Religion und Brauchtum im Jahreszyklus

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Religion und Brauchtum im Jahreszyklus

Das Jahr ist in Japan seit jeher durch bestimmte Feiertage strukturiert, die stets auch eine religiöse Bewandtnis haben. Daher gibt es beinahe jeden Monat ein landesweites traditionelles Fest, das Anlass für einen Tempel- oder Schreinbesuch bietet. Wie in anderen modernen Gesellschaften auch nimmt die Bedeutung dieser traditionellen Festlichkeiten in Japan langsam ab. Für die meisten Japaner sind jedoch mindestens zwei traditionelle Feiern nach wie vor wichtig: Neujahr (O-shōgatsu [Shōgatsu (jap.) 正月 Neujahr, Neujahrsfest; in der Alltagssprache meist O-shōgatsu]) und das Bon-Fest (O-bon [Bon (jap.) Bon-Fest (Ahnenfest); in der Alltagssprache meist O-bon]). In gewisser Hinsicht sind diese Feiern mit Weihnachten und Ostern vergleichbar. Auch sie ranken sich um die zwei großen religiös besetzten Themen Geburt und Tod.

O-shōgatsu — Neujahr

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1 Neujahrsbesuche in der Edo-Zeit
Straßenszene zum Neujahrsfest (O-shōgatsu), genauer am dritten Neujahrstag (ganzan), an dem Familien aus dem Samuraistand einander Besuche abstatten. Zu sehen sind auch heute noch gebräuchliche Dinge wie das Federballspiel (hagoita) oder der Torschmuck aus Pinien (kadomatsu) und Strohseilen (shimenawa). Die Personen sind festlich gekleidet, Diener tragen Gastgeschenke mit. Interessant ist die deutlich erkennbare Trennung in Männer- und Frauen- + Kindergruppen.
Werk von Hayami Shungyōsai (1767–1823). Edo-Zeit. Smithonian Institution.

Der japanische Jahresbeginn symbolisiert — vielleicht noch stärker als im Westen — einen Neuanfang. In früherer Zeit zählten die Menschen ihre Lebenszeit danach, wie viele Neujahrstage sie bereits erlebt hatten, und noch heute feiert man in Japan das erste Neujahr eines Babys ähnlich wie im Christentum die Taufe. Im Vordergrund der Neujahrsfeiern steht die Familie sowie die Rückbesinnung auf traditionelle Bräuche. Man isst zum Beispiel bestimmte Speisen (o-sechi ryōri [o-sechi ryōri (jap.) 御節料理 Speisen zum Jahreswechsel; meist eingelegt oder vorgekocht]), die noch im alten Jahr zubereitet wurden, da während der Neujahrsfeiertage — zumindest in der Theorie — keine Arbeit in der Küche verrichtet werden soll. Nur die Klöße aus gestampftem Reis (o-mochi [mochi (jap.) Japanische Reiskuchen bzw. Klöße aus gestampftem Reis, die traditionell vor allem zu Neujahr (O-shōgatsu) gegessen werden.]), das wichtigste Element der Neujahrsküche, dürfen im Ofen gewärmt werden.

Eine Verabschiedung des Alten Jahres — der eigentliche Anlass für Sylvester-Feiern — wird in Japan nur in buddhistischen Tempeln vollzogen, wo zu Mitternacht des letzten Tages (ōmisoka [ōmisoka (jap.) 大晦日 letzter Tag des Jahres (von Altjap. miso, „30“)]) die Tempelglocken 108 Mal angeschlagen werden — einmal für jeden der 108 kleshas [kleśa (skt,) क्लेश „Leid“, auch: Leidenschaft, die den Menschen ans Diesseits bindet; neben den sog. Fünf Giften (Ignoranz, Gier, Hass, Stolz und Neid) gibt es auch Serien von 3, 6, 10 oder 108 Kleshas (jap. bonnō 煩悩)], also Begierden, die uns an das Diesseits binden. Doch zählt diese Feier nicht zu O-shōgatsu.

