Grundbegriffe/Shinto
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Shinto Versuch einer Begriffsbestimmung
Das Wort
Der Begriff „Shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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bedeutet wörtlich „Weg der Götter“ und wird land·läufig als Selbst·bezeichnung der ein·heimischen Religion Japans angegeben. Auf den ersten Blick scheint diese Definition un·prob·lematisch. Was einen ein wenig stutzig machen könnte, ist lediglich, dass „shintō“ offenbar ein Wort chinesischen Ur·sprungs ist und dass es sich keines·wegs um ein häufig ge·brauchtes Vokabel handelt. Wer ein modernes japanisches Text·ver·arbeitungs·programm benützt und die Silben „shin-tou“ eintippt, erhält als Kanji-Schreibung meist homophone Begriffe wie „
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, Neue Partei“ oder „
, Osmose“ vor·ge·schlagen, bevor die Zeichen 神 (Gott·heit) und 道 (Weg) erscheinen. Shintō im religiösen Sinn ist tatsächlich im Alltags·japanisch kaum ge·bräuchlich. Selbst hin·sichtlich der Aus·sprache (shintō oder shindō) sind sich moderne Japaner nicht immer sicher. Woher kommt diese erstaunliche Zurück·haltung gegenüber einem Wort, das mitunter als In·begriff des Japanischen schlechthin dargestellt wird?
Generelle Merkmale
Shinto wird in der gängigen Ein·führ·ungs·liter·atur gerne mit der japanischen Ur·religion gleich·gesetzt. Oft wird zu·gleich der Ein·druck ver·mittelt, es handle sich um eine besonders archaische Religion, die in Japan — im Gegen·satz zu anderen modernen Gesell·schaften — auf mirakulöse Weise in die Moderne hinüber ge·rettet worden wäre. Dies verleitet wiederum zu dem Trug·schluss, Shinto habe in vor·bud·dhis·tischer Zeit bereits genau so aus·gesehen wie heute. Bei näherer Be·trachtung stößt man aller·dings rasch auf Ein·wände gegen diese Konzeption und es stellt sich heraus, dass vieles, was uns heute als typisch shin·to·is·tisch erscheint, eigentlich bud·dhis·tische Wurzeln hat. In anderen Fällen kann man daoistische Einflüsse vermuten.
Torii
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Frei stehende symbolische Durchgänge (
Torii, Schreintor; wtl. „Vogelsitz“; s. dazu Torii: Markenzeichen der kami
Der Begriff „torii“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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) bestehend aus zwei einfachen Pfosten und zwei Quer·balken sind das markanteste bauliche Merk·mal eines Shinto Schreins. Sie sind heute vor allen Schreinen zu finden und eignen sich daher auch als Em·blem der Shinto Religion all·gemein. Ob dies aller·dings schon in vor·bud·dhis·tischer Zeit so war oder ob torii vielleicht erst mit dem Bud·dhis·mus nach Japan kamen, ist fraglich. In früheren Zeiten muss es jedenfalls auch bud·dhis·tische Tempel ge·geben haben, die man durch torii betrat. Einer der ältesten bud·dhis·tischen Tempel Japans, der
buddh. Tempel im heutigen Ōsaka; zählt zusammen mit dem Asuka-dera zu den beiden ältesten Tempeln Japans (Gründung 593)
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in Osaka, zählt heute noch dazu. (Mehr dazu: Sidepage Torii.)
Kami
Schon vor Übernahme des Buddhismus nannten die Japaner ihre Götter und Geister
Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō
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. Der Begriff kami hielt sich durch alle Phasen der japanischen Religions·geschichte, auch wenn sich damit die unter·schied·lichsten religiösen Phänomene bezeichnen lassen.
Die Mythen sprechen häufig von
altjap. für „acht Millionen“ bzw. unendlich viele
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no kami, wtl. acht Millionen Götter, was aber genauso als Ausdruck einer unvorstellbar großen Zahl auf·ge·fasst wird.
Laut einer klassischen Definition des Shinto-Gelehrten
Der Begriff „Motoori Norinaga“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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wurde in alter Zeit alles, was in irgend einer Weise außer·ge·wöhn·lich war, kami genannt, un·ab·hängig davon, ob es sich um etwas Gutes oder Schlechtes, Er·habenes oder Ab·stoßendes handelte. Neben ein·drucks·vollen Natur·er·scheinungen wie Bergen, Bäumen oder Flüssen konnten auch hoch·gestellte Persön·lichkeiten als kami be·zeichnet werden. (So gesehen ist auch die Gött·lich·keit des japanischen
jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels
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nichts weiter Un·ge·wöhnliches.)
