Schreinpriester
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Im Zu·sam·men·hang mit dem shin·tō·is·tischen Klerus bevorzuge ich die Be·zeich·nung „Priester“, um eine einfache ter·mi·no·lo·gische Unter·scheidung zu bud·dhis·tischen Mönchen zu er·möglichen. Shintō-Priester leben zumeist mit ihrer Familie in·ner·halb einer lokalen Gemein·schaft. Im Unter·schied zu christ·lichen Priestern besteht ihre wichtig·ste Aufgabe aber nicht im Predigen bzw. in moral·ischer Er·bau·ung der Gemeinde, sondern im Ab·halten von re·ligiösen Zere·monien. Darunter befinden sich natürlich Zere·monien zu be·stimm·ten Festtagen des jeweiligen Schreins, an dem ein Priester tätig ist, in der Mehr·zahl handelt es sich aber um Seg·nun·gen (harae [harae (jap.) 祓 Purifikation, Weihezeremonie, Exorzismus]) von einzelnen Personen oder Ge·gen·ständen, die indi·viduell in Auftrag gegeben werden (s.u.). Shintō-Priester sind also in erster Linie Ritualisten.
Bildquelle: Shiges Wallpapers, über Internet Archive.
Die all·ge·mei·ne ja·panische Be·zeich·nung für Shintō- oder Schrein-Priester ist shinshoku [shinshoku (jap.) 神職 allg. Bez. für Shintō-Priester], ein ge·ne·rischer Terminus für alle, die ein religiöses Amt des kami [kami (jap.) 神 Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō]-Gottes·dienstes innehaben. In der Um·gangs·sprache vertrauter ist jedoch kannushi [kannushi (jap.) 神主 Shintō-Priester; wtl. „Meister der Götter“] (wtl. kami-Herr). Be·zeich·nungen wie gūji [gūji (jap.) 宮司 höherrangiger Shintō-Priester] oder negi [negi (jap.) 禰宜 hochrangiger Schrein-Priester] beziehen sich auf leitende Priester·ränge (etwa „Oberpriester“). Eine Be·zeich·nung, die nur auf Frauen an·ge·wandt wird, ist miko [miko (jap.) 巫女 Miko, kami-Priesterin, Schreindienerin; auch: weibliche Shamanin; andere Schreibungen 神子 (Gott-Kind) oder 御子 (erhabenes Kind)] (in etwa „Schreindienerin“).
Priestergewand
Vorlage:Sidebox3 Vorlage:Sidebox3 Vorlage:Sidebox3 Vorlage:Sidebox3 Vorlage:Sidebox3 Das Ze·re·mo·nial·ge·wand eines Shintō-Priesters geht auf eine Adels·tracht der Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit zurück, das sog. „Jagdgewand“ (kariginu [kariginu (jap.) 狩衣 Priestertracht (ehemals Hoftracht); wtl. „Jagdgewand“], für die Jagd aller·dings kaum geeignet). Als Kopf·be·deckung dient ein Hut aus Papier, tate-eboshi [tate-eboshi (jap.) 立烏帽子 Hut der Höflings- und Priestertracht], oder bei be·son·ders feier·lichen Anlässen die sog. kanmuri [kanmuri (jap.) 冠 Kanmuri, wtl. „Krone“; Kopfbedeckung von hochrangigen Shintō-Priestern]-Krone (s. Abbildung rechts). Auch die schwarz-lackierten Holz·schuhe (asagutsu [asagutsu (jap.) 浅沓 Zeremonielles Schuhwerk der Schreinpriester aus schwarz lackiertem Holz; ehem. Adelstracht]) trug man bereits am Heian-zeitlichen Hof. Ein weiteres Zeichen des Priester·amtes ist eine Art Zepter (shaku [shaku (jap.) 笏 Zeremonielles Zepter der Schreinpriester; trad. Emblem von Herrschern und Götterstatuen]), wie es auch auf kami-Statuen zu sehen ist. Es war ur·sprüng·lich ein Emblem der welt·lichen Herrscher des Alter·tums. Die Grund·farbe des Priester·ge·wandes ist weiß, je höher·rangiger der Priester und je wichtiger die Zeremonie, umso mehr prächtig gefärbte Seiden·stoffe kommen zum Einsatz. Die Details variieren je nach Priester·rang, Anlass und Schrein·tradition.
Kawagoe Kankō Blog, 2012/1/15.
Auf dem obigen Bild sind die wichtig·sten Elemente des Priester·ge·wan·des sehr schön zu erkennen: Mütze (tate-eboshi), Robe (kariginu); Schuhe (asagutsu) und Szepter (shaku).