Lärmende Partys, in denen der kollektive Rausch im Vordergrund steht, gibt es zwar sehr wohl in Japan, doch finden sie in Form von „Das-Jahr-Vergessen-Festen“ (bōnenkai [bōnenkai (jap.) 忘年会 wtl. Jahr-Vergessen-Feier; Feste zu Jahresende, meist mit feucht-fröhlichem Charakter]) in den letzten Dezembertagen statt. In jüngerer Zeit ist auch Weihnachten populär geworden, wird aber zumeist als bōnenkai mit Freunden und viel Bier und Sake [Sake (jap.) Reiswein] gefeiert. Das bedeutet, dass das japanische Neujahr dem westlichen Weihnachten gleicht während Weihnachten in Japan ähnlich wie das westliche Neujahr gefeiert wird.

Das japanische Neujahr ist auch insofern mit dem hiesigen Weihnachten vergleichbar, als man das eigene Heim mit natürlichen Materialien verziert, die eine glücksverheißende Symbolik besitzen: Neben Reisig aus Pinienzweigen sind Bambus und Pflaumen die wichtigsten Elemente (shōchikubai [shōchikubai (jap.) 松竹梅 wtl. Pinie, Bambus, Pflaume, auch „drei Freunde der kalten Zeit“; Pinie und Bambus grünen auch im Winter, die Pflaumenblüte signalisiert den Frühlingsbeginn; zusammen ein Glückssymbol für Gesundheit und langes Leben]). Sie stehen zusammen für den Winter bzw. die Überwindung des Winters. Der Pinienschmuck wird meist am Eingang angebracht (kadomatsu [kadomatsu (jap.) 門松 wtl. Pinien[zweige] am Tor; Neujahrsschmuck]) und kann durch Mandarinen, getrocknete Garnelen und andere „Winterfrüchte“ ergänzt werden — stilistisch unterschiedlich, aber von der Grundidee vergleichbar mit einem Weihnachtsbaum.

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2 Neujahrsschmuck
Begegnung eines Samurai und einer Geisha im Atelier eines anonymen Photographen der Meiji-Zeit. Dass hier eine Begrüßung zu Neujahr nachgestellt wurde, ist am Neujahrsschmuck aus Bambus und Kiefer (kadomatsu) erkennbar, der auch heute noch gerne verwendet wird.
Meiji-Zeit. Bildquelle: Okinawa Soba, flickr 2009.

Hatsumōde

In der Öffentlichkeit wird Neujahr traditionellerweise in Form eines Schreinbesuchs begangen, den man hatsumōde [hatsumōde (jap.) 初詣 Schrein-Neujahrsbesuch], „Erstes Aufsuchen [der Götter]“, nennt. Die meisten Japaner befolgen diesen Brauch, unabhängig davon, ob sie überzeugte Shintōisten, Buddhisten, Christen oder Agnostiker sind. Berühmte Schreine ziehen daher in den ersten Jännertagen unglaubliche Menschenmassen an. Am populärsten in dieser Hinsicht ist der Meiji Schrein [Meiji Jingū (jap.) 明治神宮 Schrein des Meiji Tennō in Tōkyō, err. 1920] in Tōkyō, wo jedes Jahr mehrere Millionen ihre erste Neujahrs-Schreinandacht begehen. Eine ähnlich Popularität besitzt auch der Fushimi Inari Taisha [Fushimi Inari Taisha (jap.) 伏見稲荷大社 Großschrein der Gottheit Inari in Fushimi, im Süden Kyōtos] in Kyōto. Viele Japaner gehen aber auch einfach zum nächsten größeren Schrein. Das dort vollzogene hatsumōde ist im Grunde nichts anderes als ein normaler Schreinbesuch (o-mairi [o-mairi (jap.) お参り/お詣り Schrein- oder Tempelbesuch; auch Grabbesuch; auch sankei, sanpai]) mit dem Unterschied, dass man sich an diesem Tag erst einmal lange anstellen muss, bevor man vor der Gottheit eine kurze Verbeugung und eine kleine Geldspende machen kann. Außerdem kleiden sich viele Besucher dem Anlass entsprechend in traditionelle Kimonos.

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3 Schreinbesuch, Meiji Schrein
Besucher des Meiji Jingū beim Neujahrsbesuch (hatsumōde).
unbekannt.

