Buddhistische Heiligenfiguren
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Heilige im Sinne des (katholischen) Christentums könnte man vielleicht als Menschen definieren, die kraft ihres Glaubens und ihrer Frömmigkeit 1) anderen als Rollenvorbild dienen, 2) diese Vorbildfunktion durch besondere gottähnliche Fähigkeiten bestätigt bekommen haben, 3) dank dieser besonderen Fähigkeiten auch heute noch in bestimmten Situationen um Hilfe angerufen werden können und 4) zu diesem Zweck durch Geschichten und Bilder (Heiligenbilder, Altäre, Kirchen) in Erinnerung gehalten werden.
Werk von Unkei (1150?–1223). Kamakura-Zeit, 1208. Bildquelle: unbekannt.
Werk von Unkei (1150?–1223). Kamakura-Zeit, 1208. Bildquelle: unbekannt.
Im Shintō [Shintō (jap.) 神道 Shintō; wtl. Weg der Götter, Weg der kami] wird man außerhalb shintōistischer Neureligionen kaum auf derartige Heilige stoßen, da ja auch die Idee eines Erlösungsweges, wie ihn das Christentum kennt, nicht vorhanden ist. Im Buddhismus dagegen könnte man theoretisch sämtliche Buddhas [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)] und Bodhisattvas [Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)] als Heilige bezeichnen. Möglicherweise ist das für den frühen indischen Buddhismus sogar gerechtfertigt, für die spätere Entwicklung, und insbesondere für den Mahayana [Mahāyāna (skt.) महायान „Großes Fahrzeug“, buddhistische Richtung (jap. daijō bukkyō 大乗)] Buddhismus, macht eine solche Charakterisierung aber wenig Sinn. Buddhas und Bodhisattvas stehen hier über den Göttern (deren Existenz zumindest im vormodernen Buddhismus allgemein akzeptiert wurde). Sie sind fast immer königlichen Geblüts und haben ihre Erleuchtung oft in anderen Weltzeitaltern als dem unsrigen, also vor unvorstellbar langer Zeit, erfahren. Sie unterscheiden sich darüber hinaus durch besondere körperliche Merkmale von gewöhnlichen Menschen. Buddhas und Bodhisattvas sind daher zu abgehoben, um als Heilige im Sinne alltäglicher Rollenvorbilder zu fungieren.
Andererseits gibt es im Buddhismus Figuren, die sich durchaus mit christlichen Heiligen vergleichen lassen. Die also einerseits wundertätig begabt sind, andererseits aber aufgrund gewisser Schwächen oder Eigenheiten den Menschen näher sind als die Buddhas. Diese Nähe macht sie dann sowohl als Rollenmodelle für fromme Buddhisten als auch als Adressaten für vergleichsweise triviale, diesseitige Anliegen besonders geeignet. Zu dieser Gruppe zählen im Buddhismus einerseits Schüler des Buddha, deren Geschichten buddhistischen Sutren überliefert sind, andererseits Gründerfiguren der einzelnen Schulen, die auch als „Patriarchen“ bezeichnet werden. Unter den wenigen buddhistischen Laien, die sich als Heilige bezeichnen lassen, befinden sich vor allem Könige und reiche Kaufleute, die den Buddhismus förderten. Ganz im Gegensatz zur Welt der buddhistischen Schutzgöttinnen umfasst die Gruppe der menschlichen Heiligen keine Frauen. Auch die im Christentum so prominenten Märtyrer fehlen weitgehend im Buddhismus.
Arhats
Werk von Ryōzen. Muromachi-Zeit, 14. Jh. National Museum of Asian Art, Freer Gallery of Art.
