Buddhistische Grundlehren (2)
Im Laufe seiner Verbreitung in Asien machte der Buddhismus [bukkyō (jap.) 仏教 Lehre des Buddha, Buddhismus] zahlreiche Veränderungen durch, was in einer großen Anzahl regionaler Ausformungen resultierte. Unabhängig von diesen Unterschieden gibt es allerdings gewisse Grundannahmen, die in allen Richtungen Geltung haben. Auf dieser Seite werden zunächst die wichtigsten Lehrsätze kurz erläutert. Außerdem geht es um die Unterschiede innerhalb der buddhistischen Hauptströmungen. Abschließend wird das Verhältnis des Buddhismus zu anderen Religionen thematisiert.
Sanskrit Vokabeln
Bevor man sich mit der Lehre des Buddhismus beschäftigt, ist es ratsam, sich mit einigen Sanskrit-Termini vertraut zu machen, die auch in der nicht-indischen Buddhismusforschung allgemein verwendet werden.
- Buddhistische Hauptrichtungen
- Shravakayana [Śrāvakayāna (skt.) श्रावकयान „Fahrzeug der Schüler“, Richtung des Buddhismus (jap. Shōmon-jō 声聞乗)] – Fahrzeug der Schüler
- Theravada [Theravāda (pali) थेरवाद „Schule der Ordensälteren“, buddhistische Richtung (hier in Pali angegeben; skt: Sthaviravada) (jap. jōzabu bukkyō 上座部仏教)] – Weg der Alten
- Mahayana [Mahāyāna (skt.) महायान „Großes Fahrzeug“, buddhistische Richtung (jap. daijō bukkyō 大乗)] – Großes Fahrzeug
- Hinayana [Hīnayāna (skt.) हीनयान „Kleines Fahrzeug“, buddhistische Richtung (jap. Shōjō 小乗)] – Kleines Fahrzeug
- Vajrayana [Vajrayāna (skt.) वज्रयन „Vajra-Fahrzeug“, Tantrismus, esoterischer Buddhismus (jap. mikkyō 密教 oder Kongō-jō 金剛乗)] – Vajra-Fahrzeug (Tantrismus, esoterischer Buddhismus)
- Konzepte
- Dharma [Dharma (skt.) धर्म Gesetz (des Universums), Lehre (des Buddha) (jap. hō 法)] – Gesetz (des Universums), Lehre (des Buddha)
- Karma [Karma (skt.) कर्म „Tat“, auch „konsequente Folge“; moralische Bilanz der gesetzten Handlungen (jap. gō 業)] – wtl. „Tat“; konsequente Folge
- Samsara [Saṃsāra (skt.) संसार „Beständiger Fluss“, Kreislauf der Wiedergeburten, Diesseits (jap. Rinne 輪廻)] – Kreislauf der Wiedergeburten, Diesseits
- Nirvana [Nirvāṇa (skt.) निर्वाण „Erloschen, ausgelöscht“, Ort der Erlösung von allem Leid, absolutes Jenseits (jap. Nehan 涅槃)] – Auslöschung, Jenseits
- Heilsgestalten
- Buddha [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)] – Erleuchteter;
- Bodhisattva [Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)] – Vorstufe zur letzten Stufe der Erleuchtung, noch nicht ins Nirvana eingegangener Buddha;
- Arhat [Arhat (skt.) अर्हत् buddhistische Heiligenfigur; höchste Stufe des Menschseins vor dem Austritt aus dem Geburtenkreislauf (jap. rakan)] — höchste Stufe des Menschseins vor dem Austritt aus dem Geburtenkreislauf
- Technische Begriffe
- sutra [sūtra (skt.) सूत्र „Faden“, Lehrrede des Buddha, kanonische Schrift (jap. kyō 経 oder kyōten 経典)] – wtl. „Kettfaden“; Lehrrede des Buddha, kanonische Schrift
- tantra [tantra (skt.) तन्त्र „Gewebe“, Lehrschrift des esoterischen Buddhismus (ähnlich sutra, aber meist mit rituellem Inhalt)] – wtl. „Schussfaden“; Lehrschrift
- mantra [mantra (skt.) मन्त्र Gebetsformel (jap. shingon 真言)] – Gebetsformel
- mudra [mudrā (skt.) मुद्रा „Siegel“, Gebetsgeste (jap. inzō 印相)] – Gebetsgeste
- sangha [saṃgha (skt.) संघ „(Mönchs-)Gemeinde“ (jap. sō 僧 oder sōgya 僧伽)] – (Mönchs-) Gemeinde
Lehrsätze und Konzepte
Die Vier Wahrheiten
Der Kern der Lehre des Buddha lässt sich in etwa folgendermaßen zusammenfassen: Alle irdische Existenz ist von Begierden geleitet, die in letzter Konsequenz auf Leiden (skt. duhkha [duḥkha (skt.) दुःख „Leiden“ (jap. ku 苦)]) hinauslaufen. Was immer man an irdischen Dingen erhofft, wird früher oder später zu Schmerz und Enttäuschung führen. Nur die Einsicht in die Wahrheit der Buddha-Lehre (skt. prajnaparamita [prajñāpāramitā (skt.) प्रज्ञापारमिता „Vollkommene Weisheit“ (jap. hannyaharamitta 般若波羅蜜多)], jap. satori [satori (jap.) 悟り Erleuchtungserfahrung (bes. im Zen Buddhismus)]) führt zur Befreiung von Leid. „Befreiung“ oder „Erleuchtung“ ist daher das Ziel des gläubigen Buddhisten. Dieses buddhistische Grunddogma wird traditionellerweise in Form der Vier Edlen Wahrheiten und des Achtgliedrigen Pfads ausgedrückt (für den genauen Wortlaut dieser Lehrsätze siehe die Themenseite „Die Vier Edlen Wahrheiten“). Der Erleuchtung stehen Begierden oder Leidenschaften (skt. klesha [kleśa (skt,) क्लेश „Leid“, auch: Leidenschaft, die den Menschen ans Diesseits bindet; neben den sog. Fünf Giften (Ignoranz, Gier, Hass, Stolz und Neid) gibt es auch Serien von 3, 6, 10 oder 108 Kleshas (jap. bonnō 煩悩)]) gegenüber, die zusammengefasst auch als „Unwissenheit“ bezeichnet werden. Unwissenheit ist ein Synonym für das gesamte normale Alltagsbewusstsein. Das Gegensatzpaar Erleuchtung und Unwissenheit spiegelt sich auch auf anderen Ebenen, etwa im Gegensatz Nirvana [Nirvāṇa (skt.) निर्वाण „Erloschen, ausgelöscht“, Ort der Erlösung von allem Leid, absolutes Jenseits (jap. Nehan 涅槃)] und Samsara [Saṃsāra (skt.) संसार „Beständiger Fluss“, Kreislauf der Wiedergeburten, Diesseits (jap. Rinne 輪廻)] (s.u.) wider. Der Buddhismus definiert auf diese Weise — ähnlich wie z.B. auch das Christentum — ein metaphysisches Ziel außerhalb oder jenseits der sichtbaren Welt, was es in vielen anderen Religionen — etwa im Shintō [Shintō (jap.) 神道 Shintō; wtl. Weg der Götter, Weg der kami] — nicht gibt.