Priesterinnen im Shintō
In der japanischen Frühgeschichte scheint es eine Art ge·schlechts·spe·zi·fischer Teilung von re·ligiöser und welt·licher Auto·rität gegeben zu haben: Der Dienst für die Götter lag grund·sätzlich eher bei den Frauen, während Männer die welt·liche Auto·rität inne hatten. Im Laufe der Ge·schichte hat sich dieses Ver·hält·nis jedoch stark zugunsten der Männer verschoben. Zwar ist es in heutigen Schreinen grund·sätzlich nicht aus·ge·schlossen, dass Frauen ähnliche Positionen besetzen wie Männer, doch sind Frauen in füh·ren·den Priester·rollen sehr selten. Dagegen gibt es in jedem größeren Schrein miko, die vor allem für den Verkauf von Glücksbringern und als Assis·tentinnen bei diversen Zeremonien ein·ge·setzt werden.
Bildquelle: unbekannt.
Tom Bodley, (Pbase) 2004/12/31.
Bis auf das Geschlecht erinnern miko (was ihre Aufgaben, ihr Alter, und sogar die Kleidung betrifft) ein wenig an katho·lische Minis·tranten. Eine spe·zi·fische Quali·fikation ist grund·sätzlich nicht notwendig, um miko zu werden. In früherer Zeit waren miko hingegen auf kon·krete priesterliche Funk·tionen spezialisiert. Sie dienten vor allem bei verschie·densten Formen von Wahrsage- und Beses·senheits·ritualen als Medien, von denen man sich gött·liche Bot·schaften erhoffte. Als mytho·logisches Rollen·vorbild diente ihnen die tanzende Göttin Ame no Uzume [Ame no Uzume (jap.) 天鈿女/天宇受賣 mythologische Gottheit, Ahnherrin des Theaters]. Miko werden daher auch manchmal als „Shamaninnen“ bezeichnet. Solche shamanis·tischen Funk·tionen wurden aber im Jahr 1873 per Gesetz verboten,1 was den Status der miko deutlich abwertete.
Zu den sha·ma·nis·tischen Riten, die ehemals in großem Umfang von miko durchgeführt wurden, zählt das Her·bei·rufen von Totenseelen (kuchiyose [kuchiyose (jap.) 口寄せ Geisterbeschwörung, wtl. „Herbeirufung des Mundes“]), das von den blinden itako [itako (jap.) イタコ blinde Priesterin oder Shamanin; früher auch ichiko 市子]-Priester·innen in Nord-Japan auch heute noch prak·tiziert wird.
Das Grund·gewand der miko unter·scheidet sich eigen·tlich nur in der Farbe von dem männlicher Priester: es ist durch besonders weite, hellrote Rockhosen (hakama [hakama (jap.) 袴 Rockhosen mit weitgeschnittenen Beinen, traditionelles japanisches Obergewand]) charakterisiert. Diese Hosen werden wie im Fall der männ·lichen Priester über einem weißen Unter·gewand getragen. Bei feierlichen Anlässen tragen die miko außerdem meist ein weit·ärmeliges, weißes Über·gewand (chihaya), das mit für den jeweiligen Schrein spezi·fischen Mustern versehen sein kann. Zusätzlich können miko mit kranzartigen Kopfzierden aus·ge·stat·tet sein.
Riten
Vorlage:Sidebox3 Vorlage:Sidebox3 Zu den ele·men·tarsten rituellen Hand·lungen eines Shintō-Priesters zählt das harae [harae (jap.) 祓 Purifikation, Weihezeremonie, Exorzismus] (oder harai), wtl. Fegen oder Reinigen. Es handelt sich also um ein Pu·ri·fikations·ritual. Priester benützen dazu ein Instrument, das man haraegushi [haraegushi (jap.) 祓串 Harae-Wedel (auch haraigushi); rituelles Instrument für Reinigungszeremonien des Shintō] nennt. Es besteht aus einem Stab, an den Papier·streifen und Bast- oder Hanf·fäden gebunden sind. Dieses schwingt der Priester über Objekte oder Personen, die rituell gereinigt werden sollen. Die ent·spre·chenden Gebete, die er spricht, nennt man norito [norito (jap.) 祝詞 Shintō-Gebet]. Derartige Reinigungs·riten werden zumeist für die Segnung von Kindern, für Hochzeiten, sowie für die Ein·weihung von Geräten (z.B. Autos) in An·spruch genommen. Der vielleicht häufigste Ritus, für den Shintō-Priester in Anspruch genommen werden, ist jedoch das jichinsai [jichinsai (jap.) 地鎮祭 shintōistische Zeremonie; rituelle Reinigung eines Baugrunds vor Baubeginn, um übelwollende Geister zu vertreiben], die Weihe des Bodens, bevor ein neues Haus gebaut wird. Sie markiert ge·wohn·heits·mäßig den Bau·beginn. Nie·mandem würde einfallen, darauf zu verzichten.
Andere typische Schreinriten sind kagura [kagura (jap.) 神楽 rituelle Tänze und Gesänge], Gesänge und Tänze für die Götter, die auch den Charakter von theat·ralischen Auf·führung annehmen können und meist von speziellen Tanz·gruppen auf·geführt werden.