Es wäre nicht Japan, wenn die Regel, dass Neujahr mit einem Schreinbesuch verbunden ist, nicht einige bemerkenswerte Ausnahmen zuließe. Es gibt nämlich auch buddhistische Tempel, an denen man ein hatsumōde vollziehen kann. In diesen Tempeln scheinen die religiösen Traditionen der Vormoderne, in der Tempel und Schreine üblicherweise zu gemischt-religiösen Komplexen verschmolzen waren, noch lebendig. Der vielleicht beliebteste Neujahrs-Tempel in Tōkyō ist der Sensō-ji [Sensō-ji (jap.) 浅草寺 bekannter Tempel in Tōkyō; auch: Asakusa-dera] (Asakusa-Tempel), wo man auch die schönsten Neujahrs-Glücksbringer erwerben kann. Diese Tradition reicht bis in die Edo [Edo (jap.) 江戸 Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);]-Zeit zurück.

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Jahr-Markt (toshi no ichi) im Asakusa-dera.
Werk von Utagawa Hiroshige (1797–1858). Edo-Zeit. National Diet Library, Tōkyō.
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Geschäftiges Gedränge beim Verkauf von Neujahrsutensilien in Tōkyōs populärstem Tempel, dem Sensō-ji.
Satō Satoru, (flickr), 1995 (mit freundlicher Genehmigung).
Markt für Glücksbringer in Asakusa, Tōkyō,
Edo-Zeit und heute.

Spezielle Glücksbringer

Ein typischer Neujahrs-Glückbringer sind die hamaya [hamaya (jap.) 破魔矢 Glückspfeil, wtl. Dämonentöter-Pfeil] (wtl. „Dämonentöter“), weiß gefiederte Pfeile, die man sich nach Hause mitnimmt. Es sind Waffen gegen böse Geister.

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Verkauf traditioneller Pfeile (hamaya).
Vincent Van den Storme, 2004.
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Dämonen-Abwehrpfeil (hamaya), ein Glücksbringer zu Neujahr, mit beigefügtem Votivbild (ema), welches das Tierkreiszeichen des Büffels darstellt, in diesem Fall ein Hinweis auf 2009.
Tokyobling's Blog, 2009.
Neujahrs-Pfeile

Die traditionellen Neujahrsbräuche beinhalten auch eine Art Federball-Spiel, das mit massiven Holzschlägern (hagoita [hagoita (jap.) 羽子板 Federball-Schläger]) gespielt wird. Heute wird das Spiel selbst kaum noch betrieben, die Schläger mit aufwendig gestaltete Halbreliefs dienen aber nach wie vor dekorativen Zwecken und/oder als Glücksbringer. Diese vor allem für Mädchen gedachten Neujahrsartikel werden bereits am Jahresende in eigens geschaffenen Märkten verkauft. Asakusa [Asakusa-dera (jap.) 浅草寺 Tempel in Tōkyō; offizielle (sino-jap.) Lesung: Sensō-ji] ist diesbezüglich die erste Adresse.

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8 Verkaufsstand für hagoita
Verkauf von traditionellen Federballschlägern (hagoita) im Sensō-ji.
Satō Satoru, 1995 (flickr) (mit freundlicher Genehmigung).
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Da diese Federballschläger (hagoita) als Geschenk für Mädchen gedacht sind, herrschen Geisha-Motive vor.
Anchoco, flickr 2006.
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Stoffmuster mit Neujahrsmotiv: Federballschläger (hagoita) und Ball. Die Schläger sind mit glücksbringenden Symbolen, Kranich und Pinie (Langes Leben), verziert.
Edo-Zeit. Internet Archive.
Aufwendig gestaltete hagoita einst und heute

Aufwendig dekorative hagoita gelten im übrigen schon lange als Prunkstücke japanischer Handwerkskunst und wurden z.B. zur Zeit der Wiener Weltausstellung, 1873, erstmals auch einem europäischen Publikum vorgestellt.

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Federballschläger (hagoita) mit Geisha-Figur aus ausgestopften Stoffen, Schauobjekt bei der Wiener Weltausstellung, 1873.
Meiji-Zeit, 1873?. MAK, Wien.
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Federballschläger (hagoita) mit Geisha-Figur aus ausgestopften Stoffen, Schauobjekt bei der Wiener Weltausstellung, 1873.
Meiji-Zeit, 1873?. Japanologische Sammlung, Institut für Ostasienwissenschaften, Wien.
Hagoita der Wiener Weltausstellung, 1873

O-bon, das Fest der Ahnen

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Mädchen im Sommerkimono (yukata) beim Bon-Tanz.
Hihōdō, 2001.