Vergänglichkeit
Eng mit dem Dogma vom irdischen Leiden verbunden ist die Erkenntnis der Endlichkeit alles Irdischen. Endlich bedeutet „vergänglich“, „nicht von Dauer“. Da alles Irdische früher oder später zum Untergang verurteilt ist, ist es in gewisser Weise „nicht real“ oder „leer“. Der flüchtigen Natur des Irdischen steht die ewige Existenz der buddhistischen Wahrheit gegenüber. Sie ist unvergänglich und damit „real“, was auch „wahr“ bedeutet. Wer hingegen an irdischen Dingen festhält (sie für das Maß aller Dinge hält, nicht über das diesseitige Leben hinaus denkt), unterliegt einer „Illusion“ und ist somit „unwissend“. Das Konzept der illusorischen Qualität des Diesseits führte innerhalb des Mahayana [Mahāyāna (skt.) महायान „Großes Fahrzeug“, buddhistische Richtung (jap. daijō bukkyō 大乗)] Buddhismus zur Idee von zwei Ebenen der Realität, einer sichtbaren, aber eben letztlich illusorischen, und einer absoluten, die sich hinter der sichtbaren Welt verbirgt.
Samsara und Nirvana
Unerleuchtete bzw. unwissende Existenzen, die sich den Illusionen des irdischen Daseins hingeben, sind im Kreislauf der Wiedergeburten (Samsara) gefangen. Die Vorstellung der Wiedergeburt existierte schon vor dem Buddhismus und besagt, dass jedes Wesen nach seinem physischen Tod in neuer Form wiedergeboren wird. Diese Idee hat im Buddhismus jedoch nichts Tröstliches, sondern läuft nur auf eine Fortsetzung von Leid hinaus. Daher strebt der gläubige Buddhist nach einem Austritt aus dem Kreislauf der Wiedergeburten. Dieser Austritt beendet das Leid endgültig. Er ist zugleich der Eintritt ins Nirvana, das dem Samsara als absolutes Jenseits gegenüber steht. Dies erklärt, warum Nirvana im Buddhismus als „Auslöschung“ und zugleich als oberstes spirituelles Ziel verstanden wird.
Karma
Innerhalb des Samsara, der Wiedergeburten, regiert das Gesetz des Karma [Karma (skt.) कर्म „Tat“, auch „konsequente Folge“; moralische Bilanz der gesetzten Handlungen (jap. gō 業)]. Karma bezeichnet die schicksalshaften Konsequenzen (Vergeltungen), die aus den Handlungen aller Wesen, Menschen ebenso wie Tiere, Geister, Götter, etc., resultieren. Die Karma-Lehre (die im übrigen nicht allein auf den Buddhismus beschränkt ist) geht hierbei von moralischen Wertmaßstäben aus: Gute Taten führen über kurz oder lang zu karmischer Belohnung, schlechte Taten zu karmischer Bestrafung. Ähnlich den Zehn Geboten in den monotheistischen Religionen, gibt es diverse Listen mit moralisch besonders hochstehenden bzw. verabscheuungswürdigen Verhaltensweisen. Am wichtigsten sind die fünf Laiengebote (die natürlich auch von Mönchen zu befolgen sind):
- nicht töten;
- nicht stehlen;
- keine [unstatthaften] sexuellen Beziehungen;
- nicht lügen;
- keine berauschenden Substanzen (dies impliziert ein generelles Alkoholverbot, das allerdings im heutigen Japan selbst von buddhistischen Mönchen nicht eingehalten wird).
Besonders im Mahayana Buddhismus gilt darüber hinaus das „Mitleid mit allen Lebewesen“ als die zentrale ethische Maxime. Für Mönche gibt es eine große Zahl weiterer Gebote — im Mahayana spricht man von 250 Mönchsregeln —, deren Stellenwert allerdings je nach spezifischer Richtung unterschiedlich ausgelegt werden kann.
Konsequenzen aus moralischem oder unmoralischem Verhalten können sich innerhalb eines Erdenlebens, oft aber erst im folgenden Leben auswirken (was scheinbare „Ungerechtigkeiten“, also das Ausbleiben unmittelbarer karmischer Vergeltung erklärt). Das Karma eines Einzelnen resultiert aus der Summe aller seiner moralischen und unmoralischen Verhaltensweisen innerhalb einer langen Folge von Existenzen. Buddhistische Rituale können individuelles Karma beeinflussen, ersetzen also bis zu einem gewissen Grade individuelles moralisches Verhalten.
Dharma
Das Universum gehorcht keinem einzelnen Gott oder Buddha [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)], sondern dem Dharma [Dharma (skt.) धर्म Gesetz (des Universums), Lehre (des Buddha) (jap. hō 法)] (jap. hō [hō (jap.) 法 buddhistischer Dharma, wtl. Gesetz], „Gesetz“). Der Dharma nimmt im Buddhismus jene Stelle ein, die im Christentum „Gottvater“ bzw. dem Schöpfergott zukommt. Der Dharma ist jedoch unveränderlich und ohne Intention, also nicht strafend oder belohnend wie eine Gottheit. Er ist lediglich das Regelwerk, nach dem das Universum funktioniert. Insofern lässt sich der Buddhismus auch als „atheistische Religion“ bezeichnen. Erleuchtung wird mit der vollkommenen Erkenntnis des Dharma gleichgesetzt. Umgekehrt kann „Dharma“ auch die Lehre des Buddha bezeichnen, die zur Erleuchtung führt.
