Shinbutsu bunri Trennung von Kami und Buddhas
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Trennung von kami und Buddhas; religionspolitische Maßnahme zur Entflechtung von buddh. Tempeln und Shintō-Schreinen; vereinzelt in der Edo-Zeit, vor allem aber für die frühe Meiji-Zeit (1868–1873) charakteristisch
Der Begriff „shinbutsu bunri“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, wtl. die Trennung von Kami und Buddhas, versteht man die Entflechtung von „shintoistischen“ und buddhistischen Lehren, Verehrungs·gegenständen und Institutionen. Diese koexistierten bis zum Beginn der Moderne typischerweise in „Tempel-Schrein Komplexen“, die fast immer unter buddhistischer Oberaufsicht standen. Die heute übliche Form von Tempeln und Schreinen als autonome religiöse Körperschaften ist ein Produkt der
posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt
Der Begriff „Meiji“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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-Zeit, als ihre Trennung oder Entflechtung per Gesetz angeordnet wurde. Shinto sollte dadurch als eigene Religion unabhängig vom Buddhismus praktizierbar werden. Der Buddhismus hingegen wurde von den meisten Meiji-Reformern als Teil der „althergebrachten Übel“ der
Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
Der Begriff „Edo“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
-Zeit angesehen, die es zu überwinden galt. Dies führte zu einer kurzen, aber heftigen Phase der buddhistischen Verfolgung.
Edo-Zeit, 1782–1825. Yuichi Momma, flickr, 2011.
Darüber hinaus hegten viele Reformer den Plan, Shinto zu einer Staatsreligion nach dem damaligen westlichen Muster von Kirche und Staat umzuformen. Dieses Vorhaben konnte zwar nie vollkommen realisiert werden, doch haben erst die Maßnahmen der Meiji-Zeit dazu geführt, dass Shinto und Buddhismus heute allgemein als gegensätzliche, von einander getrennte „Religionen“ angesehen werden. In der Vormoderne verehrte man dagegen einfach zwei unterschiedliche Klassen von Gottheiten, die einem gemeinsamen System von Werten und Lehren untergeordnet waren.
Dieser Artikel bietet einen kurzen Überblick, wie es zu dieser häufig „ignorierten kulturellen Revolution“ (Grapard 1984) kam.
Shinbutsu bunri in der Edo-Zeit
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in der frühen Edo-Zeit nahm auch die Zahl der religiösen Institutionen zu.
Einerseits stärkte das
System der buddhistischen Zertifikation der Rechtgläubigkeit
Der Begriff „terauke seido“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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-System die Position der Tempel, die ja auch administrative Aufgaben, v.a. die regelmäßige behördliche Erfassung aller Einwohner, zugeteilt bekamen. Auf der anderen Seite gewannen kleine regionale Schreine als kultische Zentren der relativ autonomen Dorfgemeinschaften immer mehr an Bedeutung. Die weltlichen Autoritäten bemühten sich allerdings, die Zahl von religiösen Neugründungen einzudämmen. Die Gründe dafür lagen in erster Linie in den finanziellen Mitteln, die die Bevölkerung den Tempeln und Schreinen spendete, statt sie in Form von Steuern den Landesfürsten zukommen zu lassen. Schon im 17. Jahrhundert erließ das Shogunat daher eine Reihe von Verordnungen, die die Errichtung neuer religiöser Stätten untersagten, meist jedoch ohne nachhaltige Wirkung.
Beeinflusst von der konfuzianischen Kritik am Buddhismus gingen einzelne
Territorialfürst, Titel des Kriegeradels
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einen Schritt weiter und ordneten in ihren Gebieten die systematische Zerstörung von buddhistischen Tempeln an.1 Manche versuchten auch, die administrativen Aufgaben des terauke-Systems an Schreine zu übertragen, um die Zahl der Tempel und Mönche zu reduzieren.
Der Begriff „Tokugawa Mitsukuni“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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führte etwa in
Fürstentum bzw. Stadt im Nordosten der Kantō-Ebene, heute Teil von Ibaraki-ken.
