Totenriten und Bestattung
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Was passiert kon·kret, wenn ein Mensch in Japan stirbt? Wie ver·ab·schie·det man einen Ver·storbenen, wie trauert man um ihn? Welche religiösen Spe·zia·listen sind hierbei gefragt? Die folgende Seite ent·hält einen Über·blick der wich·tigsten Ele·mente des Toten·geden·kens sowie der Tabus, die im Zusam·men·hang mit dem Tod zu beachten sind.
Vorlage:WmaxX Die große Mehrheit aller Verstorbenen wird nach bud·dhis·tischem Ritus ein·ge·äschert und in einer Urne bei·gesetzt. Die Ein·äscherung erfolgt meist sehr rasch, d.h. inner·halb von ein bis zwei Tagen. Dies ist allein schon wegen des feucht-heißen Klimas not·wendig, doch tragen auch alt·ein·ge·sessene Tabu·vor·stel·lungen dazu bei, dass man die Toten möglichst rasch aus der Welt schaffen möchte. Der Tod ist nämlich stark mit der Vor·stel·lung ritueller Ver·un·rei·ni·gung (kegare [kegare (jap.) 穢れ rituelle Verunreinigung, Befleckung, Schande]) ver·bunden. Ein Groß·teil der To·ten·riten dient daher der rituellen Rei·ni·gung des Ortes, an dem der Ver·storbene gelebt hat. Des weiteren dürfen Riten, die im Zu·sammen·hang mit der Be·stattung stehen, keines·falls im normalen Alltag ein·gesetzt werden (s.u. kitamakura, kotsuage). Insgesamt scheint der gesamte Zyklus der Be·stat·tungs·riten (sōshiki [sōshiki (jap.) 葬式 Begräbnis, Bestattung, Totenritus]) von dem Grund·ge·danken bestimmt zu sein, den Ver·stor·benen so schnell, als es die Pietät zu·lässt, aus dem Bereich der Le·ben·den zu ent·fernen und in den Status eines hotoke [hotoke (jap.) 仏 Buddha; umgangsspr. auch: Totenseele; andere Lesung: butsu; alte Schreibung: 佛] (wtl. eines Buddhas [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)]) zu ver·setzen. In dieser Form gilt er dann weder als be·droh·lich noch als unrein und kann damit zum Ge·gen·stand einer be·son·deren Ahnenverehrung werden.
Die Ze·re·mo·nien, die den Übergang vom Dies·seits zum Jen·seits begleiten, werden heute zum Groß·teil im Haus des Ver·stor·benen voll·zogen und be·tref·fen seine ganze Familie, even·tuell auch seine Freun·de und Nach·barn. Die wichtig·sten Be·stattungs·riten finden in der Zeit un·mittel·bar vor und nach der Ein·äscherung statt. Der ent·scheidende Moment der rituellen Ver·ab·schie·dung liegt in der Ver·brennung des Leich·nams. Danach werden die Aschen·reste (bzw. um genau zu sein: die un·ver·brannten Knochen) des Ver·stor·benen in einer Urne nach Hause ge·nommen und bleiben dort noch einige Zeit, bevor sie schließ·lich auf dem Friedhof beigesetzt werden.
Die Leitung einer familiären Be·stat·tungs·zeremonie ist ein ver·ant·wortungs·volles und komp·lizier·tes Amt, das tra·di·tioneller·weise dem ältesten Sohn einer Familie zukommt. Für bestimmte Gebete und Riten werden zudem die Dienste bud·dhis·tischer Mönche in Anspruch genommen, die zu diesem Zweck das Haus des Ver·storbenen aufsuchen. Alles in allem ist der voll·stän·dige Zyklus eines Be·stattungs·rituals eine zeit·auf·wendige, kostspielige An·ge·legen·heit, die durch die Tatsache, dass immer mehr Menschen im Spital und nicht in den eigenen vier Wänden sterben, weiter ver·kompliziert wird. Aus diesem Grunde werden Be·stattungen oft mit Hilfe von pro·fes·sio·nel·len Be·stat·tungs·unter·nehmen (sōgiya [sōgiya (jap.) 葬儀屋 Bestatter, Bestattungsfirma]) ausgeführt, deren Aufgabe nicht nur im Ver·wahren des Leich·nams, sondern auch im „event-manage·ment“ der Be·stat·tung besteht. Dabei richtet man sich im all·ge·meinen nach einem gewissen rituellen Grund·schema, das im folgenden einzeln aufgelistet ist.
