Was ist ein Schrein?
Wikimedia Commons, 663highland, 2014.
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Ein Shintō-Schrein dient der Verehrung einer ein·hei·mischen Gottheit (kami [kami (jap.) 神 Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō]). Das Wort „Schrein“, jap. (jinja [jinja (jap.) 神社 Shintō-Schrein; rel. Gebäude für einheimische Gottheiten (kami)]), wurde gewählt, um Ver·ehrungs·stätten für kami von bud·dhis·tischen „Tempeln“, jap. (tera [tera (jap.) 寺 buddhistischer Tempel; das Wort leitet sich von einem koreanischen Begriff her, der ehemals in etwa tyər ausgesprochen wurde]), zu unter·scheiden. Im engeren Sinn bezieht sich „Schrein“ auf ein ein·zel·nes Gebäude, meist be·zeich·net der Begriff aber eine „Schrein·anlage“, in der eine Vielzahl religiöser Gebäude zu finden sind.
Im Regelfall dient ein Schrein dazu, einen heiligen Ge·gen·stand aufzubewahren. Diesen Ge·gen·stand nennt man shintai [shintai (jap.) 神体 heiliges Objekt eines Shintō-Schreins; wtl. „Gottkörper“], wtl. „Gott-Körper“. Die häufigsten shintai sind Spiegel oder Schwerter, es kann sich aber auch, wie im Bud·dhis·mus, um Statuen handeln. Das shintai gilt als Sitz der Schrein·gott·heit, man sagt auch, dass es von einer Gott·heit „bewohnt“ wird. Bei der Grün·dung eines neuen Schreins muss die ent·sprech·ende Gott·heit zunächst „eingeladen“ werden, im shintai wohnhaft zu werden. Ein Schrein·gebäude ist also in erster Linie ein Speicher oder ein Schatz·haus zum Schutz des shintai. Es dient nicht als Ort religiöser Ver·samm·lungen oder Messen. Verglichen mit dem Christentum entspricht ein Schrein·gebäude daher eher einem Altar oder einem Tabernakel als einer Kirche. Dies gilt im übrigen auch für bud·dhis·tische Tempel in Japan, deren Haupt·gebäude ebenfalls als Schatz·häuser dienen. Im Gegen·satz zu bud·dhis·tischen Heilig·tümern (honzon [honzon (jap.) 本尊 Hauptheiligtum eines Tempels]) werden die shintai aber niemals hergezeigt. Lediglich bei großen Schrein·festen (matsuri [matsuri (jap.) 祭 religiöses (Volks-)Fest]) werden sie, durch einen tragbaren Schrein vor Blicken geschützt, in einer Prozession umhergeführt.
Viele japanische Shintō-Schreine sind so klein, dass man sie nicht einmal mit einer mittel·euro·päisch·en Kapelle, sondern eher mit einem „Marterl“ (im österr. -süddt. Raum gebräuchlicher Ausdruck für „Bildstock“) ver·gleichen könnte. Die über·rasch·end hohe Zahl von 90.000 Schreinen (s. Grundbegriffe) ergibt sich wohl aus der Tatsache, dass auch solche Shintō-Marterln (hokora [hokora (jap.) 祠 Miniaturschrein (innerhalb einer Schreinanlage oder am Wegrand)]) in die Zählung mit auf·ge·nommen werden. Schrein·anlagen, die die Größe eines Ein·familien·hauses mit Klein·garten übersteigen, gibt es in ähnlich großer Zahl wie in Mittel·europa Kirchen.
