Bodhidharma, der erste Patriarch des Zen
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B
legendärer buddh. Mönch aus Indien, in China aktiv; gilt als Begründer des Chan (Zen) Buddhismus (jap. Daruma 達磨 oder Bodaidaruma 菩提達磨)
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(jap. Daruma [Daruma (jap.) 達磨 Spitzname des Mönchs Bodhidharma; Bezeichnung der daruma-Puppe als Glücksbringer]), der legenden·um·wobene Gründer des
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bzw.
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Buddhismus, ist ein beliebtes ikono·gra·phisches Motiv.
In den klassi·schen Darstel·lungen wird vor allem seine asketische Strenge und seine Aus·dauer bei der Medi·tation hervor·gehoben.
Dabei fallen einige ausge·sprochen grausame Details ins Auge: So soll der spätere Nach·folger Bodhi·dharmas,
487–593; chin. Chan Patriarch; ältere Umschrift: Hui k‘o
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, erst da·durch, dass er sich den Arm ab·hackte, als Schüler Bodhi·dharmas ak·zep·tiert worden sein. Bodhi·dharma selbst soll sich seine Augen·lider aus·ge·rissen haben, um vor dem Ein·schlafen wäh·rend der Medi·ta·tion ge·feit zu sein — in der Bodhi·dharma Ikono·graphie durch hervor·quel·lende Augen verdeut·licht. Die Le·gende hat immer·hin einen ver·söhn·lichen Ausgang: Aus den aus·geris·senen Lidern sollen die ersten Tee·pflan·zen hervor gewach·sen sein, die eben·falls den Zweck er·füllen, das Ein·schla·fen wäh·rend der Medi·tation zu verhindern.
All dies beruht auf dürren histo·rischen Fakten, denen zufolge Bodhidharma Anfang des sechsten Jahrhunderts von Indien nach China kam, sich dort mit dem durchaus bud·dhis·mus·freundlichen Kaiser überwarf und letztendlich in der Region des Berges Songshan [Songshan (chin.) 嵩山 Berg Song, Gebirge in Zentralchina, 1500m; zählt trad. zu den fünf heiligen Bergen des Daoismus;], einem der heiligen Berge Chinas, Exil fand. Hier befindet sich auch das berühmte Kloster Shaolin [Shaolin Si (chin.) 少林寺 Ursprungskloster des Shaolin-Ordens am Berg Song; Geburtsstätte des Chan Buddhismus], wo Bodhi·dharma im Jahr 527 den buddhistisch-chinesischen Kampfsport begründet haben soll. Während das Kloster bis heute für seine Kampf·künste (Kung-fu [Kung-fu (chin.) 功夫 wtl. Aufwand, Geschick (etwas durch Anstrengung Erreichtes); heutzutage übliche Bezeichnung für die meisten chin. Kampfsportarten; Pinyin: gongfu]) bekannt ist, verlagerte sich der Haupt·strang der chine·sischen Chan-Tradition aller·dings in andere Klöster.
Die Biographie Bodhi·dharmas reicherte sich bald mit allerlei Legenden an. So soll er — gleich
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— als Prinz geboren worden sein; auf seiner Flucht überquerte er den Yangtse Fluss [Yangtsekiang (chin.) 扬子江 Außerhalb Chinas geläufiger Name des Jangjiang 長江 („langer Fluss“), drittlängster Fluss der Welt] auf einem Schilfhalm, und als er schließlich von übel·wol·lenden Gegnern vergiftet wurde — wieder eine Analogie zu Buddha — täuschte er seinen Tod lediglich vor. Daher fand man in seinem leeren Grab nur einen Schuh, den er als „Beweis“ seiner Auf·erstehung zurück·gelas·sen hatte.
Vom Asketen zum Glücksgott
Vorlage:Galerie2 In Japan lässt sich über die Jahr·hunderte eine deutliche Tendenz vom asketisch-strengen Rollen·vor·bild zur Karikatur feststellen. Dies bedeutet aber nicht, dass Bodhi·dharma in blas·phe·mischer Absicht verun·glimpft wurde. Es entspricht vielmehr dem Hang zum Paradox im Zen, dass selbst der ehr·würdige Gründer mit Ironie dargestellt wurde.
Im Zuge dieser Ent·wicklung wurde „Daruma-san“ zu einer Art Glücks·gott, der — ähnlich wie
Glücksgott; Manifestation von Bodhisattva Maitreya; chin. Budai
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— nicht mehr das alleinige Eigen·tum der Zen-Schule war, sondern mit allerlei popu·lären Vorstel·lungen in Verbin·dung gebracht und dem·ent·spre·chend umge·staltet wurde.