Mitte August wird das Bon [Bon (jap.) Bon-Fest (Ahnenfest); in der Alltagssprache meist O-bon]-Fest (O-bon [O-bon (jap.) お盆 Fest der Ahnen; Bon-Fest]) gefeiert. In dieser Zeit kommen die Geister der Ahnen aus dem Jenseits auf Besuch. Es ist also wieder eine Zeit, in der man sich auf die Familie bzw. die Großfamilie inklusive der bereits verstorbenen Generationen besinnt. Ebenso wie Neujahr hat O-bon eine öffentliche und eine private Seite. Die öffentliche Seite macht sich in der modernen Stadtlandschaft vorwiegend dadurch bemerkbar, dass gegen Abend von überall her Trommelklänge und traditionelle japanische Musik erklingen. Viele Leute sind im leichten Sommer-Kimono (yukata [yukata (jap.) 浴衣 Sommer-Kimono, welcher nach dem Baden in einem Hotel oder zu Sommer-matsuri getragen wird; wtl. Badegewand]) unterwegs, um an Volkstänzen teilzunehmen, die in diesem Falle meist von den buddhistischen Tempeln veranstaltet werden. Das sind die berühmten bon odori [bon'odori (jap.) 盆踊 Bon-Tänze], Bon-Tänze, die zumeist kaum einen religiösen Bezug erkennen lassen, aber wohl dadurch gerechtfertigt sind, dass man den Ahnen Freude bereiten will (Tanz, Gesang und Theater sind traditionellerweise ein sehr wichtiger Bestandteil japanischer Rituale, Spaß ist nicht verboten).

Privat spielt der buddhistische Hausaltar (butsudan [butsudan (jap.) 仏壇 buddh. Hausaltar]) die zentrale Rolle, denn hier sind die Ahnen ja auch sonst das ganze Jahr über präsent. Alle Opfer für die Ahnen (meist Nahrung) werden daher vor dem besonders festlich hergerichteten Hausaltar aufgestellt oder auf eigens zu diesem Zweck errichteten Gestellen arrangiert. Die typischsten Nahrungsopfer sind die sogenannten „Seelenpferdchen“ (shōryō uma [shōryō uma (jap.) 精霊馬 Seelen-Pferde; symbolische Reittiere aus Gurken und Auberginen für das O-bon-Fest]), bestehend aus einer Gurke und einer Aubergine mit vier einfachen Füßchen. Die Gurke soll ein Pferd darstellen, auf welchem die Ahnen möglich rasch herbeireiten, die Aubergine ein Rind, auf dem sie möglichst langsam zurück ins Jenseits trotten.

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14 Seelen-Pferde
Sogenannte Seelenpferchen (shōryō uma) sind spezielle Speiseopfer für das O-bon-Fest. Sie sollen den Ahnen als Reittier dienen.
Bildquelle: unbekannt.

Viele besuchen auch das Familiengrab auf dem Friedhof und hängen dort Papierlaternen auf. Auf diese Weise werden die Ahnen willkommen geheißen (das Entzünden der Laternen heißt mukaebi [mukaebi (jap.) 迎え火 Begrüßungslicht (für die Geister der Ahnen)], „Begrüßungslicht“). Da man zu diesem Zweck den Hauptsitz der Familie aufsuchen muss, viele aber in Kleinfamilien weit entfernt in der Stadt wohnen, ist O-bon die gefürchtetste Reisezeit innerhalb Japans.

