Blutopfer, Selbstopfer und religiöse Gewalt

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Blutopfer, Selbstopfer und religiöse Gewalt

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Wenn man vom a·bend·län·dischen Reli·gions·ver·ständ·nis ausgeht, verbindet sich mit dem Begriff „Opfer“ die Vorstellung des Blut·opfers oder der Ver·nich·tung von essentiellen Ressourcen (vgl. die biblische Episode von Kain und Abel: Abel opfert Fleisch, Kain Getreide, indem sie es ver·bren·nen). Auch wenn die moderne christliche Religion keine der·artigen Opfer mehr fordert, existiert die Idee des Blut·opfers weiter fort, mani·festiert sie sich doch nicht zuletzt in Christus, der sich selbst zum Opfer machte bzw. von Gott-Vater für die Opferrolle ausersehen wurde (vgl. diesbez. auch das von Abraham geforderte Opfer des eigenen Sohnes). Opfer impliziert demnach Gewalt gegen die eigenen Interessen oder Gewalt an sich selbst.

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1 Japanische Legende eines Menschenopfers für eine Schlangengottheit
Matsura Sayohime, die sich selbst einem Menschenhändler verkauft hat, wird einer Schlangengottheit als Opfer dargebracht. Durch Rezitation des Lotos Sutras wird die Schlange bekehrt und das Mädchen gerettet. Die Legende wurde in der vorliegenden Version wahrscheinlich in der Muromachi-Zeit verschriftlicht, ist aber in der Heian-Zeit, also in grauer Vorzeit, angesiedelt.
Edo-Zeit, 17. Jh. Museum Angewandte Kunst Frankfurt, Foto: Ute Kunze.

Ähnliche Opfer-Konzepte existierten auch in Indien, insbesondere im Veda [Veda (skt.) वेद „Wissen“, älteste indische Textsammlung zur brahmanischen Religion, in Versform; ursp. nur mündlich tradiert], wo neben detaillierten Opferritualen auch Theorien zu finden sind, die jedes Opfer (auch das Opfer von Pflanzen) explizit mit dem Töten von Lebewesen gleichsetzen und diese Gewaltanwendung zu einem zentralen Teil des Opfers erklären.1 Interessanterweise schließen vedische Opfervorschriften mit ein, dass der Opfernde eine vorbereitende Phase des Vegetarismus (sowie des Gewalt- und Sexualverzichts) durchläuft, an dessen Ende Blutopfer und Fleischkonsum stehen. Blutopfer/ Fleischkonsum einerseits und Gewaltverzicht/ Vegetarismus andererseits standen also in einem zyklischen Verhältnis zu einander.2 Erst später setzte sich der Vegetarismus als generelle ethische Norm in Indien durch und wurde in dieser Form auch vom Buddhismus übernommen.

In Japan ist von blutigen religiösen Opfern auf den ersten Blick nichts zu erkennen (s. Hauptseite Opfergaben). Wendet man sich aber religiösen Legenden aus alter Zeit zu, wird allmählich klar, dass Blut und Gewalt auch in der religiösen Vorstellungswelt Japans einen festen Platz haben.

Selbstopfer im Buddhismus

Dass religiöse Zeremonien in Japan weitgehend unblutig verlaufen, ist wohl in erster Linie dem buddhistischen Tötungsverbot zuzuschreiben. Dieses Tötungsverbot bezieht sich jedoch nicht auf das eigene Leben und in der Tat kennt der Buddhismus Beispiele von willentlich durchgeführten Selbstopfern. In den Geschichten von den Vorleben des historischen Buddhas, den Jataka [Jātaka (skt.) जातक „Wiedergeburtsgeschichte“, Heiligenlegende des Buddha (jap. Honjōtan 本生譚 oder Honjōkyō 本生経)], finden sich dafür zahlreiche Beispiele. Der vielleicht prominenteste Fall einer buddhistischen Selbstopferung ist jedoch die Selbstverbrennung des Bodhisattvas Yakuō im Lotos Sutra

(Saddharma pundarika sutra [Saddharma puṇḍarīka sūtra (skt.) सद्धर्मपुण्डरीकसूत्र „Sutra vom weißen Lotos des wunderbaren Dharma“, Lotos Sutra (jap. Myōhō renge kyō 妙法蓮華経 oder Hoke-kyō 法華経)]). Dieser eminent wichtige Texte des

Mahāyāna महायान (skt., n.)

„Großes Fahrzeug“, buddhistische Richtung (jap. daijō bukkyō 大乗)

Schulrichtung

Der Begriff „Mahayana“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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-Buddhis·mus enthält zum Thema Opfer/Spende (

kuyō 供養 (jap.)

Opfer(ritus), Spende; auch: Totenritual

Ritus

Der Begriff „kuyō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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, skt. pūjā) ein er·staun·liches Kapitel, das man sowohl als Anlei·tung zur rituellen Selbst·ver·bren·nung als auch als deren Ge·gen·teil inter·pre·tieren kann. Es handelt sich um das Kapitel 23, in dem es um das Vorleben des

Yakuō Bosatsu 薬王菩薩 (jap.)

Bodhisattva Medizinkönig; Bodhisattva im Lotos Sutra

Buddha

Der Begriff „Yakuō Bosatsu“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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Bilder

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, wtl. „Bodhisattva Medizin-König“, geht. Ab·ge·sehen vom Thema „Opfer“ ist dieses Kapitel ein typisches Beispiel für die rekursive Form, in der bud·dhis·tische Sutren ihren eigenen Wert anpreisen. Der Wert einer Rezitation des Lotos Sutras ist — so die Botschaft in diesem Fall — höher als ein Selbstopfer im Dienste der buddhistischen Lehre.

Die Geschichte des Medizinkönigs

Die weitschweifige Erzählung dieses Kapitels lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:

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2 Yakuō Bosatsu (1202)
Der selten dargestellte Yakuō Bosatsu tritt im Kōfuku-ji zusammen mit seinem „Bruder“, Yakujō Bosatsu, auf.
Kamakura-Zeit, 1202. Bildquelle: Kurokawa Takao.

Wir befinden uns in einem lange zu·rück lie·gen·den Zeit·alter, in dem der Buddha der Licht·reinen Tugend3 auf Erden weilt. Auch dieser Buddha pre·digt bereits das Lotos Sutra und führt da·durch den Bodhi·sattva des Freu·digen An·blicks4 in einen Zu·stand medi·ta·tiver Ver·sen·kung (samadhi), in dem dieser alle Formen an·nehmen kann.

Zum Dank offenbart der Bo·dhi·sattva dem Buddha aller·lei Spen·den (Blumen, Räu·cher·werk, Parfüm), doch schluss·end·lich be·schließt er, seinen eige·nen Körper zu op·fern (kuyō), um der er·wie·se·nen Gnade gerecht zu wer·den. Nach auf·wän·digen Vor·berei·tun·gen gelingt dies in einem Akt der Selbst·ver·bren·nung, dessen Licht bis in alle ande·ren Welten dringt. Die Buddhas aller dieser Welten wür·di·gen dies: „Wohl·getan, wohl·getan! Oh Sohn aus gutem Hause! Dies ist echte An·stren·gung! Dies nennt man eine wahre Ge·setzes·spende an den Tatha·gata!“

Der Bo·dhi·sattva wird sogleich wieder·geboren und begibt sich ein weiteres Mal zum Budda der Licht·reinen Tugend. Dieser erklärt ihn zu seinem Nach·folger und geht sodann ins Nirvana ein. Der Bo·dhi·sattva kümmert sich um die Ver·bren·nung der sterb·lichen Über·reste des Buddhas und die Bei·setzung seiner Reli·quien. Dann bringt er den Reli·quien ein wei·teres Selbst·opfer dar, indem er seine Arme verbrennt. Als Zeichen seiner zu·künf·tigen Buddha·schaft wachsen dem Bo·dhi·sattva allerdings wieder neue Arme nach.

In der heutigen Welt (zur Zeit des historischen Buddhas) zeigt sich dieser Bo·dhi·sattva als Yakuō Bosatsu (Bodhi·sattva Medizin·könig).