Als allgemeines Cha·rakter·istikum des kami-Begriffs kann ihre zahlen·mäßige Un·begrenzt·heit, ihre Viel·gestaltigkeit und ihre ambivalente Haltung gegenüber den Menschen festgehalten werden. Diese flexible, moralisch un·be·stimmte Auf·fass·ung von Gött·lich·keit hat sich in der japanischen Religion bis heute er·halten. So konnten und können selbst Gegen·stände als Gott·heiten an·ge·sehen und verehrt werden (in erster Linie Schwerter und Spiegel, aber auch un·be·deutende und all·tägliche Dinge). Zu·gleich werden auch aus·länd·ische Götter und der christliche Gott mit dem Begriff kami be·zeichnet. Da es im Japanischen keinen Plural gibt, ist es ohne Weiteres möglich mono·theistische und poly·theistische Vor·stellungen in einem Begriff zu vereinen. Der Begriff kami ist also sehr viel weiter als „Gott“ oder „Gottheit“, schließt diese Vor·stellungen aber mit ein.
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- Shinto Religion, „Weg der Götter“
Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō
Der Begriff „kami“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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- (einheimische) Gottheiten (s.a. Ikonographie)
Shintō-Schrein; rel. Gebäude für einheimische Gottheiten (kami)
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- shintoistische Kultstätte, „Schrein“
Torii, Schreintor; wtl. „Vogelsitz“; s. dazu Torii: Markenzeichen der kami
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- Eingangstor (eines Schreins)
rituelle Verunreinigung, Befleckung, Schande
Der Begriff „kegare“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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- rituelle Verunreinigung
Purifikation, Reinigungsritus, rituelle Waschung
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- rituelle Waschung
Purifikation, Weihezeremonie, Exorzismus
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- Reinigungszeremonie (s.a. Shinto Priester)
Japanische Shinto Schreine sind zumeist namentlich bekannten Gott·heiten geweiht, die teils den alten Mythen ent·stammen, oft aber auch durch den Bud·dhis·mus nach Japan kamen oder aus historischen, später ver·göttlichten Persön·lichkeiten ent·standen sind. Das be·kannteste Beispiel einer mythologischen Gott·heit ist
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mit dem Haupt·schrein in
kaiserlicher Ahnenschrein (wtl. Götterpalast) von Ise, Präfektur Mie, bestehend aus den Anlagen Gekū und Naikū
Der Begriff „Ise Jingū“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
. Die meisten der Sieben Glücksgötter ent·stammen dagegen dem Bud·dhis·mus oder leiten sich von anderen nicht-japanischen Vor·bildern her. Ein berühmtes Bei·spiel für die Ver·gött·lichung einer historischen Per·sön·lich·keit ist Tokugawa Ieyasu, der im bekannten
Tōshō Schrein, Mausoleum des Tokugawa Ieyasu in Nikkō, Präf. Tochigi
Der Begriff „Tōshō-gū“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Schrein in
Tempel-Schreinanlage im Norden der Kantō-Ebene, Präf. Tochigi; beherbergt u.a. den Tōshō-gū Schrein
Der Begriff „Nikkō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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verehrt wird.
Dank seiner Vielgestaltigkeit ist es also kaum möglich, den Begriff kami in das Korsett einer be·stimmten kon·fession·ellen Religion zu pressen. Und dennoch ist der kami Begiff vielleicht das einzige indigene religiöse Konzept, das sich einer voll·kommenen Ver·schmelz·ung mit dem Bud·dhis·mus ent·zogen hat. Selbst bud·dhis·tische Mönche akzeptierten die kami stets als natur·gegebene Realität und ver·suchten lediglich, sie aus bud·dhis·tischer Sicht zu erklären. Die meisten religiösen Zentren, egal ob ur·sprünglich bud·dhis·tisch oder nicht, wurden und werden mit Kult·stätten sowohl für
Der Begriff „Buddha“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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als auch für kami aus·gestattet, es handelt sich also im Grunde um ge·mischt-religiöse „Tempel-Schrein An·lagen“. Trotz dieser räum·lichen Nähe blieb eine gewisse kultische Trennung aufrecht, d.h. bud·dhis·tische und ein·heim·ische Gott·heiten wurden mit jeweils eigenen Riten bedacht und oft auch von jeweils eigenen Priestern betreut.