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Geographische Lage
(östliche Kantō Ebene) bereits im 17. Jahrhundert das Prinzip „ein Dorf, ein Schrein“ ein, während er die Zahl der Tempel drastisch reduzierte. Es gab also schon in der frühen Edo-Zeit vereinzelte religions·politische Maßnahmen, die die „Trennung von Kami und Buddhas“ und den damit einhergehenden Anti-Buddhismus der Meiji-Zeit vorweg·nahmen.
In der Praxis bewährten sich jedoch Tempel besser für administrative Zwecke, da nur wenige Schreine über eine eigene Priesterschaft (
allg. Bez. für Shintō-Priester
Der Begriff „shinshoku“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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) verfügten. Erbliche Priesterdynastien waren zwar in großen Schreinen fix verankert, doch die meisten Dorf-Schreine kamen ohne eigene religiöse Spezialisten aus.2 Zumeist verrichteten örtliche buddhistische Mönche oder
Der Begriff „yamabushi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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den Dienst für die Kami oder Vertreter der Dorfgemeinschaft wechselten einander in religiösen Aufgaben ab. Die
wtl. Grundform und herabgelassene Spur; Theorie der Identität von kami und Buddhas
Der Begriff „honji suijaku“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Konzeption, nach der Kami eine Art „Manifestation“ bestimmter Buddhas darstellten, ließ derartige synkretistische Praktiken als vollkommen natürlich erscheinen.
Ende der Edo-Zeit änderte sich diese Einstellung jedoch. Die zunehmende Unzufriedenheit mit der Tokugawa Herrschaft schloss zumeist auch eine Kritik am Buddhismus mit ein. Nationalistische bzw. nativistische Ideologien begannen, Shinto und Buddhismus gegen einander auszuspielen. Während auf politischer Ebene das Kaiserhaus als positive Alternative zum Shogunat aufgebaut wurde, sollte auf rituell-spiritueller Ebene der Shinto den Buddhismus ersetzen. Besonders die Schule des
„Lehre des Landes“, Nationale Schule, Nativismus; in der Edo-Zeit entstandene Gelehrtentradition, die ihren Fokus auf das nationale Erbe Japans richtete
Der Begriff „kokugaku“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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-Gelehrten
Der Begriff „Hirata Atsutane“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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lancierte die Idee einer „Restauration des alten Shinto“ (
„Restauration des antiken Shintō“; Restaurations-Shintō
Der Begriff „fukko shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
).
In einzelnen Daimyaten kam es daher in der
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-Zeit (19. Jh.) zur Wiederaufnahme der shinbutsu bunri Politik der frühen Edo-Zeit. Interessanterweise deckte sich diese Entwicklung mit dem Aufkommen der
„Ehrt den Kaiser, verjagt die Barbaren“; anti-westlicher Slogan des 19. Jh.s (Zitat aus den Frühling- und Herbstannalen des Konfuzius)
Der Begriff „sonnō jōi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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-Ideologie. Xenophobie, Tennō-Loyalismus und Anti-Buddhismus bildeten also eine ideologische Einheit. Auf all diesen Gebieten stellte Mito auch im 19. Jahrhundert einen Brennpunkt dar. Hier nahm
1800–1860; Daimyō von Mito; Staatsmann; Vertreter der sonnō jōi-Ideologie
Der Begriff „Tokugawa Nariaki“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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die „Ein Schrein, ein Dorf“ Politik seines Vorfahren wieder auf. Doch auch in
alte Provinz im Süden der Insel Kyūshū, in der Edo-Zeit Fürstentum (Daimyat), das sich weitgehend mit der heutigen Präfektur Kagoshima deckte.
Der Begriff „Satsuma“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
(Kyushu) trennte man Schreine und Tempel, um in der Folge die Zahl der buddhistischen Tempel zu reduzieren. Schließlich gab es 1867 in
Fürstentum bzw. Stadt im Westen der Hauptinsel Honshū, heute Teil von Shimane-ken.
Der Begriff „Tsuwano“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
Geographische Lage
eine radikale Trennung von Tempeln und Schreinen nach dem Muster der Mito Region. Tsuwano lag neben dem mächtigen
auch Nagato; alte Provinz im Westen von Japans Hauptinsel Honshū, heute Teil von Yamaguchi-ken.
