen Verbindung ein·hei·mischer und bud·dhis·tischer Gott·heiten noch die als Heilige verehrten Weisen aus der chi·ne·sischen My·tho·lo·gie hinzukommen. Die Viel·zahl an religiösen Bezügen findet ihre Ent·sprechung in einer besonders ornament- und figuren·reichen Schrein·architektur, die nicht nur am Yōmei-mon, sondern beispielsweise auch am „chinesischen Tor“ (Kara-mon), das zum innersten Bereich der Anlage führt, deutlich zum Aus·druck kommt.
Dämonenabwehr und die Furcht vor der Perfektion
Vorlage:Sidebox3 Vorlage:Sidebox3 Abgesehen von den bis ins kleinste Detail aus·gear·bei·teten figu·rati·ven Moti·ven enthält das Yōmei-mon noch eine wei·tere Be·son·der·heit, die nur Ein·ge·weih·ten ins Auge fällt: es han·delt sich um eine der zwölf weiß be·mal·ten Trä·ger·säu·len, die mit der glei·chen orna·men·talen Struk·tur (einem stili·sierten Affen·ge·sicht) wie alle ande·ren Säu·len ver·ziert ist, aber um 180 Grad verdreht; die Säule ist also quasi auf den Kopf gestellt. Dies ist nicht etwa ein Ver·se·hen, son·dern ver·dankt sich einem be·son·deren Tabu, von dem man schon in den mit·telal·ter·lichen „Auf·zeich·nun·gen aus Muße·stun·den“ (Tsurezuregusa [Tsurezuregusa (jap.) 徒然草 „Aufzeichnungen aus Mußestunden“; Gedanken und Anekdoten von Yoshida Kenkō, verfasst ca. 1330–1332], Abschnitt 82) erfährt: Dort heißt es, dass ein allzu per·fek·tes Eben·maß Unglück brächte. Und genau aus diesem Grund habe man in den kai·ser·lichen Paläs·ten stets darauf geach·tet, auf jeden Fall ein Detail unvoll·endet zu lassen. Der umgedrehte Pfeiler des Yōmei-mon ist also gemäß dieser Vor·stel·lung ein — zwei·fel·los per·fekt aus·gear·bei·tetes — Anti-Per·fek·tions·ele·ment. Im übrigen schei·nen umge·dreht auf·gestellte Baum·stämme auch im Volks·glau·ben der Geister·ab·wehr gedient zu haben. Die be·son·dere Säule des Yōmei-mon trägt daher auch die Be·zeich·nung „umge·drehte Dämo·nen·abwehr-Säule“ (mayoke no sakabashira [mayoke no sakabashira (jap.) 魔除けの逆柱 „umgedrehte Dämonenabwehr-Säule“ des Yōmei-mon im Tōshō-gū Schrein, Nikkō]).
Affen und Katzen
Werk von Hidari Jingoro. Edo-Zeit, 17. Jh. Ron Reznick, 2004.
Innerhalb der reichen Schni·tze·rei·en des Tōshō-gū stechen einzelne Tiere heraus, die direkt aus dem Alltag heraus·gegriffen zu sein scheinen und wahrscheinlich aus diesem Grund besonders populär sind. Hier sind als erstes die Drei Weisen Affen zu erwähnen. Sie befinden sich an einem Nebengebäude, das als Stall konzipiert ist. Ihre Be·deu·tung erklärt sich aus volks·tüm·lichen Vor·stel·lun·gen von der besonderen Wirkung von Affen auf Pferde und dem sogenannten kōshin [kōshin (jap.) 庚申 Kalendereinheit; Kombination von Metall und Affe im 60er Zyklus]-Glauben (siehe dazu Kapitel Mythen, Drei Affen).
Werk von Hidari Jingorō. Edo-Zeit, 17. Jh. Ron Reznick, 2004.
Beinahe ebenso bekannt ist die Schlafende Katze (jap. maneki neko [maneki neko (jap.) 招き猫 winkende Katze, Winkekatze; Glücksbringer, besonders für geschäftlichen Erfolg]), die sich über dem Eingang zu Ieyasus buddhis·tischem Grab befindet. Die Statue wird dem legen·den·um·wobenen Künstler Hidari Jingorō [Hidari Jingorō (jap.) 左甚五郎 sagenumwobener Meisterbildhauer der frühen Edo-Zeit, der Statuen so naturgetreu anfertigte, dass sie zum Leben erwachten] zuge·schrieben. Es heißt, Jingorō habe mit dieser Darstel·lung auf den ver·schla·genen Charak·ter des Shōguns anspie·len wollen, der sich gleich einer Katze gerne schlafend stellte, obwohl er alles um sich herum sehr wohl wahr·nahm.
Kara-mon, Haupthalle und Innerer Schrein
Frühe Edo-Zeit, 17. Jh. Ron Reznick, 2004 (mit freundlicher Genehmigung).