Kegare
Shinto wird häufig als Religion ohne moralisch verbindliche Vor·schriften charakterisiert. Tat·säch·lich gibt es im Shinto nichts, was etwa den fünf Laien·geboten des Buddhismus, oder den Zehn Geboten der Juden und Christen entspricht. Es gibt jedoch ein Merk·mal, das sich durch alle doku·mentierten Phasen der kami Religion zieht und das auch heute noch prägend für viele Bereiche der japanischen Gesell·schaft ist, nämlich eine sehr ausgeprägte Vor·stellung von ritueller Rein·heit, bzw. negativ ausgedrückt, die Angst vor ritueller Verun·reinigung (
rituelle Verunreinigung, Befleckung, Schande
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). Eine solche Verun·reinigung zieht den Unwillen der kami nach sich und ist daher die Ur·sache negativer Konsequenzen nicht nur für den einzelnen, sondern für die gesamte Gemeinschaft.
Der Tod und alles, was damit zu tun hat, wird als Haupt·quelle der Verun·reinigung angesehen. Ein·heimische kami sollen daher möglichst nicht mit Zeichen des Todes, ebenso wenig aber auch mit Blut und mit Krank·heiten konfrontiert werden. Ein heute noch gängiger Nach·hall dieser alten Auf·fassung besteht im all·ge·meinen Brauch, auf den traditionellen Neujahrsbesuch bei einem Shinto-Schrein zu verzichten, wenn im ver·gangenen Jahr ein Todes·fall in der Familie eingetreten ist.
Interessanterweise sind Shinto-Priester ganz besonders dazu angehalten, Tabu-Regeln zu befolgen und müssen sich daher vor der Ver·un·reinigung durch Krank·heit und Tod besonders in Acht nehmen. Diese Tabu·isierung des Todes kann jedoch meiner Meinung nach nicht von Anfang an Teil des kami-Glaubens gewesen sein. Sie kann erst in Kraft getreten sein, als andere Religionen sich für diesen religiös essenziellen Bereich zuständig fühlten. Tat·sächlich nimmt der japanische Bud·dhis·mus gerade auf dem Gebiet des Jenseitsglaubens und des Begräbniskults eine be·herr·schende Stellung ein. Das Todes·tabu des Shinto ist daher meiner Meinung nach das Produkt einer historischen Arbeits·teilung, nach der Buddhas tendenziell für den Tod und das Jenseits, kami für das Leben und das Dies·seits zuständig sind.
Was die Vorstellung von kegare von anderen ethischen Ver·haltens·kodices, etwa der Karma-Lehre unter·scheidet, ist die Tat·sache, dass den kami kein moralisches Urteils·vermögen, sondern eher eine spontan-natur·gesetzliche Reaktions·weise, eine Art un·will·kürlicher Unmuts·äußerung unterstellt wird, die nicht lange nach den genauen Um·ständen und Ur·sachen fragt. Dabei spielt es nur eine sekundäre Rolle, ob die Verun·reinigung durch willentliche Über·tretung (Ver·letzung religiöser Tabus) oder unwillkürlich (Krank·heit, Tod, Menstruation, Geburt) herbei·geführt wurde. Üblicher·weise können zwar unwillkürliche Ver·letz·ungen des Rein·heits·gebots durch zeit·weilige Tabu-Bestimmungen oder durch bestimmte Reinigungs·zeremonien (
Purifikation, Reinigungsritus, rituelle Waschung
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oder
Purifikation, Weihezeremonie, Exorzismus
Der Begriff „harae“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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) gesühnt werden, um die Gefahr einer gött·lichen Ver·geltung ab·zu·wehren. In Einzel·fällen genügt dies aber nicht und somit können auch un·ab·sicht·liche Tabu·über·tre·tungen als Ursache gött·licher Strafen erkannt und ent·spre·chend geahndet werden (z.B. durch Aus·schluss aus der Gemein·schaft).
