Mythen/Daemonen
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Oni und Kappa
Japanische Geisterwesen (
Fabelwesen, Geisterwesen, Gespenster
Der Begriff „yōkai“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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) sind wie die meisten Monster aus tierischen und menschlichen Attributen zusammengesetzt. Unter den menschenähnlichen erfreuen sich neben den Tengu vor allem Oni und Kappa einer großen Bekanntheit in Japan. Beide sind in der modernen Populärkultur Japans stark präsent und werden oft niedlich und putzig (jap. kawaii) dargestellt. Wenn man aber ein wenig in die Geschichte zurückblickt, erweisen sich beide als ziemlich unheimliche Gesellen.
Oni, japanische Teufel?
Dämon, „Teufel“; in sino-japanischer Aussprache (ki) ein allgemeiner Ausdruck für Geister
Der Begriff „oni“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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sind die vielleicht ältesten oder traditionellsten Gestalten in der japanischen Geisterwelt. Sie sind von men·schen·ähnlicher Gestalt, tragen jedoch Hörner, raub·tier·ar·tige Zähne und Krallen. Ihre Haut ist manchmal feuer·rot, manchmal aber auch grün oder blau. Der typische Oni ist außer·dem mit einem eisen·be·schla·genen Knüppel (kanabō) und einem Len·den·schurz aus Tiger·fell aus·gestattet.
Diese Ikonographie geht möglicherweise auf jene buddhistischen Dämonen (
buddhistischer Dämon, wtl. „böser Himmelsgeist“
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) zurück, die u.a. die un·dank·bare Auf·gabe haben, den Vier Him·melswäch·tern (
wtl. Vier Himmelskönige, die aber eher als Himmelswächter auftreten und jeweils eine Himmelsrichtung beschützen; angeführt von Bishamon-ten, dem Wächter des Nordens; der Ausdruck wird auch für diverse Gruppen von vier Kriegern angewendet
Der Begriff „Shi-Tennō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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) als Podest zu dienen. Oni ähneln aber auch den Fol·ter·knech·ten (
Folterknechte der buddhistischen Hölle
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) der bud·dhis·tischen Hölle (s. Höllen·dar·stel·lungen). Beide Arten von Dämonen erin·nern in vieler·lei Hin·sicht an christliche Teufel.
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Während aber der hierzulande bekannte Teufel seine Gestalt einer Mischung aus Mensch und Ziegen·bock ver·dankt, sollen die tierischen Elemente der Oni vor allem dem Rind und dem Tiger ent·nom·men sein. Der Edo-zeit·liche Maler und Ge·spen·ster·for·scher Toriyama Sekien fand dafür auch eine durchaus einleuchtende Begründung: Er machte darauf aufmerksam, dass Dämonen — einer alten chinesischen Vorstellung zufolge — üblicherweise aus dem Nordosten kommen. Diese Himmelsrichtung wird daher auch als „Dämonentor“ (
„Dämonentor“, Nord-Osten; nach alter Vorstellung die Richtung, aus der die Dämonen kommen
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) be·zeich·net. Zugleich bezeichnet man den Nordosten in der traditionellen Kalenderkunde ushitora, also „Rind-Tiger“, was wiederum dem System der Tierkreiszeichen entspricht. Insofern ist es nach Toriyama nur natürlich, dass die Dämonen auch das Aussehen von „Rind-Tigern“ haben. Ob diese Begründung nun historisch richtig ist oder nicht, sie enthält einen Hinweis, dass der charak·teris·tische japanische Oni aus der Verschmelzung einer buddhistischen Dämonengestalt mit chinesischen Elementen entstand.
„Böse“ Oni
Die religiöse Ideologie hin·ter den Dar·stel·lun·gen der buddhistischen Dämonen ist zweifellos verschieden vom Christentum: Während christliche Teufel „böse“ sind und dem Willen Gottes zu·wider·handeln, sind die bud·dhis·tischen Fol·ter·knechte ein „not·wen·diges Übel“ und tun nichts anderes als ihre Pflicht (zumin·dest solange sie ihren Dienst in der Hölle ver·richten). Psycho·logisch macht das aber kaum einen Unterschied: Oni wie Teufel sind Gegen·spieler der Menschen und werden dem ent·sprechend als Menschen mit tierischen De·forma·tionen (Hörner, Reißzähne, Klauen) dar·gestellt.
Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Museum of Fine Arts, Boston.
In der japanischen Sagenwelt begegnet man daher auch wirklich „bösen“ Oni, die mit europäischen Teufeln ver·gleich·bar sind. Der vielleicht berühm·teste ist Shuten Dōji. Er haust in den Bergen und raubt vor·zugs·weise schöne Frauen, die er ver·sklavt, miss·braucht und schließ·lich auf·frisst. Erst einem unge·wöhn·lich tap·feren Krieger und seinen vier Vasal·len gelingt es nach vielen Aben·teuern, Shuten Dōji zur Strecke zu bringen. Diese Geschichte wird seit dem Mittel·alter in un·zäh·ligen Varian·ten erzählt. Sie präsen·tiert den Oni als einen Dämonen, der absolut böse und gefähr·lich, jedoch — im Gegensatz zum Teufel — nicht un·sterb·lich ist.
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Noch heute treten Oni-artige Masken bei zahlreichen ländlichen Volks·fes·ten (
religiöses (Volks-)Fest
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) in Erscheinung, die wie·derum er·staun·lich stark an alpine „Perchten·läufe“ und ähn·liche Prozes·sionen teufel·artiger Gestalten erinnern. In beiden Fällen ver·körpern die Masken den Winter, der rituell ver·trieben werden soll. Während derartige archaisch wirkende Bräuche in Mittel·europa auf den länd·lichen Raum beschränkt sind, weiß in Japan jedes Kind, dass man die Oni an einem bestimmten Tag mit getrock·neten Soya·bohnen aus dem Haus treiben muss. Dazu ruft man: „Oni wa soto, fuku wa uchi“ („Raus mit den Oni, rein mit dem Glück“). Dieser Tag fällt nach dem modernen Kalender auf den 3. Februar und heißt
„Trennung der Jahreszeiten“; trad. letzter Tag einer der vier Jahreszeiten; heute meist letzter Tag des Winters (3. Februar)
Der Begriff „setsubun“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, was nichts anderes als „Trennung der Jahres·zeiten“ bedeutet. Es handelt sich um den letzten Tag des Winters. Auch in Japan wird also der Winter in Gestalt eines Oni fortgejagt. Im urbanen Raum hat diese „Teufels·aus·trei·bung“ jedoch nur noch den Charakter eines lustigen Kinder·festes. Liebevolle Väter setzen dann eine selbst·ge·bastelte Oni-Maske auf und lassen sich von den bohnen·werfenden Kindern aus der Wohnung scheuchen.
„Gute“ Oni
Vorlage:Wrapper Wie fast alle japanischen Monster können auch Oni zu Sympathie·trägern werden. Oder anders aus·gedrückt: Es gibt aber auch Gestal·ten, die genauso wie Oni aussehen, aber keines·wegs absolut böse sind. Dazu zählen zunächst einmal die Wind- und Donner·götter. Sie stehen für respekt·ein·flößende Natur·kräfte, die den Menschen ebenso Heil wie Unheil bringen können.
Darüber hinaus gibt es auch Oni-Gestalten, die es mit den Men·schen ein·deutig gut meinen. So erzählt etwa eine Legende, dass der emi·nente Mönch Ryōgen (912-985) — einer der wich·tigsten Patriar·chen des
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— die Hörner eines Oni gehabt haben soll. Ryōgen wird daher im Volksmund auch als Tsuno Daishi, „Groß·meister Horn“ oder „gehörn·ter Groß·meister“ bezeichnet. Zugleich gilt er aber auch als eine In·karna·tion des mild·tä·tigen Bodhi·sattvas
auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt
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. Trotz oder gerade wegen seiner Oni-haften Züge wird Ryōgen von der Legende also zum Heiligen stili·siert. Auch in moder·ner Zeit hat sich ein reli·giöser Führer in gewisser Weise mit den Oni iden·ti·fiziert, indem er sich den selt·samen Vor·namen Oni-saburō zulegte (Deguchi Onisaburō, 1871-1948, Mit·be·gründer der neu·reli·giösen Rich·tung Ōmoto-kyō).