Die einzelnen Totenriten
Die folgenden rituellen Ein·zel·schritte stehen mit diversen Tabu·regeln in Be·ziehung, die von fast allen Ja·panern befolgt werden und zeigen, wie eng die Vor·stel·lung von der Ver·un·rei·ni·gung (kegare [kegare (jap.) 穢れ rituelle Verunreinigung, Befleckung, Schande]) durch den Tod mit dem ja·pa·nischen Brauch·tum verflochten ist.
Aufbahrung des Leichnams
Totengewand: Zum Zwecke der Auf·bah·rung wird der Tote ge·waschen und mit einem weißen Toten·gewand (shini shōzoku [shini shōzoku (jap.) 死に装束 Totengewand]) bekleidet. Es erinnert an ein Pilger·gewand bzw. an das Gewand eines Wanderers und sym·bolisiert somit die be·vor·stehende Reise in die Unter·welt. Das To·ten·ge·wand unter·scheidet sich vom Pil·ger·ge·wand jedoch durch die drei·eckige Stirn·binde, die auch für die Dar·stel·lung von Toten·geistern typisch ist (s.u.). Schließ·lich gehören auch sechs Münzen zur Aus·stattung des Ver·storbenen, die dieser für die Fähre über den Fluss der Unter·welt zu zahlen hat.
Kitamakura: Der Tote wird zunächst im eigenen Haus·halt feier·lich und von vielen Blumen um·geben auf·ge·bahrt. Dabei ist zu beachten, dass sein Kopf nach Norden weist (kitamakura [kitamakura (jap.) 北枕 wtl. „das Kopfkissen nach Norden drehen“; Brauch, einen Verstorbenen mit dem Kopf nach Norden aufzubahren], wtl. „Nordpolster“). Diese Kopf·lage ist ansonsten tabu (s. Taburegel 1).
Taburegel 1: Nicht mit dem Kopf nach Norden schlafen Die Regel, dass der Kopf des Ver·stor·be·nen nach Norden weisen soll, geht angeblich auf den his·to·rischen Buddha zurück. Dieser soll mit nordwärts ge·wand·tem Haupt und dem Blick nach Westen ins Nirvana [Nirvāṇa (skt.) निर्वाण „Erloschen, ausgelöscht“, Ort der Erlösung von allem Leid, absolutes Jenseits (jap. Nehan 涅槃)] ein·ge·gangen sein. Daher soll der Tote seinem Beispiel folgen. Um·ge·kehrt achtet man in Japan genau darauf, normaler·weise nicht mit dem Kopf nach Norden zu schlafen.
Taburegel 2: Verhängen des shintō·isti·schen Haus·schreins Die kami [kami (jap.) 神 Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō] sollen mit den Ver·un·rei·nigungen (kegare [kegare (jap.) 穢れ rituelle Verunreinigung, Befleckung, Schande]) des Todes möglichst nicht in Berührung kammen, da sie die Hinter·bliebenen sonst mit Unglück strafen könnten. Daher verhängt man den shin·tō·is·tischen Haus·schrein (so man über·haupt einen besitzt) während der Trauer·zeit mit weißen Tüchern oder Papier (kamidana fūji [kamidana fūji (jap.) 神棚封じ Verdecken des Shintō-Altars (kamidana) während häuslicher Totenriten]). In diesem Brauch spiegelt sich die rituelle Rollen·ver·teilung „Bud·dhis·mus: Tod, Shintō: Leben“ anschaulich wider.
Riten vor der Einäscherung
Sutrenlesung: Die Rezitation buddhistischer Sutren sollte möglichst durch einen bud·dhis·tischen Mönch erfolgen. Sie wird von Rauch·opfern (Ab·brennen von Räucher·stäbchen) begleitet.
Totenwache: Die Totenwache (tsuya [tsuya (jap.) 通夜 nächtliche Totenwache]) dauerte tra·di·tio·neller·weise die ganze erste Nacht. Früher wachten die engsten Familien·mit·glieder beim Ver·storbenen, heute wird die Wache aber zumeist abgekürzt. Gebete werden durch den Leiter der Trauer·ze·re·mo·nien (im Ideal·fall der älteste Sohn, heute oft ein pro·fes·sio·nel·ler Be·stat·tungs·unter·nehmer) durch·geführt. Früher war es Brauch, dass der Leiter der familiären Trauer·zeremonie als Zeichen, dass er nun den Ver·storbenen ver·körpert, ein dem Toten·gewand ähnliches, weißes Gewand trug. Auch das findet sich nur noch selten.
