Mythen/Symboltiere/Drei Affen
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Die Drei Affen, die Drei Würmer und warum man alle 60 Tage eine Nacht durchmachen muss
Tempel-Schreinanlage im Norden der Kantō-Ebene, Präf. Tochigi; beherbergt u.a. den Tōshō-gū Schrein
Der Begriff „Nikkō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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zählt zu den berühmtesten Sehenswürdigkeiten Japans und die Drei Weisen Affen zählen zu den berühm·testen Sehens·würdig·keiten von Nikkō. Warum aber halten die drei Affen Augen, Mund und Ohren zu? Und wieso fanden sie Eingang in das Mauso·leum eines der mächigsten Herrscher der gesamten japa·nischen Geschichte? Und warum findet man die Drei Affen bei aufmerk·samer Betrach·tung auch an zahlreichen Stein·monu·menten, die kaum beachtet in den Arealen von Tempeln und Schreinen, am Rande von Fried·höfen oder in der freien Natur zu finden sind. Der Grund dafür dürfte mit einem Kult in Verbindung stehen, der heute kaum mehr bekannt ist, in der
Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
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-Zeit jedoch jedem geläufig war: der
Kōshin-Glauben, ein ursprünglich aus dem Daoismus stammender Kult zur Verlängerung des Lebens
Der Begriff „kōshin shinkō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
-Glaube.
Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Museum of Fine Arts, Boston.
Bild:Ron Reznik 2004 [2010/9]
In der traditionellen chinesischen, bzw. daoistischen Medizin wird der menschliche Körper von einer Unzahl an Geistern oder „Seelen“ bevölkert, die gute oder schlechte Einflüsse auf das körper·liche Befinden haben. Sie lassen sich durchaus mit Bakterien aus Sicht der modernen Medizin vergleichen. Manche dieser Geister oder Seelen haben aber auch Aus·wirkungen auf das Schicksal, bzw. die dem Menschen zugedachte Lebens·spanne. Dazu zählen z.B. die sogenannten „Drei Würmer“ (jap.
wtl. „Drei Leichname“ oder „Drei Würmer“; auch als „Drei Leichenwürmer“ (sanshichū 三尸虫) bezeichnet; verräterische Seelengeister daoistischen Ursprungs
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).
Die Drei Würmer hausen im menschlichen Körper und verhalten sich nach ursprünglicher chinesischer Auffassung wie Parasiten, die den Körper schwächen und so sein Leben verkürzen. Einer späteren, etwas ausge·feilteren Erklärung zufolge geschieht dies folgender·maßen: Nachts, wenn der Mensch schläft, steigen die Drei Würmer zur Gottheit des Polarsterns (jap.
Daoist. Gottheit des Polarsterns, wtl. Himmelsherrscher
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, wtl. „Himmelsherrscher“) empor und berichten ihm die bösen Taten ihres „Wirts“. Tentei bestraft dann den betref·fenden Menschen, und zwar vorwie·gend mit Krankheit oder frühem Tod. Die Würmer verlassen den Körper ihres Wirts allerdings (aus mir unbekannten Gründen) nur einmal in 60 Tagen, genauer am 57. Tag des traditionellen 60er Zyklus der chinesischen Kalender·kunde. Diesem Tag sind die Wandlungs·phase „Metall“ und das Tierkreis·zeichen „Affe“ zugeordnet.
Die Kōshin Nachtwache
Auf Japanisch heißt der Tag, an dem die Würmer den Körper verlassen können,
Kalendereinheit; Kombination von Metall und Affe im 60er Zyklus
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. Seine besondere Bedeutung für die Länge des Lebens scheint bereits unter den Adeligen der
auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)
Der Begriff „Heian“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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-Zeit bekannt gewesen zu sein. Zugleich waren sie der Über·zeugung, dass es möglich sei, die Spionage der Würmer zu unter·binden, wenn man die ent·sprechende Nacht durch·wachte und die Würmer so am Verlassen des Körpers hinderte. Aus diesem Grund organi·sierten sie in den Kōshin-Nächten ein geselliges Zusam·men·seins und hielten sich mit allerlei Spielen bis zum frühen Morgen wach. Daraus ent·wickelte sich der Brauch der Kōshin-Wache (
), die bis zum Beginn des zwanzigsten Jahr·hunderts in verschie·denen Formen in immer breiteren Schichten der Bevöl·kerung durchgeführt wurde.