Zusammengefasst nach Deeg 2009, S. 290–98

Interpretation des Medizinkönig-Kapitels

Aus dieser Geschichte zieht das Lotos Sutra selbst folgenden Schluss: Wenn jemand ein Selbstopfer begeht, und sei es auch nur ein Finger oder eine Zehe, so bringt dies mehr kar·mi·sche Verdienste als die Spende der größten Schätze und Reich·tü·mer. All diese Verdienste sind jedoch immer noch geringer als jene von einem, „der dieses Sutra vom Lotos des Gesetzes annimmt und bewahrt, und seien es auch nur vier Verse daraus! Dieser erlangt das höchste Heil.“

Die Bot·schaft des Kapitels läuft also darauf hinaus, dass es besser ist, das Lotos Sutra aus·wendig zu lernen, zu rezi·tie·ren und zu kopie·ren, als sich durch Selbst·opfer der Gnade Buddhas würdig erwei·sen zu wollen. Inso·fern wird der Wert eines Selbst·opfers relati·viert. Den·noch ent·hält das Kapitel auch die aus·führ·liche Bio·gra·phie eines Bo·dhi·sattvas, dessen Be·sonder·heit in mehr·fachen Selbst·op·ferun·gen be·steht, die expli·zit von „den Buddhas aller Welten“ als höchste Form des Opfers geprie·sen werden. Das Kapitel, in dem das Thema Verbren·nung auch in Form der Krema·tion eines Toten ange·spro·chen wird, kann also nicht nur als Aufruf zum Studium des Lotos Sutras ge·lesen wer·den, sondern ent·hält durchaus Er·muti·gungen zur teil·weisen oder voll·stän·digen Selbst·ver·bren·nung, wie sie gerade in der bud·dhis·tischen Welt ja auch heute noch immer wieder vor·kommt. Daher wird Kapitel 23 des Lotos Sutra auch als locus classicus der bud·dhisti·schen Praxis der Selbst·ver·bren·nung bezeichnet.

Schlussendlich offenbart das Sutra, dass das betreffende Kapitel von den frühe·ren Leben des Medizin·königs wie Medizin wirkt: „Wenn jemand krank ist und dieses Sutra ver·nimmt, so wird seine Krank·heit sogleich ver·schwin·den und er wird ohne Alter und ohne Tod sein.“ Offen·bar hängt die beson·dere Be·to·nung der körper·lichen Ver·stüm·me·lung mit den heilen·den Fähig·keiten zu·sam·men, die diesem Bo·dhi·sattva zuge·spro·chen werden. Dies recht·fertigt natür·lich umge·kehrt auch den Namen Me·di·zin·könig.

Religiöse Selbstmorde in Japan

In Japan ist der „Medizin-Buddha“,

Yakushi Nyorai 薬師如来 (jap.)

Buddha der Medizin; skt. Bhaisajyaguru

Buddha

Der Begriff „Yakushi Nyorai“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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Bilder

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, wesent·lich populärer als der hier er·wähn·te Bodhi·sattva Me·di·zin·könig. Das Beispiel des Me·di·zin·königs fand daher glück·licher·weise nicht allzu viele Nach·ahmer. Doch findet man schon in den

Nara 奈良 (jap.)

Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō

Ort, Geschichte

Der Begriff „Nara“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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Geographische Lage

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Geographische Lage von Nara; s.a. Geo-Glossar

-zeitlichen Bestim·mun·gen für Mönche und Nonnen5 ein expli·zites Verbot der reli·giösen Selbst·ver·bren·nung. Dies legt im Umkehrschluss nahe, dass es schon in der Früh·zeit des japani·schen Bud·dhis·mus Mönche gab, die sich verbrannten, um gegen die welt·lichen Mächte zu protestieren. Auch in China scheint diese Praxis als Mittel des poli·tischen Protests ein·ge·setzt worden zu sein.

In der mit·tel·alter·lichen

setsuwa 説話 (jap.)

Lehrerzählung, didaktische Anekdote; meist von buddh. Mönchen in Form umfangreicher Sammlungen kompiliert

Text

Der Begriff „setsuwa“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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-Lite·ratur stößt man schließlich auf konkrete Berichte von Fun·damen·talis·ten, die „aus ihrem Kör·per eine Lampe machen“ wollten, wie man das ehe·mals nannte. Viele Beispiele finden sich im Dainihon hokke genki, einem Werk, das schon im Titel auf die durch das Lotos Sutra in Japan hervorgerufenen Wunder hinweist. Während Selbstverbrennungen hier als bewundernswert herausgestellt werden, berichtet der Satiri·ker

Mujū Ichien 無住一円 (jap.)

1226–1312; buddh. Mönch und Autor essayistischer und anekdotischer Werke

Der Begriff „Mujū Ichien“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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abfällig von einem vor·ge·täuschten Selbst·verbren·nungs·ritual. 
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3 Aufbruch ins Ungewisse
Unter einem großen torii vollziehen buddhistische Mönche einen Ritus. Davor sieht man ein Schiff, das ebenfalls mit torii bestückt ist, doch auf dem Segel steht „Ehre dem Buddha Amida“ namu amida butsu. Die Szene ist ein Ausschnitt eines Schrein-Mandalas, auf dem die Umgebung des Nachi Schreins in Kumano dargestellt ist. Der Ort war im Mittelalter und in der frühen Neuzeit auch dafür berühmt, dass sich Amida-Gläubige in Boote aussetzen ließen, um von hier Fudaraku, das Reine Land von Amidas Begleiter Kannon Bosatsu, zu erreichen, das man südlich der Halbinsel von Kumano wähnte. Das Boot mit den torii ist für diese Fahrt ins Ungewisse gedacht. Die Praktikanten ließen sich in einer Art Hütte an Bord einsperren und hofften, dass ihnen die Wiedergeburt in Kannons Paradies sicher wäre, wenn sie auf diese Weise den Tod finden würden. (S.a. Religiöse Selbstmorde.)
Frühe Edo-Zeit. Kokugakuin University Library.

Häufiger als Selbst·ver·bren·nung war jedoch ein ritueller Selbstmord namens Fudaraku tokai [Fudaraku tokai (jap.) 補陀落渡海 „Überfahrt nach Fudaraku“ (Paradies des Bodhisattva Kannon); buddhistische Form des rituellen Selbstmords] (Überfahrt nach Fudaraku), bei dem sich der Welt·flüch·tige in ein Boot ein·zimmern ließ. Dieses wurde dann den Wellen übergeben, um schließlich im Para·dies Kannon [Kannon (jap.) 観音 auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt]s,

Fudaraku 補陀落 (jap.)

paradisische Insel des Kannon (Avalokiteshvara), abgeleitet von skt. Potalaka

Pantheon

Der Begriff „Fudaraku“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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Bilder

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  • Nyoirin kannon 14c.jpg
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, anzukommen. Da dieses Paradies im Süden jenseits des Meeres liegen soll, etablierte sich die Süd·spitze der Halb·in·sel Kii [Kii Hantō (jap.) 紀伊半島 Halbinsel Kii, Wakayama-ken] als Ausgangspunkt solcher selbstmörderischer Expeditionen.6 In diesem Fall steht jedoch das Selbst·opfer nicht im Vorder·grund, denn das Errei·chen des Para·dieses noch wäh·rend der eige·nen Lebens·zeit wurde zu min·dest von den Pio·nieren dieser Praxis für mög·lich erachtet. Aller·dings hoffte man im Falle des eigenen Todes auf „Hinüber·geburt“ in Kannons Para·dies. So oder so ging es also um das Erreichen dieses Pa·ra·die·ses, sei es als Lebender oder als Toter.

Die extremste Form der Selbstopferung, für die es Beispiele aus Japan gibt, ist die Selbst·mu·mifi·zierung. Dabei nehmen Mönche Monate hin·durch nur giftige pflanz·liche Extrakte zu sich, sodass sie letztlich in völlig ausge·zehr·tem Zu·stand ver·hungern, ihre Körper aber an·schließend nicht ver·wesen. Einige Mumien dieser Art sind aus Nord-Japan bekannt, der letze Fall ereignete sich 1903.