Diese Bilder Bodhi·dharmas ver·festig·ten sich in der daruma [daruma (jap.) だるま Glücksbringer aus Pappmaché, der dem Zen-Patriarchen Daruma (skt. Bodhidharma) nachempfunden ist]-Puppe. Wesentliche Charak·teristika dieser Puppe sind die Ab·wesen·heit von Armen und Beinen (wodurch die Puppe auch leicht als Steh·auf·männ·chen gestaltet werden kann) und die rote Farbe, in die diese Puppe aus·nahms·los gekleidet ist. Bernard Faure (2011) sieht darin Hinweise auf einen embryo·nalen Symbo·lismus: Bodhi·dharma als Sinnbild der Ent·stehung neuen Lebens und als „Plazenta-Gottheit“, was natür·lich über die kon·fes·sionel·len Grenzen des Bud·dhis·mus hinausweist.
Weitgehend einig ist sich die Forschung, dass die Popu·larität der daruma-Puppe — wo auch immer ihre Herkunft liegt — mit ihrer Verwen·dung als Seuchen·gott·heit in Ver·bindung steht,
im besonderen mit der raschen Genesung von den Pocken. Daruma wurde in der
Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
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Geographische Lage
-Zeit unter anderem als
Pockengottheit; hōsōgami können die Pocken selbst versinnbildlichen, werden aber auch als Wirkmacht gegen die Pocken verehrt, sie besitzen also einen krankmachenden und einen heilenden Aspekt
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, als Pocken·gottheit bezeichnet. So soll die Tatsache, dass die daruma-Puppen zumeist ohne Pupillen, also „blind“, verkauft werden, mit dem negativen Effekt der Pocken auf die Seh·kraft in Verbin·dung stehen. Die Dar·stellung der Gefahr bannt diese. Auch die rote Farbe soll die Pocken darstellen und zugleich ent·kräften. Das daruma-Steh·auf·männ·chen wurde in Zeiten von Pocken-Epidemien zu einem Spielzeug für Kinder, das ihre rasche Genesung vormachen und bewirken sollte. Mit dem Abklingen der Pocken·gefahr weitete sich der Wir·kungs·bereich des Daruma-san auf andere Bereiche aus. Er wurde zum
Glücksbringer
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, zum allgemein glücks·ver·heißen·den Gegenstand.
Die Ikonographie des strengen Asketen ging bei all dem nie ganz verloren, sondern wurde ironisch überhöht. Ähnlich wie bei den Sieben Glückgöttern scheint die kanoni·sierte Komik der Daruma-Darstellung zu besagen, dass es gut und schön ist, diesen Daruma um weltliche Güter zu bitten, dass es aber hinter dieser Funktion noch andere Dimen·sionen gibt. Die Ironie schließt also den ernst·haften Glauben an Bodhi·dharmas aske·tisches Ver·mächtnis nicht aus.
Daruma und Dame
Zu den seltsamsten Formen der japanischen Bodhi·dharma-Ikono·graphie gehört das immer wieder·keh·rende Motiv von Daruma und junge Dame, beson·ders in den ukiyo-e [ukiyo-e (jap.) 浮世絵 „Bilder der fließenden Welt“, populäre Farbholzschnitte der Edo-Zeit] der
Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
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Geographische Lage
-Zeit. Die beiden tauschen Kleider, Mädchen nehmen bekannte Posen des Bodhi·dharma ein und oft entspinnt sich eine zarte erotische Be·ziehung zwischen dem exotischen Asketen und der Schönen. Sogar shunga [shunga (jap.) 春画 wtl. „Frühlingsbilder“; Gemälde und Druckwerke mit expliziten sexuellen Darstellungen]-Motive mit Daruma als Prota·gonisten sind möglich.
Dieses bildliche Motiv kor·res·pon·diert mit der Tatsache, dass Daruma in der Edo-Zeit ein Code-Wort für „Freuden·mädchen“ war. Die Bezeichnung leitet sich offenbar von der Daruma-Puppe ab, die, auch wenn man sie seitwärts legt, gleich wieder aufsteht, bezieht sich also auf eher illegale oder inoffizielle Formen der Prostitution.1 Jedes Bild verfügt also über einen Doppel·sinn und ist sowohl bud·dhis·tisch als auch sexuell konnotiert. Eines der obigen Bilder trägt eine Inschrift des Edo-zeit·lichen Literaten Ōta Nanpō (1749-1823), die diesen Doppelsinn in Form einer bud·dhis·tisch ange·hauch·ten Dialektik aus·drückt. Mittels dieser Dialektik konnten die Litera·ten und Intellek·tuellen der Edo-Zeit im Grunde alles in sein Gegen·teil verkehren und bis zur Un·kennt·lichkeit in einem Reigen von An·spie·lungen und Wort·witzen auflösen:
Truth is the skin of lies; lies are the bones of truth. When you are bewildered, lies seem like the truth; when you are enlightened, the truth seems like lies. It is all right to be bewildered, it is all right to be enlightened on Main Street, Yoshiwara [Yoshiwara (jap.) 吉原 Freudenviertel des Edo-zeitlichen Tōkyō], amid lies and truth. The pledges of courtesans may be truth or lies and are as myriad as their customers, like grains of sand on a beach.