Vom Yōmei-mon führt der Weg durch die Anlage weiter bergauf, bis man endlich zur Haupthalle gelangt. Diese wird durch ein weiteres prächtiges Tor, das Kara-mon [Kara-mon (jap.) 唐門 wtl. chinesisches Tor; Tor mit wellenförmig aufgewölbter Dachkante (meist über dem Eingang); trotz seines Namens ist dieser Baustil spezifisch für die japanische Holzarchitektur; das bekannteste karamon in Nikkō ist darüber hinaus auch tatsächlich mit chinesischen Motiven geschmückt] (Chinesisches Tor) geschützt. Das Kara-mon ist kleiner als das Yōmei-mon, aber mindestens ebenso reich dekoriert. Beide Tore zählen eindeutig zu den prächtigsten und elaboriertesten Elementen der Anlage. Der Schrein selbst ist im Gongen-Stil gehalten (s.u.), in dem Bethalle und Schreinhalle zu einem Baukomplex verschmelzen. Hinter und oberhalb der Haupthalle befindet sich der „Innere Schrein“ (Okusha) mit der Grabanlage Ieyasus.
Ron Reznick, 2008 (mit freundlicher Genehmigung).
Werk von Kusakabe Kinbei. Meiji-Zeit, 1890. New York Public Library.
Edo-Zeit, 17. Jh. Mike Murril, flickr, 2007.
Der vergöttlichte Shōgun
Edo-Zeit, Anfang 17. Jh. Sakai City Museum.
Der offizielle Name des Hauptschreins, Tōshō-gū [Tōshō-gū (jap.) 東照宮 Tōshō Schrein, Mausoleum des Tokugawa Ieyasu in Nikkō, Präf. Tochigi], bedeutet wörtlich „Palast des Er·leuchters des Ostens“. Damit ist Tokugawa Ieyasu gemeint oder genauer seine zum kami [kami (jap.) 神 Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō] erhobene post·hume Existenz, die als „Gottheit, die den Osten erleuchtet“ (Tōshō Daigongen [Tōshō Daigongen (jap.) 東照大権現 wtl. „Große göttl. Manifestation, die den Osten erleuchtet“; Götternamen des Tokugawa Ieyasu]) in Nikkō verehrt wird. Wahrscheinlich imaginierte sich sich der Shōgun bereits zu Lebzeiten als zukünftige Schutzgottheit seiner Dynastie, doch wurden sowohl sein Gottes·name als auch der Ort seines Mausoleums erst nach seinem Tod festgelegt. Dieser Entscheidung ging ein erbitterter Streit seiner engsten religiösen Berater voraus, in dem sich schließlich der buddhistische Tendai [Tendai-shū (jap.) 天台宗 Tendai-Schule, chin. Tiantai]-Abt Tenkai [Tenkai (jap.) 天海 1536?–1634; Abt und Reformer des Tendai Buddhismus, religiöser Berater des Tokugawa Shōgunats; auch: Nankōbō Tenkai; Jigen Daishi] durchsetzte. Obwohl der Tōshō-gū heute dem Shintō zu·gerechnet wird, war es also ein hochrangiger buddhistischer Mönch, der bei der Vergött·lichung Ieyasus Regie führte.3
Dass der Tōshō-gū Elemente wie eine fünf·stöckige Pagode oder eine bud·dhis·tische Halle für den Me·dizin·buddha Yakushi Nyorai [Yakushi Nyorai (jap.) 薬師如来 Buddha der Medizin; skt. Bhaisajyaguru] enthält, ist angesichts seiner im Grunde bud·dhis·tischen Kon·zep·tion nicht weiter verwunderlich. Be·mer·kens·wert ist jedoch die Tatsache, dass es hier streng genommen zwei unter·schied·liche An·dachts·stätten für Tokugawa Ieyasu gibt, ganz so, als ob sich seine Toten·seele in einen bud·dhis·tischen und einen shintōistischen Teil aufgespaltet hätte. Zum einen wird Ieyasu im Haupt·schrein des Tōshō-gū als kami verehrt, zum anderen be·her·bergt das Areal aber auch ein Grab·mal des Ieyasu, das der Form nach bud·dhis·tisch ist. Dieses befindet sich hinter und oberhalb des Schreins und wird als Innerer Schrein (Okusha) bezeichnet. Das zentrale Element dieses Inneren Schreins bildet ein bud·dhisti·scher Grabstupa [stūpa (skt.) स्तूप „Hügel“, Grabmonument (jap. tō 塔 oder sotoba 卒塔婆)]. Obwohl die Quellenlage nicht über jeden Zweifel erhaben ist, deutet alles darauf hin, dass die eigent·lichen Dei·fizierungs·zere·monien für Ieyasu hier statt·fanden und dass auch seine sterb·lichen Über·reste hier bestattet sind.4
Edo-Zeit. Ron Reznick, 2004 (mit freundlicher Genehmigung).
Edo-Zeit, 1683. Ron Reznick, 2008 (mit freundlicher Genehmigung).