Kriegerethos

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4 Seppuku des Erdbebenwelses
Der Erdbeben-Wels (namazu), der das Erdbeben von 1855 hervorgerufen hat, ist von einem Pfeil des Gottes Kashima Daimyōjin getroffen worden und begeht Selbstmord durch seppuku (harakiri). Im Hintergrund, unterhalb des Gottes, sind links die verstorbenen Opfer des Bebens, rechts die Geschädigten (Großhändler, Daimyōs, etc.) zu sehen. Aus dem Bauch des Welses strömt Geld (das offenbar den Armen zugute kommt).
Edo-Zeit, 1855. Bildquelle: Miyata Noboru, Takada Mamoru, Namazue: Shinsai to Nihon bunka. Tokyo: Ribun Shuppan, 1995, S. 9.

Viel bekannter als die vereinzelten Fälle buddhistisch motivierter Selbstmorde ist die japanische Tradition des seppuku [seppuku (jap.) 切腹 ritueller Selbstmord durch Bauchschnitt; „Harakiri“] (harakiri). Obwohl diese Praktik in einen aufwändigen Ritualismus eingebunden war, fehlt auf den ersten Blick jeder religiöse Bezug. Das Motiv dieser Selbstopferungen war stets die Ehre als Krieger. In den meisten Fällen ging es einfach darum, dem Feind nicht lebend in die Hände zu fallen oder einen aussichtslosen Kampf ehrenvoll zu beenden. Auch folgte man mitunter zum Beweis der eigenen Loyalität seinem Lehensherren in den Tod, eine Praxis, die Anfang der Edo-Zeit derart verbreitet gewesen zu sein scheint, dass sie sogar unter Strafe gestellt wurde (wobei die Strafe die überlebenden Verwandten traf). Schließlich gibt es in moderner Zeit auch das kriegerische Selbstmordattentat in Gestalt der

kamikaze 神風 (jap.)

Götterwind; urspr. ein poetischer Beinamen der Provinz Ise, wird der Begriff seit den Mongolenangriffen des 13. Jh.s mit göttlichem Schutz im Krieg assoziiert und daher auch mit den Selbstmord-Piloten des 2. Weltkriegs in Verbindung gebracht

Konzept, Geschichte

Der Begriff „kamikaze“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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-Piloten des Zweiten Weltkriegs.

Derartige ritualisierte Selbstmorde sind seit dem japanischen Mittelalter in Krieger·epen wie

Heike monogatari 平家物語 (jap.)

„Geschichte der Heike [= Taira]“; mittelalterliches Kriegerepos

Text

Der Begriff „Heike monogatari“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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oder

Taiheiki 太平記 (jap.)

Historisches Epos aus dem späten 14. Jh., behandelt den Konflikt zwischen Nördlichem und Südlichem Kaiserhof

Text

Der Begriff „Taiheiki“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Bilder

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nachweisbar. Dies ist zugleich die Blütezeit des japanischen Buddhismus. Gibt es zwischen diesen Phänomenen einen Zusammenhang? Wurden blutige Opfer durch den Buddhismus aus dem Feld der Religion verbannt und daher in ein weltliches Gewand gekleidet? Wie verhielt es sich mit mit Opfern in vor- und früh-buddhistischer Zeit?

Prähistorische Menschenopfer

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5 Grabfiguren (haniwa)
Die vier haniwa-Figuren stammen aus einem Hügelgrab in Kyūshū, dem Mukadezuke, das in der späten Kofun-Zeit errichtet wurde. Die beiden Figuren im Vordergrund tragen wahrscheinlich buddhistische Stolen (kesa), die Figur mit dem Hut dürfte ein Mann sein. Die Figuren wurden an der Außenseite der Hügelgräber in Reihen nebeneinander aufgestellt.
Kofun-Zeit, 6. Jh. Japanese Archaeological Association, 2006.

Das chinesische Ge·schichts·werk

Weizhi 魏志 (chin.)

Chin. Chronik der Wei Dynastie (220–266) aus dem 3. Jh. u.Z.; enthält die frühesten Berichte über Japan (Wa) (vgl. wo)

Text

Der Begriff „Weizhi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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(Chronik der Wei, 297 u.Z.), das die ältesten histori·schen Berichte über Japan enthält, berichtet, dass anlässlich des Todes der Priester·königin

Himiko 卑弥呼 (jap.)

ca. 170–248; frühgeschichtliche Priesterkönigin; auch Pimiko (wahrscheinliche Bedeutung: „Kind der Sonne“); chin. Pei-mi-hu

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über hundert Ge·folgs·leute gezwun·gen wurden, ihr in den Tod zu folgen.7 Auch das

Nihon shoki 日本書紀 (jap.)

Zweitältestes Schriftwerk und erste offizielle Reichschronik Japans (720)

Text

Der Begriff „Nihon shoki“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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(720) erzählt vom Brauch der Todes·gefolg·schaft im früh·ge·schicht·lichen Japan, die allerdings nicht auf freiwilliger Basis erfolgte: Als der jüngere Bruder des semi-mythischen Herrschers

Suinin Tennō 垂仁天皇 (jap.)

11. kaiserl. Herrscher Japans, leg. Regiergungszeit 29 v.–70 n.u.Z.

Fiktive Person

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starb, mussten seine persön·lichen Vassallen ihm in den Tod folgen, indem man sie aufrecht stehend mit ihm zu·sam·men begrub. Sie starben also einen lang·samen, qual·vollen Tod und ihr Weh·klagen war noch Tage nach dem Begräbnis zu ver·nehmen. Der Tennō beschloss daraufhin, diesem Brauch ein Ende zu machen, und befahl, anstatt lebender Personen Grab·bei·gaben aus Ton (

haniwa 埴輪 (jap.)

frühgeschichtliche Grabbeigaben aus Ton, meist in Form einfacher Skulpturen

Bild, Gegenstand

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Bilder

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) zu ver·wenden.8

Die Histori·zität und zeitliche Ein·ordnung dieses Berichts ist allerdings nicht eindeutig erwiesen. Dagegen spricht, dass sich bei einer größeren Ver·breitung derartiger Bräuche ent·sprechende Skelette finden lassen müssten. Archäo·logisch ist jedoch bisher noch kein ein·deutiger Nach·weis von regel·mäßigen rituellen Menschen·opfern erbracht worden.

Opfer für Wassergottheiten

Blutopfer von Rindern und Pferden werden hingegen auch in historisch verlässlichen Abschnitten des Nihon shoki erwähnt, vor allem im Zu·sam·men·hang mit Regenriten.9 Noch in historischer Zeit findet man Berichte, dass bei Tro·cken·heit der abgetrennte Kopf eines Pferdes in ein Gewässer geworfen wurde. Dabei stand aber weniger die Demonstration von Verzicht im Vor·der·grund, als eine Art von Tabu·bruch: Der abgetrennte Kopf sollte die Was·ser·gott·heit in Zorn versetzen und auf diese Weise ein Un·wetter herbeiführen. Auch derartige Riten kamen aber unter bud·dhis·tischem Einfluss mehr und mehr außer Gebrauch.10

Wassergottheiten, zumeist in Form von Schlangen oder Drachen, sind auch die primären Adressaten von Menschenopfern. Vor allem wassernahe Bauprojekte, in denen „menschliche Pfeiler“ (hitobashira [hitobashira (jap.) 人柱 wtl. menschlicher Pfeiler; Menschenopfer bei Damm- oder Brückenbauten]), also menschliche Opfer, ertränkt oder gar in Dämme mit eingeschlossen wurden, finden sich in vielen Legenden. Diese Opfer werden in den Quellen selbst manchmal als unnötig dargestellt — was impliziert, dass die Wassergottheit „böse“ ist und beseitigt werden muss —, manchmal erscheint das Opfer aber auch als notwendig. Die meisten Geschichten spielen jedoch in grauer Vorzeit und erzählen, wie diese Opferpraxis ein Ende fand. Sie enthalten daher Kritik oder Zweifel an der Sinnhaftigkeit von Menschenopfern.