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Laternenfest (Mantō-e) zu Füßen des Weißgewandeten Kannon von Takasaki. Das Fest findet jährlich Ende August statt. Etwa 1500 Laternen (tōrō) werden dabei entzündet. Die Riesenstatue (41m) aus Stahlbeton, ein Wahrzeichen der Stadt Takasaki, wurde 1936 errichtet.
J-Blog.
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Zu O-bon werden die Ahnenseelen durch Lichter am Friedhof (mukaebi) zum Kommen eingeladen.
Bildquelle: unbekannt.
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Zu O-bon werden in den Tempeln rund um Kyōto überall Laternen (mukaebi) entzündet.
Bildquelle: unbekannt.
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Der Höhepunkt des O-bon-Fests besteht darin, fünf riesige Lagerfeuer in Form von Schriftzeichen (kanji, dai-monji bedeutet wtl. große Schriftzeichen) auf den Bergen hinter Kyōto anzuzünden.
The Kyoto Shimbun Newspaper.
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Schwimmende Laternen (tōrō nagashi ) in Kanazawa.
Bildquelle: unbekannt.
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Schwimmende Laternen (tōrō nagashi ) zur Zeit des O-bon-Fests.
Bildquelle: unbekannt.
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Schwimmende Laternen (tōrō nagashi ) zur Zeit des O-bon-Fests.
Bildquelle: unbekannt.
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Laternen (tōrō) des Laternenfests Mantō-e.
Matsunami Chieko, 2009.
O-bon als Fest der Lichter

In darstellerischer Hinsicht sind Feuer und Licht die essenziellsten Elemente der Bon-Feiern. Das reicht von kleinen dekorativen Feuerwerkskörpern (hanabi [hanabi (jap.) 花火 Feuerwerk; wtl. Feuer-Blumen]), die die Kinder überall entzünden, bis zu riesigen öffentlichen Feuerwerken, die gerne zu dieser Zeit veranstaltet werden. Und schließlich gibt es stets eine unübersehbare Anzahl von Lampions, bzw. Papierlaternen. So ist es zum Beispiel in vielen Orten Brauch, am letzten Abend der Bon-Feiern angezündete Papierlaternen in kleinen Booten zu Hunderten die Flüsse hinunterfahren zu lassen (tōrō nagashi [tōrō nagashi (jap.) 灯篭流し Laternenflotte]). Dies symbolisiert die Verabschiedung der Ahnen, die nun durch ein „Verabschiedungslicht“ (okuribi [okuribi (jap.) 送り火 Verabschiedungs-Licht (für die Geister der Ahnen)]) wieder ins Jenseits zurück geleitet werden sollen. Die spektakulärste Verabschiedung der Ahnen findet in Kyōto statt. Dort werden am letzten Bon-Feiertag an fünf Berghängen, die die Stadt umgeben, riesige Schriftzeichen entzündet, um die Seelen ins Jenseits zu geleiten. Am deutlichsten ist das überdimensionale Schriftzeichen für „groß“ (dai-monji [dai-monji (jap.) 大文字 Das Zeichen „Groß“, das beim Bon-Fest in Kyōto mit Feuer gebildet wird]) am östlichen Stadtrand zu erkennen.

Zu den Ursprüngen des Bon Fests siehe Kapitel Mythen, Hungergeister.

Andere jahreszeitliche Feiertage

Viele Feste hatten ursprünglich mit der Landwirtschaft (Beginn der Aussaat, Ernte, etc.) bzw. mit dem Kalender (Tag- und Nachtgleiche, Sonnenwende) zu tun. Doch auch chinesische Einflüsse haben die japanischen Jahresfeste geprägt, nachdem sie zunächst Teil des Hofzeremoniells wurden und sich später in der allgemeinen Bevölkerung ausbreiteten.

Setsubun

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23 „Onis raus...“
Illustration des Brauchs, Dämonen (oni) am Jahresende mit getrockneten Bohnen zu verjagen. Dabei wird traditionellerweise gerufen: „Rein mit dem Glück, raus mit den Oni (fuku wa uchi, oni wa soto)!“
Werk von Katsushika Hokusai. Edo-Zeit, 1816. Internet Archive.

Ähnlich wie in Europa gibt es auch in Japan verschiedenste Bräuche der Winteraustreibung, bei denen dämonische Masken, die den Winter verkörpern, zunächst ihr Unwesen treiben und dann vertrieben werden. Von derartigen Austreibungen hat sich in der städtischen Gesellschaft der Brauch erhalten, böse Geister (oni [oni (jap.) Dämon, „Teufel“; in sino-japanischer Aussprache (ki) ein allgemeiner Ausdruck für Geister]) mit getrockneten Sojabohnen aus dem Haus zu treiben. Vor allem Kinder dürfen an diesem Tag hemmungslos mit diesen leichten und durchaus wohlschmeckenden Wurfgeschoßen um sich werfen, weswegen sich der Brauch auch heute noch großer Beliebtheit erfreut. Dieser Tag heißt setsubun [setsubun (jap.) 節分 „Trennung der Jahreszeiten“; trad. letzter Tag einer der vier Jahreszeiten; heute meist letzter Tag des Winters (3. Februar)] und markiert den letzten Tag des Winters nach dem traditionellen Kalender (heute der 3. oder 4. Februar).1 Warum die Dämonen ausgerechnet an diesem Tag von Bohnen in die Flucht geschlagen werden können, konnte mir jedoch bislang niemand erklären. (Siehe dazu auch Dämonen und Kobolde.)