Aus der Sicht einer westlich-aufklärerischen Perspektive wirken viele aus alter Zeit über·lieferten Tabu·regeln ungerecht. Im modernen Japan spielen sie denn auch meist nur noch eine unter·geordnete Rolle. Wenn es aber um den Tod geht, hat man doch den Ein·druck, dass die generelle Scheu vor kegare nach wie vor zum Tragen kommt.
Trennung von Shinto und Buddhismus
Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Grundbegriffe/Shinto. Shinto und Buddhismus ergänzen sich also, sie stehen in einem arbeitsteiligen Verhältnis zu·einander. Dieses Ver·hältnis ist aber keines·wegs aus·gewogen. Über weite Strecken der japanischen Religions·geschichte scheinen die kami nicht für viel mehr als für religiöse Hilfs·dienste zuständig gewesen zu sein. Shinto und Bud·dhis·mus lassen sich daher gar nicht so leicht als gleich·wertige Religionen gegen·über stellen. Nachdem sich der Bud·dhis·mus dank der massiven Förderung durch den antiken japanischen Staat als Quasi-Staats·religion durch·gesetzt hatte, musste der kami Glauben erst eine Reihe von Trans·formationen durchlaufen, bevor er allgemein als ver·gleich·bar und zugleich als gegen·sätzlich zum Bud·dhis·mus aufgefasst wurde. Erst in diesem Pro·zess beginnen sich die Um·risse von „Shinto“ als eigen·ständiger Religion langsam abzuzeichnen. (S. Sidepage Shintō und jindō.)
Die Wurzeln dieser Entwicklung reichen nicht weiter als ins japanische Mittel·alter zurück. Im dreizehnten Jahr·hundert ent·standen erste theologische Theorien, die die traditionelle Hierarchie von kami und Buddhas umkehrten, im fünfzehnten Jahr·hundert gaben sich solche Theologien die Selbst·bezeich·nung „Shinto“ (s. Shinto im Mittelalter). In der
Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
Der Begriff „Edo“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
-Zeit (1600–1867) gab es die ersten Be·streb·ungen, kami-Schreine gegen·über bud·dhis·tischen Tempeln auf·zu·werten und unter In·tel·lek·tu·ellen wurde es all·mählich üblich, „Shinto“ als generelle Be·zeichnung der ein·heimischen Religion zu verwenden. In den allgemeinen Wort·schatz ging dieser Begriff aber erst nach dem politischen Umbruch von 1868 ein, als man versuchte, Shinto als National·religion zu etablieren. Dieses Vorhaben, das von einer Welle anti-buddhistischer Aus·schreitungen begleitet war, markierte auch in rechtlicher Hinsicht einen deutlichen Ein·schnitt gegenüber den syn·kre·tis·tischen Glaubens·formen der Ver·gangen·heit: Bereits 1868 wurde ein Gesetz erlassen, das die allgemeine Praxis, Buddhas und kami am gleichen Ort zu verehren, verbot (
Verordnungen zur Trennung von kami-[Schreinen] und Buddha-[Tempeln] (ab 1868)
Der Begriff „shinbutsu bunri no rei“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
). Viele bud·dhis·tische Tempel aber auch manche Shinto Schreine mussten daher abgerissen werden, viele religiöse Traditionen wurden vollkommen ausgelöscht.
Diese Politik wurde im Zuge einer allgemein anti-buddhistischen Stimmung zunächst von breiten Teilen der Be·völkerung unterstützt, stieß allerdings in der Praxis auf erhebliche Wider·stände. Nach einer kurzen Phase der Be·geist·erung geriet die gewaltsame Trennung von Buddhas und kami daher ins Stocken und ist bis heute nur un·voll·ständig vollzogen: Noch heute gibt es neben jedem großen bud·dhis·tischen Tempel auch einen kleinen Schrein für den shintoistischen Schutzgott des Tempels und noch heute werden buddhistische Gestalten in Shinto-Schreinen verehrt.
Die Politik der
posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt
Der Begriff „Meiji“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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-Zeit hatte aber dennoch zur Folge, dass Shinto in den Brenn·punkt religions·geschichtlicher Debatten rückte. Weite Kreise innerhalb der japanischen Forschung und der frühen westlichen Japanologie tendierten von nun an dazu, Shinto als japanische Ur·religion anzusehen, die allerdings lange Zeit hindurch vom Bud·dhis·mus „überlagert“ gewesen war. Erst in den letzten Jahren hat sich dieses Bild relativiert und man beginnt, in den Formen der Koexistenz von Buddhismus und kami-Glauben eine eigene Form der japanischen Religion zu erkennen, von der sich „Shinto“ erst nach und nach weg ent·wickelte. Eine eindeutige De·finition von „Shinto“ ist aller·dings auch von der neueren Forschung noch nicht entwickelt worden.