Gongen-sama
Die vergöttlichte Form des Ieyasu erhielt von Tenkai den Götter·titel gongen [gongen (jap.) 権現 wtl. „vorläufige Erscheinung“ (vgl. gon); buddh. Titel für kami], wtl. „verwandelte Erscheinung“. Die Be·zeich·nung stammt aus dem Bud·dhis·mus und impli·ziert, dass der be·tref·fende kami eigent·lich ein Buddha [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)] ist bzw. auf eine bud·dhis·tische Urform (honji [honji (jap.) 本地 (buddhistische) Urform (eines kami); s.a. suijaku]) zurück·ge·führt werden kann (s. honji suijaku Konzeption). 5
Gongen war in vormoderner Zeit ein geläufiger Titel für Schrein·gottheiten, ins·beson·dere im Fall von Schreinen, die mit dem Tendai-Buddhis·mus in Bezie·hung standen. Spricht man allerdings von „dem Gongen“ in der Einzahl, so ist damit Tokugawa Ieyasu gemeint, der volks·tümlich „Gongen-sama [Gongen-sama (jap.) 権現様 volkstüml. Bezeichnung für den 1. Tokugawa Shōgun, Ieyasu, der als Tōshō Dai-Gongen vergöttlicht wurde]“ genannt wurde. Daher trägt auch der Archi·tektur-Stil von Ieyasus Mauso·leum in Nikkō die Bezeich·nung „Gongen-Stil“ (gongen-zukuri [gongen-zukuri (jap.) 権現造 Architekturstil des Tōshō-gū in Nikkō, abgeleitet von Tōshō Daigongen, dem vergöttlichten Tokugawa Ieyasu; der Stil findet sich allerdings auch bei vielen anderen bedeutenden Schreinen der Edo-Zeit], s.u.), obwohl auch andere, ältere Schreine6 diesem Stil zuge·ordnet werden.
Das buddhistische Nikkō
Taiyū-in und Rinnō-ji
Frühe Edo-Zeit, 17. Jh. Bildquelle: unbekannt.
Ieyasus Enkel Iemitsu, dem dritten Tokugawa-Shōgun, ist es wohl zu ver·dan·ken, dass Nikkō in der heute bekannten Opu·lenz ausgebaut wurde. Doch dachte er dabei nicht nur an den verehrten Großvater, sondern auch an sich selbst, indem er auch für sich ein Mau·so·leum errichten ließ, das gemäß seinem post·humen Namen Taiyū-in [Taiyū-in (jap.) 大猷院 Mausoleum des 3. Tokugawa Shōguns, Iemitsu, err. 1652–53] benannt wurde. Iemitsus sterbliche Überreste sind gemäß eigenem tes·ta·men·ta·ri·schen Wunsch hier beigesetzt, eine Ehre, die keinem späteren Tokugawa-Shōgun mehr widerfahren sollte.
Strukturell ist der Taiyū-in sehr ähnlich wie der Hauptschrein Tōshō-gū gestaltet, allerdings etwas kleiner. Dafür wirken die Bauten sti·lis·tisch ge·schlossener und mindestens ebenso luxuriös ornamentiert.7 Die Gebäudebezeichnung -in [-in (jap.) 院 Suffix für Institutionen, z.B. buddhistischer Tempel] verrät, dass es sich streng genommen um ein bud·dhist·isches Heiligtum handelt, und tatsächlich gilt Iemitsu auch nicht als kami-Gottheit. Aus per·sön·lichen Hin·ter·lassenschaften Iemitsus ist jedoch bekannt, dass er sich sehr wohl als zweiten Gongen, also als zweite Ahnen·gott·heit der Tokugawa erachtete, wobei er seinen Vater bewusst aus·klammerte. In der sti·lis·tischen Ähn·lich·keit zwischen Tōshō-gū und Taiyū-in lässt sich also der unerfüllte Wunsch Iemitsus erkennen, neben seinem Großvater als Ahnen·gott·heit der Dynastie verehrt zu werden.
Nach der Meiji-zeitlichen „Trennung von kami und Buddhas“ (shinbutsu bunri [shinbutsu bunri (jap.) 神仏分離 Trennung von kami und Buddhas; religionspolitische Maßnahme zur Entflechtung von buddh. Tempeln und Shintō-Schreinen; vereinzelt in der Edo-Zeit, vor allem aber für die frühe Meiji-Zeit (1868–1873) charakteristisch]) wurde der Taiyū-in offiziell ein Teil des bud·dhis·tischen Tempels Rinnō-ji [Rinnō-ji (jap.) 輪王寺 buddh. Tempel in der rel. Anlage von Nikkō], der sich un·mittel·bar neben dem Tōshō-gū befindet. Er gehört dem Tendai [Tendai-shū (jap.) 天台宗 Tendai-Schule, chin. Tiantai] Bud·dhis·mus an und war in der Edo-Zeit das eigentliche Macht·zentrum der Anlage, wo sämtliche Schrein·an·gelegen·heiten überwacht und geregelt wurden. Selbst·ver·ständ·lich geht dieses Arrangement auf den erwähnten Tendai-Abt Tenkai zurück.