Geldspenden: Am Tag nach dem Ableben, noch bevor der Leich·nam zum Kre·ma·torium gebracht wird, ver·sammeln sich Ver·wandte und Bekannte zu einer Trauer·feier im Haus des Ver·storbenen. Dabei werden Räucher·stäbchen und andere kleine Opfer·gaben für den Ver·storbenen am Haus·altar nieder·gelegt. Vor allem aber haben die Trauer·gäste Geld (o-kōden [kōden (jap.) 香典 Grab-Spende; s. o-kōden], wtl. „Beitrag für Räucher·stäbchen“) mit·zu·bringen, das in einem ent·sprech·enden Kuvert darge·bracht wird. Okōden ist üblicher·weise eine hohe Summe, die als fi·nan·ziel·le Unter·stützung der be·trächt·lichen Kosten eines Be·gräb·nisses zu verstehen ist. Aller·dings verlangt es der Anstand, dass man am Ende der Trauer·periode allen Spendern ein Ge·gen·geschenk etwa im halben Wert der Spende macht (okōden gaeshi).
Einsargung: Der Tote wird in einen Sarg gelegt, um ihn darin zum Kre·ma·torium zu bringen. Die Trauern·den be·teiligen sich ge·meinsam an der Ein·sar·gung, dabei helfen alle beim Zu·nageln des Sarg·deckels mit, indem sie symbolisch (mit Hilfe eines einfachen Steins) auf einen der Sarg·nägel klopfen. Der Sarg wird schließ·lich mit dem Leich·nam zusammen verbrannt.
Einäscherung und Kotsuage
Die engste Familie be·glei·tet den Sarg ins Krema·to·rium. Die Ver·bren·nung darf nicht zu heiß sein und nicht zu lange dauern, damit noch einige Kno·chen·stück·chen des Leich·nams übrig blei·ben. Es sind diese Kno·chen·reste, nicht die Asche, die in der Folge in einer Urne (kotsutsubo [kotsutsubo (jap.) 骨壷 Grab-Urne]) bei·ge·setzt werden.
Das Ver·wah·ren der unver·brann·ten Kno·chen·reste in der Urne ge·schieht in Form eines spe·ziel·len Ritus, den man kotsuage [kotsuage (jap.) 骨上げ wtl. Knochenheben (Bestattungsbrauch)], wtl. „Auf·he·ben der Knochen“, nennt. Die Kno·chen·stück·chen werden dabei von den an·wesen·den Fami·lien·mit·glie·dern ge·mein·sam mit beson·ders lan·gen Bam·bus·stäbchen aus den Asche·resten geholt und in die Urne gelegt.
Taburegel 3: Ess·stäb·chen dür·fen sich nicht berühren Da der Ritus des kotsuage so stark mit dem Tod as·so·zi·iert wird, ist jede Erin·ne·rung an ihn im nor·malen Alltag streng·stens tabui·siert. Daher dürfen Speisen nie·mals direkt von Ess·stäb·chen zu Ess·stäbchen weiter gereicht werden. Über·haupt dürfen die ei·genen Ess·stäb·chen wäh·rend einer Mahl·zeit nie·mals die Ess·stäb·chen anderer berüh·ren. Dieses Tabu namens futari·bashi („Zwei-Leute-Stäbchen“) oder hashi·watashi („Stäbchen-Weiter·geben“) wird von allen Japa·nern unge·ach·tet der religi·ösen Zu·ge·hörig·keit strengs·tens be·folgt.
Vor ihrer Rückkehr ins Haus wer·den die Fami·lien·mit·glie·der, die am kotsuage teil·ge·nom·men haben, mit Salz rituell ge·reinigt. Die Urne wird zu·nächst nach Hause mit·ge·nom·men und später im Fami·lien·grab bei·ge·setzt. Dies geschieht meist mit relativ gerin·gem zere·moniel·lem Aufwand.
Bildquelle: Open Library.