Buddhas und andere Erleuchtete
Buddhaschaft ist die höchste Daseinsform im Universum des Buddhismus. Sie wurde nicht nur vom historischen Buddha, sondern auch von zahlreichen Vorgängern erreicht, die alle als Buddha bezeichnet werden. Ein Buddha tritt nach der ursprünglichen Auffassung nach seinem physischen Tod ins Nirvana ein. Er steht den Gläubigen nach seinem Tod daher nicht mehr zur Seite. (Spätere Auslegungen, vor allem der Amida [Amida (jap.) 阿弥陀 Buddha Amitabha; Hauptbuddha der Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū bzw. Jōdo Shinshū)] Buddhismus, weichen in diesem Punkt stark von der ursprünglichen Lehre ab.) In den ältesten Schriften des Buddhismus findet man als nächstes die Schüler des Buddha, die aufgrund seiner Lehre erleuchtet wurden. Sie werden u.a. als Arhat [Arhat (skt.) अर्हत् buddhistische Heiligenfigur; höchste Stufe des Menschseins vor dem Austritt aus dem Geburtenkreislauf (jap. rakan)] bezeichnet. Im Mahayana Buddhismus entwickelte sich zwischen Arhats und Buddhas die Figur des Bodhisattvas [Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)]. Bodhisattvas haben ebenso wie der Buddha aus eigener Kraft zur Erleuchtung gefunden, verzögern aber ihren Eintritt ins Nirvana und verbleiben im Samsara, um andere Wesen zur Erleuchtung zu führen. Aus diesem Grunde erscheinen sie immer wieder in der Welt der Unerleuchteten und vollführen mitunter auch Wunder. Theoretisch sind weder der historische Buddha noch seine Vorgänger oder Nachfolger mit einem monotheistischen Gott zu vergleichen, denn sie sind keine Weltenschöpfer. Buddhas und Bodhisattvas sind jedoch über das Karma erhaben und daher ideale Adressaten, um eine karmische Verbesserung zu erreichen. Insofern genießen sie in der Praxis häufig einen gottähnlichen Status (s.a. Kap. Ikonographie, Ordnungssysteme im buddhistischen Pantheon).
Drei Schätze oder Drei Juwelen
Die drei wichtigsten Elemente des Buddhismus werden als die Drei Schätze, drei Juwelen oder Drei Kleinodien (jap. sanbō [sanbō (jap.) 三宝 Drei Schätze oder Drei Juwelen, skt. triratna: Buddha, Dharma, Sangha; im Kontext des Shinto bezeichnet der Begriff ein Opfertischchen, wird in diesem Fall allerdings meist mit den Zeichen 三方 („drei Richtungen“) geschrieben.]) bezeichnet. Es sind der Buddha, der Dharma, und der sangha [saṃgha (skt.) संघ „(Mönchs-)Gemeinde“ (jap. sō 僧 oder sōgya 僧伽)], also die buddhistische (Mönchs-) Gemeinschaft. Der Begriff „Drei Schätze“ kann auch als Synonym für den Buddhismus insgesamt verwendet werden.
Drei Körbe
Die kanonischen Schriften des Buddhismus sind in drei Grunddisziplinen unterteilt, die als die Drei Körbe (Tripitaka [Tripiṭaka (skt.) त्रिपिटक „Drei Körbe“, kanonische Schriften des Buddhismus (jap. Sanzō 三蔵)]) bezeichnet werden. Es sind (1) die Lehrreden des Buddha, die Sutren [sūtra (skt.) सूत्र „Faden“, Lehrrede des Buddha, kanonische Schrift (jap. kyō 経 oder kyōten 経典)]; (2) die monastischen Ordensregeln (Vinaya [Vinaya (skt.) विनय „Disziplin“, die monastischen Ordensregeln (jap. Ritsu 律)]); und (3) die Kommentarwerke (Abhidharma [Abhidharma (skt.) अभिधर्म Kommentarwerke des buddh. Kanons (jap. Abidatsuma 阿毘達磨)]). Der Theorie nach ist alles, was in den Drei Körben festgelegt ist, für alle buddhistischen Richtungen gültig. In der Praxis unterscheidet sich der Inhalt der Drei Körbe aber von Epoche zu Epoche, von Region zu Region und von Schule zu Schule. Japanische Buddhologen der Taishō [Taishō (jap.) 大正 1879–1926; zweiter Tennō des modernen Japan, Sohn des Meiji Tennō; seine Amtszeit (1912–1926) wird als Taishō-Zeit bezeichnet]-Zeit (1912–1926) fassten auf der Grundlage chinesischer und koreanischer Vorlagen sämtliche Schriften des ostasiatischen Buddhismus, die im weitesten Sinne zu den Tripitaka gezählt werden können, in einer Werkausgabe zusammen, die als Taishō Tripitaka [Taishō shinshū daizōkyō (jap.) 大正新脩大藏經 Taishō Tripitaka, Taishō Kanon; in der Ära Taishō (1912–1926) revidierte Ausgabe des chinesischen buddhistischen Kanons] bekannt ist. Die Ausgabe umfasst 85 Bände bestehend aus 5.320 Einzeltexten. Die Sammlung stellt noch heute ein unverzichtbares Quellenwerk für das Studium des Buddhismus in Ostasien dar, eine genaue Kenntnis aller darin enthaltenen Texte übersteigt aber bei weitem das Fassungsvermögen sowohl von Gläubigen als auch von Buddhismus-Forschern.