Auch der Rinnō-ji verfügt über eine prächtige Halle, in der eine Dreier·gruppe von zur Gänze ver·gol·de·ten, über acht Meter hohen Buddha·statuen zu bewundern ist. Diese Statuen unterhalten wiederum eine intime Beziehung zum ältesten Schrein der Anlage, dem Futarasan. Die Figuren·gruppe besteht aus Buddha Amida [Amida (jap.) 阿弥陀 Buddha Amitabha; Hauptbuddha der Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū bzw. Jōdo Shinshū)], flankiert von Bodhisattva Kannon in zwei unter·schied·lichen Er·schei·nungs·for·men, Senju Kannon [Senju Kannon (jap.) 千手観音 Kannon mit den Tausend Händen; typische Darstellung des Bodhisattva Avalokiteshvara] und Batō Kannon [Batō Kannon (jap.) 馬頭観音 Kannon mit dem Pferdekopf, eine zornvolle Manifestation Kannons]. Laut der er·wähn·ten honji suijaku [honji suijaku (jap.) 本地垂迹 wtl. Grundform und herabgelassene Spur; Theorie der Identität von kami und Buddhas] Erklärung sind dies die Ur·buddhas des Futarasan Schreins, der ja ebenfalls drei Berge oder Berg·gott·hei·ten verehrt.
Zweigschreine des Tōshō-gū
Nikkō verfügt zwar über kein so weit verzweigtes Netz von Filialen wie andere bekannte Schreine, denn die Tokugawa setzten eher auf Exklusivität als auf Po·pu·larität. Dennoch errichteten sie in ihren wichtigsten Residenzstädten Zweigstellen von Ieyasus Mau·so·leum, die zum Großteil bis heute bestehen. Auch mit dem Tendai-Bud·dhis·mus assoziierte Schreine errichteten Zweigschreine des Tōshō-gū auf ihrem Gelände. Außerdem erhielt jeder ver·stor·bene Shōgun eine eigene Gedenk·stätte, die alternierend in zwei bud·dhis·tischen Tempeln in Edo errichtet wurden.
Kan’ei-ji und Tōshō-gū in Edo
Der wichtigste Zweig·schrein des Tōshō-gū befand sich während der Edo-Zeit am Rande der Residenzstadt Edo, im Stadt·teil Ueno auf dem Gelände des heu·tigen Ueno-Parks in Tōkyō. Auch hier handelte es sich um einen Tempel-Schrein Komplex, der einer kami-Gottheit diente, aber von einem bud·dhis·tischen Tempel geleitet wurde. Der Tempel in Edo hieß Kan’ei-ji [Kan’ei-ji (jap.) 寛永寺 Tendai-Tempel in Tōkyō; in der Edo-Zeit Zentrum des Tendai Buddhismus in der Kantō Region, gegr. 1625 (Kan’ei 2)] und war ein weiteres Geisteskind Tenkais.8 Er galt als Tendai-Haupt·tem·pel der Kantō-Region und stand daher hierarchisch über dem Rinnō-ji in Nikkō. Der Ahnenkult der Shōgune befand sich somit auch in Edo in den Händen des Tendai Bud·dhis·mus. Umgekehrt erfuhr der Tendai Bud·dhis·mus durch sein Mo·no·pol dieses Kultes eine Renaissance, im Zuge derer sich sein Schwerpunkt vom traditionellen Zentrum bei Kyōto, dem Berg Hiei [Hiei-zan (jap.) 比叡山 Klosterberg Hiei bei Kyōto, traditionelles Zentrum des Tendai Buddhismus], nach Edo in den Kan'ei-ji verlegte. Der Tōshō-gū Schrein in Edo war allerdings weniger be·deut·sam als jener in Nikkō, doch konnten manche Ze·re·monien für den Ahnen·gott der Tokugawa auch hier erledigt werden.
Werk von Kusakabe Kinbei (1841–1934). Meiji-Zeit, spätes 19. Jh. Bildquelle: Okinawa Soba, (flickr).
Der Kan’ei-ji Tōshō-gū Komplex wurde während der Kämpfe von 1867–68, die schließlich zur Absetzung des Shōgunats und zur so·ge·nannten Meiji-Restauration [Meiji Ishin (jap.) 明治維新 Meiji Restauration, wtl. Meiji-Erneuerung, umfasst den politischen Umsturz 1867–68 und die nachfolgende Konsolidierung Japans als moderner Nationalstaat] (1868) führten, zum Kriegsschau·platz und dabei weit·gehend zerstört. Als Inbegriff der verhassten Tokugawa-Dynastie wurde der Kan’ei-ji in der Meiji [Meiji (jap.) 明治 posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt]-Zeit nur noch in be·schei·de·nem Maßstab wieder errichtet. Der Tōshō-gū überdauerte die Kriegswirren allerdings ver·hält·nis·mäßig un·be·scha·det und ist noch heute im Ueno Park zu besichtigen. Ähnliche Gebäude, die al·ler·dings heute ebenfalls zerstört sind, befanden sich im Zōjō-ji [Zōjō-ji (jap.) 増上寺 Jōdo-Tempel in Tōkyō, einst Ahnentempel der Tokugawa, gegr. 1393], dem Zweiten Ahnentempel der Tokugawa im Süden der Burg von Edo.