Symbolische Mönchsschaft: Tonsur und Mönchsnamen
Aus Sicht der bud·dhis·tischen Ritualisten ist das Toten·ritual eine sym·boli·sche Mönchs·weihe. D.h. dass der Ver·stor·bene post·hum in den Status eines buddhis·tischen Mönchs versetzt wird. Zu diesem Zweck wird u.a. eine sym·boli·sche Tonsur vor·genom·men: Der Tote wird mit einem Rasier·messer berührt, was das Scheren des Haupt·haars aus·drückt. Vor allem aber erhält er eine Art Mönchs·namen (kaimyō [kaimyō (jap.) 戒名 buddhistischer Totenname, posthumer Name eines Verstorbenen], wtl. „Namen nach den bud·dhis·tischen Geboten“). Der Name wird auf ein ihai [ihai (jap.) 位牌 Ahnentäfelchen]-Täfel·chen ge·schrie·ben, das später einen Platz im Haus·altar (butsudan [butsudan (jap.) 仏壇 buddh. Hausaltar]) erhält (siehe Ahnen·kult). Neben dem Altar ist während der Trauer·zeit auch ein Foto des Ver·stor·benen platziert.
Bildquelle: Open Library.
Wie der Abbildung aus der späten Edo-Zeit zu entnehmen, wurde die Mönchs-Tonsur der Verstorbenen in vornehmen Haushalten offenbar tatsächlich vollzogen.
Trauerzeit
Die engere Trauerzeit beträgt nach bud·dhis·ti·schem Brauch sie·ben Wochen, also 49 Tage. Dies ist die Zeit, wäh·rend der die Toten·seele ihre Reise ins Jen·seits ab·sol·viert und dabei spiri·tuelle Un·ter·stüt·zung be·nötigt. Nach tradi·tionel·len Vor·stel·lungen muss sie sich näm·lich in der Totenwelt vor zehn Richtern (Jūō [Jūō (jap.) 十王 Die Zehn Könige oder Richter der Totenwelt]) recht·fertigen. Während der ersten 49 Tage gibt es jede Woche eine Ver·hand·lung, die man aus dem Dies·seits durch Riten und Opfer·gaben beein·flus·sen kann. Daher sollte es am Ende jeder Woche es eine bud·dhis·tische Zere·mo·nie geben. Nach Ab·schluss die·ser Zeit fin·det auch eine To·ten·feier für den wei·te·ren Be·kann·ten- und Ver·wand·ten·kreis in einem bud·dhis·tischen Tempel statt.
Spätere Gedenk·feiern für den Ver·stor·be·nen fallen im Grunde bereits in den Be·reich der Ahnen·ver·ehrung. Den Ahnen wird kollektiv im Rahmen des jähr·lichen Bon-Festes [O-bon (jap.) お盆 Fest der Ahnen; Bon-Fest] ge·dacht. Für in·divi·duel·le Ver·stor·bene gibt es da·rüber hinaus in be·stimm·ten Ab·stän·den (nach 1, 3, 7, 13, ev. auch nach 33 Jahren) weitere bud·dhis·tische Seelen·mes·sen. Da·nach wird an·genom·men, dass die Seele end·gültig ins Jen·seits ein·ge·gan·gen ist. Damit sind keine Tot·en·feiern mehr nötig, auch das Ahnen·täfel·chen wird vom Haus·altar entfernt.
Taburegel 4: Kein Neu·jahrs·schrein·besuch Für das gesamte Jahr, in dem sich ein familiärer Todes·fall ereig·nete, gelten da·rüber hinaus wei·tere Tabu·vor·schrif·ten, die neuer·lich mit dem pro·ble·mati·schen Ver·hältnis zwi·schen Shintō und Todes·tabu zu tun haben. So soll·ten die Hinter·blie·benen im fol·gen·den Neu·jahr auf den tra·ditionel·len Neu·jahrs·schrein·besuch (hatsumōde [hatsumōde (jap.) 初詣 Schrein-Neujahrsbesuch]) ver·zich·ten. Auch sollte man ihnen keine tra·ditio·nellen Neu·jahrs·karten schicken.