Unterschiede zwischen buddhistischen Richtungen
Während etwa die Schulen des Theravada [Theravāda (pali) थेरवाद „Schule der Ordensälteren“, buddhistische Richtung (hier in Pali angegeben; skt: Sthaviravada) (jap. jōzabu bukkyō 上座部仏教)] Buddhismus die Erleuchtung oder den Eintritt ins Nirvana [Nirvāṇa (skt.) निर्वाण „Erloschen, ausgelöscht“, Ort der Erlösung von allem Leid, absolutes Jenseits (jap. Nehan 涅槃)] erst nach vielen Wiedergeburten als Mönch für möglich erachten, zeichnen sich die Mahayana [Mahāyāna (skt.) महायान „Großes Fahrzeug“, buddhistische Richtung (jap. daijō bukkyō 大乗)]-Schulen dadurch aus, dass sie die Buddhawerdung (= Erleuchtung) in diesem Leben anstreben. Die Methoden, dieses Ziel zu erreichen, sind allerdings sehr verschieden und machen die Hauptunterschiede zwischen den einzelnen Mahayana-Schulen aus. Meditation wird zwar allgemein geübt, steht aber vor allem im Zen Buddhismus im Vordergrund (Zen [Zen (jap.) 禅 chin. Chan, wtl. Meditation; Zen Buddhismus] bedeutet wörtlich „Meditation“). Daneben benutzt der Zen Buddhismus die Irritation durch paradoxe Fragen (kōan [kōan (jap.) 公案 Koan, paradoxes Zen-Rätsel]), um konventionelles Wissen (Alltagsbewusstsein = „Unwissenheit“) zum Einsturz zu bringen. Andere Schulen erachten die Rezitation von Gebetstexten für entscheidend. Dabei kann es sich entweder um ganze Sutren handeln oder bloß um den Namen eines Sutra oder eines Buddha, etwa im Fall des Amida Buddhismus. Im esoterischen Buddhismus, der in Japan heute vor allem in Form der Shingon [Shingon-shū (jap.) 真言宗 Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan]-Schule präsent ist, wird der rituellen Praxis besonderes Gewicht beigemessen, wobei das Ziel ist, durch eine Kombination von Gebetsformeln (mantra [mantra (skt.) मन्त्र Gebetsformel (jap. shingon 真言)]), Handzeichen und -gesten (mudra [mudrā (skt.) मुद्रा „Siegel“, Gebetsgeste (jap. inzō 印相)]) sowie geistiger Konzentration zur Buddhaschaft zu gelangen. Die genauen Formen dieser verbalen, gestischen und imaginierten Zeichen sind „geheim“, das heißt, es bedarf eines Meisters, der eine rituelle Initiation vornimmt und den Schüler Schritt für Schritt in die Geheimnisse dieser Lehre einführt. Daher die Bezeichnung „esoterisch“ bzw. auf Japanisch mikkyō [mikkyō (jap.) 密教 esoterischer Buddhismus, Tantrismus; wtl. geheime Lehre; Gegenstück zu kengyō; in Japan vor allem durch den Shingon, aber auch durch Teile des Tendai Buddhismus vertreten], wtl. „geheime Lehre“. (Weitere Unterschiede werden im Kapitel Geschichte eingehender besprochen.)
Lehrschriften (Sutren)
Die elementarsten Texte des Buddhismus werden in der Regel als Sutra [sūtra (skt.) सूत्र „Faden“, Lehrrede des Buddha, kanonische Schrift (jap. kyō 経 oder kyōten 経典)] bezeichnet. Das Wort sūtra entstammt dem Sanskrit und ist der Webetechnik entlehnt. Es bedeutet „Faden“. Davon abgeleitet entstanden metaphorische Bedeutungen wie „Leitfaden“, „elementare Lehrschrift“, u.a.m. In Ostasien wird dafür das Schriftzeichen 経 (jap. kyō [kyō (jap.) 経 kanonischer Text, wtl. „Kettfaden“; im Buddh.: Sutra (skt. sutra), Lehrrede des Buddha], chin. jing [jing (chin.) 經 chin. Bezeichnung für eine kanonische Schrift, z.B. ein buddhistisches sutra oder ein daoistischer „Klassiker“; jap. kyō]) verwendet, das ebenfalls die Grundbedeutung „Faden“ besitzt und nicht nur im Buddhismus, sondern beispielsweise auch im Daoismus [Dōkyō (jap.) 道教 Daoismus, wtl. Lehre des Weges, chin. Daojiao; philosophisch-rel. Strömung Chinas; s.a. dō] Anwendung findet. Ein berühmter, nicht-buddhistischer „Leitfaden“ ist etwa das Yi-jing [Yijing (chin.) 易経 „Buch/Leitfaden der Wandlungen“ (chin. Klassiker); jap. Ekikyō], eig. „Leitfaden der Orakelkunst“, besser bekannt als das „Buch der Wandlungen“. Aus dem nicht-buddhistischen indischen Kontext ist hierzulande das Kamasutra [Kāmasūtra (skt.) कामसूत्र „Leitfaden der Liebe“, klassisch-indisches Lehrbuch der Erotik], der „Leitfaden der Liebe“, am besten bekannt. Auf dieser Seite ist jedoch nur von buddhistischen Sutren die Rede.
Textgestalt
Zumindest der Theorie nach stammen alle Sutren von einem Buddha (allerdings nicht notwendigerweise vom historischen Buddha Shakyamuni [Śākyamuni (skt.) शाक्यमुनि „Der Weise des Shakya-Klans“, buddhistischer Name des historischen Buddha (Gautama Siddhartha) (jap. Shaka 釈迦 oder Shakamuni 釈迦牟尼)]). Parallel zur wachsenden Zahl der Buddhas im Mahayana Buddhismus haben sich auch die Sutren vervielfacht und ein beinah unüberschaubares Maß angenommen.
Obwohl die unterschiedlichsten Themen abgehandelt werden, betten die meisten Sutren ihre Inhalte in die Rahmenhandlung einer Buddha-Predigt ein. Ein gemeinsames formales Merkmal ist die Standard-Einleitung des Rezitierenden: „So habe ich's gehört“. Oft sind auch die Umstände der Predigt Gegenstand des Sutras, bevor der Buddha selbst zu Wort kommt. Viele buddhistische Sutren thematisieren also die Umstände ihrer Entstehung und Verbreitung, bevor sie zum eigentlichen Kern der Botschaft kommen. Diese Selbst-Referenzialität scheint ein besonderes Kennzeichen buddhistischer Sutren zu sein.
