Das Jenseits aus Sicht eines japanischen Bestattungsunternehmens
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Die vorliegende Seite enthält eine Analyse des Web·auftritts einer japanischen Be·stat·tungs·firma (sōgiya [sōgiya (jap.) 葬儀屋 Bestatter, Bestattungsfirma]) namens Sekise aus dem Jahr 2005, die sich in Form einer vir·tuellen „Be·stattungs-Plaza“ (Osōshiki Puraza) präsentierte. Da die Seite in dieser Form nicht mehr existiert, ist die Analyse als Moment·aufnahme aus den Nuller·jahren zu werten. Das damals entworfene Logo der Be·stat·tungs-Plaza spiegelt allerdings Vor·stel·lungen wider, die sicher länger·fristig in Japan wirksam sind.
Oshōshiki-Plaza.
Das Logo ähnelt in seiner Komp·lexität den Jenseits·darstel·lungen auf tra·di·tio·nellen ja·panischen Mandalas und gibt zugleich ein ungefähres Bild von der Über·lagerung vielfältiger Jenseits·bilder in der modernen japanischen Vorstellungswelt. Was als erstes auffällt, sind Figuren im Stil der „Niedlich-Kultur“ (kawaii bunka [kawaii bunka (jap.) かわいい文科 wtl. Niedlich-Kultur; Tendenz zur Verniedlichung in der japanischen Populärkultur (vgl. kawaii)]), die das Geschäft mit dem Tod als fröhlich-harmloses Frei·zeit·ver·gnügen er·scheinen lassen. Zugleich wird auf den ersten Blick deutlich, dass der Jen·seits-Frei·zeit·park eine sehr inter·nationale, multi·kul·turelle An·gelegen·heit ist.
Jedes Gebäude steht für eine bestimmte Funktion oder Dienst·leistung der Firma. Die Gebäudeskizzen sind mit Links aus·ge·stattet, die zu den ent·sprechenden Unter·seiten der Website führen.
Detailansichten
Der Mittel·teil des Bildes ent·hält ein Schild mit der Auf·schrift Osōshiki Puraza [Osōshiki Puraza (jap.) お葬式プラザ wtl. Begräbnis-Plaza; Webauftritt einer japanischen Bestattungsfirma]. Darunter ein Spring·brun·nen (Jung·brunnen-Motiv?), umgeben von Figuren aus ver·schie·denen Epochen und Ländern. Neben einem japa·nischen Samurai und einer Geisha, sowie einem euro·päischen Ritter und einem Prinzen sind auch eine ver·schlei·erte Muslimin, Tiere und ein Wesen aus der Zu·kunft zu sehen. Die Ver·mi·schung von Zeiten und Kul·turen erweckt im vor·lie·genden Kontext Asso·zia·tio·nen mit bud·dhis·tischen Vor·stel·lungen der Wie·der·geburt in unter·schied·lichen Exis·tenzen, ein Trans·for·ma·tions·vor·gang, der hier als bunter Jahr·markts·zauber präsentiert wird. |
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Das Gebäude links oben trägt den Namen Pācharu-sōgi-kan, Gebäude für ein·zelne (partial) Be·gräbnis·ab·schnitte. Der Bild·teil ist mit einem Link unter·legt, welcher zu einer ge·nerel·len, sehr brauch·baren Erklärung führt, was bei einem Be·gräbnis im Regel·fall alles zu tun ist. Der griechi·sche Tempel·stil und der Zylinder des Ge·bäud·ein·habers scheinen die Serio·sität dieses Ab·schnitts zu unter·streichen. Dieser Teil der Web·site findet sich auch in ver·kürzter englischer Übersetzung. |
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Das Sōgi-shikitari-kan, ebenfalls klassisch-antik, enthält weitere vertiefende Infor·ma·tionen zu japa·nischen Be·gräbnis·bräuchen, z.B. hin·sicht·lich Kleidung, Geld·spenden, etc. Das abgebil·dete Braut·paar hat hier im Grunde nichts verloren. |
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Im oberen Bildteil befindet sich ein besonders interes·santer Link zur Anoyo [anoyo (jap.) あの世 wtl. die Welt drüben; Jenseits]-Town, der „Jenseits-Stadt“. Im Schatten·riss zeichnen sich das Taj Mahal, die Sagrada Familia, eine Pyramide und eine japa·nische Pagode ab, umflort von Barock·engeln im Manga-Stil. Der Link führt tat·säch·lich zu Kurz·infor·ma·tionen über die Jenseits·vorstel·lungen unter·schied·licher Religionen, aber auch über „Near-Death“ Erfahrungen. |
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Im mittleren Bildteil befindet sich ein Link zum „Haus der Profis“ (Puro no kan). Es handelt sich um eine Liste mit Kontakt·adres·sen zu örtlichen Be·stat·tungs·unter·nehmen. Das Gebäude ähnelt dem Tōdaiji [Tōdaiji (jap.) 東大寺 Tempel des Großen Buddha von Nara; wtl. Großer Ost-Tempel], Japans größtem buddhistischen Tempel in Nara. |