Higan

Higan [higan (jap.) 彼岸 „jenseitiges Ufer“; Jenseits; buddhistischer Name für die Woche der Tag-und-Nacht-Gleiche] bezeichnet die Feiern zur Tag-und-Nacht-Gleiche im Frühling und im Herbst, die früher aufwändiger begangen wurden als die Sonnenwenden im Sommer und im Winter. Da der traditionelle Mondkalender immer wieder Schaltmonate nötig machte, damit die zwölf Mond-Monate einigermaßen mit dem Sonnenjahr übereinstimmten, und ein Monatsdatum somit nicht zweifelsfrei auf den Sonnenstand schließen ließ, dienten diese Feiern wohl in erster Linie der Orientierung im Ablauf der Jahreszeiten. Zugleich wurde die Tag-und-Nacht-Gleiche aber auch zum Anlass besonderer buddhistischer Feiern genommen. Higan bezeichnet wörtlich das Jenseits oder die Erleuchtung. Einen buddhistischen Feiertag (oder eigentlich eine Feierwoche) dieses Namens kennt man allerdings nur in Japan. Dies wird meist mit dem Glauben an das Reine Land des Buddha Amida [Amida (jap.) 阿弥陀 Buddha Amitabha; Hauptbuddha der Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū bzw. Jōdo Shinshū)], das sich ja im Westen befindet, erklärt. O-higan ist demnach wahrscheinlich eine Erfindung des japanischen Jōdo [Jōdo-shū (jap.) 浄土宗 Schule des Amida-Buddhismus] Buddhismus, die aber auf eine ältere symbolische Betonung der Ost-West-Achse zurückgeht. In der modernen Gesellschaft wird o-higan in erster Linie als eine Zeit der Friedhofsbesuche genützt, gläubige Buddhisten nehmen auch an speziellen Feiern in buddhistischen Tempeln teil.

Ungerade Tage

Ungerade Zahlen sind mit dem Yang [Yin Yang (chin.) 陰陽 Dualistisches Prinzip der chin. Naturphilosophie], der „männlichen“ Urkraft, verbunden und daher im patriarchalen sino-japanischen Brauchtum gegenüber den geraden Zahlen (Yin, „weiblich“) privilegiert. Besonders glücksverheißend waren nach dieser Auffassung ungerade Tage, die mit dem ungeraden Monat übereinstimmten, also der 1.1., 3.3., usw. Tatsächlich fallen die wichtigsten jahreszeitlichen Feste zumeist auf solche Tage.

Neben dem Neujahrsfest am 1.1. feiert man in Japan am 3.3. traditionellerweise das Puppenfest (Hina Matsuri [Hina Matsuri (jap.) 雛祭 „Puppenfest“; jahreszeitliches Fest am 3.3.]), am 5.5. das Knabenfest (Kodomo-no-hi [Kodomo-no-hi (jap.) 子供の日 Kinder- bzw. Knabenfest am 5.5.]), und am 7.7. das Tanabata [Tanabata (jap.) 七夕 Tanabata-Fest am 7. 7., das sogenannte „Sternenfest“: zwei Sterne (Wega und Altair, in Ostasien Ochsenknecht und Himmelsprinzessin), die einst Liebende auf Erden waren, kommen sich einmal im Jahr am Himmel wieder nahe]-Fest. Die gegenwärtigen Formen dieser Feiern stammen im allgemeinen aus der Meiji [Meiji (jap.) 明治 posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt]-Zeit, doch gibt es eine Reihe von Vorläufern, die auf die jahreszeitlichen Zeremonien (nenjū gyōji [nenjū gyōji (jap.) 年中行事 Jahresfeste]) am Hof des Tennō zur Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit zurückgehen. Dort feierte man auch am 9.9. und am 11.11. Diese Aufmerksamkeit auf ungerade Monate und gleichnamige Tage orientierte sich am chinesischen Hofritual (s. Kami-Kulte im Altertum). Die Assoziationen der traditionellen Feiertage mit den Hofriten des Tennō oder gar der antiken chinesischen Kaiser sind im heutigen Japan zwar verblasst, doch zumindest zu Neujahr zieht es, wie bereits erwähnt, Millionen Menschen zum Meiji Schrein, in dem der zum Gott erklärte Meiji Tennō [Meiji Tennō (jap.) 明治天皇 1852–1912; 122. japanischer Kaiser (r. 1867–1912); Namensgeber und politische Symbolfigur der Meiji-Zeit; Eigenname: Mutsuhito] verehrt wird.