Vorlage:Sidebox3 Zu den Heiligen in diesem engeren Sinne zählen als oberste Gruppe die Arhats (jap. arakan [arakan (jap.) 阿羅漢 buddhistische Heilsgestalt; abgeleitet von skt. Arhat (oder Arhant); Kurzfom: rakan] bzw. rakan [rakan (jap.) 羅漢 buddhistische Heilsgestalt; Skt. Arhat (oder arhant); eigentlich: arakan]). Der Begriff Arhat [Arhat (skt.) अर्हत् buddhistische Heiligenfigur; höchste Stufe des Menschseins vor dem Austritt aus dem Geburtenkreislauf (jap. rakan)] (oder auch arhant) ist schlicht ein Ehrentitel („Fähiger“, „Würdiger“), der im Buddhismus jemanden bezeichnet, der unter Anleitung des Buddha die Erleuchtung erfahren hat und auch als shravaka buddha, „Schüler-Buddha“, bezeichnet wird. Im älteren Buddhismus (Shravakayana [Śrāvakayāna (skt.) श्रावकयान „Fahrzeug der Schüler“, Richtung des Buddhismus (jap. Shōmon-jō 声聞乗)] oder Theravada [Theravāda (pali) थेरवाद „Schule der Ordensälteren“, buddhistische Richtung (hier in Pali angegeben; skt: Sthaviravada) (jap. jōzabu bukkyō 上座部仏教)]) war dies im Grunde die einzige denkbare Form, die Buddhaschaft zu erlangen. Der Mahayana Buddhismus setzte dieser Auffassung das Bodhisattva Ideal entgegen, dem zufolge ein Bodhisattva eine höhere Form der Erleuchtung erreicht, da er nicht nur auf die eigene Erleuchtung bedacht ist und seinen Eintritt ins Nirvana verzögert, um allen anderen Wesen auf dem Erleuchtungsweg behilflich zu sein. Die Arhatschaft wurde aber im Mahayana nicht geleugnet, sondern sozusagen auf den zweiten Rang verwiesen.
Arhats werden zumeist in bestimmten Gruppen verehrt. Neben einer frühen Vierergruppe, die in Japan kaum eine Rolle spielt, kennt der ostasiatische Buddhismus seit der Tang [Tang (chin.) 唐 chin. Herrschaftsdynastie, 618–907]-Zeit die Gruppe der Sechzehn Arhats, die in Japan bis heute verehrt wird, während sie in China später zumeist auf achtzehn erweitert wurde. Diese Figuren sollen alle Schüler des Buddha gewesen sein, die sich seit seinem Ableben in dieser Welt aufhalten. Sie besitzen besondere spirituelle Fähigkeiten und Kräfte (u.a. sind sie zumeist unsichtbar) und wachen darüber, dass Buddhas Lehren korrekt verbreitet und die Klosterregeln eingehalten werden. Exemplarisch wird diese Gruppe durch ihren „Anführer“ Pindola (jap. Binzuru [Binzuru (jap.) 賓頭盧 Skt. Pindola, ein Schüler Buddhas; auch: Bindora Baradaja (Pindola Bhāradvāja); prototypischer Arhat]) vertreten, der in unzähligen japanischen Tempeln als wundertätiger „Streichelbuddha“ (nadebotoke [nadebotoke (jap.) 撫仏 wtl. „Streichelbuddha“; buddh. Figur, die von den Gläubigen zwecks Heilung, Abwehr von Krankheit, o.ä. berührt wird]) — das heißt als Statue, die man zur Erreichung bestimmter Wünsche berühren soll — eine von Touristen kaum beachtete Existenz als Glücksbringer führt.
Darüber hinaus gibt es die Gruppe von Fünfhundert Arhats, die manchmal auch zu tausend oder 1.500 Arhats erweitert wird. Auch ihnen sind in Japan zahlreiche Tempel gewidmet, die dann oft tatsächlich Figuren in der entsprechenden Anzahl enthalten (mehr dazu...).