Kunō-zan
Vorlage:Sidebox3 Berg Kunō liegt in unmittelbarer Nähe von Ieyasus Residenz und Sterbeort Sunpu in der heutigen Stadt Shizuoka. Unmittelbar nach seinem Tod wurde Ieyasu zunächst hier beigesetzt, bevor Nikkō als endgültiger Ort seiner Apotheose feststand. Obwohl damals von Tōshō-gū noch keine Rede war, wurde später auch hier ein Zweigschrein des Tōshō-gū errichtet.
An diesem Schrein lässt sich der Gongen-Stil, in dem die Tōshō-gū Schreine üblicherweise errichtet sind, besonders gut erkennen. Es handelt sich dabei um eine Verbindung von Zeremonienhalle und Haupthalle zu einem einzigen Gebäude unter einer sehr komplexen Dachkonstruktion, in der sich die parallelen Giebeldächer der zwei Hallen mit einem quer dazu verlaufenden Giebeldach schneiden. Von oben gesehen ähnelt das Ganze einem Andreas·kreuz. Zu·sätz·liche Vor·dächer erhöhen die Komplexität der Konstruktion.
Edo-Zeit, 17. Jh. Eric Foto, flickr 2011 (mit freundlicher Genehmigung).
Berg Kōya
Wie viele mächtige Kriegs·herren der Sengoku-Zeit [Sengoku Jidai (jap.) 戦国時代 Zeit der kämpfenden Länder, 1467–1568; beginnt mit dem Ōnin-Krieg und endet nach dieser Definition mit dem Beginn der nationalen Einigung unter Oda Nobunaga; nach anderen Definitionen mit der Ausrottung der Toyotomi durch Tokugawa Ieyasu im Jahr 1615] unter·hielten auch die Vor·fah·ren der Tokugawa einen Familien·tempel auf dem heiligen Berg Kōya [Kōya-san (jap.) 高野山 Klosterberg südl. von Nara; sprituelles Zentrum des Shingon Buddhismus]. Dieser wurde in der Edo-Zeit prächtig aus·ge·baut und ist heute noch dort zu besichtigen.
Verweise
Fußnoten
- ↑ Der Name Nikkō selbst entstand wahrscheinlich aus dem Namen Futara 二荒, der in onyomi-Lesung auch nikkō aus·ge·spro·chen werden kann. Der eigentliche Sinn von Futara wiederum ist unklar, leitet sich aber möglicherweise von Fudaraku [Fudaraku (jap.) 補陀落 paradisische Insel des Kannon (Avalokiteshvara), abgeleitet von skt. Potalaka], dem Reinen Land des Bodhisattva Kannon [Kannon (jap.) 観音 auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt] ab. Diese Art „stiller Post“ ist bei Orts- und Eigen·namen in Japan nichts Ungewöhnliches.
- ↑ Kirin (chin. qilin) sind in China all·ge·gen·wärtig, während sie in Japan nur durch das gleich·namige Bier zu allge·mei·ner Be·kannt·heit gelangt sind.
- ↑ Tenkais Haupt·kon·tra·hent war ebenfalls ein bud·dhis·tischer Mönch, der Zen-Abt Konchi-in Sūden [Konchi-in Sūden (jap.) 金地院崇伝 1569–1633; Zen-Abt und religiöser Berater von Tokugawa Ieyasu; Verfasser des ant-christlichen Edikts von 1614 (Hai kirishitan bun) und von diversen Gesetzen zur Neuordnung religiöser Gruppierungen] (1569–1633), der u.a. federführend an Ieyasus Christen·verfol·gungs·politik beteiligt war. Siehe dazu u.a. Scheid 2003.
- ↑ Sugahara 1996, S. 77–78.
- ↑ Im Fall des Tōshō-gū wird der „Medizin-Buddha“ Yakushi Nyorai [Yakushi Nyorai (jap.) 薬師如来 Buddha der Medizin; skt. Bhaisajyaguru] als Urform von Ieyasus Ver·gött·lichung an·ge·sehen. Unter·halb der Haupt·ge·bäude des Schreins befin·det sich daher eine bud·dhis·tische „Halle der Urform“ (Honji-dō), die Yakushi geweiht ist. Sie ist vor allem für das Decken·ge·mälde des „brüllenden Drachens“ (naki-ryū) bekannt.
- ↑ Vgl. den Ōsaki Hachiman-gū [Ōsaki Hachiman-gū (jap.) 大崎八幡宮 Ōsaki Hachiman Schrein in Sendai, Nord-Honshū], ein Zweigschrein des Hachiman.
- ↑ Die Haupthalle des Taiyū-in ist eines von acht Gebäuden in Nikkō, die die Auszeichnung „Nationalschatz“ (kokuhō) erhalten haben.
- ↑ Der Tempel wurde 1625 gegründet. Zu dieser Zeit war Tenkai ein enger Berater von Ieyasus Sohn und Nachfolger, dem zweiten Tokugawa-Shōgun Hidetada.
LL
- Nikko, Ron Reznicks Foto-Rundgang durch Nikkō enthält die schönsten Nikkō-Impressionen, die im Internet zu finden sind.
