Selbstverbrennung im Lotos Sutra
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Das Lotos Sutra enthält zum Thema Opfer/Spende (
Opfer(ritus), Spende; auch: Totenritual
Der Begriff „kuyō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, skt. pūjā) ein erstaun·liches Kapitel, das man sowohl als Anlei·tung zur Selbst·ver·bren·nung als auch als dessen Gegen·teil inter·pre·tieren kann. Es handelt sich um das Kapitel 23, in dem es um die Vorleben des Yakuō Bosatsu, wtl. „Bodhisattva Medizin-König“, geht. Wie so oft erzählt der Text eine Parabel, in der das Sutra letztlich seinen eigenen Wert preist. Dieser ist — so die Botschaft — höher als ein Selbstopfer.
Vorleben des Bodhisattvas Medizinkönig
Die weitschweifige Erzählung dieses Kapitels lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
Kamakura-Zeit, 1202. Bildquelle: Kurokawa Takao.
Wir befinden uns in einem lange zu·rück lie·gen·den Zeit·alter, in dem der Buddha der Licht·reinen Tugend1 auf Erden weilt. Auch er pre·digt schon das Lotos Sutra und führt da·durch den Bodhi·sattva des Freu·digen An·blicks2 in einen Zu·stand medi·ta·tiver Ver·sen·kung (samadhi), in dem dieser alle Formen an·nehmen kann.
Daraufhin offenbart der Bodhi·sattva dem Buddha aller·lei Spen·den (Blumen, Räu·cher·werk, Parfüm), doch schluss·end·lich be·schließt er, aus Dank·bar·keit seinen eige·nen Körper zu opfern (kuyō). Nach auf·wän·digen Vor·berei·tun·gen gelingt dies in einem Akt der Selbst·ver·bren·nung, dessen Licht bis in alle ande·ren Welten dringt. Die Buddhas aller dieser Welten wür·di·gen dies: „Wohl·getan, wohl·getan! Oh Sohn aus gutem Hause! Dies ist echte An·stren·gung! Dies nennt man eine wahre Ge·setzes·spende an den Tatha·gata!“
Der Bodhisattva wird sogleich wieder·geboren und begibt sich ein weiteres Mal zum Budda der Licht·reinen Tugend. Dieser erklärt ihn zu seinem Nach·folger und geht darauf·hin ins Nirvana ein. Der Bodhisattva kümmert sich um die Ver·bren·nung der sterb·lichen Über·reste des Buddhas und die Bei·setzung seiner Reli·quien. Dann bringt er den Reli·quien ein wei·teres Selbst·opfer dar, indem er seine Arme verbrennt. Als Zeichen seiner zu·künf·tigen Buddha·schaft wachsen dem Bodhisattva allerdings wieder neue Arme nach.
In der heutigen Welt (zur Zeit des historischen Buddhas) zeigt sich dieser Bodhi·sattva als Yakuō Bosatsu (Bodhi·sattva Medizin·könig).
Zusammengefasst nach Deeg 2009, S. 290–98
Interpretation
Aus dieser Geschichte zieht das Lotos Sutra selbst folgenden Schluss: Wenn jemand ein Selbstopfer begeht, und sei es auch nur ein Finger oder eine Zehe, so bringt dies mehr karmische Verdienste als die Spende der größten Schätze und Reichtümer. All diese Verdienste sind jedoch immer noch geringer als jene von einem, „der dieses Sutra vom Lotos des Gesetzes annimmt und bewahrt, und seien es auch nur vier Verse daraus! Dieser erlangt das höchste Heil.“
Die letzte Wendung des Kapitels läuft also darauf hinaus, dass es besser ist, das Lotos Sutra aus·wendig zu lernen, zu rezi·tie·ren und zu kopie·ren, als sich durch Selbst·opfer den Gnaden des Buddhas als würdig erwei·sen zu wollen. Den·noch ent·hält das Kapitel auch die aus·führ·liche Bio·graphie eines Bodhi·sattvas, dessen Be·sonder·heit in mehr·fachen Selbst·op·ferun·gen be·steht, die expli·zit von „den Buddhas aller Welten“ als höchste Form des Opfers geprie·sen werden. Das Kapitel, in dem das Thema Verbren·nung auch in Gestalt der Krema·tion eines Toten ange·spro·chen wird, kann also nicht nur als Aufruf zum Studium des Lotos Sutras ge·lesen wer·den, sondern ent·hält durchaus Ermuti·gungen zur teil·weisen oder voll·stän·digen Selbst·verbren·nung, wie sie gerade im buddhistischen Kontext ja auch heute noch immer wieder vorkommt.