Infolge ihrer langen Textgeschichte, die oft weit in vorschriftliche Zeiten hineinreicht, ist es kaum möglich, den Umfang eines bestimmten Sutras eindeutig abzugrenzen. Von allen bekannteren Sutren gibt es Versionen in verschiedenen Formen und Längen. Es existieren auch unterschiedliche Versionen eines Textes unter dem gleichen Titel und beinahe identische Texte unter verschiedenen Titeln. Die verschiedenen Sprachen, in denen buddhistische Texte verfasst wurden, machen die Sache ein weiteres Mal komplexer: Da die Originale häufig verloren gegangen sind, ist meist nicht klar, ob chinesische Sutren als direkte Übertragungen eines indischen Originals zu werten sind, oder ob sich die Übersetzer Freiheiten herausnahmen, indem sie Sutren neu kombinierten, Teile wegließen oder überhaupt neu erfanden. Schließlich gibt es in jedem buddhistischen Land auch einen beträchtlichen Teil apokrypher Sutren, die zwar vorgeben, auf ein indisches Original zurückzugehen, aber eindeutig als „Fälschungen“ identifizierbar sind, weil sie z.B. lokale Gegebenheiten in die Handlung mit einbeziehen.
Textpflege
Nara-Zeit, 744. Metropolitan Museum of Art.
Das Kopieren von Sutren galt in der gesamten Welt des Buddhismus als frommes Werk, das ganz besonders dazu geeignet war, das eigene Karma [Karma (skt.) कर्म „Tat“, auch „konsequente Folge“; moralische Bilanz der gesetzten Handlungen (jap. gō 業)] zu verbessern. Dies bezog sich sowohl auf den Stifter als auch auf die Ausführenden einer Sutrenkopie. Buddhistische Sutren wurden aus diesem Grund mit großer Sorgfalt reproduziert und aufbewahrt. Es ist somit kein Zufall, dass das abgebildete Beispiel aus der Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō]-Zeit — eines der ältesten bis heute erhaltenen Originaldokumente des japanischen Schrifttums — ein buddhistischer Text ist. Es handelt sich um ein Fragment des zu dieser Zeit äußert populären Kegon-kyō [Kegon-kyō (jap.) 華厳経 Avatamsaka Sutra bzw. Blütenkranz Sutra] (skt. Avatamsaka Sutra [Avataṃsakasūtra (skt.) अवतंसकसूत्र „Blütenkranz Sutra“, erste Übersetzung ins Chinesische um 420 (jap. Kegon-kyō 華厳経)], „Blütenkranz Sutra“). Im Mittelpunkt steht Buddha Vairocana, der in der Nara-Zeit auch als Großer Buddha des Tōdaiji [Tōdaiji (jap.) 東大寺 Tempel des Großen Buddha von Nara; wtl. Großer Ost-Tempel] verewigt wurde.
Lotos Sutra
Werk von Sugawara Mitsushige. Kamakura-Zeit. Metropolitan Museum of Art.
Das Lotos Sutra gehört zu den bekanntesten Sutren des Mahayana [Mahāyāna (skt.) महायान „Großes Fahrzeug“, buddhistische Richtung (jap. daijō bukkyō 大乗)] Buddhismus. Seine geläufigste Version ist die chinesische Übersetzung durch den Übersetzermönch Kumarajiva [Kumārajīva (skt.) कुमारजीव 344–413; buddh. Gelehrter und Übersetzer (jap. Kumaraju 鳩摩羅什)] (343–413), die 406 fertiggestellt wurde und auch den meisten Übersetzungen in westliche Sprachen zugrunde liegt. In dieser Form besteht das Sutra aus 28 Kapiteln, die sehr unterschiedliche Themen behandeln. Die Rahmenhandlung dieser Kapitel beschreibt, wie Buddha Shakyamuni [Śākyamuni (skt.) शाक्यमुनि „Der Weise des Shakya-Klans“, buddhistischer Name des historischen Buddha (Gautama Siddhartha) (jap. Shaka 釈迦 oder Shakamuni 釈迦牟尼)] vor einer unübersehbaren Menge von irdischen und überirdischen Anhängern eine Predigt hält. Im Laufe dieser Predigt kommt u.a. die Parabel vom brennenden Haus (Kap. 3) zur Sprache, die das Anwenden von „angemessenen Mitteln“ (skt. upaya [upāya (skt.) उपाय „[geschicktes] Mittel“ (jap. hōben 方便)], jap. hōben [hōben (jap.) 方便 geschicktes Mittel; skt. upāya]) legitimiert (Kap. 2). Der Buddha wird in dieser Parabel als gütiger Vater beschrieben, der versucht, die Kinder, die sich der Gefahr nicht bewusst sind (die unerleuchteten Wesen), durch Versprechungen aus dem brennenden Haus zu locken. Ein anderes berühmtes Kapitel (16) thematisiert die Lebenslänge des Buddhas und damit zugleich die buddhistische Zeitentheorie (s. dazu Die Reformen der Heian-Zeit). Das Sutra enthält aber auch Passagen, die erläutern, warum es einen besonderen karmischen Verdienst darstellt, es — das Sutra — zu kopieren. Dieses Verdienst wird höher eingeschätzt als das Opfer des eigenen Körpers, obwohl auch diese Praxis grundsätzlich gut geheißen wird (Kap. 23). Eines der einflussreichsten Kapitel ist Bodhisattva Avalokiteshvara [Avalokiteśvara (skt.) अवलोकितेश्वर „Herr, der [die Welt] unten wahrnimmt“, Bodhisattva (jap. Kannon 観音 oder Kanzeon 観世音)] (jap. Kannon [Kannon (jap.) 観音 auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt]) gewidmet und dürfte mitverantwortlich für die besondere Popularität dieser Figur sein.
Das Lotos Sutra heißt auf Sanskrit Saddharma pundarika sutra [Saddharma puṇḍarīka sūtra (skt.) सद्धर्मपुण्डरीकसूत्र „Sutra vom weißen Lotos des wunderbaren Dharma“, Lotos Sutra (jap. Myōhō renge kyō 妙法蓮華経 oder Hoke-kyō 法華経)], wörtlich: „Sutra der Lotosblume vom wunderbaren Dharma [Dharma (skt.) धर्म Gesetz (des Universums), Lehre (des Buddha) (jap. hō 法)]“, jap. entweder kurz Hoke-kyō [Hoke-kyō (jap.) 法華経 Lotos Sutra; skt. Saddharma pundarika sutra; jap. auch Hokkekyō oder Myōhō renge kyō; zählt zu den einflussreichsten Texten des Mahayana-Buddhismus, älteste Fassungen dürften im ersten Jh. v.u.Z. entstanden sein.], oder Myōhō renge kyō [Myōhō renge kyō (jap.) 妙法蓮華経 Lotos Sutra (des Wunderbaren Dharma), skt. Saddharma-pundarīka-sūtra (jap. auch Hoke-kyō)]. Es gilt vor allem im japanischen Tendai [Tendai-shū (jap.) 天台宗 Tendai-Schule, chin. Tiantai] und Nichiren [Nichiren (jap.) 日蓮 1222–1282; Begründer des Nichiren Buddhismus] Buddhismus (auch Hokke-shū [Hokke-shū (jap.) 法華宗 Andere Bez. des Nichiren Buddhismus]) als die wichtigste buddhistische Lehrschrift überhaupt.
