Der Großschrein von Izumo
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I zumo Taisha [Izumo Taisha (jap.) 出雲大社 Großschrein von Izumo (Präfektur Shimane)], der Groß·schrein von Izumo, be·zeichnet den be·deutendsten Schrein der Region Izumo. Einem alteingesessenen Glauben zufolge ver·sammeln sich sämt·liche Götter Japans jedes Jahr im Oktober (bzw. im 10. Monat) an diesem Ort, weswegen dieser Monat den Bei·namen „Monat ohne Götter“ (Kannazuki [Kannazuki (jap.) 神無月 „Monat ohne Götter“; volkstümlicher Beiname des 10. Monats, in dem sich die Götter Japans alle nach Izumo begeben sollen]) trägt. Nur in Izumo heißt er „Monat der an·wesenden Götter“ (Kamiaritsuki [Kamiaritsuki (jap.) 神有月 Monat der anwesenden Götter (Oktober in Izumo)]). Diese Vor·stellung macht Izumo zumindest temporär zum Zentrum der ja·pa·nischen Götter·welt und hat den Schrein daher immer wieder zu einem ernst·haften Kon·kur·ren·ten der Ise [Ise (jap.) 伊勢 vormoderne Provinz Ise (heute Präfektur Mie); Stadt Ise; Kurzbezeichnung für die Schreinanlage von Ise Ise Jingū]-Schreine als Spitze der ja·pa·nischen Schrein·hierarchie werden lassen.
Optische Eindrücke
Bildquelle: Photo Dokuritsuken, 2008, über Internet Archive.
Yasuda Eiki, flickr, 2013.
Umino Tomoko, flickr 2007.
Hauptgottheit
Der Schrein hieß ur·sprüng·lich Kizuki no Ōyashiro [Kizuki no Ōyashiro (jap.) 杵築大社 Ursprünger Name des Izumo Taisha; kizuki bedeutet in etwa „festes Fundament“], als Haupt·gott·heit wird Ōkuninushi [Ōkuninushi (jap.) 大国主 mythol. Gottheit; wtl. Großer Meister des Landes], wtl. der „Große Herr des Landes“, verehrt.1 In den Mythen deutet sich an, dass Izumo [Izumo (jap.) 出雲 alter Namen der Präfektur Shimane in West-Japan; auch kurz für Izumo Taisha] einst ein eigenes Reich oder Stammes·gebiet darstellte, das nur unter Schwierig·keiten in den frühen ja·panischen Staat integriert werden konnte. Dementsprechend stellt Ōkuninushi in der mythologioschen Erzählung einen Gegen·pol zur kaiserlichen Ahnen·gott·heit Amaterasu [Amaterasu (jap.) 天照 Sonnengottheit; Ahnherrin des Tennō-Geschlechts; Hauptgottheit von Ise] dar. In his·to·rischer Zeit nahm die Be·deu·tung der Gegend al·ler·dings sukzessive ab (s. Essays/Okuninushi). Ōkuninushi wurde zwar in neuen Schreinen verehrt – u.a. im Miwa [Miwa Jinja (jap.) 三輪神社 Miwa (auch Ōmiwa) Schrein, nahe Nara] Schrein nahe der alten Haupt·stadt Nara – verlor aber seine führende Rolle in der Götter·welt und wurde schließ·lich mit dem populären Glücks·gott Daikoku [Daikoku (jap.) 大黒 Gott des Reichtums und Stellvertreter der Sieben Glücksgötter (Shichi Fukujin); skt. Mahakala = „Großer Schwarzer“; auch Daikoku-ten] assoziiert. In Izumo selbst kann man al·ler·dings erahnen, warum die mytho·log·ische Aura dieser Gott·heit nie ganz hinter den Ahnen des Kaiser·hauses verblasste.
Werk von Utagawa Kuniyoshi. Waseda University.
