Aufbruch in eine neue Ära: Bakumatsu-Zeit, 1853–1867
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Unter bakumatsu [bakumatsu (jap.) 幕末 Ende des Tokugawa-Shōgunats, 1853–1867; wtl. Ende der Zeltregierung (bakufu)] versteht man die Spätzeit des Tokugawa [Tokugawa (jap.) 徳川 Kriegerdynastie, die während der Edo- oder Tokugawa-Zeit (1603–1867) das Amt des Militärmachthabers (Shōgun) inne hatte.] Shōgunats (bakufu [bakufu (jap.) 幕府 wtl. „Zeltregierung“; Militärregierung, Shōgunat]), in der es nach einer Friedenszeit von etwa 250 Jahren zum Verfall der staatlichen Autorität und zu bürgerkriegsartigen Unruhen kam. Strukturelle Faktoren (Verknöcherung der Bürokratie und des Steuerwesens; unzeitgemäßes Standessystem), ungünstige Klimaveränderungen (→ Ernterückgang → Hungersnöte), Erdbeben und Seuchen (durch Kontakt mit dem Ausland ausgelöst), führten zu einer Verschlechterung der Wirtschaft und einer Auflösung der bisherigen Machtstrukturen. Die wachsende Bedrohung durch den Westen zwang das Regime zur Aufgabe ihrer Isolationspolitik, was von den verschiedensten Seiten als Zeichen der Schwäche ausgelegt wurde. Rufe nach gesellschaftlicher Veränderung verschafften sich zunehmend Gehör.
Edo-Zeit, 1854. The British Museum.
Vorlage:Sidebox3 Die Krisensituation spitzte sich 1853 zu, als sich ein amerikanisches Geschwader unter Commodore Matthew Perry [Perry, Matthew (west.) 1794–1858; amerikanischer Admiral (Commodore), der 1853–1854 die Öffnung der japanischen Häfen für amerikanische Schiffe erwirkte] (1794–1858) unter Androhung militärischer Gewalt Zutritt zum Hafen von Uraga nahe Edo [Edo (jap.) 江戸 Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);] verschaffte. Perry erzwang im Auftrag der amerikanischen Regierung Verhandlungen, die den Amerikanern ein Handels- und Niederlassungsrecht in Japan ermöglichen sollten. 1854 gewährte Japan dieses Recht aus Angst, andernfalls eine ähnliche Situation wie im teilkolonialisierten China heraufzubeschwören. England, Frankreich, Russland und die Niederlande erhielten bald ähnliche Privilegien. In den für Ausländer frei gegebenen Gebieten (Yokohama und Hirado) begannen die ersten Ausländerghettos zu entstehen, Importe westlicher Produkte erregten allgemeines Interesse, führten aber auch zu Krisen der traditionellen Wirtschaft. Dies führte innenpolitisch zu enormen Spannungen und zu starken xenophoben Reaktionen, die den Niedergang des Shōgunats beschleunigten. Perry's Kanonenboote, die sogenannten „Schwarzen Schiffe“ (kurobune [kurobune (jap.) 黒舟 „Schwarze Schiffe“; volkstümliche Bezeichnung für die amerikanischen Kanonenboote, die 1853 die Öffnung Japans erzwangen]), wurden zum Synonym für ein bedrohliches Ausland. Ab den 1860er Jahren kam es zu gehäuften militärischen Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Machtblöcken in Japan. Auch Ausländer, die ja den Auslöser dieser Konflikte darstellten, waren davon betroffen.1 Unabhängig von ihrer ideologischen Position bemühten sich alle Lager um militärische Aufrüstung, was unweigerlich zur Kooperation mit westlichen Mächten führte. Dies setzte eine Spirale der Modernisierung in Gang, die nach der politischen Neuordnung von 1868 mit wachsender Beschleunigung fortgesetzt wurde.
Die wichtigsten politischen Akteure
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- Bakufu (Shōgunat), vertreten durch Ii Naosuke [Ii Naosuke (jap.) 井伊直弼 1800–1860; Staatsmann des Bakufu; wegen pro-amerikanischer Politik ermordet] (1815–1860), der die Verhandlungen mit Amerikas Vertreter Townsend Harris (1858), die Perrys Initiative besiegelten, im Alleingang abschloss. Autoritäre Haltung nach innen, kompromissbereit nach außen.