- Gongen-zukuri, Eintrag in JAANUS (Japanese Architecture and Art Net Users System)
Literatur
Bilder
- ^ Die „Götterbrücke“ markiert den Hauptzugang zur Anlage von Nikkō. Sie soll erstmals 808 errichtet worden sein. Ihre heutige Gestalt erhielt sie im Zuge des Ausbaus der Gesamtanlage unter Iemitsu, 1636. Nach einer Zerstörung im Jahr 1902 wurde sie 1904 nach alten Plänen neu aufgebaut, die letzte Generalsanierung erfolgte 2006. Die Brücke gehört offiziell zum Futarasan Schrein, dem ältesten Teilschrein der Anlage. (Quelle: Tochigi-ken no toboku isan)
Nipponisimo, 2008. - ^ Torii in der Schreinanlage von Nikkō.
Frühe Edo-Zeit, 1618. Bildquelle: unbekannt, 1998. - ^ Torii und Pagode (tō) des Tōshō-gū vor der Zeit des Massentourismus (Meiji-Zeit).
Meiji-Zeit, um 1880. New York Public Library. - ^ Das Yōmei-mon, das bekannteste und am reichsten dekorierte Bauwerk in der Anlage in Nikkō (vordere Ansicht). Die Architektur folgt buddhistischen Vorbildern (sanmon), aber anstelle der buddhistischen Wächtergottheiten (niō) sind zwei naturalistische Bogenschützen (suijin) zu sehen; einer jung, einer alt.
Edo-Zeit, 1636. Matsui Fumio/TOKYO VIEWS, flickr 2010. - ^ Drachenmotive im Gebälk des Yōmei-mon, Nikkō.
Ron Reznick, 2004 (mit freundlicher Genehmigung). - ^ Einer von zwei anonymen Wächterfiguren (suijin), welche das Yōmei-mon, den Eingang zu Ieyasus Mausoleum bewachen. Die Figur erfüllt eine ähnliche Funktion wie buddhistische Wächter (niō), aber in diesem Fall sind beide Figuren mit beruhigenden Gesten dargestellt. Dies könnte auf die Entschlossenheit der Tokugawa hindeuten, die Bürgerkriege der Sengoku-Zeit für immer zu beenden.
Bildquelle: unbekannt. - ^ Zwei Go-Spieler, Schnitzwerk des Yōmei-mon in der Schreinanlage von Nikkō
Bildquelle: unbekannt. - ^ Die Drei Weisen Affen (saru), welche ihren Ursprung im kōshin-Glauben haben, sind die vielleicht berühmteste Figurengruppe innerhalb der reich ornamentierten Anlage des Tōshō-gū Schreins. Sie befinden sich an einem Nebengebäude, das einstmals als Stall diente, denn angeblich sollen Affen gut für die Gesundheit von Pferden sein. Die Affen repräsentieren das Prinzip „Nicht sehen, nicht hören, nicht reden“ (mizaru, iwazaru, kikazaru).
Werk von Hidari Jingoro. Edo-Zeit, 17. Jh. Ron Reznick, 2004. - ^ Die Skulptur der nemuri neko befindet sich direkt über dem Aufgang zur eigentlichen Grabanlage des in Nikkō verehrten Shōgun Tokugawa Ieyasu. Obwohl eher klein und leicht zu übersehen, zählt sie zusammen mit den Drei Affen zu den populärsten Schnitzwerken des Schreins. Die Statue wird dem legendenumwobenen Künstler Hidari Jingorō zugeschrieben. Es heißt, Jingorō habe mit dieser Darstellung auf den verschlagenen Charakter des Shōguns anspielen wollen, der sich gleich einer Katze gern schlafend stellte, obwohl er alles um sich sehr wohl mitbekam.
Werk von Hidari Jingorō. Edo-Zeit, 17. Jh. Ron Reznick, 2004. - ^ Detail der Dachkonstruktionen des Tōshō-gū Schreins, Nikkō. Im Vordergrund steht das „chinesische Tor“. Das Dach dahinter gehört zur Haupthalle. In diesem Architekturstil aus der frühen Edo-Zeit gibt es zwischen buddhistischen Tempeln und shintōistischen Schreinen kaum einen erkennbaren Unterschied.
Frühe Edo-Zeit, 17. Jh. Ron Reznick, 2004 (mit freundlicher Genehmigung). - ^ Karamon 19jh.jpg
- ^ Die Haupthalle besteht im Grunde aus zwei Teilen, einem vorderen, der zugänglich ist und einem hinteren, unzugänglichen, wo sich das Hauptheiligtum (shintai) des Schreins befindet. Dieses Arrangement ist typisch für den sogenannten gongen-Stil.
Ron Reznick, 2008 (mit freundlicher Genehmigung). - ^ Die Haupthalle des Tōshō-gū und das „chinesische Tor“, welches seinen Namen den zahlreichen Motiven aus der chinesischen Mythologie verdankt, die in den Schnitzereien des Gebälks dargestellt sind.