Ein sagenhafter Riesenschrein in grauer Vorzeit
Die Anlage des Izumo Schreins stammt in ihrer heutigen Form aus 1744. Im Zuge der jüngsten Re·no·vie·run·gen (2008–2013) wurden z.B. die Dächer komplett erneuert, die meisten Bilder auf dieser Seite zeigen jedoch noch den Zustand davor. Die Haupt·halle ist mit 24m Höhe für einen Shintō-Schrein un·ge·wöhn·lich groß, doch soll sie in alter Zeit sogar noch größer gewesen sein. In den Mythen aus Kojiki [Kojiki (jap.) 古事記 „Aufzeichnung alter Begebenheiten“; älteste jap. Chronik (712)] und Nihon shoki [Nihon shoki (jap.) 日本書紀 Zweitältestes Schriftwerk und erste offizielle Reichschronik Japans (720)] (8. Jh.) wird ein riesiger Palast von knapp 100m Höhe erwähnt, der für Ōku·ni·nushi errichtet wurde, nachdem er seine Herr·schaft an den Enkel der Sonnen·gott·heit abgegeben hatte. Alles deutet daraufhin, dass es sich dabei um eine Früh·form des Izumo Schreins handelt, doch die Ausmaße er·schei·nen my·tho·lo·gisch über·trieben. Al·ler·dings existiert aus der Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit (10. Jh.) ein weiterer Bericht, laut dem der Izumo Schrein höher war als die damalige Halle des Großen Buddha von Nara, nämlich 16 jō [jō (jap.) 丈 altes japanisches Maß für Längen; urspr. eine menschliche Körperlänge (chin. zhang), später auf ca. 3m festgelegt] = 48m. Schließ·lich haben archäo·logische Aus·gra·bun·gen aus jüngerer Zeit die Stümpfe von riesigen Holz·pfeilern frei·gelegt, die zu derartigen Angaben passen könnten. Sie stammen aus dem drei·zehnten Jahr·hun·dert und bestätigen eine weitere schrift·liche Quelle, nach der die Haupt·pfeiler des Schreins jeweils aus drei zu·sam·men·ge·bun·de·nen Riesen·stämmen bestan·den.
Bildquelle: unbekannt.
Die Aus·gra·bun·gen legen somit nahe, dass der Izumo Schrein noch in his·to·rischer Zeit we·sentlich größer war als heute. Man nimmt an, dass er auf einer riesigen Platt·form stand, zu der eine mächtige Treppe hinauf führte. Re·konstruk·tionen sind in modell·hafter Form im Museum des Izumo Schreins zu besichtigen. Nachdem in Izumo ein ähnlicher Brauch herrschte wie in Ise, nämlich die Anlage in gewissen Ab·ständen voll·kommen zu erneuern, ist leicht zu verstehen, dass irgendwann einmal die Baumriesen aus·gingen, um derartige Bau·werke zu errichten und man die Höhe der Haupt·halle schließlich reduzieren musste.
Der Ursprung des Izumo Schreins ist ein weiterer Punkt, der nach wie vor kontrovers diskutiert wird. Nach den besagten Mythen müsste es sich um den ältesten Schrein Japans handeln. Es gibt jedoch auch eine Stelle des Nihon shoki, die so interpretiert werden könnte, dass der Schrein 659 errichtet wurde und seine Er·rich·tung somit keines·wegs in mythische Zeiten zurückreicht.
[659] In this year, the Izumo magistrate was ordered to repair/create the shrine of the god.2
Der strittige Punkt in diesem Zitat ist die Be·deutung des Verbs tsukuri yosowashimu, das entweder als reparieren oder als errichten ausgelegt werden kann. Es ist zudem nicht ganz sicher, ob mit dem „Schrein“ tatsächlich der Izumo Schrein gemeint ist.
Monat mit und ohne Götter
Die Idee, dass sich alle Götter im 10. Monat in Izumo versammeln und dass dieser Monat deshalb „gottloser Monat“ (Kannazuki [Kannazuki (jap.) 神無月 „Monat ohne Götter“; volkstümlicher Beiname des 10. Monats, in dem sich die Götter Japans alle nach Izumo begeben sollen]) heiße, dürfte einer Volks·etymologie entsprungen sein, deren Ursprünge im Dunklen liegen. Sie findet sich erstmals in einer Gedicht·antho·logie aus dem 12. Jh. erwähnt. Dass dieser Monat in Izumo selbst „gotthafter Monat“ (Kamiaritsuki [Kamiaritsuki (jap.) 神有月 Monat der anwesenden Götter (Oktober in Izumo)]) heißt, findet sich hingegen in einem Lexikon des fünf·zehnten Jahr·hun·derts zum ersten Mal vermerkt.3 In dieser Zeit taucht zudem die Vor·stellung auf, dass die Götter über die Heirats·ver·bin·dungen (enmusubi) beratschlagen, die sie unter den Menschen knüpfen wollen. Dieses Thema machte aus der Gott·heit von Izumo eine Gott·heit der ehe·lichen Be·ziehungen (enmusubi no kami [enmusubi no kami (jap.) 縁結びの神 wtl. „Gottheit, die Verbindungen knüpft“; Gottheit für Verliebte, japanischer Amor]). In dieser Rolle begegnet uns folge·richtig sowohl der Haupt·gott von Izumo, Ōkuninushi [Ōkuninushi (jap.) 大国主 mythol. Gottheit; wtl. Großer Meister des Landes], als auch sein buddhisiertes alterego, der Glücksgott Daikoku [Daikoku (jap.) 大黒 Gott des Reichtums und Stellvertreter der Sieben Glücksgötter (Shichi Fukujin); skt. Mahakala = „Großer Schwarzer“; auch Daikoku-ten].
