Dainichi Nyorai: Der kosmische Buddha
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Dainichi Nyorai [Dainichi Nyorai (jap.) 大日如来 Buddha Vairocana, der „kosmische Buddha“; wtl. „Großes Licht“ oder „Große Sonne“] ist der wichtigste Buddha [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)] des sogenannten esoterischen oder tantristischen [tantra (skt.) तन्त्र „Gewebe“, Lehrschrift des esoterischen Buddhismus (ähnlich sutra, aber meist mit rituellem Inhalt)] Buddhismus, der in Japan vor allem in Gestalt der Shingon-shū [Shingon-shū (jap.) 真言宗 Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan] und Teilen der Tendai-shū [Tendai-shū (jap.) 天台宗 Tendai-Schule, chin. Tiantai] vertreten ist. Doch auch außerhalb dieser Richtungen zählt dieser Buddha zu den am häufigsten verehrten Heilsgestalten. Als die ersten christlichen Missionare im 16. Jahrhundert ihre Lehre in Japan zu verbreiten begannen, wählten sie „Dainichi“ sogar kurzfristig als Übersetzung für „Gott“ im christlichen Kontext. Nicht ganz zu Unrecht erachteten sie den Namen als Bezeichnung für das höchste Wesen.
12. Jh. Takatsuki Folk Museum, über Internet Archive.
Dainichi im esoterischen Buddhismus
Dainichi [Dainichi (jap.) 大日 Buddha Vairocana, der „kosmische Buddha“; wtl. „Großes Licht“ oder „Große Sonne“] bedeutet wtl. „Große Sonne“ oder „Großes Licht“. Es ist die Übersetzung von skt. Mahavairocana [Mahāvairocana (skt.) महावैरोचन „Große Sonne, Großes Licht“, auch Vairocana (jap. Dainichi 大日)], unter welchem Namen dieser Buddha in Indien verehrt wird. Dainichi Nyorai wird auch als kosmischer Buddha bezeichnet, der nicht aus einer menschlichen Existenz hervorging, sondern von Anfang an eins mit dem universalen Dharma [Dharma (skt.) धर्म Gesetz (des Universums), Lehre (des Buddha) (jap. hō 法)] war. Er hält nach dieser Auffassung sowohl in der Welt der absoluten Erkenntnis, als auch in der Welt der sichtbaren Dinge (das sind also zwei unterschiedliche Welten!) die höchste Stellung inne. Ausdruck dieser beiden Welten sind die bereits erwähnten doppelten Mandalas, in denen Dainichi jeweils die zentrale Position einnimmt. Seine ikonographischen Attribute sind je nach mandala [maṇḍala (skt.) मण्डल „Kreis“, schematische Darstellung der kosmischen Ordnung (jap. mandara 曼荼羅)]-Welt unterschiedlich. Der Dainichi der „vajra [vajra (skt.) वज्र „Donnerkeil“, Ritualinstrument und Symbol des tantristischen/esoterischen Buddhismus (jap. kongō 金剛)]-Welt“ (= Bereich der absoluten Erkenntnis) ist durch die mudrā der Höchsten Weisheit (chiken-in [chiken-in (jap.) 智拳印 Mudrā der Weisheitsfaust]) zu identifizieren. In dieser Haltung wird er auch an prominentester Stelle im Kongōkai [Kongōkai (jap.) 金剛界 Vajra-Welt, Diamant-Welt; Welt der absoluten Erkenntnis des Dainichi Nyorai; s.a. Taizōkai] oder Vajra-Welt-Mandala dargestellt. Im Taizōkai [Taizōkai (jap.) 胎蔵界 Mutterschoß-Welt; Welt der sichtbaren Dinge des Dainichi Nyorai; s.a. Kongōkai] oder Mutterschoß-Mandala wiederum erscheint er in „Meditationshaltung“, erkennbar an der Meditations-mudra [mudrā (skt.) मुद्रा „Siegel“, Gebetsgeste (jap. inzō 印相)] (jōin [jōin (jap.) 定印 mudrā der Meditation]).
Kamakura-Zeit. Kūkai mandara: Kōbō Daishi to Kōya-san (Katalog), Reihōkan 2006, S. 120, Abb. 44.
Vorlage:Sidebox3 Eine ikonographische Besonderheit des Dainichi in beiden Welten besteht darin, dass er im Gegensatz zu anderen Buddhas meist mit einer Art Krone dargestellt wird. Der esoterische Buddhismus weicht hier vom asketischen Formenkanon der klassischen Buddha-Darstellung ab. Auch das Bild rechts stellt Dainichi mit Krone dar. Es handelt sich um den Kopf einer aus dem Felsen gehauenen Skulptur des Dainichi aus dem 12. Jahrhundert, die sich in der Stadt Usuki in Kyūshū befindet.
Birushana Nyorai
Dainichi Nyorai und seine beiden Mandalas begannen sich unter dem Einfluss des esoterischen Buddhismus ab dem 9. Jh. in Japan zu verbreiten. In der Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō]-Zeit (8. Jh.) war der gleiche Buddha dagegen als Birushana [Birushana (jap.) 毘盧遮那 Buddha Vairocana; ältere jap. Namensform von Dainichi] — die japanisierte Aussprache von Vairocana [Vairocana (skt.) वैरोचन „Sonne, sonnenhaft“, Buddha-Name (jap. Birushana/Rushana 毘盧舎那/盧舎那 oder Dainichi 大日)] — bekannt. Sowohl Dainichi als auch Birushana leiten sich also vom Sanskritnamen (Maha) Vairocana ab, dieser Buddha ist aber von verschiedenen Schulen des chinesischen und japanischen Buddhismus anders interpretiert und dementsprechend auch durch einen anderen Übersetzungsnamen gekennzeichnet worden. Birushana war vor allem für die Frühzeit des japanischen Buddhismus wichtig.