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6 Susanoo rettet ein Mädchen, das als Menschenopfer auserkoren wurde
Susanoo rettet Prinzessin Kushinada vor der Schlange Yamata no Orochi, die hier ausnahmsweise als Schlange mit einem Kopf dargestellt ist. Kushinada-hime scheint sich mit Hilfe shintoistischer Rituale selbst schützen zu wollen.
Werk von Tsukioka Yoshitoshi (1839–1892). Spätere Edo-Zeit. Bildquelle: unbekannt.

Schon der mythologische Gott Susanoo [Susanoo (jap.) 須佐之男/素戔男 mytholog. Gottheit; Trickster-Gott, Sturmgott, Mondgott; Bruder der Amaterasu] ist u.a. dafür bekannt, dass er die Welt von einem Schlangenmonster befreite, das regelmäßig Jungfrauen verschlang. In der semi-mythologischen Erzählung von Yamato Takeru [Yamato Takeru (jap.) 倭建/日本武 Mythologischer Prinz, Sohn des Keikō Tennō; wtl. der Held/der Tapfere von Yamato] stoßen wir auf eine Episode, in der sich eine Gemahlin dieses kaiserlichen Prinzen ins Meer stürzt, als ungünstige Winde die Landung seines Schiffes verunmöglichen. Das Selbstopfer der jungen Frau beruhigt die missgünstigen Wassergottheiten. In der Zeit des tugendhaften Nintoku Tennō [Nintoku Tennō (jap.) 仁徳天皇 eig. Ōsazaki; semi-historischer Tennō der Frühzeit, der als Inbegriff des weisen, gerechten Herrschers gilt], gelingt ein Dammbau erst nach einem Menschenopfer, das dem Tennō durch Traumbotschaften abverlangt wird. Die Geschichte enthält allerdings eine interessante Doppeldeutigkeit: Als Opfer sind zwei Männer ausersehen. Doch während sich einer seinem Schicksal fügt, gelingt es dem anderen, den Flussgott zu überlisten. Ähnlich wie in der zitierten haniwa-Episode wird hier also ausgesagt, dass man nicht unbedingt ein Menschenopfer benötigt.11 Laut der mittelalterlichen Chronik Genpei jōsuiki [Genpei jōsuiki (jap.) 源平盛衰記 auch Genpei seisuiki; „Aufstieg und Fall der Minamoto und der Taira“; Kriegerepos, erweiterte (späte) Version des Heike monogatari, 13.–14. Jh.] versuchte der Gewaltherrscher Taira no Kiyomori [Taira no Kiyomori (jap.) 平清盛 1118–1181; Feldherr und Diktator am Ende der Heian-Zeit; unterlag im Genpei-Krieg den Minamoto], den Bau einer künstlichen Insel durch dreißig Menschenopfer (hitobashira) für den Drachengott des Meeres voranzutreiben. Schließlich opferte sich ein Knabe freiwillig, indem er auf einem weißen Pferd in die Fluten ritt. Zusätzlich wurden buddhistische Sutren rezitiert. Beide Opferleistungen wurden angenommen und führten zum erfolgreichen Abschluss des Bauprojekts.12 Ähnliche Geschichten von Menschenopfern im Zusammenhang mit Dammbauten tauchen auch in der Edo-Zeit noch regelmäßig auf, ohne das von der Forschung geklärt ist, ob und wann diese Praxis tatsächlich existierte.

Zu den wenigen Fällen, in denen Menschenopfer fordernde Gottheiten keine Schlangen oder Drachen sind, gehören ein Affengott aus dem Konjaku monogatari [Konjaku monogatari (jap.) 今昔物語 „Geschichten aus alter und neuer Zeit“ (12. Jh.); umfangreiche Sammlung von Geschichten und Anekdoten, meist aus einem buddhistischen Kontext] und der halbmenschliche Unhold Shuten Dōji [Shuten Dōji (jap.) 酒顛童子 wtl. etwa Sauf-Knabe; berüchtigter Dämon (oni) der Heian-Zeit]. Beide Figuren sind seit der späten Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit bekannt, beide verspeisen holde Jungfrauen und beide werden von mutigen Männern unschädlich gemacht. Ob nun fiktional oder real, Menschenopfer scheinen sich schon vor dem Mittelalter auf sexuell anziehende Gestalten wie junge Mädchen und — viel seltener — junge Knaben reduziert zu haben.

Sayohime

Matsura Sayohime [Matsura Sayohime (jap.) 松浦佐用姫 legendäre Figur eines jungen Mädchens, das als Menschenopfer für eine Schlangengottheit ausersehen ist, diese aber Kraft ihrer Tugend aus dem Schlangendasein erlöst] ist eine Gestalt, die sich unter verschiedenen Namen bereits in mehreren Quellen aus dem Altertum findet. Sie wird dort mit der Region Matsura [Matsura (jap.) 松浦 alter Regionalbezirk in Nord-Kyūshū, heute Matsuura; auch Familienname dortiger Fürsten] im Nordwesten-Kyūshūs verknüpft. Im Manyōshū [Manyōshū (jap.) 萬葉集/万葉集 759?; die älteste japanische Gedichtesammlung; wtl. Sammlung der zehntausend Blätter;] tritt sie in mehreren Gedichten als sehnsuchstvoll trauernde Ehefrau auf. Als ihr Mann nach Korea entsendet wurde, winkte sie ihm mit ihrem Schal so lange nach, bis sie sich in Stein verwandelte. Deshalb wurde der Hügel, auf dem sie stand, „Hügel des Schalwinkens“ (Hirefuri no mine) genannt. Das geschilderte Ereignis soll sich im Jahr 562 zugetragen haben. Die Lokalchronik Hizen fudoki [Hizen fudoki (jap.) 肥前風土記 auch Hizen no kuni fudoki, Lokalchronik (fudoki) aus Hizen (N-Kyūshū), wahrsch. 8. Jh.] enthält anstelle der Steinverwandlung eine interessantere Variante des traurigen Abschieds: Kurze Zeit nach der Trennung erschien der Mann wieder, verbrachte mehrmals die Nacht mit seiner Frau, verschwand aber bei Tagesanbruch. Als die Frau zusammen mit einer Dienerin den Mann verfolgte, fanden sie ihn am Meeresstrand in Gestalt eine Schlange. Die Dienerin holte Hilfe, doch man fand schlussendlich nur noch ein paar Knochenreste an dem Ort, wo man das vermeintliche Ehepaar zuletzt gesehen hatte.13

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7 Sayohime rezitiert ein Sutra für die Schlange
Matsura Sayohime rezitiert auf dem Opferplatz das Lotos-Sutra für die Schlangengottheit. In dieser Version wird die Schlange von einem Helden getötet.
Edo-Zeit. National Diet Library, Tōkyō.

Während die Figur der winkenden Sayohime bis heute in Kyūshū verwurzelt ist, löste sich die Schlangenlegende von der Region Matsura und verband sich mit verschiedenen lokalen Wasserheiligtümern, u.a. mit der Insel Chikubushima [Chikubushima (jap.) 竹生島 kleine Insel im nördlichen Biwa-See in Nagahama, Präf. Shiga] im Biwa-See, aber auch mit zahlreichen Seen in Nord-Japan. An die Stelle der ehelichen Trennung trat die Trennung von Eltern und Kind. Ende des japanischen Mittelalters enthielt die Legende der Matsura Sayohime die folgenden Elemente:

  • Ein junges Mädchen verkauft sich selbst, um eine Seelenmesse für ihren verstorbenen Vater zu finanzieren.
  • Sie soll als Opfer einer bösen Riesenschlange dienen.
  • Kraft der Tugend des Mädchens und des Lotos Sutras wird die Schlange aus ihrem Dasein erlöst und verschont das Mädchen.14
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8 Sayohimes Ritt auf der Schlange
Matsura Sayohime, wird von einer Schlangengottheit, die sie zum Buddhismus bekehrt hat, auf wundersame Weise durch ganz Japan transportiert. Die Legende wurde in der vorliegenden Version wahrscheinlich in der Muromachi-Zeit verschriftlicht, ist aber in der Heian-Zeit, also in grauer Vorzeit, angesiedelt.
Edo-Zeit, 17. Jh. Museum Angewandte Kunst Frankfurt, Foto: Ute Kunze.