- Nordosten (Daimyate wie Mito [Mito (jap.) 水戸 Fürstentum bzw. Stadt im Nordosten der Kantō-Ebene, heute Teil von Ibaraki-ken.] oder Aizu-han [Aizu-han (jap.) 会津藩 Edo-zeitliches Daimyat in Nord-Japan, im Westen der heutigen Präfektur Fukushima] im Norden der Kantō-Region), vertreten durch Feudalherren wie Tokugawa Nariaki [Tokugawa Nariaki (jap.) 徳川斉昭 1800–1860; Daimyō von Mito; Staatsmann; Vertreter der sonnō jōi-Ideologie] (1800–1860). Autoritäre Haltung nach innen, kompromisslos nach außen.
- Südwesten (Daimyate Satsuma [Satsuma (jap.) 薩摩 alte Provinz im Süden der Insel Kyūshū, in der Edo-Zeit Fürstentum (Daimyat), das sich weitgehend mit der heutigen Präfektur Kagoshima deckte.] in Kyūshū, Chōshū [Chōshū (jap.) 長州 auch Nagato; alte Provinz im Westen von Japans Hauptinsel Honshū, heute Teil von Yamaguchi-ken.] in West-Honshū, Tosa [Tosa (jap.) 土佐 ehem. Provinz auf der Insel Shikoku, heute Kōchi-ken] in Shikoku). Relativ frühe Kontakte mit dem Westen, bakufu-kritisch, reformfreudig. Die meisten sogenannten Meiji-Oligarchen (politische Führer der Meiji-Zeit) stammen aus diesen Regionen.
- Kaiserlicher Hof (Kyōto), vertreten durch Kōmei Tennō [Kōmei Tennō (jap.) 孝明天皇 1831–1867; 121. Tennō Japans; (r. 1846–1867); letzter Tennō der Edo-Zeit, Vorgänger und Vater des Meiji Tennō] (1831–1867) oder Iwakura Tomomi [Iwakura Tomomi (jap.) 岩倉具視 1825–1883; Staatsmann der Meiji-Zeit; Leiter der Iwakura Mission Iwakura Shisetsudan, 1871–1873)] (1825–1883). In der Bakumatsu-Zeit kommt es dank der Tennō-loyalistischen Bewegungen zu einer Politisierung des kaiserlichen Hofes. Ideologisch gibt es eine starke Verbindung nach Mito (Tokugawa Noriaki), später auch nach Chōshū. Während Iwakura zu einem Pragmatiker wird und die Politik der frühen Meiji-Zeit aktiv mitgestaltet, bleibt die Mehrzahl der politisch aktiven Höflinge in der Übergangszeit von Edo zu Meiji extrem traditionalistisch und fremdenfeindlich.
Werk von Felice Beato. Späte Edo-Zeit, 1860er Jahre. Wikimedia Commons.
Ideologien
- Politische Slogans
- sonnō jōi [sonnō jōi (jap.) 尊王攘夷 „Ehrt den Kaiser, verjagt die Barbaren“; anti-westlicher Slogan des 19. Jh.s (Zitat aus den Frühling- und Herbstannalen des Konfuzius)], „Ehrt den Kaiser, vertreibt die Barbaren!“
- saisei itchi [saisei itchi (jap.) 祭政一致 Einheit von Ritus und Verwaltung bzw. von Religion und Staat], „Einheit von Ritus und Regierung“
- fukoku kyōhei [fukoku kyōhei (jap.) 富国強兵 „reiches Land, starkes Heer“; politischer Slogan des 19. Jh.s], „Reiches Land, starkes Heer“
- wakon yōsai [wakon yōsai (jap.) 和魂洋才 „Japanischer Geist, westliche Technik“; politischer Slogan der bakumatsu- und Meiji-Zeit], „Japanischer Geist, westliche Technik“
- bunmei kaika [bunmei kaika (jap.) 文明開化 „Aufklärung und Öffnung“; Modernisierungs-Slogan des 19. Jh.s], „Aufklärung und Öffnung“
- Weitere Schlagworte
- kokutai [kokutai (jap.) 国体 Nationalwesen, wtl. „Landeskörper“], Landeskörper, Nationalwesen
- fukko shintō [fukko shintō (jap.) 復古神道 „Restauration des antiken Shintō“; Restaurations-Shintō], Restaurations Shintō
- karagokoro [karagokoro (jap.) 唐心/漢意 „chinesischer Geist“; xenophober Begriff der kokugaku], „chinesischer Geist“