Tradition und Veränderung der Totenriten
Die oben beschriebenen Zeremonien beruhen z.T. auf sehr alten Vor·stellungen, sind aber erst im zwan·zig·sten Jahr·hundert stan·dar·disiert worden. Bei·spiels·weise war die Ver·brennung der Leiche zwar stets ein bud·dhis·tisches Ideal, wurde aber in vor·mo·derner Zeit aus technischen Gründen oft unter·lassen. Auch die Konzen·tration der Riten auf den häus·lichen Bereich ist ein relativ junges Phäno·men. Die tatsäch·liche Ab·haltung der Feiern unter·liegt natürlich zahl·reichen Varia·tionen, die vom indi·vi·duellen Brauch der Familie, von ihren öko·nomi·schen Ver·hält·nissen, von ihrem Wohn·ort, von ihrer religiösen Zuge·hörigkeit, u.a.m. abhän·gig sind.
Ein kleiner Prozentsatz aller Begräbnisse wird nach shin·tō·is·tischem Muster durch·führt. Shintō-Be·gräb·nisse waren vor der Meiji [Meiji (jap.) 明治 posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt]-Res·tau·ration aller·dings nur in einigen Priester·familien üblich und sind auch heute in der all·ge·meinen Be·völkerung kaum bekannt. Im all·ge·meinen weichen daher nur ja·panische Christen stark von den hier be·schriebenen ze·re·mo·niel·len Grund·regeln einer Bestattung ab.
Ein gewisser Druck zur Uni·for·mität entsteht übrigens auch dadurch, dass Be·kannte, Ver·wandte und Nach·barn nicht nur als Trauer·gäste zu erwarten sind, sondern auch bei der Or·ga·ni·sa·tion des Be·gräb·nisses helfen. Vor allem in länd·lichen Gebieten, wo nach·bar·schaft·liche und ver·wandt·schaft·liche Hilfe noch selbst·ver·ständ·licher funktioniert, unter·liegen Be·gräb·nisse daher dem lokalen Brauch·tum. In den Städten dagegen sind die Einzel·heiten von Be·gräbnis·riten vielen nicht mehr geläufig. Hier bieten zahl·reiche pro·fes·sio·nelle Be·stattungs·firmen ein ent·sprechendes Service als Ersatz für die von tra·di·tio·nellen Gemein·schaften über·nommenen Auf·gaben an. Diese Firmen ver·mitteln zwischen Familie und Tempel, or·ga·ni·sie·ren die Trauer·feiern und bieten im übrigen alle möglichen Extras (besonders attraktive Gräber und Fried·höfe, pro·fes·sio·nel·le Begräbnis·musiker, etc.) an. Auch dem tech·nischen Fort·schritt wird Rechnung getragen. Eine Firma schlägt z.B. Methoden zur Er·hal·tung und Auf·be·wah·rung der DNA der Ver·stor·benen vor (siehe Sidepage).
Wer sich für Be·stat·tung in Japan näher int·eres·siert, sollte un·bedingt Itami Jūzō [Itami Jūzō (jap.) 伊丹十三 1933–1997; japanischer Filmregisseur; bekannt für Komödien wie Osōshiki (1984), Tampopo (1985) oder die Steuerfahnderin (1987)]s Film Osōshiki (Das Be·gräbnis) ansehen. Hier werden die oben be·sprochenen Ein·zel·heiten in teils satirischen, teils sehr berührenden Episoden dargestellt, wobei der Zwie·spalt zwischen tra·di·tio·nel·lem Brauch·tum und moderner Lebens·welt deutlich zum Ausdruck kommt.
Trauerfarbe: Schwarz? Weiß?
Meiji-Zeit. Kinsei fūzoku zue database, Nichibunken.
Eine gewisse Ver·wirrung besteht hin·sicht·lich der Trauerfarbe in Japan, heißt es doch häufig, in Japan sei weiß die Farbe des Todes. Seit Japans Öffnung zum Westen hat sich jeden·falls schwarz als Farbe der feier·lichen Zurück·haltung bzw. Trauer auch in Japan allge·mein durch·gesetzt. Daher tragen die Teil·nehmer einer Toten·feier heute grund·sätzlich schwarz, wie es z.B. auch auf dem obigen Bild aus einem Film der 1950er Jahre zu erken·nen ist. Weiß wird hin·gegen bei Hoch·zeiten — auch bei Heiraten im japa·nischen Stil — als Farbe des Braut·kleids bevorzugt. Im heutigen Japan sind schwarz und weiß daher symbolisch ähnlich besetzt wie im Westen.