Shōmen Kongō
Statue des Shingon Tempels Saishōin,
Hirosaki, Aomori-ken. Frühe Edo-Zeit.
Bild: Saishoin [2010/9]
Während die Heian-zeitlichen Adeligen eine eher sekuläre Form der Wür·mer·kur pfleg·ten, griff auch der japa·nische Buddhis·mus den Kōshin Glau·ben auf und inte·grierte ihn in das Karma Konzept. Die drei Würmer wurden so zu miss·güns·tigen Spio·nen im Dienste der kar·mischen Ver·gel·tung. Der daoi·stische Polar·stern·gott Tentei wurde mit Indra (jap.
Skt. Indra, eine der wichtigsten Gottheiten (deva) der indischen Mythologie. In Japan meist mit Brahma (jap. Bonten) in einem Atemzug genannt
Der Begriff „Taishaku-ten“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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), der ober·sten buddhis·tischen Beschüt·zer·gott·heit (Deva), später aber auch mit
skt. Yama; König oder Richter der Unterwelt; auch Enra; meist als Enma-ten oder Enma-ō angesprochen
Der Begriff „Enma“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, dem obersten Rich·ter des Karma-Ge·set·zes, gleich·ge·setzt. Nach und nach geriet eine dämo·nische Gott·heit namens
wtl. „grüngesichtiger Vajra“, dämonische Gottheit
Der Begriff „Shōmen Kongō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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(wtl. grün·ge·sich·tiger Vajra) — urspüng·lich ein Diener des Indra, der äußerlich den eso·teri·schen Mantra-Köni·gen (Myōō) nach·empfun·den ist — ins Zentrum des Kōshin Glau·bens. Zu Shōmen Kongō bete·ten die Gläu·bi·gen um Beistand, wenn sie das Tun der Würmer unter·binden und auf diese Weise ihr Leben ver·län·gern wollten.
Shōmen Kongō erscheint auf bildlichen Darstellungen oft in Beglei·tung der Drei Affen. Die Asso·zia·tion entstand mög·licher·weise daraus, dass der Tag, bzw. die Nacht, in der die Drei Würmer den Körper ver·lassen, mit dem Tier·kreis·zei·chen des Affen zu tun hat. In einem wei·teren Asso·zia·tions·schritt wurde der Affe mit dem ver·bun·den, was die Drei Würmer NICHT tun sollen: nichts sehen, nichts hören, und vor allem nichts aus·plau·dern. Auf Japa·nisch ist diese Ver·bin·dung leicht her·zustel·len, da saru („Affe“) zu -zaru („nicht“) umge·formt werden kann: „nichts sehen“, „nichts sagen“, „nichts hören“ (mizaru, iwazaru, kikazaru) kann also auch als „Seh-Affe“, „Sprech-Affe“, und „Hör-Affe“ ver·stan·den werden.