Shinto und Nationalismus
In den ersten Jahrzehnten nach der Meiji Restauration (1868) durchlief die japanische Religions·politik eine Art trial-and-error-Phase, in der der Shinto — oder besser gesagt die japanischen kami-Schreine — einmal mehr einmal weniger im Zentrum der politischen Auf·merk·samkeit standen. Institutionen, die als ideologisches Zentrum staatlich organisierter Schrein·kulte fungieren sollten, lösten sich in rascher Folge ab. Erst mit den ersten militärischen Erfolgen des modernen Japan (insbesondere nach dem Russo-Japanischen Krieg 1904–05) wurde Shinto stärker in den Dienst eines aggressiven National·ismus gestellt, der die Annexion und Kolonialisierung umliegender asiatischer Länder recht·fertigen sollte. Der sich so ent·wickelnde Staatsshinto (
Staatsshintō, staatliche Ideologie der Moderne vor dem 2. WK
Der Begriff „kokka shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
) kulminierte schließlich in der Zeit des sog. Ultra·nationalismus von den dreißiger Jahren bis zum Zweiten Welt·krieg. Mit der Niederlage Japans verlor dieser Staats·shinto sowohl seine rechtliche Basis als auch seine Glaub·würdigkeit, während der Begriff Shinto als Bezeichnung für die ein·heimische Religion nach wie vor in Ver·wendung blieb. Dies mag ein weiterer Grund für die eingangs erwähnte Tatsache sein, dass dem Begriff ein negativer Bei·geschmack anhaftet und viele Japaner ihn vermeiden. Das gilt natürlich nicht für die Ver·treter des Shinto selbst. Sie sind großteils bemüht, „Shinto“ von der Assoziation mit dem Staatsshinto rein zu waschen. Andererseits spielt die Ideologie des Staats·shinto in rechts·extremen Kreisen nach wie vor eine wichtige Rolle und auch die gemäßigt konservative Liberal Demo·kratische Partei (LDP), die seit dem Zweiten Weltkrieg fast ununterbrochen an der Regierung ist, kann sich nicht zu einer eindeutigen Ablehnung aller Reste des Staats·shinto durchringen. Das Thema Shinto spiegelt daher die Schwierig·keiten wider, die Japan als ganzes mit der Be·wältigung seiner nationalistischen Ver·gang·en·heit hat.
Im Westen ist der Begriff Shinto selbst zwar im All·gemeinen nicht mit dem Stigma des National·ismus behaftet (dafür ist der Begriff einfach zu fremd und exotisch), aber die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema hat nach dem 2. Welt·krieg doch spürbar nachgelassen. Shinto wurde zu einer Art Tabuthema. Erst in jüngerer Zeit gibt es wieder Ansätze, sowohl den Staatsshinto als auch die Ursachen seiner Ent·stehung historisch auf·zu·arbeiten und in Relation zur gesamten Religions·geschichte Japans zu stellen.
Kategorien von Shinto
Als sich herausstellte, dass sich die Idee von Shinto als Staats·religion nicht ohne weiteres durch·setzen ließ, rückte die Meiji-Regierung von der Vor·stellung ab, eine Staats·religion nach dem Muster europäisch-christlicher National·staaten zu installieren. Dennoch sollten die all·gemeinen Bürger·pflichten sowie der Respekt gegenüber Staat und Tenno mithilfe des Shinto gefördert werden. Shinto wurde aus diesem Grund offiziell nicht als „Religion“ sondern als „Zere·monial·system“ definiert, das auf die Verehrung des Tenno ausgerichtet war. Alle Shinto Schreine hatten sich diesem Zweck unter·zu·ordnen. Es wurde jedoch anerkannt, dass es auch einzelne Shinto Sekten gab, die „religöse“ Anliegen im Sinne einer trans·zendenten Heils·lehre ähnlich dem Buddhis·mus oder dem Christen·tum propagierten. Aus der Unter·scheidung dieser beiden Arten von Shinto entwickelten sich die Kategorien Schrein Shinto (
Schreinshintō; im Ggs. zu „Sektenshintō“ (kyōha shintō), ...