Für das vor·moderne Japan gilt „weiß als Farbe des Todes“ mit Ein·schrän·kungen. Wie oben erwähnt, ist das Gewand, in das der Tote geklei·det wird, dem Pilger·gewand nach·empfun·den und daher weiß. Auch die Geister der Toten werden gern in weißem Gewand dar·ge·stellt. Nach tradi·tionel·lem Brauch·tum muss sich auch der Leiter einer Toten·feier wie ein Pilger kleiden, da er dem Toten gleichsam vor·machen muss, was er im Jen·seits zu tun habe. Doch leitet sich die grund·legende Symbolik des Toten·gewandes von weiß als Farbe der Rein·heit ab. Nicht nur bei Toten·riten oder bei der Pilger·schaft, sondern bei allen Riten, die Askese und Ent·halt·samkeit fordern, kleidet man sich in weiß oder trägt zu mindest ein weißes Untergewand.
Verweise
Verwandte Themen
Literatur
Bilder
- ^ Weißes Papier schützt den Schrein (kamidana) während der Trauerzeit vor den Verunreinigungen (kegare) des Todes. Unter dem Schrein sieht man eine Art Kalender, auf dem die Totengedenktage verzeichnet sind.
Bildquelle: unbekannt. - ^ Familie beim Einsammeln der Knochenreste (kotsuage) nach der Kremation. Das Bild ist Teil einer Reihe von Illustrationen, die vom englischen Marineoffizier Jacob Silver in den Jahren 1864 und 65 in Japan gesammelt, in eine Buchillustration umgewandelt und mit einem kurzen erklärenden Text versehen wurden.
Bildquelle: Open Library. - ^ Tonsur eines Verstorbenen als Vorbereitung für die symbolische Mönchsschaft vor dem Weg ins Jenseits. In der Edo-Zeit wurde diese Rasur offenbar noch wirklich durchgeführt, während sie heute nur noch symbolisch vollzogen wird. Die Bildunterschrift „Sudangee“ ist möglicherweise als zudangi („Kopf-Schneiden-Ritus“) zu lesen und deutet ebenso wie die dem Bild beigefügten Erklärungen aus dem Jahr 1867 auf Verständigungsschwierigkeiten zwischen dem englischen Autor und seinen japanischen Informanten hin, die Illustrationen wurden hingegen von „native artists“ angefertigt.
Bildquelle: Open Library.
- ^ Ososhiki itami.jpg
- ^ Totengeist (yūrei) auf einem nächtlichen Friedhof. Die Darstellung stammt aus der Meiji-Zeit, es handelt sich allerdings um die Kopie einer Abbildung des Gelehrten und Malers Toriyama Sekien (1712–1788) aus dem Jahr 1776.
Meiji-Zeit. Kinsei fūzoku zue database, Nichibunken.
Glossar
- futaribashi 二人箸 ^ wtl. Zwei-Personen-Stäbchen; gemeinsames Benutzen von Essstäbchen (im Alltag tabu)
- hidarimae 左前 ^ wtl. links vorne; Bezeichnung für die besondere Bindung von Totenkleidern (shini shōzoku)
- Itami Jūzō 伊丹十三 ^ 1933–1997; japanischer Filmregisseur; bekannt für Komödien wie Osōshiki (1984), Tampopo (1985) oder die Steuerfahnderin (1987)
- kitamakura 北枕 ^ wtl. „das Kopfkissen nach Norden drehen“; Brauch, einen Verstorbenen mit dem Kopf nach Norden aufzubahren
- kotsutsubo 骨壷 ^ Grab-Urne
- shini shōzoku 死に装束 ^ Totengewand
Religion in Japan, Inhalt
- 一 Grundbegriffe
- 二 Bauten
- 五 Mythen
- Einleitung
- Mythologie:
- Götter des Himmels
- Götter der Erde
- Jenseits:
- Jenseits
- Geister:
- Totengeister
- Dämonen
- Tiere:
- Imaginäre Tiere
- Verwandlungskünstler
- Symboltiere
- 六 Geschichte
- Einleitung
- Altertum:
- Prähistorie
- Frühzeit
- Nara-Zeit
- Frühe kami-Kulte
- Heian-Zeit
- Saichō
- Kūkai
- Honji suijaku
- Mittelalter:
- Kamakura-Zeit
- Amidismus
- Zen Buddhismus
- Nichiren Buddhismus
- Mittelalterl. Shintō
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- Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
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- Riesen-Buddhas: Im Kampf gegen die Unbeständigkeit des irdischen Daseins
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- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
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„Totenriten und Bestattung.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001