Glückslose (o-mikuji)
Omikuji [o-mikuji (jap.) 御籤/おみくじ Glückslos, Glücksorakel; auch mikuji] sind für gewöhnlich einfache Papierzettel, die man gegen eine kleine Summe z.B. einem Kasten entnehmen kann. Sie enthalten eine Orakelbotschaft, die dann noch weiter erläutert wird. Fast alle größeren Schreine sowie diverse buddhistische Tempel bieten omikuji an und folgen dabei zumeist sehr ähnlichen Grundregeln.
System
Frank Gualtieri, Wikimedia Commons, 2006.
Das Wort kuji hat die Grundbedeutung „Spieß“. Omikuji — das gleiche Vokabel mit dem doppelten Honorifikum o-mi — bezeichnet eigentlich die Stäbchen in der zumeist sechseckigen omikuji-Box, die man zunächst einmal schüttelt, bis ein omikuji-Spießchen zum Vorschein kommt. Dieses ist mit einem Zeichen versehen, das auf ein Fach im daneben stehenden Zettelkasten verweist. Die Zettel in diesem Fach enthalten dann die eigentliche Orakelbotschaft. Es gibt eine klare Abstufung von Botschaften, die etwa von Großem Glück (daikichi 大吉), Mittlerem Glück (chūkichi 中吉 oder hankichi 半吉) und kleinem Glück (shōkichi 小吉) bis zu Unglück (kyō 凶) und Großem Unglück (daikyō 大凶) reichen. Die Zettel enthalten darüber hinaus Ratschläge, ähnlich hierzulande geläufigen Horoskopen. Meist kommt der spezifische Charakter des jeweiligen Schreins oder Tempels in diesen Ratschlägen zum Ausdruck. Kuji hat aber aufgrund seiner Verwendung auch die Bedeutung „Glückslos“ und wird in dieser Bedeutung auch auf die Zettel mit der Orakelbotschaft übertragen.
Diese Zetteln werden nach dem Lesen im Schrein- oder Tempelareal oft an einen Zweig oder an ein dafür vorgesehenes Gestell gebunden. Manchmal heißt es, dass nur die schlechten Horoskope vor Ort angebunden, die guten hingegen mitgenommen werden sollen, doch scheint es hier lokal unterschiedliche Konventionen zu geben.
Beispiele
Frantisek Staud, 1999, über Internet Archive.
Frantisek Staud, 1999, über Internet Archive.
Japan Info, über Internet Archive.
Wie man an den Fotos erkennen kann, erfreut sich dieser Brauch vor allem zu Neujahr [Shōgatsu (jap.) 正月 Neujahr, Neujahrsfest; in der Alltagssprache meist O-shōgatsu] im Heian Schrein [Heian Jingū (jap.) 平安神宮 Shintō-Schrein in Kyōto; zu Ehren des Kanmu Tennō im Jahr 1895 errichtet; die historisierende Bauweise ist der Palastarchitektur der Heian-Zeit nachempfunden] in Kyōto großer Beliebtheit.
Alain Barthe, 1997.
Wie so oft in der religiösen Praxis Japans werden die mit Zetteln bespickten Bäume und Sträucher Teil eines kollektiven Kunstwerks.
Kimagure Jīsan, (J-Blog), 2009.
Der Yasui Konpira Schrein [Yasui Konpira-gū (jap.) 安井金比羅宮 Schrein in Kyōto, welcher 1695 errichtet wurde.] in Kyōto bietet eine ganz besondere Art von Zetteln — die hier katashiro [katashiro (jap.) 形代 Stellvertreter oder „Sündenbock“ für shintōistische Reinigungszeremonien, meist in stilisierter menschlicher Gestalt, heute zumeist aus Papier] heißen — an: Man schreibt Wünsche auf diese Zetteln und klebt sie auf den Stein, der bald nicht mehr zu erkennen ist.