- yamato-damashii [yamato-damashii (jap.) 大和魂 „japanischer Geist“; Japanertum; nationalistisches Schlagwort] oder yamato-gokoro, „japanischer Geist“
- rangaku [rangaku (jap.) 蘭学 „Holland Studien“; in der Edo-Zeit: westliche Wissenschaft; der Namen erklärt sich aus der Tatsache, dass es im Edo-zeitlichen Japan den Holländern als einziger westlicher Nation gestattet war, Handelsverbindungen mit Japan zu unterhalten.], westliche Wissenschaften
Hirata-Schule
Die „Nationalen Studien“ (kokugaku [kokugaku (jap.) 国学 „Lehre des Landes“, Nationale Schule, Nativismus; in der Edo-Zeit entstandene Gelehrtentradition, die ihren Fokus auf das nationale Erbe Japans richtete]) erfreuten sich gegen Ende der Edo-Zeit insgesamt steigender Beliebtheit, doch beschränkten sich die meisten Vertreter auf die Produktion von gelehrten Abhandlungen, Gedichten und Romanen. Innerhalb der Schule des Hirata Atsutane [Hirata Atsutane (jap.) 平田篤胤 1776–1843; kokugaku-Gelehrter] kam es jedoch zu einer starken Politisierung, die auf einen Sturz des Shōgunats und eine Regierung unter kaiserlicher Führung ausgerichtet war.
Zu den Forderungen der Hirata-Schule zählte der Slogan saisei itchi [saisei itchi (jap.) 祭政一致 Einheit von Ritus und Verwaltung bzw. von Religion und Staat], „Einheit von Ritus und Regierung“, also die politische und religiöse Autorität geeint in der Person des Tennō. Als Wertesystem schwebte Atsutane die religiöse Welt Japans vor jeglichem buddhistischen und chinesischen Einfluss vor. Man sprach von der „Wiederherstellung des antiken Shintō“ (fukko shintō [fukko shintō (jap.) 復古神道 „Restauration des antiken Shintō“; Restaurations-Shintō]), die in den ersten Jahren der Meiji-Zeit dann tatsächlich zu den politischen Agenda der neuen Regierung zählte.
Wie schon Motoori Norinaga [Motoori Norinaga (jap.) 本居宣長 1730–1801; Shintō-Gelehrter der „nationalen Schule“ (kokugaku)] idealisierte Hirata Atsutane den vorgeblich schlichten, reinen „japanischen Geist“ (yamato-damashii [yamato-damashii (jap.) 大和魂 „japanischer Geist“; Japanertum; nationalistisches Schlagwort] oder yamatogokoro), der ohne komplizierte Lehrsätze spontan zu richtigen Entscheidungen finden würde, im Kontrast zum „chinesischen Geist“ (karagokoro [karagokoro (jap.) 唐心/漢意 „chinesischer Geist“; xenophober Begriff der kokugaku]), der moralische Entscheidungen durch Bücherwissen unnötig verkomplizieren würde. Damit war eine Kritik am Konfuzianismus und natürlich auch am Buddhismus verbunden.
Den größten Einfluss hatte die Hirata-Schule in „bürgerlichen“ und bäuerlichen Kreisen sowie in der Welt der Shintō-Schreine. Hier konnte Hirata Atsutane seine Stellung festigen, indem er zeitweise als Leiter der familieneigenen Shintō-Akademien der Priesterdynastien Yoshida und Shirakawa fungierte. Unter seinem Adoptivsohn Hirata Kanetane [Hirata Kanetane (jap.) 平田鉄胤 1799–1880; Kokugaku-Gelehrter] wurde Atsutane zu einer alles überragenden Gründerfigur stilisiert, während es gelang ein überregionales Netzwerk an Schülern und Sponsoren aufzubauen. Zwischen Atsutanes Tod im Jahr 1843 und der Blüte-Zeit der Schule in der frühen Meiji-Zeit erhöhte sich die Anzahl zahlender Schüler von 500 auf über 4000.2
Späte Mito-Schule
19.Jhd. Bildquelle: Bakumatsu Guide, (bildbearbeitet).