Werk von Kusakabe Kinbei. Meiji-Zeit, 1890. New York Public Library. - ^ Die Schindeln der Schreinanlage von Nikkō sind alle mit dem Familienwappen der Tokugawa (drei Malvenblätter, mitsuba aoi) ausgestattet.
Edo-Zeit, 17. Jh. Mike Murril, flickr, 2007. - ^ Offizielles Portrait von Tokugawa Ieyasu in schwarzer Hofbeamtenrobe (sokutai). Im Hintergrund sind Schreinbauten angedeutet, die möglicherweise den Tōshō-gū darstellen und auf die Deifizierung des Shōguns hinweisen sollen.
Edo-Zeit, Anfang 17. Jh. Sakai City Museum. - ^ Bronzenes Tor zum Grab des Tokugawa Ieyasu, oberhalb der Haupthalle des Schreins
Edo-Zeit. Ron Reznick, 2004 (mit freundlicher Genehmigung). - ^ Das Grabmal, in dem Ieyasu als „Gottheit, die den Osten erleuchtet“ (Tōshō Daigongen) verehrt wird. Nicht zu verwechseln mit dem Hauptschreingebäude des Tōshō-gū. Das Grab befindet sich oberhalb der Schreingebäude und ähnelt einer buddhistischen Pagode im tahō-tō-Stil.
Edo-Zeit, 1683. Ron Reznick, 2008 (mit freundlicher Genehmigung). - ^ Der offizielle Namen dieses Tores (ryūgū-mon) ist dem Heian-zeitlichen Kaiserpalast entlehnt und lautet Kōka-mon 皇嘉門, „Tor des kaiserlichen Ruhms“. Architektonisch orientiert sich das Tor jedoch an Vorbildern aus der chinesischen Ming-Dynastie. Es ist Teil des Mausoleums von Tokugawa Iemitsu (1604–1651), dem 3. Tokugawa-Shōgun. Dieses Mausoleum befindet sich neben dem Tōshō-gū in Nikkō. Unter Iemitsu wurde die gesamte Anlage prachtvoll ausgebaut und erhielt ihre heutige Gestalt.
Frühe Edo-Zeit, 17. Jh. Bildquelle: unbekannt. - ^ Eingang eines Tokugawa Mausoleums des Shiba Tempels (Zōjō-ji), Tōkyō. Die gesamte Tempelanlage wurde im 2. Weltkrieg zerstört. Das dargestellte Tor ist das Chokugaku-mon (Tor mit kaiserlicher Aufschrift) und führte zum Yūshō-in Mausoleum des siebten Tokugawa Shōguns, Ietsugu. Das Familienwappen der Tokugawa ist an den roten Balken und den Dachschindeln deutlich erkennbar. Bemerkenswert ist die Gestalt rechts, in einer unterwürfigen Verehrungsgeste, die man heute in Japan nicht mehr sieht. Höchst wahrscheinlich war es gewöhnlichen Untertanen verwehrt, sich dem Heiligtum weiter als bis zu diesen Treppen anzunähern. Der Betende könnte ein Diener des Photographen sein, jedenfalls trägt er traditionelle Kleidung und Haartracht. Gänzlich unbeeindruckt von der Inbrunst des Betenden ist außerdem ein junger Mönch zu sehen, wahrscheinlich ein Mönch des Zōjō-ji, der dem Jōdo Buddhismus angehört. Er war wohl vom Tempel dafür abgestellt, die photographische Aufnahme zu überwachen.
Werk von Kusakabe Kinbei (1841–1934). Meiji-Zeit, spätes 19. Jh. Bildquelle: Okinawa Soba, (flickr). - ^ Tōshō-gū an jenem Ort, an dem Tokugawa Ieyasu ursprünglich bestattet wurde. Die heutige Form des Schreins stammt wahrscheinlich aus den 1640er Jahren. 1645 erhielt der Schrein den Namen Tōshō-gū. Die Struktur des Gebäudes folgt dem Gongen-Stil (gongen-zukuri) des Tōshō-gū in Nikkō.
Edo-Zeit, 17. Jh. Eric Foto, flickr 2011 (mit freundlicher Genehmigung). - ^ Die wichtigsten Familien der Edo-Zeit errichteten eigene Familientempel innerhalb der Friedhofsanlage des Kōya-san, allen voran die Tokugawa. Interessanterweise findet sich vor diesem buddhistischen Bauwerk ein torii.
Lonely Trip, 2007.
Glossar
- Gongen-sama 権現様 ^ volkstüml. Bezeichnung für den 1. Tokugawa Shōgun, Ieyasu, der als Tōshō Dai-Gongen vergöttlicht wurde
- gongen-zukuri 権現造 ^ Architekturstil des Tōshō-gū in Nikkō, abgeleitet von Tōshō Daigongen, dem vergöttlichten Tokugawa Ieyasu; der Stil findet sich allerdings auch bei vielen anderen bedeutenden Schreinen der Edo-Zeit
- Hidari Jingorō 左甚五郎 ^ sagenumwobener Meisterbildhauer der frühen Edo-Zeit, der Statuen so naturgetreu anfertigte, dass sie zum Leben erwachten
- honji suijaku 本地垂迹 ^ wtl. Grundform und herabgelassene Spur; Theorie der Identität von kami und Buddhas
- kinkishoga 琴棋書画 ^ die Vier Eleganten Zerstreuungen des klassischen chinesischen Gelehrten: Laute, Brettspiel (Go), Kalligraphie, Malerei.