Auf den prächtig verzierten Dach·schin·deln bud·dhis·tischer Tempel grinst einem häufig eine Oni-Maske entgegen. Diese ver·kör·pert wohl keine bös·willige Kraft, sondern dient eher dem Schutz vor einer solchen. Wie schon bei den Wäch·ter·göt·tern begeg·net man hier dem Glauben, dass böse Geister am effek·tivsten von ebenso gestal·teten Wächtern im eigenen Lager ver·trie·ben werden können.
Das Aussehen allein sagt also noch nicht, ob es sich wirklich um einen furcht·ba·ren Dämon handelt oder nicht. Im übrigen haben sich die furcht·ein·flößen·den Züge der Oni mit der Zeit immer mehr ab·ge·nützt, sie werden zu·neh·mend eher als ruppige Bar·baren denn als schreck·liche Monster dar·gestellt. Auf Edo-zeit·lichen ukiyoe wirken die meisten Oni eher komisch als dämonisch.
Kappa, die Flussgeister
Flussgeist, wtl. „Flussjunge“
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sind Kobolde, die an den Ufern von Gewäs·sern hausen. Ihre Gestalt scheint aus einer Kombi·nation von Affe und Schild·kröte ent·standen zu sein. Auf vielen Ab·bil·dungen tragen sie eine Art Schild·kröten·panzer auf dem Rücken. Ihr eigen·tüm·lichs·tes Merkmal ist jedoch eine Delle in ihrer Schädel·decke, die zugleich die größte Schwach·stelle der Kappa darstellt, denn sie muss stets mit Wasser gefüllt sein. Gelingt es also, einen Kappa umzu·drehen, verliert er seine Kraft. Auch soll man ihn über·tölpeln können, indem man sich tief vor ihm verneigt. Erwidert er die Verbeu·gung, leert sich seine Delle ...
Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Museum of Fine Arts, Boston.
Kappa werden oft mit kindlich-freundlichen Zügen dargestellt, aber sie sind heim·tückisch und ziehen ins·beson·dere Kinder gerne ins Wasser, wo diese ertrinken. Es gibt auch ein berühm·tes „Früh·lings·bild“ (
wtl. „Frühlingsbilder“; Gemälde und Druckwerke mit expliziten sexuellen Darstellungen
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), auf dem eine Perlen·taucherin (ama) von mehreren Kappas unter Wasser ver·ge·waltigt wird. Wie viele andere
Fabelwesen, Geisterwesen, Gespenster
Der Begriff „yōkai“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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eigenen sich also auch Kappa gut für die Pro·jektion sexueller Phantasien.
Trotz ihres unheimlichen Charakters werden Kappa auch in länd·lichen Schreinen oder Volks·festen verehrt, um sie günstig zu stimmen und so der Gefahr des Ertrin·kens zu entgehen. Dabei werden den Kappa oft Gurken geweiht, denn Gurken gelten als ihre Lieb·lings·speise. Aus diesem Grund nennt man auch Sushi-Röllchen, in den sich Gurken befinden kappa-maki.
Links
- Gazu hyakki yakō (jap.)
Gespenster-Enzyklopädie von Toriyama Sekien auf Wikipedia. Über Wikipedia Japan sind die Illustrationen aller vier Bände zu betrachten. - The Obakemono Project, S.H. Morgan (en.)
Gut recherchierte japanische Gespensterkunde, teilweise im Manga-Stil illustriert.Letzte Überprüfung der Linkadressen: März 2011
Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Museum of Fine Arts, Boston.
Religion in Japan, Inhalt
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- Jenseits:
- Jenseits
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- Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
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- Lokale Vorstellungen, Japan:
- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
- Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit
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- Die Tenshō-Mission: Beginn einer schwierigen transnationalen Beziehung
- Yasukuni: Der Schrein des ‚friedlichen Landes‘
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„Dämonen und Kobolde.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001