Herz Sutra und Sutra der Höchsten Weisheit
Ein weiteres allgemein bekanntes Sutra ist das Herz Sutra (jap. Hannya shingyō [Hannya shingyō (jap.) 般若心経 „Herz Sutra der vollkommenen Weisheit“]). Es ist so kurz, dass es eigentlich mehr einem Gebet gleicht und in wenigen Minuten rezitiert werden kann. Es besteht im wesentlichen aus einer Lehrrede des Kannon (Bodhisattva Avalokiteshvara) an Shariputra [Śāriputra (skt.) शारिपुत्र Hauptschüler des Buddha (jap. Sharihotsu 舎利佛)], einen Schüler des historischen Buddha. Einer der Kernsätze lautet „Form ist Leere, Leere ist Form“. Es geht also um die Philosophie der Leere (skt. shunyata [śūnyatā (skt.) शून्यता „Leere, Nichts“, im Buddhismus ein wichtiges philosophisches Konzept (jap. kū 空)], jap. kū [kū (jap.) 空 Leere, Nichts; im Buddhismus ein wichtiges philosophisches Konzept]), bzw. der Unbeständigkeit des irdischen Daseins, die u.a. auch als buddhistischer Nihilismus bezeichnet wird.
In Japan können viele Menschen das Herz Sutra auswendig, vor allem Anhänger des Zen [Zen (jap.) 禅 chin. Chan, wtl. Meditation; Zen Buddhismus] und des Shingon [Shingon-shū (jap.) 真言宗 Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan] Buddhismus. Das Sutra wird hier in einer Mischung aus Sanskrit und Chinesisch rezitiert, die keinerlei Ähnlichkeiten mit dem gesprochenen Japanisch aufweist und für Laien vollkommen unverständlich ist. Für die meisten japanischen Buddhisten steht der inhaltliche Aspekt des Textes daher nicht im Vordergrund. Interessanterweise ist das Herz Sutra aber gerade in seiner japanisierten Form (also in sinisiertem Sankrit, japanisch ausgesprochen) auch in westlichen buddhistischen Kreisen populär geworden.
Das Titelblatt stellt Buddhas erste Predigt im Hirschpark von Sarnarth in Indien dar. Der Buddha und zwei Bodhisattvas sitzen auf Lotos-Blüten, dahinter die fünf Asketen, mit denen Buddha ehemals gemeinsam praktizierte, sowie die friedlichen Hirsche.
Das sutra wurde auf Bestellung von Fujiwara Hidehira (–1187) angefertigt, um für die Seele seines verstorbenen Vaters Motohira (–1157) zu beten. Dieser Zweig der Fujiwara begründete Ende der Heian-Zeit in Hiraizumi, Nordost-Japan ein florierendes geistig-religiöses Zentrum.Heian-Zeit, ca. 1175. Metropolitan Museum, 2003, Abb. 28.
Diamant Sutra
Diamant Sutra (jap. Kongō-kyō [Kongō-kyō (jap.) 金剛経 Diamant Sutra, vollst. Name Kongō hannyaharamitsu kyō bzw. skt. Vajracchedikā-prajñāpāramitā-sūtra, erste Übersetzung ins Chinesische Kumārajīva, 403; online-Version inkl. eng. Ü.: Charles Muller]) ist die Kurzbezeichnung für einen Text, der wörtlich das „Sutra der Diamant-gleichen höchsten Weisheit“ (Skt. Vajracchedikā-prajñāpāramitā-sūtra) betitelt wurde. Ähnlich wie im Herz Sutra geht es auch hier um die höchste Weisheit, die als das Erkennen der Leere dargestellt wird, wobei für diese Leere ein Reihe kunstvoller Metaphern und Allegorien gefunden werden. Das relativ kurze Sutra genießt vor allem im Zen [Zen (jap.) 禅 chin. Chan, wtl. Meditation; Zen Buddhismus] Buddhismus große Popularität. Formal handelt es sich um einen Dialog zwischen dem Buddha Shakyamuni und Subhūti, einem seiner Zehn Schüler, der auch als jener Jünger des Buddha galt, der als erster die Wahrheit der Leere zu begreifen vermochte.
Tang-Zeit, 868. Wikimedia Commons.
Das Sutra ist auch deshalb interessant, weil es als einer der ersten buddhistischen Texte auch als Blockdruck herausgebracht wurde. Der Druck entstand im Jahr 868 in China und gilt als ältestes gedrucktes Buch der Welt. Er enthält eine Illustration, auf der das Setting des Sutras zu sehen ist: Links unten der Mönch Subhuti [Subhūti (skt.) सुभूति einer der Zehn Schüler des Buddha; Fragensteller im Diamant Sutra (jap. Shubodai 須菩提 oder Gekū Daiichi 解空第一)] in ehrfurchtsvoller Haltung, in der Bildmitte der Buddha, umringt von seinen Hauptschülern (zu denen auch Subhuti zählt), zwei Bodhisattvas [Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)], zwei Wächtern (niō [niō (jap.) 仁王 Wächterfigur, Torwächter]), zwei Löwenhunden (komainu [komainu (jap.) 狛犬 wtl. „Korea-Hund“, auch „Löwenhund“; Wächterfigur vor religiösen Gebäuden]), zwei Himmlischen Wesen, sowie einem weltlichen Herrscher mit Gefolge (unten rechts).