Der Begriff „Chōshū“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
, einem Big Player der Restau·rations·bewe·gung, und teilte dessen gegen das Shogunat gerichtete Politik. Dies mag der Grund dafür sein, dass der Daimyō von Tsuwano,
1825–1885; Daimyō von Tsuwano; nach 1868 führende Ämter in der Administration von Shintō Schreinen
Der Begriff „Kamei Koremi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
, und sein Vasall
1831–1907; Gelehrter und Vasall des Daimyō von Tsuwano; nach 1868 führende Ämter in der Administration von Shintō Schreinen; Universitätsgründer
Der Begriff „Fukuba Bisei“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
zu Beginn der Meiji Zeit dazu auserkoren wurden, die Trennung von Tempeln und Schreinen auch auf nationaler Ebene durchzusetzen.
Shinbutsu bunri in der Meiji-Zeit
Formell erhielten Kamei und Fukuba die führenden Posten in einer Institution, die zunächst in Anlehnung an antike Vorbilder als „Götteramt“,
Götteramt, wtl. Amt für Götter des Himmels und der Erde
Der Begriff „Jingi-kan“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, bezeichnet wurde. Das Götteramt war für kurze Zeit sogar das höchste Regierungsorgan im jungen Meiji-Staat und begann im April 1868, unmittelbar nach der Unterzeichnung des 5-Artikel-Eids, seine Arbeit. Es verlautbarte zwischen April und Oktober 1868 eine Reihe von Verordnungen, die unter der Bezeichnung shinbutsu bunri no rei zusammengefasst werden und eine ähnliche Trennung von buddhistischen und shintoistischen Institutionen anordneten wie zuvor in Mito, Satsuma und Tsuwano. Im besonderen richteten sich die Verordnungen gegen buddhistische Titel für Kami (etwa
Der Begriff „gongen“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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oder
„Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)
Der Begriff „Bodhisattva“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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), buddhistische Statuen als Schreinheiligtümer (
heiliges Objekt eines Shintō-Schreins; wtl. „Gottkörper“
Der Begriff „shintai“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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) und buddhistische Gebäude wie Pagoden auf Schreinareal. Inbesondere die metallenen Tempelglocken sollten eingeschmolzen und für militärische Zwecke nutzbar gemacht werden. Auch sahen sie die Laisierung von Mönchen vor, die in Schreinen Dienst taten.
Werk von Tanaka Nagane (1849–1922). 1907. Wikimedia Commons.
Die shinbutsu bunri Verordnungen lösten landesweit eine Welle von anti-buddhistischen Ausschreitungen (
wtl. Abschaffung von Buddha, Zerstörung von Shaka; Bezeichnung für anti-buddhistische Ausschreitungen der frühen Meiji-Zeit
Der Begriff „haibutsu kishaku“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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) aus, die in dieser Heftigkeit möglicherweise nicht erwartet worden waren. Nicht nur Gebäude und Tempelschätze wurden zerstört, auch die Mönche selbst mussten teilweise um ihr Leben fürchten. Offenbar fanden die lange aufgestauten Ressentiments gegen die Herrschaft der Tokugawa, die den Buddhismus erfolgreich in ihre Dienste genommen hatten, ein Ventil in den Ausschreitungen gegen buddhistische Tempel. Die neue Regierung erließ daher bald auch Verordnungen, die zur Mäßigung aufriefen, doch insgesamt war ein erstes Ziel bald erreicht, nämlich die Anzahl an religiösen Institutionen im Interesse einer effizienteren Nutzung nationaler Ressourcen zu reduzieren.
Der nächste Schritt, die Etablierung des Shinto als Staatsreligion, erwies sich als wesentlich schwieriger. Man erfand für diesen Zweck die Kampagne des Großen Lernens (
Kampagne des Großen Lernens oder auch Große Indoktrinierungs-Kampagne, 1870–1884; staatl. Initiative der frühen Meiji-Zeit zur Verbreitung der Ideale des Tennō-Loyalismus
Der Begriff „taikyō senpu undō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
), die allerdings rasch ihre Ziele änderte, bald auch Buddhisten in ihre Reihen aufnahm und nach kaum eineinhalb Jahrzehnten von den politischen Machthabern wieder fallen gelassen wurde. Das Ideal einer shintoistischen Staatsreligion lebte jedoch in nationalistischen Kreisen weiter fort und begann sich im zwanzigsten Jahrhundert erneut zu entfalten.