Verweise
Verwandte Themen
Fußnoten
- ↑ Im ja·panischen Mittel·alter galt allerdings Susanoo [Susanoo (jap.) 須佐之男/素戔男 mytholog. Gottheit; Trickster-Gott, Sturmgott, Mondgott; Bruder der Amaterasu] (Ōkuninushis Vater) als zentrale Gottheit von Izumo.
- ↑ Nihon shoki (Saimei Tennō), zit. nach Torrance 2016, S. 28.
- ↑ Waka dōmōshō 和歌童蒙抄 von Fujiwara no Norikane 藤原範兼 (1107–1165) und Kagakushū 下学集 (1444); Zhong 2016, S. 56.
Internetquellen
- Shinwa no kuni Izumo o otozureru (jap.)
- Izumo Ōyashiro (jap.)
Offizielle Homepage des Schreins.
Literatur
Bilder
- ^ Luftaufnahme des Schreinanlage von Izumo an einem Fasttag.
Bildquelle: Photo Dokuritsuken, 2008, über Internet Archive. - ^ Izumo Schrein, Haupt- und Seitengebäude
Blue Lotus, flickr 2006. - ^ Izumo Schrein, Haupt- und Seitengebäude
Bildquelle: unbekannt. - ^ Innere Schreinanlage des Izumo Schreins.
Jenny Huang, flickr 2006. - ^ Izumo Schrein, Haupthalle (honden)
Bildquelle: unbekannt. - ^ Haupthalle des Izumo Schreins, vom rückwärtigen Teil der Anlage aufgenommen.
663highland, Wikimedia Commons. - ^ Das riesige shimenawa an der Kagura-Halle des Izumo Schreins, darunter eine Schreindienerin (miko) neben einem Verkaufsstand für Glücksbringer.
Yasuda Eiki, flickr, 2013.
- ^ Ein junger Priester (shinshoku) des Izumo Schreins.
Jenny Huang, flickr 2006. - ^ Schreinbesucher befestigen o-mikuji an den Zweigen und Rinden der alten Zedern auf dem Schreingelände von Izumo.
Umino Tomoko, flickr 2007. - ^ Ōkuninushi und Sukuna Bikona.
Werk von Utagawa Kuniyoshi. Waseda University. - ^ Stümpfe riesiger Pfeiler, welche 1999 bei Ausgrabungen gefunden wurden. Sie legen nahe, dass der Izumo Schrein einst viel größer war.
Bildquelle: unbekannt. - ^ Rekonstruktion eines Pfeilers des Izumo Taisha, welche man bei Ausgrabungen gefunden hat.
Bildquelle: unbekannt. - ^ Modellgraphische Rekonstruktion des ursprünglichen Izumo Schreins.
Bildquelle: unbekannt.
Glossar
- Daikoku 大黒 ^ Gott des Reichtums und Stellvertreter der Sieben Glücksgötter (Shichi Fukujin); skt. Mahakala = „Großer Schwarzer“; auch Daikoku-ten
- enmusubi no kami 縁結びの神 ^ wtl. „Gottheit, die Verbindungen knüpft“; Gottheit für Verliebte, japanischer Amor
- Kizuki no Ōyashiro 杵築大社 ^ Ursprünger Name des Izumo Taisha; kizuki bedeutet in etwa „festes Fundament“
- Nihon shoki 日本書紀 ^ Zweitältestes Schriftwerk und erste offizielle Reichschronik Japans (720)
- Ōkuninushi 大国主 ^ mythol. Gottheit; wtl. Großer Meister des Landes
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„Der Großschrein von Izumo.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001