Buddhismus und andere Religionen
Andere Religionen führen nach buddhistischer Auffassung zwar nicht direkt zum Pfad der Erleuchtung, können aber unter Umständen mit dem Buddhismus vereinbare Werte verbreiten. Sie können sogar dem Plan eines Buddha entsprechen, um die Unwissenden schrittweise an seine Lehre heranzuführen. Religionen, die den Buddhismus nicht ihrerseits ablehnen (also z.B. der Shintō [Shintō (jap.) 神道 Shintō; wtl. Weg der Götter, Weg der kami]), werden daher als Umwege, aber nicht als Irrwege aufgefasst.
Ebenso wird die Existenz von Gottheiten anderer Religionen nicht geleugnet. Allerdings sind auch die Götter im Geburtenkreislauf gefangen. Gottsein ist also eine mögliche Form der Wiedergeburt. Vor allem indische Götter wurden in dieser Form konzipiert (sie erhalten oft die Funktion eines Beschützers des Buddhismus). Japanische Götter (kami [kami (jap.) 神 Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō]) gelten hingegen in vielen Richtungen des japanischen Buddhismus als Manifestationen von Buddhas. Buddhas bedienen sich demnach der Form von kami, um die Menschen an sich heran zu führen.
In diesen Konzeptionen von nicht-buddhistischen Göttern spiegelt sich ein gemeinsames Grundmuster wider: Außerhalb des Buddhismus liegende Vorstellungen werden von diesem nicht bekämpft oder negiert, sondern nach Möglichkeit integriert. Man hat diese Verfahrensweise u.a. auch als „Inklusivismus“ bezeichnet. Monotheistische Religionen wie das Christentum oder der Islam gehen hier meist einen anderen Weg (Verneinung, Diffamierung, Verfolgung), den man in diesem Zusammenhang als „exklusivistisch“ bezeichnen könnte. Solchen exklusivistischen Religionen oder Sekten gegenüber zeigte sich umgekehrt auch der Buddhismus von einer intoleranten Seite und zwar genau dann, wenn diese Religionen sich gegen die Vereinnahmung durch den Buddhismus zur Wehr setzten oder diese von vornherein ausschlossen. Christen und andere religiöse Gruppen mit exklusivem Absolutheitsanspruch (etwa die buddhistische Ikkō-shū [Ikkō-shū (jap.) 一向宗 Ikkō Sekte, eine Fraktion des Buddhismus vom Reinen Land ( Jōdo-shū)]) wurden daher in Japan auch im Namen des japanischen Buddhismus auf ähnliche Weise verfolgt wie „Ketzer“ und „Heiden“ in der europäischen Religionsgeschichte (s. Kap. Geschichte, Japans ‚christliches Jahrhundert‘).
Verweise
Verwandte Themen
Internetquellen
Einführungen in die Lehre des Buddha gibt es im Internet wie Sand am Meer, viele sind allerdings durch den Blick einer spezifischen Richtung des Buddhismus gefärbt. Andererseits gibt es viele Linksammlungen, die teilweise veraltet oder ungeordnet sind. Hier eine kleine Auswahl von Links, die bereits länger funktionieren:
- Buddhanet's Buddhist Studies, Buddha Dharma Education Association (en.)
Eine umfangreiche und informative Site mit einem religiösen Background (Kong Meng San Kloster, Singapur). - Digital Dictionary of Buddhism, Charles Muller
Ein für Spezialisten sehr brauchbares online-Wörterbuch. Chinesisch - Englisch mit englischen Erläuterungen (login als „guest“). - Buddhist Studies WWW Virtual Library (en.)
Eine der anerkanntesten akademischen Meta-Sites, mit Links zu diversen Subthemen. - East Asian Buddhist Studies: A Reference Guide, William M. Bodiford (en.)
Eine kommentierte Bibliographie der wichtigsten Ressourcen (Quellensammlungen, Wörterbücher, ...) für alle die sich wissenschaftlich mit dem Buddhismus auseinandersetzen. - Dictionary of the History of Ideas - Buddhism, Nakamura Hajime (en.)
Online Fassung eines einführenden Artikels des berühmten Buddhismuskundlers Nakamura Hajime aus dem Jahr 1961. Nicht mehr ganz neu, aber fundiert.
Literatur
Auch die Einführungsliteratur in den Buddhismus ist unübersehbar und zugleich von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus meist nicht befriedigend. 2011 ist jedoch ein Band zur Geschichte des japanischen Buddhismus erschienen, der von der Zielsetzung viel mit dem Kapitel Geschichte gemeinsam hat, allerdings wesentlich ausführlicher auf einzelne Punkte eingeht:
Zum indischen Buddhismus gibt es einige Klassiker, die zwar nicht mehr ganz aktuell sind, aber gut und allgemein verständlich geschrieben:
Etwas moderner und zudem sehr handlich:
Glossar
- Abhidharma (skt.) अभिधर्म ^ Kommentarwerke des buddh. Kanons (jap. Abidatsuma 阿毘達磨)
- Avalokiteśvara (skt.) अवलोकितेश्वर ^ „Herr, der [die Welt] unten wahrnimmt“, Bodhisattva (jap. Kannon 観音 oder Kanzeon 観世音)
- Avataṃsakasūtra (skt.) अवतंसकसूत्र ^ „Blütenkranz Sutra“, erste Übersetzung ins Chinesische um 420 (jap. Kegon-kyō 華厳経)
- Benzaiten 弁才天/弁財天 ^ Glücksgöttin im Ensemble der Sieben Glücksgötter (Shichi Fukujin); Gottheit des Wassers, der Musik und der Beredsamkeit; skt. Sarasvati; auch: Benten
- Bishamon-ten 毘沙門天 ^ Himmelswächter des Nordens, Glücksgott; abgeleitet von einem indischen Gott des Reichtums, Vaishravana
- Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व ^ „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)
- Hannya shingyō 般若心経 ^ „Herz Sutra der vollkommenen Weisheit“
- Hoke-kyō 法華経 ^ Lotos Sutra; skt. Saddharma pundarika sutra; jap. auch Hokkekyō oder Myōhō renge kyō; zählt zu den einflussreichsten Texten des Mahayana-Buddhismus, älteste Fassungen dürften im ersten Jh. v.u.Z. entstanden sein.