Neue Schrein-Identitäten
Mitsumine Schrein
Ein Bericht von Hirose Kazutoshi, Oberpriester des Mitsumine Schreins westlich von Tokyo, erläutert ziemlich detailliert, dass seine Familie, die ursprünglich aus Kyoto stammte, Ende der Edo-Zeit als yakusō (wtl. „Amtsmönche“) an diesem bekannten Zentrum desDer Begriff „Shugendō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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höherrangiger Shintō-Priester
Der Begriff „gūji“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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) inne. Hirose selbst setzte diese Tradition fort. Sein Bericht erweckt nicht den Eindruck, dass dieser Etikettenwechsel viel an der Form und an der Ernsthaftigkeit änderte, mit der die Familie ihre Rituale durchführte. Offenbar wurde der erzwungene Wechsel vom Buddhismus zum Shinto als weniger belastend empfunden als die Übersiedlung von Kyoto in die gebirgige und rustikale Umgebung von Mitsumine.3
Obwohl die Religionspolitk der Meiji-Zeit sehr bald einen pragmatischen Kurs einschlug, der die Wiederbelebung alter Traditionen hinter das Ziel der technischen Modernisierung zurückstellte, wurde die Trennung von Kami und Buddhas nicht widerrufen und veränderte die religiöse Landschaft Japans weiter. Es musste sich nämlich jede religiöse Anlage entscheiden, ob sie nun ein Tempel war oder ein Schrein. War der Haupt·vereh·rungs·gegen·stand ein Buddha, so rechnete man die Anlage üblicherweise dem Buddhismus zu, was bedeutete, dass alle Schreine aus dem Areal entfernen werden mussten. Wurde jedoch in erster Linie eine Kami-Gottheit oder eine lokale Heldenfigur verehrt, so galt die Anlage als Schrein und musste alle buddhistischen Gebäude und Paraphernalia auf dem Schreingelände beseitigen.
Auch Schreine stellte diese Regel vor große Probleme, da sie ja, wie erwähnt, zum Großteil von buddhistischen Mönchen betreut worden waren. Hier kam es in der Praxis zu den unglaublichsten Anpassungen und Tricks. Viele buddhistische Mönche wechselten einfach die Konfession, praktizierten aber die lokalen, nunmehr „shintoistischen“ Riten unverändert weiter fort. Erst nach und nach entstand eine Art Standard-Ritualismus für Shinto Schreine nach dem Muster von Ise, der viele regionalspezifische Schreinriten zurück drängte. Die Durchsetzung dieser Standardisierung scheint allerdings starken regionalen und periodischen Schwankungen unterlegen zu sein.4 Nach dem zweiten Weltkrieg kam es oft zu einem Revival lokaler Besonderheiten.
Säkularisierung und Pragmatismus
Auf längere Sicht gesehen herrschte in der Meiji-Zeit ein pragmatischer Geist, der allen Religionen gegenüber grundsätzlich skeptisch eingestellt war und ihren Einfluss zugunsten der Modernisierung der Gesellschaft zurückzudrängen suchte. Während England und Frankreich eine ähnliche Säkularisierung der Gesellschaft schon früher vollzogen hatten, zeigen sich starke Parallelen zwischen Japan und Deutschland zu dieser Zeit.5 Die scheinbare Bevorzugung des Shinto diente also zunächst lediglich als ein Mittel der Entmachtung des Buddhismus, wirkte sich aber nur auf wenige Schreine positiv aus. Die schleichende Säkularisierung ist auch am Schicksal des Götteramts abzulesen, das sukzessive herabgestuft und schließlich ganz abgeschafft wurde.