- Kunō-zan 久能山 ^ erste Begräbnisstätte und Schrein für Tokugawa Ieyasu; Ieyasu wurde hier unmittelbar nach seinem Tod beigesetzt, nach dem Transfer seiner sterblichen Überreste nach Nikkō wurde hier ein Zweigschrein des Tōshō-gū errichtet
- mayoke no sakabashira 魔除けの逆柱 ^ „umgedrehte Dämonenabwehr-Säule“ des Yōmei-mon im Tōshō-gū Schrein, Nikkō
- Meiji Ishin 明治維新 ^ Meiji Restauration, wtl. Meiji-Erneuerung, umfasst den politischen Umsturz 1867–68 und die nachfolgende Konsolidierung Japans als moderner Nationalstaat
- nemuri neko 眠猫 ^ schlafende Katze; bezeichnet u.a. eine bekannte Figur in den Schreinornamenten von Nikkō, die dem legendären Bildhauer Hidari Jingorō zugeschrieben wird
- Nikkō 日光 ^ Tempel-Schreinanlage im Norden der Kantō-Ebene, Präf. Tochigi; beherbergt u.a. den Tōshō-gū Schrein
- Nyoho-san 女峰山 ^ Berg in der Präfektur Tochigi und eines der drei Hauptheiligtümer des Futarasan Jinja
- Sengoku Jidai 戦国時代 ^ Zeit der kämpfenden Länder, 1467–1568; beginnt mit dem Ōnin-Krieg und endet nach dieser Definition mit dem Beginn der nationalen Einigung unter Oda Nobunaga; nach anderen Definitionen mit der Ausrottung der Toyotomi durch Tokugawa Ieyasu im Jahr 1615
- Senju Kannon 千手観音 ^ Kannon mit den Tausend Händen; typische Darstellung des Bodhisattva Avalokiteshvara
- Shimotsuke 下野 ^ Provinz Shimotsuke; eine der historischen Provinzen Japans in der Kantō-Region, weitgehend identisch mit der heutigen Präfektur Tochigi
- shinbutsu bunri 神仏分離 ^ Trennung von kami und Buddhas; religionspolitische Maßnahme zur Entflechtung von buddh. Tempeln und Shintō-Schreinen; vereinzelt in der Edo-Zeit, vor allem aber für die frühe Meiji-Zeit (1868–1873) charakteristisch
- [[Glossar:Tendaisuu|]] () ^
- Tokugawa Iemitsu 徳川家光 ^ 3. Tokugawa Shōgun (1604–1651), r. 1623–1651
- Tōshō Daigongen 東照大権現 ^ wtl. „Große göttl. Manifestation, die den Osten erleuchtet“; Götternamen des Tokugawa Ieyasu
- Tsurezuregusa 徒然草 ^ „Aufzeichnungen aus Mußestunden“; Gedanken und Anekdoten von Yoshida Kenkō, verfasst ca. 1330–1332
- Yakushi Nyorai 薬師如来 ^ Buddha der Medizin; skt. Bhaisajyaguru
Religion in Japan, Inhalt
- 一 Grundbegriffe
- 二 Bauten
- 五 Mythen
- Einleitung
- Mythologie:
- Götter des Himmels
- Götter der Erde
- Jenseits:
- Jenseits
- Geister:
- Totengeister
- Dämonen
- Tiere:
- Imaginäre Tiere
- Verwandlungskünstler
- Symboltiere
- 六 Geschichte
- Einleitung
- Altertum:
- Prähistorie
- Frühzeit
- Nara-Zeit
- Frühe kami-Kulte
- Heian-Zeit
- Saichō
- Kūkai
- Honji suijaku
- Mittelalter:
- Kamakura-Zeit
- Amidismus
- Zen Buddhismus
- Nichiren Buddhismus
- Mittelalterl. Shintō
- Frühe Neuzeit:
- Reichseinigung
- Christentum
- Terauke-System
- Neo-Konfuzianismus
- Kokugaku
- Moderne und Gegenwart:
- Bakumatsu-Zeit
- Staatsshintō
- Neue Religionen
- 七 Essays
- Überblick
- Buddhismus, Asien:
- Arhats in China und Japan
- Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
- Bishamon-ten: Wächter und Glücksgott
- Riesen-Buddhas: Im Kampf gegen die Unbeständigkeit des irdischen Daseins
- Lokale Vorstellungen, Japan:
- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
- Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit
- Religion und Politik:
- Die Tenshō-Mission: Beginn einer schwierigen transnationalen Beziehung
- Yasukuni: Der Schrein des ‚friedlichen Landes‘
- Herrigels Zen und das Bogenschießen
- Anhang
- Metalog
- Konzept
- Autor
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- Glossare
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„Nikkō: Das spirituelle Zentrum des Tokugawa Shōgunats.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001