Die Mito-Schule hatte, im Gegensatz zur Hirata-Schule, einen regionalen Kern in der gleichnamigen Hauptstadt des Damyats Mito. Seit dem siebzehnten Jahrhundert waren Gelehrte in Mito mit der Abfassung eines gigantischen Geschichtswerks beschäftigt, der Dai Nihon-shi [Dai Nihon-shi (jap.) 大日本史 Gesamtdarstellung der japanischen Geschichte bis 1392 in 397 Bänden, verfasst zw. 1657 und 1906], die von Tokugawa Mitsukuni [Tokugawa Mitsukuni (jap.) 徳川光圀 1628–1701; Daimyō von Mito, konfuzianischer Gelehrter und Historiker] ins Leben gerufen worden war. Doch auch in Mito kam es unter dem oben erwähnten Tokugawa Nariaki, einem Nachfahren des Mitsukuni, zu einer starken Politisierung. Der Mito-Gelehrte Aizawa Seishisai [Aizawa Seishisai (jap.) 会沢正志斎 1782–1863; Gelehrter der Mito Schule; wichtiger Vertreter der sonnō jōi-Ideologie] trug durch seine „Neuen Thesen“ (Shinron [Shinron (jap.) 新論 1825 von Aizawa Seishisai geschriebene Kollektion von Essays, welche sich unter anderem mit der Tokugawa Verteidigungspolitik auseinandersetzen], 1825) zur Verbreitung des Slogans sonnō jōi [sonnō jōi (jap.) 尊王攘夷 „Ehrt den Kaiser, verjagt die Barbaren“; anti-westlicher Slogan des 19. Jh.s (Zitat aus den Frühling- und Herbstannalen des Konfuzius)] („Ehrt den Kaiser, vertreibt die Barbaren!“) bei, der besonders nach 1853/54 (Perry) in ganz Japan widerhallte. Während die darin zum Ausdruck gebrachte, radikal fremdenfeindliche Haltung nach der Meiji-Restauration (1868) rasch in den Hintergrund trat, erfuhr ein weiterer, von Aizawa popularisierter Terminus umso mehr Aktualität, nämlich kokutai [kokutai (jap.) 国体 Nationalwesen, wtl. „Landeskörper“] (wtl. „Landes-Körper“). Damit war im Wesentlichen die spezifische, angeblich unvergängliche Position des Tennō in der japanischen Geschichte und Kultur gemeint, doch erhielt der Terminus im Kontext des modernen Nationalismus verschiedene ideologische Schattierungen, sodass man ihn je nach Kontext als „Staatswesen“, aber auch als „nationale Essenz“ oder „nationale Identität“ übersetzen kann.
Die Ausdrücke sonnō jōi und kokutai stammen im übrigen ursprünglich aus konfuzianischen Klassikern. Daran zeigt sich bereits, dass die Mito-Schule nicht auf das Reservoir traditioneller konfuzianischer Werte verzichten wollte, auch wenn sie ebenso wie die Kokugaku den Buddhismus kritisierte und dem Shintō nahe stand. Die Mischung aus konfuzianischer Moral und nationalen Mythen, die in der Mito-Schule perfektioniert wurde, ist bis heute ein Markenzeichen konservativ-nationalistischer Kreise in Japan.
Mit der Gründung einer neuen Akademie, dem Kōdōkan [Kōdōkan (jap.) 弘道館 Akademie der konfuzianischen Mito-Schule; wtl. Schule zur Verbreiterung des Weges; gegr. 1841 von Tokugawa Nariaki] (1841), wurden die politischen Visionen der späten Mito-Schule institutionalisiert und verdrängten den historiographischen Ansatz der frühen Zeit. Neben Aizawa etablierte sich auch Fujita Tōko [Fujita Tōko (jap.) 藤田東湖 1806–1855; Gelehrter der Mito-Schule] als prononcierter Vertreter eines Tennō-zentrierten und zugleich konfuzianischen Nationalismus.