Schlussendlich offenbart das Sutra, dass das betreffende Kapitel von den früheren Leben des Medizinkönigs wie Medizin wirkt: „Wenn jemand krank ist und dieses Sutra vernimmt, so wird seine Krankheit sogleich verschwinden und er wird ohne Alter und ohne Tod sein.“ Offenbar hängt die besondere Betonung der körperlichen Verstümmelung mit den heilenden Fähigkeiten zusammen, die diesem Bodhisattva zugesprochen werden. Dies rechtfertigt natürlich umgekehrt auch den Namen Medizinkönig.
Historische Beispiele
In Japan ist der „Medizin-Buddha“,
Buddha der Medizin; skt. Bhaisajyaguru
Der Begriff „Yakushi Nyorai“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Bilder
, wesentlich populärer als der hier erwähnte Bodhisattva, wie die ganze Geschichte überhaupt nicht allzu großen Widerhall in Japan gefunden haben dürfte. Dennoch lassen sich in der mittelalterlichen
Lehrerzählung, didaktische Anekdote; meist von buddh. Mönchen in Form umfangreicher Sammlungen kompiliert
Der Begriff „setsuwa“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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-Literatur vereinzelte Berichte von Fundamentalisten finden, die „aus ihrem Körper eine Lampe machen“ wollten, wie man das damals nannte. Der Satiriker
1226–1312; buddh. Mönch und Autor essayistischer und anekdotischer Werke
Der Begriff „Mujū Ichien“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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berichtet sogar von einem vorgetäuschten Selbstverbrennungsritual. Die
Der Begriff „Nara“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
-zeitlichen Bestimmungen für Mönche und Nonnen (Sōni-ryō) enthalten außerdem ein explizites Verbot der religiösen Selbstverbrennung. Auch in China scheint diese Praxis unter Buddhisten als Mittel des Protests eingesetzt worden zu sein.
Häufiger als Selbstverbrennung war jedoch ein ritueller Selbstmord namens Fudaraku tokai, bei dem sich Mönche in ein zugenageltes Boot einschließen ließen, das von der Südspitze der Halbinsel Kii in den offenen Pazifik trieb. Dort vermutete man das Paradies Kannons,
paradisische Insel des Kannon (Avalokiteshvara), abgeleitet von skt. Potalaka
Der Begriff „Fudaraku“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Bilder
. In diesem Fall steht jedoch das Selbstopfer nicht im Vordergrund, das Erreichen des Paradieses noch während der eigenen Lebenszeit wurde zu mindest von den Pionieren dieser Praxis für möglich erachtet.
Die extremste Form der Selbstopferung, für die es einige wenige Beispiele gibt, ist die Selbstmummifizierung. Dabei nehmen Mönche Monate hindurch nur giftige pflanzliche Substanzen zu sich, sodass sie letztlich in völlig ausgezehrtem Zustand verhungern, ihre Körper aber kaum verwesen. Einige Mumien dieser Art sind aus Nord-Japan bekannt.
Verweise
Verwandte Themen
Fußnoten
Literatur
Bilder
- ^ Der selten dargestellte Yakuō Bosatsu tritt im Kōfuku-ji zusammen mit seinem „Bruder“, Yakujō Bosatsu, auf.
Kamakura-Zeit, 1202. Bildquelle: Kurokawa Takao.