Der Begriff „jinja shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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) und Sekten Shinto (
Sektenshintō; im Ggs. zu „Schreinshintō“ (jinja shintō)
Der Begriff „kyōha shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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), womit im wesent·lichen Shinto Richt·ungen gemeint waren, die zu dieser Zeit (19. Jh.) neu ent·standen waren und heute zu den Neuen Religionen gerechnet werden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Religions·politik, die Shinto zwar nicht als Religion ansah aber sehr wohl in den Dienst national·istischer Pro·paganda stellte, insgesamt als „Staats-Shinto“ (
Staatsshintō, staatliche Ideologie der Moderne vor dem 2. WK
Der Begriff „kokka shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
) bezeichnet. Zugleich wurde „Schrein Shinto“ sehr wohl als Religion angesehen und aus dem Staats·kult herausgelöst. Diese Tren·nung von Religion und Staat wurde nach einer ent·sprechenden Anweisung seitens der amerikanischen Besatzung sogar verfassungs·mäßig besiegelt. Was unklar blieb und bis heute bleibt, ist die Verbindung des Schrein-Shinto mit dem Tenno. Um hier eine Trenn·linie zu ziehen, wird gelegentlich der sog. „imperiale Shinto“ (
Imperialer Shintō, Shintō des kaiserlichen Hofes
Der Begriff „kōshitsu shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
) als eigene Kategorie von Shinto definiert, um die traditionellen kami-Kulte des kaiser·lichen Hofes von sonstigen Schrein·riten zu unter·scheiden. Außerdem ist häufig von „Volks·shinto“ (
Volksshintō, Shintō als Volksreligion
Der Begriff „minzoku shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
= lokales religiöses Brauch·tum) als weiterer Kategorie die Rede.
Versucht man, diese Kategorien klar und historisch konsistent von einander abzugrenzen, stößt man auf unüber·windliche Schwierig·keiten. So lässt sich der „imperiale Shinto“ nicht klar vom „Schrein Shinto“ trennen, da er selbst auf den Traditionen einzelner Schreine beruht. Allerdings ordnen sich nicht alle Schreine dem Anspruch des Tenno unter, Ober·haupt der Shinto Religion zu sein. Noch schwieriger wird die Situation beim Begriff „Volks·shinto“: Sucht man in Japan außerhalb der etablierten Schrein·traditionen nach volks·religiösem Brauchtum, findet man beispiels·weise Be·sessen·heits·kulte, in denen Heiler mit der Hilfe von Medien Geister aus dem Jen·seits sprechen lassen (Bsp.
blinde Priesterin oder Shamanin; früher auch ichiko 市子
Der Begriff „itako“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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). Solche Kulte werden heute aber weder von offiziellen Shinto-Organisationen, noch vom Buddhismus anerkannt. Die Heiler selbst bedienen sich im übrigen sowohl buddhistischer als auch shin·to·is·tischer Konzepte. Es gibt also tatsächlich starke volksreligiöse Traditionen in Japan, aber diese entziehen sich der eindeutigen Zu·ordnung zu Shinto oder Buddhismus. Um die Verwirrung perfekt zu machen, leben viele dieser Traditionen, bei·spiels·weise Be·sessen·heits·kulte, im so·ge·nannten „Sekten Shinto“ weiter fort, der seiner·seits zu den Neuen Religionen gezählt wird.
Die Versuche, Shinto in verschiedene Kategorien zu unterteilen und auf diese Weise schlüssig darzustellen, haben also bisher zu keinen be·friedigend·en Er·geb·nissen, sondern eher zurück in die ideologischen Fall·stricke des Staats·shinto geführt. Moderne Religions·historiker ziehen unter·schiedliche Konsequenzen aus diesem konzeptionellen Wirr·warr. Manche vermeiden den Begriff „Shinto“ überhaupt, zu·mindest wenn es sich um historische Themen handelt. Nelly Naumann, die sich als Expertin der japanischen Mythologie einen Namen gemacht hat, spricht bei·spiels·weise in ihrem Haupt·werk lediglich von der „ein·heimischen Religion Japans“. Ich selbst sympathisiere mit diesem An·satz und verwende am liebsten den Begriff kami-Glaube. Im Rahmen dieser Web·site wird der Begriff „Shinto“ jedoch der all·gemeinen Ver·ständ·lich·keit halber bisweilen auch dort ver·wendet, wo man ihn besser unter geistige An·führungs·striche setzen sollte.