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Auf gleicher Höhe rechts befindet sich ein „For·schungs·institut“ in futuris·tischer Aus·gestal·tung. Tat·säch·lich finden sich hier ver·mischte Berichte über Todes·fälle und Wissens·wertes von eher allge·meiner Natur. Auch histo·rische und ethno·logi·sche Beiträge sind enthalten. |
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Im Stil eines europäischen Mär·chen·schlos·ses mit engels·haft blonder Prinzes·sin, bestaunt von einem India·ner und einem Baseball-Spieler, der Verweis zu einer Adressen·liste von Organisa·tionen, die Men·schen in beson·de·ren Not·fällen unter·stützen. An erster Stelle steht hier ein Verein, der Waisen betreut, aber es findet sich auch eine „Gesell·schaft für Denk·mäler von Frauen“. |
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Im Stil des Big Ben in London schließlich der Verweis zum Moshimo-sōdan-sentā, dem Bera·tungs·zentrum für den „Fall des Falles“. Der pro·minen·teste Ab·schnitt dieses Teils der Web·site besteht aus eine FAQ-Liste, in der z.B. die Frage auftaucht: „Was soll ich tun, wenn ich das Be·gräbnis nur im Kreis der engsten Familie abhalten will?“ Eine andere Frage bezieht sich auf die Blumen im Fall einer christlichen Beer·digung. Die Antwort rät von Chrysan·themen ab, da diese das bud·dhis·tische Paradies ver·körpern, und rät zu einer bunten Auswahl. |
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In der unteren Bildmitte schließ·lich ein Link zur eigent·lichen Home·page von Sekise. In seiner Mischung aus Ver·nie·dlich·ung des Todes, hand·fester Infor·mation und spiri·tistischen Ein·sprenkseln dient das „Begräbnis·forum“ offen·sicht·lich als Köder, um von einem Todes·fall Betroffene diskret auf den spe·ziellen Ge·schäfts·zweig der Firma auf·merk·sam zu machen. Dieser besteht in futuris·tischen Be·gräbnis·formen, die durchaus Ge·mein·sam·keiten mit den zahl·reichen Neuen Religionen Japans aufweisen. Bei·spiels·weise ver·treibt die Firma Toten·täfelchen (ihai [ihai (jap.) 位牌 Ahnentäfelchen]), die die DNA des Ver·stor·benen enthalten. Auch wird Bestat·tung in freier Natur oder gar im Welt·all angeboten. |
Verweise
Bilder
- ^ Das Jenseits aus der Sicht eines japanischen Bestattungsunternehmens. Graphik mit Kurzinfos und Links zu den einzelnen Bereichen der Homepage.
Oshōshiki-Plaza.
Glossar
- kawaii bunka かわいい文科 ^ wtl. Niedlich-Kultur; Tendenz zur Verniedlichung in der japanischen Populärkultur (vgl. kawaii)
- Osōshiki Puraza お葬式プラザ ^ wtl. Begräbnis-Plaza; Webauftritt einer japanischen Bestattungsfirma
Religion in Japan, Inhalt
- 一 Grundbegriffe
- 二 Bauten
- 五 Mythen
- Einleitung
- Mythologie:
- Götter des Himmels
- Götter der Erde
- Jenseits:
- Jenseits
- Geister:
- Totengeister
- Dämonen
- Tiere:
- Imaginäre Tiere
- Verwandlungskünstler
- Symboltiere
- 六 Geschichte
- Einleitung
- Altertum:
- Prähistorie
- Frühzeit
- Nara-Zeit
- Frühe kami-Kulte
- Heian-Zeit
- Saichō
- Kūkai
- Honji suijaku
- Mittelalter:
- Kamakura-Zeit
- Amidismus
- Zen Buddhismus
- Nichiren Buddhismus
- Mittelalterl. Shintō
- Frühe Neuzeit:
- Reichseinigung
- Christentum
- Terauke-System
- Neo-Konfuzianismus
- Kokugaku
- Moderne und Gegenwart:
- Bakumatsu-Zeit
- Staatsshintō
- Neue Religionen
- 七 Essays
- Überblick
- Buddhismus, Asien:
- Arhats in China und Japan
- Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
- Bishamon-ten: Wächter und Glücksgott
- Riesen-Buddhas: Im Kampf gegen die Unbeständigkeit des irdischen Daseins
- Lokale Vorstellungen, Japan:
- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
- Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit
- Religion und Politik:
- Die Tenshō-Mission: Beginn einer schwierigen transnationalen Beziehung
- Yasukuni: Der Schrein des ‚friedlichen Landes‘
- Herrigels Zen und das Bogenschießen
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„Das Jenseits aus Sicht eines japanischen Bestattungsunternehmens.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001