Der Große Buddha von Nara
752. Neko to Nara no shashinshū, J-Blog, 2009.
Vorlage:Sidebox3 Vorlage:Sidebox3 Das eindrucksvollste Monument des Birushana Nyorai ist der daibutsu [daibutsu (jap.) 大仏 wtl. „Großer Buddha“; monumentale Buddha-Statue] des Tōdaiji [Tōdaiji (jap.) 東大寺 Tempel des Großen Buddha von Nara; wtl. Großer Ost-Tempel] in der alten Reichshauptstadt Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō]. Wie fast alle nyorai-Figuren sitzt auch dieser Buddha auf einer überdimensionalen Lotosblüte, trägt ein schlichtes Mönchsgewand und ist durch Schädelauswuchs, Stirnmal und große Ohrläppchen charakterisiert. Seine Handhaltung gibt zwar einen gewissen Hinweis auf seine Identität, eine eindeutige Identifizierung nur aufgrund äußerlicher Merkmale ist in diesem Fall aber nicht möglich.
Die kolossale Bronzestatue des Birushana und die sie umgebende Haupthalle des Tōdaiji [Tōdaiji (jap.) 東大寺 Tempel des Großen Buddha von Nara; wtl. Großer Ost-Tempel] sind fast zu gigantomanisch für meinen Geschmack (der Daibutsu in Kamakura gefällt mir besser), aber aufgrund ihrer Geschichte auf jeden Fall faszinierend: Die Herstellung des Daibutsu war ein technisches Wunderwerk, seine Einweihung im Jahr 752 (!) ein buddhistisches Weltereignis. Der Daibutsu von Nara gilt als größte Bronzestatue der Welt. Auch die sie umgebende Halle erreicht Guinness-Ausmaße.
Sowohl die Halle als auch die Statue wurden im Laufe ihrer langen Geschichte mehrfach beschädigt und renoviert bzw. neu errichtet. Beide hatten ursprünglich noch gigantischere Ausmaße als heute. (Mehr dazu...)
745 errichtet, heutige Form seit 1709. Taelos Katran, 2008.
Verweise
Bilder
- ^ Eines der frühesten erhaltenen Werke des Meisterbildhauers Unkei. Dargestellt wird Buddha Dainichi mit der mudrā der Weisheit.
Werk von Unkei (ca.1150–1223). Kamakura-Zeit, 1175. Bildquelle: Rosenfeld 2011, Portraits of Chōgen, pl. 98, S. 137. - ^ Darstellung des Dainichi Nyorai mit den Händen in der Haltung der Meditations-mudrā.
12. Jh. Takatsuki Folk Museum, über Internet Archive. - ^ Buddha Dainichi in der Mitte des Sonshō Mandara, auf dem Dainichi von acht Bodhisattvas umgeben ist. Dainichi formt die für ihn typische mudra der Weisheitsfaust. Das Mandala wurde in Riten zur Abwehr von Katastrophen, sicherer Geburt und Bitte um Regen eingesetzt.
Kamakura-Zeit. Kūkai mandara: Kōbō Daishi to Kōya-san (Katalog), Reihōkan 2006, S. 120, Abb. 44.
- ^ Nara Daibutsu.
752, letzter Neuguss 1704. Matthias Scommoda, 2004. - ^ Einmal im Jahr, am 7. August, findet eine rituelle Großreinigung des Vairocana daibutsu und seiner Halle statt. Wie man sieht, werden ausgeklügelte traditionelle Techniken angewendet, um jedes Fleckchen des Budda zu erreichen. Insgesamt nehmen etwa 200 Mönche, alle in weiß gekleidet, an der Putzaktion teil.
752. Neko to Nara no shashinshū, J-Blog, 2009. - ^ Halle des Großen Buddas (daibutsu) des Tōdaiji in Nara.
745 errichtet, heutige Form seit 1709. Taelos Katran, 2008.
Glossar
- Dainichi Nyorai 大日如来 ^ Buddha Vairocana, der „kosmische Buddha“; wtl. „Großes Licht“ oder „Große Sonne“
- Kongōkai 金剛界 ^ Vajra-Welt, Diamant-Welt; Welt der absoluten Erkenntnis des Dainichi Nyorai; s.a. Taizōkai
- Kongōkai mandara 金剛界曼陀羅 ^ Vajra-Welt-Mandala, Diamant-Welt-Mandala; Mandala des Buddha Dainichi in seiner „Vajra-Welt“ (Kongōkai)
- Mahāvairocana (skt.) महावैरोचन ^ „Große Sonne, Großes Licht“, auch Vairocana (jap. Dainichi 大日)
- Shingon-shū 真言宗 ^ Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan
- Taizōkai mandara 胎蔵界曼陀羅 ^ Mutterschoß-Welt-Mandala; Mandala des Buddha Dainichi in seiner „Mutterschoß-Welt“ (Taizōkai)
Religion in Japan, Inhalt
- 一 Grundbegriffe
- 二 Bauten
- 五 Mythen
- Einleitung
- Mythologie:
- Götter des Himmels
- Götter der Erde
- Jenseits:
- Jenseits
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- 六 Geschichte
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- Arhats in China und Japan
- Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
- Bishamon-ten: Wächter und Glücksgott
- Riesen-Buddhas: Im Kampf gegen die Unbeständigkeit des irdischen Daseins
- Lokale Vorstellungen, Japan:
- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
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„Dainichi Nyorai: Der kosmische Buddha.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001