Links
- Encyclopedia of Shinto, Inoue Nobutaka (Hg.)
Englische Online Version des enzyklopädischen Wörterbuchs Shintō Jiten (1994). Ehr·geizigstes und viel·ver·sprech·endstes Web Projekt der Kokugakuin Daigaku. - Web Versions of IJCC Publications, Kokugakuin Daigaku
Online Resources der gleichen Universität, vor allem einzelne Fachartikel in Englisch. - Jinja Honchō - The Association of Shinto Shrines (en., jap.)
Offizielle Website der 1946 gegründeten Dachorganisation japanischer Schreine. Vertritt das oben beschriebene, traditionelle Shinto-Bild.Letzte Überprüfung der Linkadressen: Aug. 2010
Literatur
Die meisten Einführungen in die Geschichte des Shinto vertreten einen Ansatz, der mir aus den oben ge·schilderten Gründen problematisch erscheint, und können daher nicht wirklich empfohlen werden. Für den Einstieg empfehlenswert ist das kurz gefasste Buch:
Für alle, die es genauer wissen wollen, empfiehlt sich die dreibändige Serie "Die einheimische Religion Japans" im Brill Verlag:
Spezifische Werke zur historischen Problematik des Begriffs "Shinto" (alle in Engl.):
State of the Art der japanischen Shinto-Forschung in vier chronologisch gereihten Artikeln.
Berühmter Artikel eines führenden japanischen Religionshistorikers, der zum Anstoß einer Neuorientierung in der westlichen Shinto-Forschung wurde.
- Japanese Journal of Religious Studies 29/3–4, 2002. (Online.) [Sondernummer des JJRS.]
Ausführlich, aber für meinen Geschmack zu "essentialistisch":
Nur für überzeugte Shinto-Anhänger empfehlenswert:
- ^ Ein Beispiel für ein torii im einfachen, rustikalen shinmei-Stil.
Salvador Busquets Artigas, flickr (SBA73), 2008 (mit freundlicher Genehmigung). - ^ Portrait des Gelehrten Norinaga im Alter von 61 Jahren.
Werk von Yoshikawa Yoshinobu. Edo-Zeit, 1790. Motoori Norinaga Museum.
Religion in Japan, Inhalt
- 一 Grundbegriffe
- 二 Bauten
- 五 Mythen
- Einleitung
- Mythologie:
- Götter des Himmels
- Götter der Erde
- Jenseits:
- Jenseits
- Geister:
- Totengeister
- Dämonen
- Tiere:
- Imaginäre Tiere
- Verwandlungskünstler
- Symboltiere
- 六 Geschichte
- Einleitung
- Altertum:
- Prähistorie
- Frühzeit
- Nara-Zeit
- Frühe kami-Kulte
- Heian-Zeit
- Saichō
- Kūkai
- Honji suijaku
- Mittelalter:
- Kamakura-Zeit
- Amidismus
- Zen Buddhismus
- Nichiren Buddhismus
- Mittelalterl. Shintō
- Frühe Neuzeit:
- Reichseinigung
- Christentum
- Terauke-System
- Neo-Konfuzianismus
- Kokugaku
- Moderne und Gegenwart:
- Bakumatsu-Zeit
- Staatsshintō
- Neue Religionen
- 七 Essays
- Überblick
- Buddhismus, Asien:
- Arhats in China und Japan
- Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
- Bishamon-ten: Wächter und Glücksgott
- Riesen-Buddhas: Im Kampf gegen die Unbeständigkeit des irdischen Daseins
- Lokale Vorstellungen, Japan:
- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
- Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit
- Religion und Politik:
- Die Tenshō-Mission: Beginn einer schwierigen transnationalen Beziehung
- Yasukuni: Der Schrein des ‚friedlichen Landes‘
- Herrigels Zen und das Bogenschießen
- Anhang
- Metalog
- Konzept
- Autor
- Impressum
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- Künstler-Glossar
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- Ressourcen
- Literatur
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„Shintō: Versuch einer Begriffsbestimmung.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001