Essays/Opfer
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Das Lotos Sutra enthält zum Thema Opfer/Spende ein erstaunliches Kapitel, das man sowohl als Anleitung zur Selbstverbrennung als auch als dessen Gegenteil interpretieren kann, nämlich das Kapitel 23, in dem es um die Vorleben des Yakuō Bosatsu, wtl. „Bodhisattva Medizin-König“, geht: Es handelt sich, wie so oft, um eine Parabel, in der das Sutra letztlich seinen eigenen Wert preist. Dieser ist — so die Botschaft — höher als ein Selbstopfer. Die weitschweifige Erzählung lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
Wir befinden uns in einem lange zurück liegenden Zeitalter, in dem der Buddha der Lichtreinen Tugend (Nichigatsu Jōmyō Toku Nyorai, wtl. „Buddha, dessen Tugend rein ist wie das Licht von Sonne und Mond“) auf Erden weilt. Auch er predigt schon das Lotos Sutra und führt dadurch den Bodhisattva des Freudigen Anblicks (Issai Jujō Kiken Bosatsu, „Freudiger Anblick aller Lebewesen“) in einen Zustand meditativer Versenkung (samadhi), in dem dieser alle Formen annehmen kann.
Daraufhin offenbart der Bodhisattva dem Buddha allerlei Spenden (Blumen, Räucherwerk, Parfüm), doch schlussendlich beschließt er, aus Dankbarkeit seinen eigenen Körper zu opfern. Nach aufwändigen Vorbereitungen gelingt dies in einem Akt der Selbstverbrennung, dessen Licht bis in alle anderen Welten dringt. Die Buddhas aller dieser Welten würdigen dies: „Wohlgetan, wohlgetan! Oh Sohn aus gutem Hause! Dies ist echte Anstrengung! Dies nennt man eine wahre Gesetzesspende an den Tathagata!“
Der Bodhisattva wird sogleich wiedergeboren und begibt sich ein weiteres Mal zum Budda der Lichtreinen Tugend. Dieser erklärt ihn zu seinem Nachfolger und geht daraufhin ins Nirvana ein. Der Bodhisattva kümmert sich um die Verbrennung des Leichnams und die Beisetzung der Reliquien. Dann bringt er den Reliquien ein weiteres Selbstopfer dar, indem er seine Arme verbrennt. Als Zeichen seiner zukünftigen Buddhaschaft wachsen dem Bodhisattva allerdings wieder neue Arme nach.
In der heutigen Welt (zur Zeit des historischen Buddhas) zeigt sich dieser Bodhisattva als Yakuō Bosatsu (Bodhisattva Medizinkönig).
Aus dieser Geschichte zieht das Lotos Sutra selbst folgenden Schluss: Wenn jemand ein Selbstopfer begeht, und sei es auch nur ein Finger oder ein Zeh, so bringt dies mehr karmische Verdienste als die Spende der größten Schätze und Reichtümer. All diese Verdienste sind jedoch immer noch geringer als jene von einem, „der dieses Sutra vom Lotos des Gesetzes annimmt und bewahrt, und seien es auch nur vier Verse daraus! Dieser erlangt das höchste Heil.“
Die letzte Wendung des Kapitels läuft also darauf hinaus, dass es letzten Endes besser ist, das Lotos Sutra auswendig zu lernen, zu rezitieren und zu kopieren, als sich durch Selbstopfer den Gnaden des Buddhas als würdig erweisen zu wollen. Dennoch enthält das Kapitel auch die ausführliche Biographie eines Bodhisattvas, dessen Besonderheit in mehrfachen Selbstopferungen besteht, die explizit von „den Buddhas aller Welten“ als höchste Form des Opfers gepriesen werden. Das Kapitel, in dem das Thema Verbrennung auch in Gestalt der Kremation eines Toten angesprochen wird, kann also nicht nur als Aufruf zum Studium des Lotos Sutras gelesen werden, sondern enthält durchaus Ermutigungen zur teilweisen oder vollständigen Selbstverbrennung, wie sie gerade im buddhistischen Kontext ja auch heute noch immer wieder vorkommt.
Religion in Japan, Inhalt
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- Jenseits
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- Buddhismus, Asien:
- Arhats in China und Japan
- Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
- Bishamon-ten: Wächter und Glücksgott
- Riesen-Buddhas: Im Kampf gegen die Unbeständigkeit des irdischen Daseins
- Lokale Vorstellungen, Japan:
- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
- Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit
- Religion und Politik:
- Die Tenshō-Mission: Beginn einer schwierigen transnationalen Beziehung
- Yasukuni: Der Schrein des ‚friedlichen Landes‘
- Herrigels Zen und das Bogenschießen
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„Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001