Glossar
- Atsuta Jingū 熱田神宮 ^ wichtigster und ältester Schrein in Nagoya
- Atsuta no Enneme 熱田縁采女 ^ auch En’uneme; Heldin einer Edo-zeitlichen Schlangenlegende
- Benn, James (west.) ^ Sinologe und Religionshistoriker des Buddhism an der McMaster University, Kanada
- biwa hōshi 琵琶法師 ^ Spieler der Biwa-Laute in vormoderner Zeit, in der Regel blinde Mönche
- Dainihonkoku hokke genki 大日本国法華験記 ^ „Berichte von den Wundern des Lotos Sutras im Großen Reich Japan“; buddh. Legendensammlung (setsuwa) von Chingen 鎮源, 11. Jh.; behandelt in erster Linie Hagiographien
- dentō 伝燈 ^ Mönchstitel, wtl. „Übertragen der Lampe“; Weiterführen der Lehre [eines buddhistischen Meisters]; wurde 860 zu einem Ehrentitel in vier (später fünf) Abstufungen; implizierte eine Auszeichnung für Mönche außerhalb der staatlichen Mönchsverwaltung (sōgō), die sich um die Ausbreitung der buddhistischen Lehre verdient gemacht hatten
- Fudaraku tokai 補陀落渡海 ^ „Überfahrt nach Fudaraku“ (Paradies des Bodhisattva Kannon); buddhistische Form des rituellen Selbstmords
- Gaoseng zhuan (chin.) 高僧伝 ^ Überlieferungen ehrwürdiger Mönche; Sammlung von etwa 500 Biographien (die Hälfte ausführlich, andere kürzer) von Huijiao (519 u.Z.); alle Biographien handeln von chinesischen Mönchen zwischen 57 und 519 u.Z.
- Genpei jōsuiki 源平盛衰記 ^ auch Genpei seisuiki; „Aufstieg und Fall der Minamoto und der Taira“; Kriegerepos, erweiterte (späte) Version des Heike monogatari, 13.–14. Jh.
- Hirefuri no mine 褶振峯 ^ „Hügel des Schalwinkens“; Ort wo Matsura Sayohime sich von ihrem nach Korea segelnden Mann verabschiedet haben soll, bis sie sich in Stein verwandelte
- hitobashira 人柱 ^ wtl. menschlicher Pfeiler; Menschenopfer bei Damm- oder Brückenbauten
- Hizen fudoki 肥前風土記 ^ auch Hizen no kuni fudoki, Lokalchronik (fudoki) aus Hizen (N-Kyūshū), wahrsch. 8. Jh.
- Hōmyō Dōji 法妙童子 ^ wtl. Knabe des Wunderbaren Dharma; Held einer in Indien angesiedelten buddhistischen Legende aus dem japanischen Mittelalter
- Kannon 観音 ^ auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt
- Konjaku monogatari 今昔物語 ^ „Geschichten aus alter und neuer Zeit“ (12. Jh.); umfangreiche Sammlung von Geschichten und Anekdoten, meist aus einem buddhistischen Kontext
- Kumano 熊野 ^ Region im Süden der Halbinsel Kii (Wakayama-ken), bekannt für ihre alten Pilgerzentren (s. Kumano Sanzan)
- Matsura Sayohime 松浦佐用姫 ^ legendäre Figur eines jungen Mädchens, das als Menschenopfer für eine Schlangengottheit ausersehen ist, diese aber Kraft ihrer Tugend aus dem Schlangendasein erlöst
- Mujū Ichien 無住一円 ^ 1226–1312; buddh. Mönch und Autor essayistischer und anekdotischer Werke
- Nihon ryōiki 日本霊異記 ^ „Wundersame Begebenheiten aus Japan“; buddhistische Legendensammlung von Kyōkai (Anfang 9. Jh.)
- Nihon shoki 日本書紀 ^ Zweitältestes Schriftwerk und erste offizielle Reichschronik Japans (720)
- Nintoku Tennō 仁徳天皇 ^ eig. Ōsazaki; semi-historischer Tennō der Frühzeit, der als Inbegriff des weisen, gerechten Herrschers gilt
- Saddharma puṇḍarīka sūtra (skt.) सद्धर्मपुण्डरीकसूत्र ^ „Sutra vom weißen Lotos des wunderbaren Dharma“, Lotos Sutra (jap. Myōhō renge kyō 妙法蓮華経 oder Hoke-kyō 法華経)
- Suinin Tennō 垂仁天皇 ^ 11. kaiserl. Herrscher Japans, leg. Regiergungszeit 29 v.–70 n.u.Z.
- Taira no Kiyomori 平清盛 ^ 1118–1181; Feldherr und Diktator am Ende der Heian-Zeit; unterlag im Genpei-Krieg den Minamoto
- Yakuō Bosatsu 薬王菩薩 ^ Bodhisattva Medizinkönig; Bodhisattva im Lotos Sutra
- Yakushi Nyorai 薬師如来 ^ Buddha der Medizin; skt. Bhaisajyaguru
- Yamato Takeru 倭建/日本武 ^ Mythologischer Prinz, Sohn des Keikō Tennō; wtl. der Held/der Tapfere von Yamato
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„Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001