Vor 2004. Bildquelle: unbekannt.
Wikimedia Commons, 663highland, 2009.
Weitere Bilder
VikingSlav, (flickr) 2009/2/11.
Bernhard Scheid, flickr 2013.
2013. Suitcase and Heels, (Blog) 2013/2/17.
Verweise
Fußnoten
- ↑ Miko (Wikipedia[jp]) und „Miko-Gesetz“ (Wikisource)
Internetquellen
- A History of Japanese Clothings and Accessories, Anthony Byrant (en.)
Nähere Informationen zur traditionellen höfischen Kleidung, von der sich auch die Roben der Shintō-Priester ableiten. - Becoming a Shintō Priest or Priestess aus Mark Schumachers A to Z Photo Dictionary of Japanese Sculpture and Art
Bilder
- ^ Guji sugiyamajinja.jpg
- ^ Schreindienerinnen (miko) des Aso Schreins in Kyūshū.
Bildquelle: Shiges Wallpapers, über Internet Archive. - ^ Ein höchst ungewöhnliches Ritual, das im betreffenden Schrein (Fujinomiya Jinja) jährlich am frühen Morgen des sog. „Kleinen Neujahrs“, dem 15. Januar, zur Vorhersage des Ernteglücks im kommenden Jahr durchgeführt wird. Der Priester verbeugt sich vor einem Kessel, in dem ein Reisbrei (kayu) gekocht wird, um danach die vor ihm liegenden Bambusröhrchen in den Brei zu tauchen. Die in den Röhrchen verbleibenden Reiskörner werden anschließend gezählt. Ihre Zahl gibt Auskunft über verschiedene Aspekte der Ernte.
Kawagoe Kankō Blog, 2012/1/15. - ^ Schreindienerin (miko) im priesterlichen Alltagsgewand.
Sou, flickr, 2010. - ^ Zwei festlich geschmückte Schreindienerinnen (miko) des Dazaifu Tenman-gū während einer Hochzeitsfeier.
Bildquelle: unbekannt. - ^ Schreindienerin (miko) während der Vorbereitungen zu den Neujahrsfeiern im Meiji Schrein.
Tom Bodley, (Pbase) 2004/12/31.
- ^ Einweihung des Baugrunds (jichinsai) nach der Ebnung des Bodens. Ein Priester (kannushi) mit shaku spricht Gebete vor einem improvisierten Altar auf dem Speise-Opfergaben aufgestellt sind. Der Altar befindet sich innerhalb eines himorogi, bestehend aus vier Bambusstämmchen verbunden durch dünne shimenawa-Seile, an denen gohei, also weiße Papierstreifen, aufgehängt sind. All dies sind typische Elemente von Shintō-Zeremonien. Die anderen Teilnehmer der Zeremonie sind wohl Mitglieder der Baufirma und die Bauherren.
Vor 2004. Bildquelle: unbekannt. - ^ Segnung (harae) eines Autos durch einen Shintō-Priester (kannushi).
Wikimedia Commons, 663highland, 2009. - ^ Junge Priester entfernen ema-Täfelchen nach einem besucherreichen Tag.
Angus McIntyre, 1998. - ^ Abgesandte des kaiserlichen Hofes beim Besuch des Kashihara Schreins, in dem Jinmu Tennō, der erste (mythologische) Tennō verehrt wird. Die Feiern finden jährlich am 11. Februar, dem angeblichen Gründungstag des japanischen Kaiserreichs statt. Der Schrein selbst wurde erst 1889 nahe des vermuteten Grabes des Jinmu Tennō errichtet und ist damit ein typisches Produkt des modernen Staatsshintō.
VikingSlav, (flickr) 2009/2/11. - ^ Führender Priester (gūji) des Iwashimizu Hachiman Schreins in priesterlicher Alltagskleidung.
Bernhard Scheid, flickr 2013. - ^ Ein häufiges Bild im Meiji-Schrein: Zwei kannushi (Shintō-Priester) und zwei miko (Schreindienerinnen) führen eine Hochzeitsprozession an. Dahinter das Brautpaar in tradionalistischem Outfit. Der Meiji-Schrein ist eine der gefragtesten (und teuersten) Locations, wenn es um eine Hochzeit im Shintō-Stil geht.
2013. Suitcase and Heels, (Blog) 2013/2/17.
Glossar
- Ame no Uzume 天鈿女/天宇受賣 ^ mythologische Gottheit, Ahnherrin des Theaters
- haraegushi 祓串 ^ Harae-Wedel (auch haraigushi); rituelles Instrument für Reinigungszeremonien des Shintō
- tate-eboshi 立烏帽子 ^ Hut der Höflings- und Priestertracht
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- Jenseits
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- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
- Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit
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- Yasukuni: Der Schrein des ‚friedlichen Landes‘
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„Schreinpriester.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001