In einer sehr ausführlichen Variante dieser Legende15 gibt es am Ende eine interessante Pointe: Sayohime erlöst die Riesen·schlange, indem sie ihr eine Stelle aus dem Lotos Sutra vorliest, die besagt, dass einst die Tochter des Drachen·königs Buddha·schaft erlangte.16 Die Schlange verwandelt sich darauf in ein junges Mädchen und erzählt, dass sie ihren Schlangen·leib erhielt, als die Menschen des Dorfes sie einst als Menschenopfer (hitobashira) für den Bau einer Brücke im Wasser versenkten. Aus Hass verwandelte sie sich nach ihrem Tod in eine Schlange, um sich an den Dorf·bewohnern zu rächen. Schluss·endlich nimmt das Schlangen·mädchen noch einmal ihre Tiergestalt an, um Sayohime – die gleich Kannon auf ihrem Kopf reitet – zurück in die Heimat zu bringen und steigt schließlich als Drache in den Himmel auf.

In einer weiteren Variante aus der Edo-Zeit, die weniger stark buddhistisch gefärbt ist, ist es die kindliche Pietät einer gewissen Atsuta no Enneme [Atsuta no Enneme (jap.) 熱田縁采女 auch En’uneme; Heldin einer Edo-zeitlichen Schlangenlegende] und das Erbarmen der Schrein·gottheit von Atsuta [Atsuta Jingū (jap.) 熱田神宮 wichtigster und ältester Schrein in Nagoya], die dem Tun der Schlange ein Ende bereiten, doch die Struktur der Handlung bleibt die gleiche.

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9 Atsuta no Enneme in Vorbereitung auf ihr Selbstopfer
Die tugendhafte En-Uneme bereitet sich mit einem shintōistischen Papieropferstab (gohei) auf die Begegnung mit einer bösen Schlangengottheit vor. Das Bild entstammt einer Legende, die Anfang der Edo-Zeit unter dem Titel „Enneme aus Atsuta“ von Asai Ryōi Asai Ryōi (1612–1691) verschriftlicht wurde. Die Legende berichtet von einem Waisenkind aus der Gegend des Atsuta Schreins (heute Nagoya), das in ärmlichen Verhältnissen bei einer Tante aufwächst und sich grämt, kein Grab für die Eltern errichten zu können. Sie verkauft sich einem Menschenhändler, um in einer Nachbarprovinz einer Schlangengottheit als Lebendopfer (ikenie) vorgeworfen zu werden, und gibt das Geld der Tante, um damit ein Grab für die Eltern zu finanzieren. Die Gottheit von Atsuta interveniert im letzten Moment und tötet die Schlange. Der eingeschriebene Text erzählt dies in folgenden Worten:
Atsuta no En-Uneme
Als Tochter aus namhaftem Haus verlor sie früh ihre Eltern. In ihrem 15. Jahr hörte sie, dass ein tugendhaftes Mädchen von 15 Jahren gesucht wird, um als Lebendopfer einer Riesenschlange aus Ashihara in der Provinz Suruga vorgeworfen zu werden. Selbst ohne Zukunft, verkaufte sie sich als Lebendopfer. Kraft ihrer Kindesliebe erhielt sie den Schutz der Kami und Buddhas. Diese töteten die Schlange und ließen sie zum Himmel emporsteigen. Fürwahr, dies ist die Kraft kindlicher Pietät.
(Moderne Version der Legende: http://dl.ndl.go.jp/info:ndljp/pid/2201370)
Werk von Utagawa Kuniyoshi. Edo-Zeit, 1842/43. Museum of Fine Arts, Boston.
Utagawa Kuniyoshi, 1842

Vorlage:Sidebox2 Eine weitere Parallelgeschichte, die möglicherweise für die buddhistische Ausschmückung der Sayohime zum Vorbild genommen wurde, erzählt vom indischen Knaben Hōmyō Dōji [Hōmyō Dōji (jap.) 法妙童子 wtl. Knabe des Wunderbaren Dharma; Held einer in Indien angesiedelten buddhistischen Legende aus dem japanischen Mittelalter], der sich ebenfalls zum Wohl eines verstorbenen Elternteils (in diesem Fall die Mutter) als Schlangenopfer verkauft. Schlussendlich greift hier Amida [Amida (jap.) 阿弥陀 Buddha Amitabha; Hauptbuddha der Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū bzw. Jōdo Shinshū)] rettend ein (was Rückschlüsse auf Verbindungen zum Jōdo [Jōdo-shū (jap.) 浄土宗 Schule des Amida-Buddhismus]-Buddhismus zulässt), alles in allem entspricht die Handlung aber trotz der vertauschten Geschlechterrollen ziemlich genau dem Sayohime-Plot.

Im Vergleich mit der ursprünglichen Version aus dem Hizen fudoki verschiebt sich die Thematik von einer Liebes·geschichte zu einer Geschichte kindlicher Ergeben·heit, in der vor allem zwei Motive auffallen: Selbstverkauf an Menschen·händler zum Wohle der Eltern und ein religiöses Menschen·opfer für eine Schlange. Diese Verschiebung ist möglicherweise unter dem Einfluss einer chinesischen Legende, die seit Beginn der Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit in Japan bekannt gewesen sein dürfte, erfolgt. Es handelt sich um die Geschichte der Li Ji [Li Ji (chin.) 李寄 schlangentötende Heldin aus der Geschichtensammlung Soushenji 搜神記 („Geistersuche“, 4. Jh.) von Gan Bao 干寶.] aus dem 4. Jh.,17, in der sowohl der Selbstverkauf als auch das Schlangenopfer vorkommen. Allerdings handelt es sich um eine reine Gespenster·geschichte, in der die Heldin die Schlange schlussendlich mithilfe eines Hundes und eines Schwerts zur Strecke bringt. Sowohl die Betonung des elterlichen Seelenheils als auch das Motiv der buddhistischen Erlösung der Schlange, die nicht getötet wird, sondern ihr tierisches Dasein aus eigenem Antrieb beendet, scheinen wiederum dem Umstand geschuldet zu sein, dass die Legende von verschiedenen religiösen Institutionen aufgegriffen und durch Erzähler wie biwa hōshi [biwa hōshi (jap.) 琵琶法師 Spieler der Biwa-Laute in vormoderner Zeit, in der Regel blinde Mönche] oder goze [goze (jap.) 瞽女 blinde Musikerinnen, die sich zu Gilden zusammen schlossen und einen eigenen Rezitationsstil pflegten; bis ins 20. Jh. verbreitet] verbreitet wurde.

Dass Eltern aus materieller Not ihre Töchter — zumeist an Freudenviertel — verkauften, ist jedenfalls nicht nur aus China, sondern auch aus dem vormodernen Japan bekannt. Ähnlich wie im Märchen von Hänsel und Gretel wird das Tun der Eltern in keiner Variante des Sayohime-Motivs grundsätzlich in Frage gestellt. In der stets betonten kindlichen Pietät Sayohimes lässt sich hingegen eine unterschwellige Rechtfertigung solcher Formen des Menschenhandels erkennen. Die Menschen·opferpraxis, die ja stets durch Sayohime oder andere Heldinnen ein Ende findet, ist wie bereits erwähnt, viel schwieriger nachzuweisen. Sie scheint eher zur Heroisierung der Heldin und zur Dramatisierung der Schlangen-Erlösung eingesetzt worden zu sein. Als Ritualisten werden in der ausführlichen Sayohime-Legende im übrigen explizit Schreinpriester (kannushi [kannushi (jap.) 神主 Shintō-Priester; wtl. „Meister der Götter“]) genannt und auch die Illustrationen erinnern an shintōistische Opferriten. Die Geschichte enthält somit einen Hinweis, dass aufrichtige buddhistische Praxis den konventionellen Riten für die kami-Gottheiten überlegen ist.