Das Drei Affen-Motiv verdankt seine Beliebtheit in Japan also nicht der Tat·sache, dass die Affen sich von allem Bösen fern·hal·ten wollen, wie heute gerne ange·nom·men wird. Sie stehen im Gegen·teil für den Wunsch, dass die Drei Würmer, die jeder in sich trägt, von ihrer ver·räte·rischen Auf·gabe abge·hal·ten werden sollen und der Mensch selbst weiter seinen Lastern frönen kann, ohne sich dabei vor einem frühen Tod fürchten zu müssen. Obwohl dieses Vor·haben auf den ersten Blick gegen buddhis·tische Moral·vorstel·lungen gerich·tet zu sein scheint, wider·sprach es nicht der land·läu·figen buddhis·tischen Praxis. Diese war stets bemüht, Schlupf·lö·cher im Gesetz des Karma aus·findig zu machen, und versprach den Gläu·bigen, mit dem gering·sten mög·lichen Auf·wand ein Maxi·mum an gutem Karma zu er·wirt·schaf·ten. Daher wurde der Kōshin-Glauben vom Buddhis·mus geför·dert, ja, es entstan·den sogar eigene Tempel für Shōmen Kongō, die Haupt·gott·heit des Kōshin-Glau·bens. Der älteste Tempel dieser Art befin·det sich im Gebäude·kom·plex des
buddh. Tempel im heutigen Ōsaka; zählt zusammen mit dem Asuka-dera zu den beiden ältesten Tempeln Japans (Gründung 593)
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in Osaka und wurde bereits um das Jahr 700 errichtet.
Drei Affen Gedenksteine
Kōshin-Gedenksteins aus der Edo-Zeit
Bildquelle: Makita Hidenosuke [2010/9]
Im späten Mittelalter bildeten sich schließlich Gruppen von Laien-Anhängern des Kōshin-Glaubens, die so·genann·ten Kōshin-Fra·ter·ni·tä·ten (
Bruderschaft des Kōshin-Glaubens
Der Begriff „kōshin-kō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
). Gemein·sam bemüh·ten sie sich, eine be·stimmte Anzahl von Kōshin-Näch·ten zu durch·wa·chen. Wenn es ihnen auf diese Weise gelang, drei Jahre lang die Drei Würmer von ihrem Rapport abzu·hal·ten, errich·te·ten sie Ge·denk·steine oder Kōshin-Stupas (
wtl. kōshin-Stupa; kōshin-Gedenkstein
Der Begriff „kōshin-tō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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). Typische Bei·spiele sol·cher Kōshin-Ge·denk·steine stellen die Drei Affen zu Füßen des Shōmen Kongō dar. Oft sind sie auch mit den Sym·bo·len von Sonne und Mond ver·se·hen, die hier für die Urkräfte des Uni·ver·sums, Yin und Yang, stehen. Aller·dings scheint das Drei-Affen-Motiv erst in der frühen Edo-Zeit Ein·gang in die Kōshin-Ikono·gra·phie ge·fun·den zu haben.
Stilistisch haben diese einfachen Steinskulp·tu·ren Ähnlich·kei·ten mit den volks·tüm·lichen Statuen des Jizō, die in Japan fast übe·rall zu finden sind, oder mit den Wegegöttern. Andere Ver·wandte sind Kannon mit dem Pferdekopf, die Komainu oder die Tor·wächter, die oft von Laien in sehr indi·vi·duel·ler Art in Stein ge·hauen wurden. Sie alle stehen für eine volks·tüm·liche Laien-Reli·gio·sität, die un·vor·ein·ge·nom·men von sämt·lichen Tradi·tio·nen Gebrauch macht. Obwohl die Wur·zeln des Kōshin-Glau·bens aus einer Mischung von Buddhis·mus und Daois·mus entstan·den sind, zeigen Beispiele aus der Edo-Zeit, dass Shōmen Kongō auch mit Shinto-Riten verehrt wurde. Der Kōshin-Glau·ben stellt inso·fern ein typi·sches Beispiel für die untrenn·bare Ver·flech·tung von Buddhis·mus und Shinto in der vor·mo·der·nen Zeit dar.
Links
- The Three Monkeys Worldwide, Emil Schuttenhelm (dt., en.)
Ausführliche Informationen und Sammelobjekte zu den Drei Affen.Letzte Überprüfung der Linkadressen: Aug. 2010
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„Affen, Würmer und durchwachte Nächte.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001