Übersetzung: The British Museum
Buddhistische Erleuchtung steht hier für sexuelle Erfüllung und umgekehrt. Wie aber konnte es zu diesen Asso·ziationen kommen?
Möglicher·weise spielt hierbei eine Rolle, dass in Edo-zeitlichen Städten Freuden·viertel und Tempel·viertel meist unmit·telbar neben einander lagen oder sogar in einander über·gingen. Paradig·matisch für diese Struktur ist das Freuden·viertel Yoshiwara in Edo, das unmit·telbar an den heute noch existie·renden
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Geographische Lage
-Tempel grenzte. Der genaue Grund für diese Verbindung ist mir nicht bekannt, doch scheinen Tempel so etwas wie Schutzpatrone für die Welt der Gaukler, Schausteller und Bordelle dargestellt zu haben. Natürlich nützten Mönche dieses Naheverhältnis auch zur Befriedigung eigener (verbotener) sexueller Bedürfnisse aus. Die ent·sprechen·den ukiyo-e-Motive sind daher wohl als satirischer Kommentar zur Lebens·weise buddhis·tischer Mönche der Edo-Zeit zu verstehen.
Die Nahe·beziehung von Daruma und Dame ist selbst in der frühen Meiji [Meiji (jap.) 明治 posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt]-Zeit noch zu finden: In der Meiji-zeitlichen Darstel·lung von „Daruma zur Zeit der Landes·öffnung“ manifestiert sich auf an·rüh·rende Weise, dass damals sowohl die buddhistischen Tempel als auch die traditionellen Freuden·viertel zu den „Moderni·sierungs·ver·lierern“ zählten.
Verweise
Fußnoten
- ↑ Nihon kokugo daijiten 8 (2001), S. 1166.
Internetquellen
- Daruma Museum, Gabi Greve
Wissenswertes und Anekdotisches auf den Blog-Seiten der führenden westlichen Daruma-Expertin.
Literatur
Glossar
- Bodhidharma (skt.) बोधिधर्म ^ legendärer buddh. Mönch aus Indien, in China aktiv; gilt als Begründer des Chan (Zen) Buddhismus (jap. Daruma 達磨 oder Bodaidaruma 菩提達磨)
- daruma だるま ^ Glücksbringer aus Pappmaché, der dem Zen-Patriarchen Daruma (skt. Bodhidharma) nachempfunden ist
- daruma onna だるま女 ^ wtl. Daruma-Frau; abschätziger Ausdruck für „Freudenmädchen"; bezog sich im 19. und 20. Jh. zumeist auf illegale, inoffizielle oder billige Formen der Prostitution; nicht zu Verwechseln mit onna daruma
- Hanabusa Itchō 英一蝶 ^ 1652–1724; Maler und Literat; wtl. „der glorreiche Schmetterling“
- Liang Wu Di (chin.) 梁武帝 ^ 464–549; auch: Kaiser Wu, r. 502–549; Gründer der kurzlebigen Liang-Dynastie (502–557/587) und bedeutender Förderer des chinesischen Buddhismus
- Minamoto no Tametomo 源為朝 ^ 1139–1170; auch als Chinzei Hachirō Tametomo bekannt; legendärer Bogenschütze der späten Heian-Zeit aus dem Haus der Minamoto; wurde auf der Halbinsel Izu als Gott verehrt; gilt auch als legendärer Begründer der Herrscherdynastie von Okinawa
- okiagari kobōshi 起き上がり小法師 ^ „Stehauf-Mönchlein“; Spielzeug bestehend aus Pappmaché
- onna daruma 女だるま ^ wtl. Frauen-Daruma; Daruma-Figuren in weiblicher Form, die auch als Glücksbringer (engimono) ausgeführt werden; nicht zu Verwechseln mit daruma onna
- Shaolin Si (chin.) 少林寺 ^ Ursprungskloster des Shaolin-Ordens am Berg Song; Geburtsstätte des Chan Buddhismus
- Shichi Fukujin 七福神 ^ Sieben Glücksgötter; populäres Ensemble von Glücksgöttern verschiedener Herkunft
- Utagawa Kuniyoshi 歌川国芳 ^ 1798–1861; Maler und Zeichner. Bekannter Verteter des ukiyo-e-Farbholzschnitts
- Yangtsekiang (chin.) 扬子江 ^ Außerhalb Chinas geläufiger Name des Jangjiang 長江 („langer Fluss“), drittlängster Fluss der Welt
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„Bodhidharma: Der erste Patriarch des Zen.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001