Zusammenfassung

Es gibt keine eindeutigen Hinweise, dass irgend eine bekannte religiöse Institution in historisch gut dokumentierter Zeit je ein Menschenopfer institutionalisiert hätte. Auf der Ebene regelmäßiger, von höchster Stelle autorisierter Rituale scheinen Menschenopfer, so es sie überhaupt je gab, irgend·wann zwischen dem 4. und 7. Jahr·hundert abge·schafft worden zu sein. Ähnliche Entwicklungen beobachtet man auch in China, wo bereits im ersten Jahr·tausend vor unserer Zeit·rechnung eine Ächtung von Menschenopfern einsetzte. Der Buddhismus bewirkte außerdem eine Abkehr von der rituellen Opferung von Tieren.

Doch wird die Erinnerung an grausame (Selbst)-Opfer selbst im Buddhismus lebendig erhalten, und sei es nur durch Erzählungen wie die erwähnte Episode des Medizin-Königs, die Selbstopferungen zwar hinter andere Praktiken reihen, den Protagonisten solcher Opfer in ihrer ausführlichen Schilderung aber doch auch Bewunderung zollen. Dies führte in Japan immer wieder zu „Nachahmungstätern“, die ihre Selbstmorde bisweilen öffentlich inszenierten. Ein wichtiger Unterschied zu Selbstopfern im christlichen und islamischen Kontext scheint jedoch darin zu liegen dass buddhistischen Beispielen kein mär·ty·rer·hafter Bei·ge·schmack anhaftet. Eher ging es darum, ähnlich wie die Krieger, durch die Art des gewählten Freitods Respekt zu generieren.

Die Notwendigkeit blutiger Opferungen als Kom·pen·sations·leis·tung an die Götter scheint unter buddhis·tischer Deutungs·hoheit nicht ganz aus der Welt geschafft worden zu sein. Vor allem von Schlangen·gottheiten, die eine tief·sitzende Ver·bindung zum Wasser haben und u.a. das für die Landwirt·schaft elemen·tare Element des Regens steuerten, erwartete man sich die positive Auf·nahme von blutigen Opfern jeglicher Art. Hier mag das generelle Tabu von Blut·opfern möglicher·weise den Effekt gehabt haben, dass Tiere zwar weit·gehend ver·schont blieben, vereinzelt jedoch Menschen – in der Regel junge Frauen — rituell getötet wurden. Besonders in der japa·ni·schen Volks·kunde sind die Meinungen bis heute geteilt, ob die vielen Legenden zu diesem Thema nur der Abschreckung dienten oder doch von der realen Existenz ritueller Menschen·opfer im historischen Japan zeugen.

Verweise

Verwandte Themen

Fußnoten

  1. Heestermann 1984, S. 119.
  2. Heestermann (1984) sieht darin die Reste einer ursprünglichen Kriegerkultur, aus der sich das Brahmanentum entwickelte.
  3. Nichigatsu Jōmyō Toku Nyorai 日月浄明徳如来, wtl. „Buddha, dessen Tugend rein ist wie das Licht von Sonne und Mond“
  4. Issaishujō Kiken Bosatsu 一切衆生憙見菩薩, „Bodhisattva, dessen Anblick alle Lebewesen erfreut“
  5. Sōni-ryō, ein Abschnitt des Taihō Kodex, der das Klosterwesen in Japan regelt.
  6. Siehe dazu Moerman 2005, Kap. 3, „Mortuary Practices“.
  7. Seyock 2004: 58
  8. Nihon shoki, Buch 11; Aston 1972, Teil 1, S. 178–181.
  9. Nihon shoki, Buch 24; Aston 1972, Teil 2, S. 174–175.
  10. Naumann 1959, S. 190.
  11. Nihon shoki, Buch 11; Aston 1972, Teil 1, S. 281.
  12. Laut anderen Versionen des Heike monogatari wurden Menschenopfer bei dieser Gelegenheit erwogen, aber schließlich durch Sutren-Rezitate ersetzt (Triplett 2004, S. 35–36; Bialock 2001, S. 282).
  13. S. dazu Triplett 2004, S. 191–202; Aoki 1997, S. 260–261; s.a. Kamigraphie, „Hizen fudoki“ und „Schlangen“.
  14. Nach Triplett 2004, S. 50.
  15. Sayohime in Form einer illuminierten Querbildrolle (Nara ehon) aus dem Museum Angewandter Kunst Frankfurt, Ü.: Triplett 2004, S. 65–125.
  16. Es handelt sich um das Devadatta-Kapitel, das 12. Kapitel des Lotos Sutras. (Vgl. Deeg, S. 196–202.)
  17. Triplett 2004, S. 206. Für eine Übersetzung der Geschichte s. Robin Wang (Hg.), Images of Women in Chinese Thought and Culture: Writings from the Pre-Qin Period Through the Song Dynasty. Hackett Publishing, 2003, S. 205–206.

Literatur

Siehe auch Literaturliste

William George Aston (Ü.), Nihongi: Chronicles of Japan from the Earliest Times to A.D. 697. Rutland, Vt: Tuttle, 1972. (Online.) [Erste Ausgabe: London 1896.]
Max Deeg (Ü.), Das Lotos Sutra. Darmstadt: WBG, 2009. [2. korrigierte Auflage.]
Johannes C. Heesterman, „Non-violence and sacrifice“. Indologica Taurinensia 12 (1984), 223–44.
Max Moerman, Localizing Paradise: Kumano Pilgrimage and the Religious Landscape of Premodern Japan. Cambridge (MA): Harvard University Press, 2005.
Nelly Naumann, „Das Pferd in Sage und Brauchtum Japans“. Folklore Studies 18 (1959), 145–287. [Artikel beruht auf Naumanns Dissertation, Wien 1946.]
Barbara Seyock, Auf den Spuren der Ostbarbaren: Zur Archäologie protohistorischer Kulturen in Südkorea und Westjapan. Münster: Lit Verlag, 2004.
Katja Triplett, Menschenopfer und Selbstopfer in den japanischen Legenden: Das Frankfurter Manuskript der Matsura Sayohime-Legende. Münster: Lit, 2004.