Mit dieser raschen Abkehr von einer echten Förderung des Shinto in der frühen Religionspolitik der Meiji-Zeit scheint auch eine systematische Ausschaltung der „Traditionalisten“ in den Reihen der führenden Politiker einher gegangen zu sein. Dies betraf vor allem kokugaku-Ideologen wie etwa Kamei und Fukuba. Diese wechselten von der Politik zu Wissenschaft und Pädagogik und engagierten sich im Aufbau des neuen Bildungssystems. Ihr traditionalistischer Nationalismus wurde auf diese Weise an neue Generationen weitergegeben, die auf Gelegenheiten warteten, um ihn neuerlich in die Tat umzusetzen.
Verweise
Verwandte Themen
Fußnoten
- ↑ Scheid 2003.
- ↑ In der Provinz Musashi (heute Saitama-ken und Tokyo) wurden beispielsweise im 18. Jahrhundert nur vier Prozent der Schreine von professionellen Shinto-Priestern betreut (Maeda 2001, S. 335–36).
- ↑ Hirose 1996.
- ↑ Endō 2013.
- ↑ Die katholischen Länder Italien und Österreich waren in dieser Hinsicht Nachzügler.
Literatur
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- ^ Bei genauer Betrachtung erkennt man bei beiden Arhat-Figuren „Narben“ im Hals- und Brustbereich. Es sind Spuren der anti-buddhistischen Ausschreitungen in den ersten Jahren der Meiji-Zeit (ab 1868), in denen buddhistische Steinstatuen systematisch enthauptet wurden. Später wurden viele dieser Statuen wieder in Stand gesetzt.
Edo-Zeit, 1782–1825. Yuichi Momma, flickr, 2011.
- ^ Zerstörung von Tempelglocken im Zuge anti-buddhistischer Maßnahmen (haibutsu kishaku) in Nishio-shi (Präfektur Aichi), 1871.
Werk von Tanaka Nagane (1849–1922). 1907. Wikimedia Commons.
Glossar
- Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व ^ „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)
- fukko shintō 復古神道 ^ „Restauration des antiken Shintō“; Restaurations-Shintō
- Fukuba Bisei 福羽美静 ^ 1831–1907; Gelehrter und Vasall des Daimyō von Tsuwano; nach 1868 führende Ämter in der Administration von Shintō Schreinen; Universitätsgründer
- Gokajō no go-seimon 五箇条の御誓文 ^ „5-Artikel-Eid“; erste Grundsatzerklärung der Meiji-Regierung; 6. April 1868
- haibutsu kishaku 廃仏毀釈 ^ wtl. Abschaffung von Buddha, Zerstörung von Shaka; Bezeichnung für anti-buddhistische Ausschreitungen der frühen Meiji-Zeit
- honji suijaku 本地垂迹 ^ wtl. Grundform und herabgelassene Spur; Theorie der Identität von kami und Buddhas
- Kamei Koremi 亀井茲監 ^ 1825–1885; Daimyō von Tsuwano; nach 1868 führende Ämter in der Administration von Shintō Schreinen
- Mitsumine Jinja 三峰神社 ^ Schrein in den Bergen von Chichibu, westlich von Tōkyō
- shinbutsu bunri 神仏分離 ^ Trennung von kami und Buddhas; religionspolitische Maßnahme zur Entflechtung von buddh. Tempeln und Shintō-Schreinen; vereinzelt in der Edo-Zeit, vor allem aber für die frühe Meiji-Zeit (1868–1873) charakteristisch
- shinbutsu bunri no rei 神仏分離令 ^ Verordnungen zur Trennung von kami-[Schreinen] und Buddha-[Tempeln] (ab 1868)
- taikyō senpu undō 大教宣布運動 ^ Kampagne des Großen Lernens oder auch Große Indoktrinierungs-Kampagne, 1870–1884; staatl. Initiative der frühen Meiji-Zeit zur Verbreitung der Ideale des Tennō-Loyalismus
- terauke seido 寺請制度 ^ System der buddhistischen Zertifikation der Rechtgläubigkeit
Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Geschichte/Staatsshinto/Shinbutsu_bunri.
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„Shinbutsu bunri: Die Trennung von kami und Buddhas.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001