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24 Knabenfest, 5.5.
Karpfen-Banner zur Zeit des Knabenfestes (Kodomo-no-hi, 5. Tag des 5. Monats). Die Stadt Edo ist von Nordosten zu sehen, im Hintergrund der Fuji-san. Während in der Bildmitte die Viertel der Samurai aus Suruga (Suruga-dai) liegen (links erkennt man einen Zipfel der Burg von Edo), befindet sich der Karpfen (koi) im Vordergrund im Viertel der Handwerker und Kaufleute (chōnin) nördlich des Kanda Flusses. Man erkennt, dass die Karpfen-Banner – Symbole der jugendlichen Kraft – eigentlich den militärischen Wimpeln nachempfunden sind, welche die Samurai zum Knabenfest vor ihren Häusern aufstellten.
Werk von Utagawa Hiroshige (1797–1858). Edo-Zeit. Brooklyn Museum.
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25 Tanabata, 7.7.
Ansicht des Tanabata-Festes am 7.7. (traditionell Übergang vom Sommer zum Herbst), bei dem Bambuszweige mit allerhand Glücksbringern und bunten Papierstreifen mit Gedichten geschmückt und aufgestellt wurden. Im Hintergrund Berg Fuji.
Werk von Utagawa Hiroshige (1797-1858). Späte Edo-Zeit, 1857. Brooklyn Museum.

Andere beliebte Feiern, z.B. alljährliche Fest bestimmter Tempel oder Schreine, finden vorzugsweise am 15. Tag eines Monats, also in der Monatsmitte statt. Nach dem traditionellen lunisolaren Kalender waren dies die Tage des Vollmonds.

Verweise

Verwandte Themen

Fußnoten

  1. Dieser Tag wurde auch im traditionellen Kalendersystem nach der Sonne berechnet und liegt genau zwischen der Wintersonnenwende (21. Dezember) und der Tag-und-Nacht-Gleiche im Frühling (21. März). Das traditionelle Neujahr wurde dagegen nach dem Mond bestimmt und fiel auf einen Neumond unmittelbar vor oder nach dem setsubun-Tag. Siehe dazu Kalender in Japan (Bernhard Peter).