Vokabel
- jinja [jinja (jap.) 神社 Shintō-Schrein; rel. Gebäude für einheimische Gottheiten (kami)], yashiro [yashiro (jap.) 社 Shintō-Schrein, andere Lesung: -sha], miya [miya (jap.) 宮 Shintō-Schrein, andere Lesung: gū], -sha [-sha (jap.) 社 Shintō-Schrein, Kurzform von jinja; andere Lesung: yashiro; andere Zeichenbedeutungen: „Gesellschaft“; „Firma“], -gū [-gū (jap.) 宮 Shintō-Schrein, andere Lesung: miya] — Shintō Schrein
- jingū [jingū (jap.) 神宮 „Götterpalast“; Ahnenschrein des Kaiserhauses, meist Ise Jingū] — kaiserl. Ahnen·schrein (meist Ise)
- taisha [taisha (jap.) 大社 Shintō-Schrein, wtl. Großschrein] — Großschrein
- shintai [shintai (jap.) 神体 heiliges Objekt eines Shintō-Schreins; wtl. „Gottkörper“] — „Gott-Körper“, Schrein·hei·lig·tum
- torii [torii (jap.) 鳥居 Torii, Schreintor; wtl. „Vogelsitz“; s. dazu Torii: Markenzeichen der kami] — Schreintor
- shimenawa [shimenawa (jap.) 注連縄 shintōistisches „Götter-Seil“; geschlagene Taue aus Reisstroh.] — Götterseil
- honden [honden (jap.) 本殿 Hauptgebäude eines Schreins] — Haupthalle
- haiden [haiden (jap.) 拝殿 Zeremonienhalle eines Schreins] — Zeremonienhalle
Schreinanlage
Vorlage:Sidebox3 Im Allgemeinen kann man die Be·deu·tung eines Schreins eher an der Größe seines Areals als an der Größe des eigentlichen Haupt·gebäudes messen. Die meisten wirklich einfluss·reichen Schreine sind von einer weit·läufigen park·ähnlichen Anlage umgeben, in der neben der Haupt·gott·heit auch eine Vielzahl von Neben·gott·heiten verehrt werden. Man erkennt diese Anlagen oft auch an dem dichten Wald, der sie umgibt. Es ist nämlich tabu, die Bäume inner·halb eines Schrein·areals zu fällen.
Diese größeren Schrein·anlagen sind zumeist am Fuß eines Hügels oder an einem sanft ansteigenden Hang gelegen. Daraus ergibt sich auf natürliche Weise eine Trennung in einen tiefer gelegenen Eingangs·bereich und einen erhöhten inneren Bereich. Der Eingangs·bereich dient eher profanen Zwecken, etwa dem Verkauf von Glücks·bringern. Der innere Bereich wird in vielen Fällen von einem niederen Zaun (tamagaki [tamagaki (jap.) 玉垣 Zaun einer Schreinanlage, wtl. „Juwelenzaun“]) umgrenzt und beherbergt die Gebäude für religiöse Zwecke — Haupt·halle (honden [honden (jap.) 本殿 Hauptgebäude eines Schreins]), Zeremonien·halle (haiden [haiden (jap.) 拝殿 Zeremonienhalle eines Schreins]), und Zweig·schreine. Die Haupt·halle ist mitunter durch einen weiteren Zaun geschützt, sodass man sie nur aus einer gewissen Distanz wahr·nehmen kann. Manchmal ist der Haupt·schrein sogar zur Gänze den Blicken der profanen Besucher entzogen.
Torii
Vorlage:Sidebox3 Für den Laien ist oft nicht leicht zu erkennen, ob ein religiöses Gebäude für eine shintōistische Gottheit bestimmt ist oder für eine buddhistische. Es gibt aber bestimmte Er·kennungs·merkmale, die auf einen Schrein hinweisen. Das markanteste Kenn·zeichen eines Schreins ist das torii [torii (jap.) 鳥居 Torii, Schreintor; wtl. „Vogelsitz“; s. dazu Torii: Markenzeichen der kami], das Shintō-Tor, das vor jedem Schrein steht. Die Bilder am Seiten·anfang zeigen einige torii-Varianten. In jedem Fall bleibt die Grund·form, zwei Quer·balken auf zwei Pfosten, dieselbe. Torii sind im Allgemeinen nicht vor bud·dhis·tischen Bau·werken zu finden sind. Diese „Regel“ hat sich allerdings erst in der jüngeren japanischen Religions·geschichte zweifelsfrei durch·gesetzt. Auf der Sidepage torii sind auch Beispiele von nicht-shin·tō·is·tischen torii, sowie von „Verwandten“ der torii außerhalb Japans angeführt.