- Kannon 観音 ^ auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt
- Kongō-kyō 金剛経 ^ Diamant Sutra, vollst. Name Kongō hannyaharamitsu kyō bzw. skt. Vajracchedikā-prajñāpāramitā-sūtra, erste Übersetzung ins Chinesische Kumārajīva, 403; online-Version inkl. eng. Ü.: Charles Muller
- Konkōmyō-kyō 金光明経 ^ Goldglanz Sutra; skt. Suvarṇaprabhāsasottama sūtra; eines von drei „Staatsschutz-Sutren“ des frühen japanischen Staats
- Kumārajīva (skt.) कुमारजीव ^ 344–413; buddh. Gelehrter und Übersetzer (jap. Kumaraju 鳩摩羅什)
- Myōhō renge kyō 妙法蓮華経 ^ Lotos Sutra (des Wunderbaren Dharma), skt. Saddharma-pundarīka-sūtra (jap. auch Hoke-kyō)
- prajñāpāramitā (skt.) प्रज्ञापारमिता ^ „Vollkommene Weisheit“ (jap. hannyaharamitta 般若波羅蜜多)
- Saddharma puṇḍarīka sūtra (skt.) सद्धर्मपुण्डरीकसूत्र ^ „Sutra vom weißen Lotos des wunderbaren Dharma“, Lotos Sutra (jap. Myōhō renge kyō 妙法蓮華経 oder Hoke-kyō 法華経)
- Śākyamuni (skt.) शाक्यमुनि ^ „Der Weise des Shakya-Klans“, buddhistischer Name des historischen Buddha (Gautama Siddhartha) (jap. Shaka 釈迦 oder Shakamuni 釈迦牟尼)
- Shichi Fukujin 七福神 ^ Sieben Glücksgötter; populäres Ensemble von Glücksgöttern verschiedener Herkunft
- Shingon-shū 真言宗 ^ Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan
- Shōmu Tennō 聖武天皇 ^ 701–56; 45. japanischer Kaiser; (r. 724–49); Förderer des Buddhismus
- Śrāvakayāna (skt.) श्रावकयान ^ „Fahrzeug der Schüler“, Richtung des Buddhismus (jap. Shōmon-jō 声聞乗)
- Taishō shinshū daizōkyō 大正新脩大藏經 ^ Taishō Tripitaka, Taishō Kanon; in der Ära Taishō (1912–1926) revidierte Ausgabe des chinesischen buddhistischen Kanons
- Tenmu Tennō 天武天皇 ^ 631?–686; 40. japanischer Kaiser; (r. 673–686)
- Theravāda (pali) थेरवाद ^ „Schule der Ordensälteren“, buddhistische Richtung (hier in Pali angegeben; skt: Sthaviravada) (jap. jōzabu bukkyō 上座部仏教)
- ^ Auf diesem Fragment steht ein Teil des Kegon-kyō (Blütenkranz Sutra) geschrieben.
Nara-Zeit, 744. Metropolitan Museum of Art. - ^ Eröffnungsszene des 25. Kapitels des Lotos Sutra (Hoke-kyō), in dem es um die Vorzüge von Bodhisattva Kannon geht. Das Kapitel besteht aus einem Dialog zwischen Buddha Shakyamuni (durch Aureole gekennzeichnet) und dem „Bodhisattva Unerschöpfliche Absicht“ (ihm gegenüber am Boden sitzend), in dem die Eigenschaften Kannons als Helfer der notleidenden Lebewesen gepriesen werden. Kannon selbst tritt in dem Kapitel nur am Rande in Erscheinung. Die Illustration entstammt einer reichhaltig bebilderten Schriftrolle aus der Kamakura-Zeit, die lediglich das Kannon-Kapitel des Lotos Sutra enthält und sich vor allem auf die bildliche Darstellung der unzähligen Erscheinungsformen dieses Bodhisattvas konzentriert.
Werk von Sugawara Mitsushige. Kamakura-Zeit. Metropolitan Museum of Art. - ^ Abschrift des Daihannya-kyō aus der Heian-Zeit.
Das Titelblatt stellt Buddhas erste Predigt im Hirschpark von Sarnarth in Indien dar. Der Buddha und zwei Bodhisattvas sitzen auf Lotos-Blüten, dahinter die fünf Asketen, mit denen Buddha ehemals gemeinsam praktizierte, sowie die friedlichen Hirsche.
Das sutra wurde auf Bestellung von Fujiwara Hidehira (–1187) angefertigt, um für die Seele seines verstorbenen Vaters Motohira (–1157) zu beten. Dieser Zweig der Fujiwara begründete Ende der Heian-Zeit in Hiraizumi, Nordost-Japan ein florierendes geistig-religiöses Zentrum.
Heian-Zeit, ca. 1175. Metropolitan Museum, 2003, Abb. 28. - ^ Das Bild zeigt den Mönch Subhuti und Buddha Shakyamuni im Dialog, wie er im Diamant Sutra wiedergegeben ist. Es handelt sich um die einzige Illustration in der ersten Druckversion dieses Textes aus dem Jahr 868. Dargestellt sind Subhuti und der wesentlich größere Buddha, umringt von seinen Hauptschülern (zu denen auch Subhuti zählt), zwei Bodhisattvas, zwei Wächtern niō, zwei Löwenhunden (komainu), zwei Himmlischen Wesen, sowie einem weltlichen Herrscher mit Gefolge (unten rechts).
Der Text gilt als das älteste gedruckte Buch der Welt. Er überdauerte Jahrhunderte in Vergessenheit in einer der Höhlen von Dunhuang, wo er vom Altösterreicher in britischen Diensten Sir Aurel Stein (1862–1943) in den Jahren 1906–1908 entdeckt wurde.
Tang-Zeit, 868. Wikimedia Commons.
Religion in Japan, Inhalt
- 一 Grundbegriffe
- 二 Bauten
- 五 Mythen
- Einleitung
- Mythologie:
- Götter des Himmels
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- Jenseits
- Geister:
- Totengeister
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- 六 Geschichte
- Einleitung
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- Überblick
- Buddhismus, Asien:
- Arhats in China und Japan
- Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
- Bishamon-ten: Wächter und Glücksgott
- Riesen-Buddhas: Im Kampf gegen die Unbeständigkeit des irdischen Daseins
- Lokale Vorstellungen, Japan:
- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
- Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit
- Religion und Politik:
- Die Tenshō-Mission: Beginn einer schwierigen transnationalen Beziehung
- Yasukuni: Der Schrein des ‚friedlichen Landes‘
- Herrigels Zen und das Bogenschießen
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„Buddhistische Grundlehren.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001