Diese Wünsche haben sowohl mit der Trennung von Unerwünschtem als auch mit der Bindung zu Erwünschtem zu tun, meist — aber nicht notwendigerweise — im Zusammenhang mit Liebesbeziehungen (enmusubi [enmusubi (jap.) 縁結び wtl. „Bande knüpfen“, einen „Liebesbund“ schließen (heiraten) oder stiften (Heiratsvermittlung); Aufgabengebiet der Glücksgötter (fukujin)]). Man kann sich also auch wünschen, dass die Affaire des Ehepartners zu Ende geht. Außerdem muss man durch den Tunnel aus Zetteln durchkriechen, damit der Wunsch in Erfüllung geht.
Verweise
Internetquellen
- Shi-yaku-jin no hokora, ein amerikanischer Shintō-Schrein mit starkem Online-Auftritt. Hier gibt es die Möglichkeit auch in englischer Übersetzung nachzuvollziehen wie O-mikuji funktionieren.
Bilder
- ^ Hier wirft man 200 Yen in den Behälter mit der entsprechenden Aufschrift, zieht ein Los aus dem mittleren Behälter und erfährt daraus, aus welcher Lade man einen Zettel wählen soll. Der enthält dann das Orakel (o-mikuji) und wird schlussendlich irgendwo im Schreinareal an einen Zweig oder ein Gestell gebunden.
Frank Gualtieri, Wikimedia Commons, 2006. - ^ Schreinbesucher des Heian Jingū beim Lesen der Neujahrsorakel (o-mikuji).
Frantisek Staud, 1999, über Internet Archive. - ^ Schüler mit frisch erworbenen o-mikuji Losen des Dazaifu Tenman-gū.
Nihon ryokō, 2002. - ^ Japanerin im Neujahrs-Kimono beim Anbinden von o-mikuji Losen im Heian Jingū.
Frantisek Staud, 1999, über Internet Archive. - ^ Glückslose (o-mikuji) werden von einem Mädchen im festlichen Kimono an ein Gestell gebunden. Besonders zu Neujahr (O-shōgatsu) erfreut sich dieser Brauch großer Beliebtheit.
Japan Info, über Internet Archive. - ^ Glückslose (o-mikuji), in rosa gehalten.
Zhang Wenjie, 2011.
- ^ Glückslose (o-mikuji), an einen Zweig gebunden.
Bonguri, Flickr 2015. - ^ Glückslose (o-mikuji), welche an einem Zweig befestigt wurden.
Brian Utesch, flickr 2006 (mit freundlicher Genehmigung). - ^ Gückslose (o-mikuji) und torii in Kamakura.
Bjørn K, 2006. - ^ Im Hintergrund der miko befinden sich o-mikuji auf den Zweigen künstlich angelegter Büsche.
Alain Barthe, 1997. - ^ Die o-mikuji sind an einen Granatapfelzweig gebunden
Stephen A. Edwards, 2002. - ^ Im Inneren des Konvoluts von aufgeklebten Zetteln (o-mikuji) befindet sich ein großer Stein mit einem Loch. Auf den Zetteln stehen Wünsche, die mit Hilfe des Steins in Erfüllung gehen sollen. Der Stein selbst, welcher sich am Gelände des Yasui Konpira-gū befindet, ist erstaunlich dünn und gleicht eher einer Wand mit Loch. Die Zetteln bilden also die Hauptmasse des auf diesem Bild gezeigten religiösen Objekts.
Kimagure Jīsan, (J-Blog), 2009.
Glossar
- Heian Jingū 平安神宮 ^ Shintō-Schrein in Kyōto; zu Ehren des Kanmu Tennō im Jahr 1895 errichtet; die historisierende Bauweise ist der Palastarchitektur der Heian-Zeit nachempfunden
- Yasui Konpira-gū 安井金比羅宮 ^ Schrein in Kyōto, welcher 1695 errichtet wurde.
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- Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
- Bishamon-ten: Wächter und Glücksgott
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- Lokale Vorstellungen, Japan:
- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
- Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit
- Religion und Politik:
- Die Tenshō-Mission: Beginn einer schwierigen transnationalen Beziehung
- Yasukuni: Der Schrein des ‚friedlichen Landes‘
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„Glückslose (o-mikuji).“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001