Abgesehen von den torii gibt es in größeren Schrein·anlagen noch andere Kenn·zeichen religiöser Orte, etwa Laternen (tōrō [tōrō (jap.) 灯篭 Laterne, meist Stein oder Metall]) (s. dazu das Beispiel des Kasuga Schreins) oder Löwenhunde (komainu [komainu (jap.) 狛犬 wtl. „Korea-Hund“, auch „Löwenhund“; Wächterfigur vor religiösen Gebäuden]). Die meisten dieser Objekte stammen aus China und kamen mit dem Bud·dhis·mus nach Japan. Sie sind heute sowohl vor bud·dhis·tischen Tempeln als auch vor Shintō-Schreinen zu finden.
Götterseile und Zickzackpapier
Vorlage:Sidebox3 Das vielleicht archaischste Merkmal des Shintō ist das shimenawa [shimenawa (jap.) 注連縄 shintōistisches „Götter-Seil“; geschlagene Taue aus Reisstroh.] („Götterseil“), das aus einfachem Stroh geflochten wird. Es symbolisiert die An·wesen·heit eines Gottes oder einer göttlichen Kraft und ist häufig an der Front von Schrein·gebäuden oder an torii zu finden. Aber auch außer·halb von Schreinen stößt man immer wieder auf ein·drucks·volle Bäume (shinboku [shinboku (jap.) 神木 Heiliger Baum]) oder Felsen, die durch ein Götter·seil als Ort der kami ge·kenn·zeich·net sind. Shimenawa können sehr einfach oder kunst·voll ge·floch·ten sein. Oft sind sie mit Zickzack-Papier·streifen (shide [shide (jap.) 四手 Papierstreifen in Zickzackform, rituelles Emblem des Shintō]) versehen, die ebenfalls als ein Kenn·zeichen für den kami geweihte Objekte fungieren. Shide können auch an Stäben an·ge·bracht werden. Sie werden dann als gohei [gohei (jap.) 御幣 Papieropfergabe, Zickzack-Papier] bezeichnet und dienen als eine Art Opfer·gabe für die kami.
Verweise
Verwandte Themen
Auf den folgenden Seiten werden einige re·prä·sen·ta·tive Schreine sowie weitere Be·stand·teile der Schrein·architektur beschrieben. Shintō-Priester, die in allen größeren Schreinen zu finden sind, werden im Kapitel „Alltag und Praxis“ vorgestellt. Im Kapitel „Ikonographie“ erfährt man mehr über die Schrein·gott·heiten, im Kapitel „Mythen“ sind die wichtigsten Göttermythen zu·sammen·gefasst. Allgemeines zum Thema Shintō findet sich im Kapitel „Grundbegriffe“.
Literatur
Bilder
- ^ Schutzschrein des Tempels Chion-in, des Haupttempels der Jōdo-shū. Der Name bedeutet wtl. Gott des Nassen Haars, die Gottheit selbst soll ein Fuchs sein, der aber nicht identisch ist mit Inari; die Schreinanlage befindet sich im hinteren Teil der Tempelanlage. Trotz dieser spezifischen Details kann die Schreinanlage selbst als typisch für heutige Schreine angesehen werden.
Wikimedia Commons, 663highland, 2014. - ^ Das berühmte torii von Itsukushima bei Ebbe.
Meiji-Zeit, 1875. Miguel Michán, flickr, 2009.
Glossar
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Religion in Japan, Inhalt
- 一 Grundbegriffe
- 二 Bauten
- 五 Mythen
- Einleitung
- Mythologie:
- Götter des Himmels
- Götter der Erde
- Jenseits:
- Jenseits
- Geister:
- Totengeister
- Dämonen
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- Imaginäre Tiere
- Verwandlungskünstler
- Symboltiere
- 六 Geschichte
- Einleitung
- Altertum:
- Prähistorie
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- Heian-Zeit
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- Mittelalter:
- Kamakura-Zeit
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- 七 Essays
- Überblick
- Buddhismus, Asien:
- Arhats in China und Japan
- Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
- Bishamon-ten: Wächter und Glücksgott
- Riesen-Buddhas: Im Kampf gegen die Unbeständigkeit des irdischen Daseins
- Lokale Vorstellungen, Japan:
- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
- Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit
- Religion und Politik:
- Die Tenshō-Mission: Beginn einer schwierigen transnationalen Beziehung
- Yasukuni: Der Schrein des ‚friedlichen Landes‘
- Herrigels Zen und das Bogenschießen
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„Was ist ein Schrein?.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001