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    Sayohime 1.jpg
    Matsura Sayohime, die sich selbst einem Menschenhändler verkauft hat, wird einer Schlangengottheit als Opfer dargebracht. Durch Rezitation des Lotos Sutras wird die Schlange bekehrt und das Mädchen gerettet. Die Legende wurde in der vorliegenden Version wahrscheinlich in der Muromachi-Zeit verschriftlicht, ist aber in der Heian-Zeit, also in grauer Vorzeit, angesiedelt.
    Edo-Zeit, 17. Jh. Museum Angewandte Kunst Frankfurt, Foto: Ute Kunze.
  2. ^ 
    Yakuo.jpg
    Der selten dargestellte Yakuō Bosatsu tritt im Kōfuku-ji zusammen mit seinem „Bruder“, Yakujō Bosatsu, auf.
    Kamakura-Zeit, 1202. Bildquelle: Kurokawa Takao.
  3. ^ 
    Kumano nachi mandara.jpg
    Unter einem großen torii vollziehen buddhistische Mönche einen Ritus. Davor sieht man ein Schiff, das ebenfalls mit torii bestückt ist, doch auf dem Segel steht „Ehre dem Buddha Amida“ namu amida butsu. Die Szene ist ein Ausschnitt eines Schrein-Mandalas, auf dem die Umgebung des Nachi Schreins in Kumano dargestellt ist. Der Ort war im Mittelalter und in der frühen Neuzeit auch dafür berühmt, dass sich Amida-Gläubige in Boote aussetzen ließen, um von hier Fudaraku, das Reine Land von Amidas Begleiter Kannon Bosatsu, zu erreichen, das man südlich der Halbinsel von Kumano wähnte. Das Boot mit den torii ist für diese Fahrt ins Ungewisse gedacht. Die Praktikanten ließen sich in einer Art Hütte an Bord einsperren und hofften, dass ihnen die Wiedergeburt in Kannons Paradies sicher wäre, wenn sie auf diese Weise den Tod finden würden. (S.a. Religiöse Selbstmorde.)
    Frühe Edo-Zeit. Kokugakuin University Library.
  4. ^ 
    Seppuku namazu.jpg
    Der Erdbeben-Wels (namazu), der das Erdbeben von 1855 hervorgerufen hat, ist von einem Pfeil des Gottes Kashima Daimyōjin getroffen worden und begeht Selbstmord durch seppuku (harakiri). Im Hintergrund, unterhalb des Gottes, sind links die verstorbenen Opfer des Bebens, rechts die Geschädigten (Großhändler, Daimyōs, etc.) zu sehen. Aus dem Bauch des Welses strömt Geld (das offenbar den Armen zugute kommt).
    Edo-Zeit, 1855. Bildquelle: Miyata Noboru, Takada Mamoru, Namazue: Shinsai to Nihon bunka. Tokyo: Ribun Shuppan, 1995, S. 9.
  5. ^ 
    Haniwa mukade.jpg
    Die vier haniwa-Figuren stammen aus einem Hügelgrab in Kyūshū, dem Mukadezuke, das in der späten Kofun-Zeit errichtet wurde. Die beiden Figuren im Vordergrund tragen wahrscheinlich buddhistische Stolen (kesa), die Figur mit dem Hut dürfte ein Mann sein. Die Figuren wurden an der Außenseite der Hügelgräber in Reihen nebeneinander aufgestellt.
    Kofun-Zeit, 6. Jh. Japanese Archaeological Association, 2006.
  1. ^ 
    Susanoo yoshitoshi.jpg
    Susanoo rettet Prinzessin Kushinada vor der Schlange Yamata no Orochi, die hier ausnahmsweise als Schlange mit einem Kopf dargestellt ist. Kushinada-hime scheint sich mit Hilfe shintoistischer Rituale selbst schützen zu wollen.
    Werk von Tsukioka Yoshitoshi (1839–1892). Spätere Edo-Zeit. Bildquelle: unbekannt.
  2. ^ 
    Sayohime.jpg
    Matsura Sayohime rezitiert auf dem Opferplatz das Lotos-Sutra für die Schlangengottheit. In dieser Version wird die Schlange von einem Helden getötet.
    Edo-Zeit. National Diet Library, Tōkyō.
  3. ^ 
    Sayohime 2.jpg
    Matsura Sayohime, wird von einer Schlangengottheit, die sie zum Buddhismus bekehrt hat, auf wundersame Weise durch ganz Japan transportiert. Die Legende wurde in der vorliegenden Version wahrscheinlich in der Muromachi-Zeit verschriftlicht, ist aber in der Heian-Zeit, also in grauer Vorzeit, angesiedelt.
    Edo-Zeit, 17. Jh. Museum Angewandte Kunst Frankfurt, Foto: Ute Kunze.
  4. ^ 
    Uneme.jpg
    Die tugendhafte En-Uneme bereitet sich mit einem shintōistischen Papieropferstab (gohei) auf die Begegnung mit einer bösen Schlangengottheit vor. Das Bild entstammt einer Legende, die Anfang der Edo-Zeit unter dem Titel „Enneme aus Atsuta“ von Asai Ryōi Asai Ryōi (1612–1691) verschriftlicht wurde. Die Legende berichtet von einem Waisenkind aus der Gegend des Atsuta Schreins (heute Nagoya), das in ärmlichen Verhältnissen bei einer Tante aufwächst und sich grämt, kein Grab für die Eltern errichten zu können. Sie verkauft sich einem Menschenhändler, um in einer Nachbarprovinz einer Schlangengottheit als Lebendopfer (ikenie) vorgeworfen zu werden, und gibt das Geld der Tante, um damit ein Grab für die Eltern zu finanzieren. Die Gottheit von Atsuta interveniert im letzten Moment und tötet die Schlange. Der eingeschriebene Text erzählt dies in folgenden Worten:
    Atsuta no En-Uneme
    Als Tochter aus namhaftem Haus verlor sie früh ihre Eltern. In ihrem 15. Jahr hörte sie, dass ein tugendhaftes Mädchen von 15 Jahren gesucht wird, um als Lebendopfer einer Riesenschlange aus Ashihara in der Provinz Suruga vorgeworfen zu werden. Selbst ohne Zukunft, verkaufte sie sich als Lebendopfer. Kraft ihrer Kindesliebe erhielt sie den Schutz der Kami und Buddhas. Diese töteten die Schlange und ließen sie zum Himmel emporsteigen. Fürwahr, dies ist die Kraft kindlicher Pietät.

    (Moderne Version der Legende: http://dl.ndl.go.jp/info:ndljp/pid/2201370)
    Werk von Utagawa Kuniyoshi. Edo-Zeit, 1842/43. Museum of Fine Arts, Boston.


Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • Amida 阿弥陀 ^ Buddha Amitabha; Hauptbuddha der Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū bzw. Jōdo Shinshū)
  • Atsuta Jingū 熱田神宮 ^ wichtigster und ältester Schrein in Nagoya
  • Atsuta no Enneme 熱田縁采女 ^ auch En’uneme; Heldin einer Edo-zeitlichen Schlangenlegende
  • Benn, James (west.) ^ Sinologe und Religionshistoriker des Buddhism an der McMaster University, Kanada
  • biwa hōshi 琵琶法師 ^ Spieler der Biwa-Laute in vormoderner Zeit, in der Regel blinde Mönche
  • Bonmō-kyō 梵網經 ^ Brahma-Netz Sūtra; nur in chin. Version (406) bekannt; gilt als apokrypher Text, der aber wichtig zur Standardisierung der buddhistischen Gebote (Vinaya) in Ostasien war
  • brāhmaṇa (skt.) ब्राह्मण ^ Angehöriger der obersten indischen Priesterkaste; Brahmane, Brahmin (jap. baramon 婆羅門)
  • Chikubushima 竹生島 ^ kleine Insel im nördlichen Biwa-See in Nagahama, Präf. Shiga
  • Dainihonkoku hokke genki 大日本国法華験記 ^ „Berichte von den Wundern des Lotos Sutras im Großen Reich Japan“; buddh. Legendensammlung (setsuwa) von Chingen 鎮源, 11. Jh.; behandelt in erster Linie Hagiographien
  • dentō 伝燈 ^ Mönchstitel, wtl. „Übertragen der Lampe“; Weiterführen der Lehre [eines buddhistischen Meisters]; wurde 860 zu einem Ehrentitel in vier (später fünf) Abstufungen; implizierte eine Auszeichnung für Mönche außerhalb der staatlichen Mönchsverwaltung (sōgō), die sich um die Ausbreitung der buddhistischen Lehre verdient gemacht hatten
  • Edo 江戸 ^ Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
  • Fudaraku 補陀落 ^ paradisische Insel des Kannon (Avalokiteshvara), abgeleitet von skt. Potalaka
  • Fudaraku tokai 補陀落渡海 ^ „Überfahrt nach Fudaraku“ (Paradies des Bodhisattva Kannon); buddhistische Form des rituellen Selbstmords
  • Gaoseng zhuan (chin.) 高僧伝 ^ Überlieferungen ehrwürdiger Mönche; Sammlung von etwa 500 Biographien (die Hälfte ausführlich, andere kürzer) von Huijiao (519 u.Z.); alle Biographien handeln von chinesischen Mönchen zwischen 57 und 519 u.Z.
  • Genpei jōsuiki 源平盛衰記 ^ auch Genpei seisuiki; „Aufstieg und Fall der Minamoto und der Taira“; Kriegerepos, erweiterte (späte) Version des Heike monogatari, 13.–14. Jh.
  • goze 瞽女 ^ blinde Musikerinnen, die sich zu Gilden zusammen schlossen und einen eigenen Rezitationsstil pflegten; bis ins 20. Jh. verbreitet
  • Gyōki 行基 ^ 668–749; Nara-zeitlicher Mönch, Popularisierer des Buddhismus
  • haniwa 埴輪 ^ frühgeschichtliche Grabbeigaben aus Ton, meist in Form einfacher Skulpturen
  • Heian 平安 ^ auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)
  • Heike monogatari 平家物語 ^ „Geschichte der Heike [= Taira]“; mittelalterliches Kriegerepos
  • Himiko 卑弥呼 ^ ca. 170–248; frühgeschichtliche Priesterkönigin; auch Pimiko (wahrscheinliche Bedeutung: „Kind der Sonne“); chin. Pei-mi-hu
  • Hirefuri no mine 褶振峯 ^ „Hügel des Schalwinkens“; Ort wo Matsura Sayohime sich von ihrem nach Korea segelnden Mann verabschiedet haben soll, bis sie sich in Stein verwandelte
  • hitobashira 人柱 ^ wtl. menschlicher Pfeiler; Menschenopfer bei Damm- oder Brückenbauten
  • Hizen fudoki 肥前風土記 ^ auch Hizen no kuni fudoki, Lokalchronik (fudoki) aus Hizen (N-Kyūshū), wahrsch. 8. Jh.
  • Hōmyō Dōji 法妙童子 ^ wtl. Knabe des Wunderbaren Dharma; Held einer in Indien angesiedelten buddhistischen Legende aus dem japanischen Mittelalter
  • ikenie 生贄 ^ wtl. Lebensopfer; wird heute zumeist für Pferde verwendet, die in Schreinen gehalten werden; in zahlreichen Legenden aber auch Terminus für Menschenopfer
  • Izumo 出雲 ^ alter Namen der Präfektur Shimane in West-Japan; auch kurz für Izumo Taisha
  • Jātaka (skt.) जातक ^ „Wiedergeburtsgeschichte“, Heiligenlegende des Buddha (jap. Honjōtan 本生譚 oder Honjōkyō 本生経)
  • Jōdo-shū 浄土宗 ^ Schule des Amida-Buddhismus
  • Kamakura 鎌倉 ^ Stadt im Süden der Kantō Ebene, Sitz des Minamoto Shōgunats 1185–1333 (= Kamakura-Zeit)
  • kami^ Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō
  • kamikaze 神風 ^ Götterwind; urspr. ein poetischer Beinamen der Provinz Ise, wird der Begriff seit den Mongolenangriffen des 13. Jh.s mit göttlichem Schutz im Krieg assoziiert und daher auch mit den Selbstmord-Piloten des 2. Weltkriegs in Verbindung gebracht
  • Kannon 観音 ^ auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt
  • kannushi 神主 ^ Shintō-Priester; wtl. „Meister der Götter“
  • Kii Hantō 紀伊半島 ^ Halbinsel Kii, Wakayama-ken
  • Konjaku monogatari 今昔物語 ^ „Geschichten aus alter und neuer Zeit“ (12. Jh.); umfangreiche Sammlung von Geschichten und Anekdoten, meist aus einem buddhistischen Kontext
  • Kumano 熊野 ^ Region im Süden der Halbinsel Kii (Wakayama-ken), bekannt für ihre alten Pilgerzentren (s. Kumano Sanzan)
  • kuyō 供養 ^ Opfer(ritus), Spende; auch: Totenritual
  • Kyōkai 景戒 ^ buddhistischer Mönch des Yakushi-ji 薬師寺 (ein Tempel der Hossō-Schule) zur Nara-Zeit
  • Li Ji (chin.) 李寄 ^ schlangentötende Heldin aus der Geschichtensammlung Soushenji 搜神記 („Geistersuche“, 4. Jh.) von Gan Bao 干寶.
  • Mahāyāna (skt.) महायान ^ „Großes Fahrzeug“, buddhistische Richtung (jap. daijō bukkyō 大乗)
  • Manyōshū 萬葉集/万葉集 ^ 759?; die älteste japanische Gedichtesammlung; wtl. Sammlung der zehntausend Blätter;
  • Matsura 松浦 ^ alter Regionalbezirk in Nord-Kyūshū, heute Matsuura; auch Familienname dortiger Fürsten
  • Matsura Sayohime 松浦佐用姫 ^ legendäre Figur eines jungen Mädchens, das als Menschenopfer für eine Schlangengottheit ausersehen ist, diese aber Kraft ihrer Tugend aus dem Schlangendasein erlöst
  • Mujū Ichien 無住一円 ^ 1226–1312; buddh. Mönch und Autor essayistischer und anekdotischer Werke
  • Nara 奈良 ^ Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō
  • Nihon ryōiki 日本霊異記 ^ „Wundersame Begebenheiten aus Japan“; buddhistische Legendensammlung von Kyōkai (Anfang 9. Jh.)
  • Nihon shoki 日本書紀 ^ Zweitältestes Schriftwerk und erste offizielle Reichschronik Japans (720)
  • Nintoku Tennō 仁徳天皇 ^ eig. Ōsazaki; semi-historischer Tennō der Frühzeit, der als Inbegriff des weisen, gerechten Herrschers gilt
  • Nirvāṇa (skt.) निर्वाण ^ „Erloschen, ausgelöscht“, Ort der Erlösung von allem Leid, absolutes Jenseits (jap. Nehan 涅槃)
  • Ōshō 応照 ^ Asket der Heian-Zeit; bekannt durch Selbstverbrennung
  • pūjā (skt.) पूजा ^ „Verehrung“, auch rituelle Opfergabe (jap. kuyō 供養)
  • Saddharma puṇḍarīka sūtra (skt.) सद्धर्मपुण्डरीकसूत्र ^ „Sutra vom weißen Lotos des wunderbaren Dharma“, Lotos Sutra (jap. Myōhō renge kyō 妙法蓮華経 oder Hoke-kyō 法華経)
  • samādhi (skt.) समाधि ^ meditative Versenkung (jap. sanmai 三昧)
  • seppuku 切腹 ^ ritueller Selbstmord durch Bauchschnitt; „Harakiri“
  • setsuwa 説話 ^ Lehrerzählung, didaktische Anekdote; meist von buddh. Mönchen in Form umfangreicher Sammlungen kompiliert
  • Shuten Dōji 酒顛童子 ^ wtl. etwa Sauf-Knabe; berüchtigter Dämon (oni) der Heian-Zeit
  • Sōni-ryō 僧尼令 ^ "Bestimmungen für Mönche und Nonnen"; gesetzliche Bestimmungen über das Verhalten von Mönchen und Nonnen
  • Suinin Tennō 垂仁天皇 ^ 11. kaiserl. Herrscher Japans, leg. Regiergungszeit 29 v.–70 n.u.Z.
  • Susanoo 須佐之男/素戔男 ^ mytholog. Gottheit; Trickster-Gott, Sturmgott, Mondgott; Bruder der Amaterasu
  • Taiheiki 太平記 ^ Historisches Epos aus dem späten 14. Jh., behandelt den Konflikt zwischen Nördlichem und Südlichem Kaiserhof
  • Taira no Kiyomori 平清盛 ^ 1118–1181; Feldherr und Diktator am Ende der Heian-Zeit; unterlag im Genpei-Krieg den Minamoto
  • Veda (skt.) वेद ^ „Wissen“, älteste indische Textsammlung zur brahmanischen Religion, in Versform; ursp. nur mündlich tradiert
  • Weizhi (chin.) 魏志 ^ Chin. Chronik der Wei Dynastie (220–266) aus dem 3. Jh. u.Z.; enthält die frühesten Berichte über Japan (Wa) (vgl. wo)
  • Yakuō Bosatsu 薬王菩薩 ^ Bodhisattva Medizinkönig; Bodhisattva im Lotos Sutra
  • Yakushi Nyorai 薬師如来 ^ Buddha der Medizin; skt. Bhaisajyaguru
  • Yamato Takeru 倭建/日本武 ^ Mythologischer Prinz, Sohn des Keikō Tennō; wtl. der Held/der Tapfere von Yamato

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Religion in JapanEssays
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„Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001