Die Zehn Großen Schüler des Buddha
Eng verwandt mit den Sechzehn Arhats ist die Gruppe der Zehn Großen Schüler, die man auch als Aposteln des Buddha bezeichnen könnte. Sie treten häufig in Sutren als Gesprächspartner des Buddha auf, sind aber in der allgemeinen Wahrnehmung Japans weniger präsent als die Sechzehn oder die Fünfhundert Arhats. Einzige Ausnahme ist vielleicht Mauldagana (Mokuren [Mokuren (jap.) 目連 Schüler des Buddha; skt. Maudgalyayana; errettet seine Mutter aus der Hölle]), der seine Mutter aus der Hölle errettet haben soll und aus diesem Grund stark in den japanischen Toten- und Ahnenkult eingebunden ist. Mehr dazu auf der Seite Buddhas Leben nach der buddhistischen Überlieferung.
Historische Mönche
Werk von Kei-Schule. Kamakura-Zeit, 1206. John M. Rosenfield, Portraits of Chōgen: The Transformation of Buddhist Art in Early Medieval Japan. Leiden und Boston: Brill, 2011, S. 76.
Eine starke ikonographische Verwandtschaft besteht zwischen der Darstellung der Arhats und den Portraits historischer Mönche. In beiden Fällen wird keine idealisierte Form der Darstellung angestrebt. Statt dessen werden individuelle Charaktermerkmale oder Zeichen des körperlichen Verfalls oft in sehr realistischer und keinesfalls immer schmeichelhafter Weise herausgearbeitet. Die Kunst des ostasiatischen Buddhismus betont also sowohl bei Arhats als auch bei historischen Mönchen deren menschliche Schwächen, was aber keinesfalls ausschließt, dass die dargestellten Mönche mit einer Vielzahl von wundersamen Legenden umgeben sind und daher auch als Heilige bezeichnet werden können. Ein Beispiel für die schonungslos realistische Darstellung eines alten Mönchs stellt ein Portrait des Mönchs Chōgen [Chōgen (jap.) 重源 1121–1206; Mönch der Shingon-shū, bekannt für die Wiedererrichtung des Tōdaiji] dar. Chōgen spielte Ende des 12. Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Tōdaiji [Tōdaiji (jap.) 東大寺 Tempel des Großen Buddha von Nara; wtl. Großer Ost-Tempel] und seines Großen Buddhas auch eine wichtige Rolle als Förderer der Künste.
Zu den Heiligengestalten, die auf anderen Seiten dieses Webhandbuchs bereits besprochen werden, zählen:
- Shōtoku Taishi [Shōtoku Taishi (jap.) 聖徳太子 574–622; Prinz Shōtoku; kaiserlicher Regent], ein früherer Förderer des japanischen Buddhismus;
- En no Gyōja [En no Gyōja (jap.) 役行者 Legendärer Begründer des Shugendō (um 700); auch: En no Ozunu/Ozuno], der legendäre Begründer des Kults der Bergasketen (Shugendō [Shugendō (jap.) 修験道 gemischt-rel. Bergkult, Orden der yamabushi]);
- Gyōki [Gyōki (jap.) 行基 668–749; Nara-zeitlicher Mönch, Popularisierer des Buddhismus], der mithalf den Großen Buddha von Nara zu errichten:
- Kōbō Daishi [Kōbō Daishi (jap.) 弘法大師 Ehrentitel von Kūkai] Kūkai [Kūkai (jap.) 空海 774–835, Gründer des Shingon Buddhismus; Eigennamen Saeki Mao, Ehrennamen Kōbō Daishi], der Begründer des Shingon Buddhismus;
- Dengyō Daishi [Dengyō Daishi (jap.) 伝教大師 Posthumer Ehrentitel des Mönchs Saichō] Saichō [Saichō (jap.) 最澄 767–822; Gründer des Tendai-Buddhismus; auch bekannt als Dengyō Daishi], der Begründer des japanischen Tendai Buddhismus;
- und andere mehr.
Verweise
Verwandte Themen
Bilder
- ^ Vasubandhu, ein buddhistischer Philosoph des 4. Jhs., gilt zusammen mit seinem Halbbruder Asangha als Begründer der Yogacara Schule, aus der die jap. Hossō Schule hervorging. Die Statuen beider Heiliger wurden von Unkei für den Kōfuku-ji in Nara, der dieser Richtung angehörte, geschaffen.