Internetquellen

Siehe auch Internetquellen


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Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • Amida 阿弥陀 ^ Buddha Amitabha; Hauptbuddha der Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū bzw. Jōdo Shinshū)
  • Asakusa-dera 浅草寺 ^ Tempel in Tōkyō; offizielle (sino-jap.) Lesung: Sensō-ji
  • Bon^ Bon-Fest (Ahnenfest); in der Alltagssprache meist O-bon
  • bon'odori 盆踊 ^ Bon-Tänze
  • bōnenkai 忘年会 ^ wtl. Jahr-Vergessen-Feier; Feste zu Jahresende, meist mit feucht-fröhlichem Charakter
  • butsudan 仏壇 ^ buddh. Hausaltar
  • dai-monji 大文字 ^ Das Zeichen „Groß“, das beim Bon-Fest in Kyōto mit Feuer gebildet wird
  • Edo 江戸 ^ Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
  • Fushimi Inari Taisha 伏見稲荷大社 ^ Großschrein der Gottheit Inari in Fushimi, im Süden Kyōtos
  • hagoita 羽子板 ^ Federball-Schläger
  • hamaya 破魔矢 ^ Glückspfeil, wtl. Dämonentöter-Pfeil
  • hanabi 花火 ^ Feuerwerk; wtl. Feuer-Blumen
  • hatsumōde 初詣 ^ Schrein-Neujahrsbesuch
  • Heian 平安 ^ auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)
  • higan 彼岸 ^ „jenseitiges Ufer“; Jenseits; buddhistischer Name für die Woche der Tag-und-Nacht-Gleiche
  • Hina Matsuri 雛祭 ^ „Puppenfest“; jahreszeitliches Fest am 3.3.
  • Jōdo-shū 浄土宗 ^ Schule des Amida-Buddhismus
  • kadomatsu 門松 ^ wtl. Pinien[zweige] am Tor; Neujahrsschmuck
  • kleśa (skt,) क्लेश ^ „Leid“, auch: Leidenschaft, die den Menschen ans Diesseits bindet; neben den sog. Fünf Giften (Ignoranz, Gier, Hass, Stolz und Neid) gibt es auch Serien von 3, 6, 10 oder 108 Kleshas (jap. bonnō 煩悩)
  • Kodomo-no-hi 子供の日 ^ Kinder- bzw. Knabenfest am 5.5.
  • Meiji 明治 ^ posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt
  • Meiji Jingū 明治神宮 ^ Schrein des Meiji Tennō in Tōkyō, err. 1920
  • Meiji Tennō 明治天皇 ^ 1852–1912; 122. japanischer Kaiser (r. 1867–1912); Namensgeber und politische Symbolfigur der Meiji-Zeit; Eigenname: Mutsuhito
  • mochi^ Japanische Reiskuchen bzw. Klöße aus gestampftem Reis, die traditionell vor allem zu Neujahr (O-shōgatsu) gegessen werden.
  • mukaebi 迎え火 ^ Begrüßungslicht (für die Geister der Ahnen)
  • nenjū gyōji 年中行事 ^ Jahresfeste
  • O-bon お盆 ^ Fest der Ahnen; Bon-Fest
  • okuribi 送り火 ^ Verabschiedungs-Licht (für die Geister der Ahnen)
  • o-mairi お参り/お詣り ^ Schrein- oder Tempelbesuch; auch Grabbesuch; auch sankei, sanpai
  • oni^ Dämon, „Teufel“; in sino-japanischer Aussprache (ki) ein allgemeiner Ausdruck für Geister
  • ōmisoka 大晦日 ^ letzter Tag des Jahres (von Altjap. miso, „30“)
  • o-sechi ryōri 御節料理 ^ Speisen zum Jahreswechsel; meist eingelegt oder vorgekocht
  • Sake^ Reiswein
  • Sensō-ji 浅草寺 ^ bekannter Tempel in Tōkyō; auch: Asakusa-dera
  • setsubun 節分 ^ „Trennung der Jahreszeiten“; trad. letzter Tag einer der vier Jahreszeiten; heute meist letzter Tag des Winters (3. Februar)
  • shōchikubai 松竹梅 ^ wtl. Pinie, Bambus, Pflaume, auch „drei Freunde der kalten Zeit“; Pinie und Bambus grünen auch im Winter, die Pflaumenblüte signalisiert den Frühlingsbeginn; zusammen ein Glückssymbol für Gesundheit und langes Leben
  • Shōgatsu 正月 ^ Neujahr, Neujahrsfest; in der Alltagssprache meist O-shōgatsu
  • shōryō uma 精霊馬 ^ Seelen-Pferde; symbolische Reittiere aus Gurken und Auberginen für das O-bon-Fest
  • Tanabata 七夕 ^ Tanabata-Fest am 7. 7., das sogenannte „Sternenfest“: zwei Sterne (Wega und Altair, in Ostasien Ochsenknecht und Himmelsprinzessin), die einst Liebende auf Erden waren, kommen sich einmal im Jahr am Himmel wieder nahe
  • tōrō nagashi 灯篭流し ^ Laternenflotte
  • Yin Yang (chin.) 陰陽 ^ Dualistisches Prinzip der chin. Naturphilosophie
  • yukata 浴衣 ^ Sommer-Kimono, welcher nach dem Baden in einem Hotel oder zu Sommer-matsuri getragen wird; wtl. Badegewand
Religion in JapanAlltag
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„Religion und Brauchtum im Jahreszyklus.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001