Werk von Unkei (1150?–1223). Kamakura-Zeit, 1208. Bildquelle: unbekannt. - ^ Asangha, ein buddhistischer Philosoph des 4. Jhs., gilt zusammen mit seinem Halbbruder Vasubandhu als Begründer der Yogacara Schule, aus der die jap. Hossō Schule hervorging. Die Statuen beider Heiliger wurden von Unkei für den Kōfuku-ji in Nara, der dieser Richtung angehörte, geschaffen.
Werk von Unkei (1150?–1223). Kamakura-Zeit, 1208. Bildquelle: unbekannt.
- ^ Arhat (Vajraputra) als kräftiger Mann, einen zahmen Drachen streichelnd. Im Hintergrund Wolken.
Werk von Ryōzen. Muromachi-Zeit, 14. Jh. National Museum of Asian Art, Freer Gallery of Art. - ^ Portrait des buddhistischen Abts Shunjōbō Chōgen (1121–1206), wahrscheinlich aus 1206, dem Jahr seines Todes mit 85 Jahren. Chōgen bemühte sich energisch um den Wiederaufbau des Tōdaiji und förderte in diesem Zusammenhang auch ganz besonders die Künstler der Kei-Schule (Unkei, Kaikei, u.a.), die dank seiner Unterstützung die japanische Bildhauerkunst zu einem ihrer Höhepunkte führten. Zu diesen Höhepunkten zählt auch das realistische Portrait ihres Mentors, Chōgen. Wie bei anderen Portraitskulpturen auch, besteht der Kopf aus zwei zusammengeleimten, innen ausgehöhlten Holzteilen, die wie ein Flaschenkorken in den Torso der Figur eingefügt sind. Das Holz wurde mit einer dünnen Schicht aus Hanf und weißem Ton grundiert und dann bemalt. Die Bemalung war wahrscheinlich recht einfach und einheitlich gehalten. Wie Rosenfield feststellt, hat sich der realistische Ausdruck des Portraits durch die natürliche Abnützung der Farbschicht verstärkt.
Die Augen sind, im Gegensatz zu vielen anderen Skulpturen dieser Zeit, nicht aus Glas, sondern wurden lediglich geschnitzt und bemalt. (Rosenfield 2011, S. 83–85.)
Werk von Kei-Schule. Kamakura-Zeit, 1206. John M. Rosenfield, Portraits of Chōgen: The Transformation of Buddhist Art in Early Medieval Japan. Leiden und Boston: Brill, 2011, S. 76.
Glossar
- Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व ^ „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)
- nadebotoke 撫仏 ^ wtl. „Streichelbuddha“; buddh. Figur, die von den Gläubigen zwecks Heilung, Abwehr von Krankheit, o.ä. berührt wird
- Shōtoku Taishi 聖徳太子 ^ 574–622; Prinz Shōtoku; kaiserlicher Regent
- Śrāvakayāna (skt.) श्रावकयान ^ „Fahrzeug der Schüler“, Richtung des Buddhismus (jap. Shōmon-jō 声聞乗)
- Theravāda (pali) थेरवाद ^ „Schule der Ordensälteren“, buddhistische Richtung (hier in Pali angegeben; skt: Sthaviravada) (jap. jōzabu bukkyō 上座部仏教)
Religion in Japan, Inhalt
- 一 Grundbegriffe
- 二 Bauten
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- Einleitung
- Mythologie:
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- Jenseits
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- Arhats in China und Japan
- Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
- Bishamon-ten: Wächter und Glücksgott
- Riesen-Buddhas: Im Kampf gegen die Unbeständigkeit des irdischen Daseins
- Lokale Vorstellungen, Japan:
- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
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- Die Tenshō-Mission: Beginn einer schwierigen transnationalen Beziehung
- Yasukuni: Der Schrein des ‚friedlichen Landes‘
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„Buddhistische Heiligenfiguren.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001