In realpolitischer Hinsicht unterschied sich die Mito-Ideologie allerdings auch insofern von der Hirata-Schule, als es nie um die Abschaffung des Shōgunats ging. Es sollte lediglich die Hierarchie zwischen Tennō und Shōgun symbolisch deutlicher zum Ausdruck gebracht werden. Tokugawa Nariaki sah darin explizit ein Mittel, um den Gedanken der Loyalität zwischen Shōgun und Kriegerkaste auch innerhalb des Verbandes der Daimyō wieder stärker zu akzentuieren. Im übrigen versuchte er, durch politische Pakte mit dem Kaiserhof seine eigene Position innerhalb des Tokugawa Sippenverbandes zu stärken.
Werk von Utagawa Kuniteru (1808–1876). Späte Edo-Zeit. Wikimedia Commons.
Nicht nur ideologisch, sondern auch militärisch zählten Nariaki und seine Vasallen aus Mito zu den schlagkräftigsten Vertretern der sonnō jōi Bewegung. Empört über die aus ihrer Sicht übereilten Verträge mit den Westmächten gelang es einigen Mito Samurai den politischen Hauptverantwortlichen, Ii Naosuke, 1860 zu ermorden. Nariaki wurde daraufhin zum wiederholten Male aus der Hauptstadt Edo in seine Provinz verbannt, wo er im gleichen Jahr eines natürlichen Todes starb, doch ansonsten fiel die Reaktion des Bakufu verhältnismäßig milde aus und der politische Einfluss Mitos nahm zu.
1866 sollten Nariakis realpolitische Ziele schließlich Realität werden, als sein Sohn Yoshinobu [Tokugawa Yoshinobu (jap.) 徳川慶喜 1837–1913; letzter Tokugawa-Shōgun aus der Linie der Mito Tokugawa; (r. 1866–1867); auch Tokugawa Keiki] (auch: Keiki) zum neuen Shōgun gekürt wurde. Doch wurde seine Regierung nach kaum einem Jahr durch den Putsch Tennō-loyaler Truppen aus West-Japan beendet. Während eine Art Kompromiss zwischen Bakufu und Tennō-Restauration für kurze Zeit möglich schien, kam es 1868 schließlich doch zu einem kurzen, aber heftigen Bürgerkrieg, in dem sich die Mito-Anhänger als Feinde des Tennō wiederfanden. In der Meiji-Zeit wurde die Mito-Schule allerdings schon bald wieder rehabilitiert.
Reform-Ideologen
Der Westen Japans wurde traditionell von Familien beherrscht, die die Tokugawa zu den tozama daimyō [tozama daimyō (jap.) 外様大名 Gruppe von Daimyō die erst nach der Schlacht von Sekigahara zu Vasallen von Tokugawa Ieyasu wurden; ehemalige Gegner der Tokugawa Shōgune] zählten. Es waren dies wörtlich „entfernte Landesfürsten“, deren Vorfahren einst gegen die Tokugawa gekämpft hatten. Sie waren daher politisch isoliert, doch dank der Nähe zum Kontinent und der damit verbundenen Kontrolle von Handelsrouten gelang es ihnen in der Bakumatsu-Zeit, die wirtschaftlichen Probleme des Landes besser zu meistern als andere Regionen.
Ähnlich wie Mito etablierten auch die westlichen Daimyate regionale Akademien, in denen allerdings auch „holländische Studien“ (rangaku [rangaku (jap.) 蘭学 „Holland Studien“; in der Edo-Zeit: westliche Wissenschaft; der Namen erklärt sich aus der Tatsache, dass es im Edo-zeitlichen Japan den Holländern als einziger westlicher Nation gestattet war, Handelsverbindungen mit Japan zu unterhalten.]) gelehrt wurden. Darunter verstand man sämtliche aus Europa und Amerika stammende Wissensgebiete, im besonderen aus dem naturwissenschaftlichen Bereich. Diese Studien wurden vor allem in Hinblick auf die Modernisierung des Militärs voran getrieben. Die größere Offenheit gegenüber westlichen Technologien dürfte wohl auch der Grund dafür gewesen sein, warum sich Truppen aus West-Japan schließlich in der Meiji-Restauration durchsetzen konnten.
Ideologisch waren aber auch die meisten Intellektuellen aus West-Japan durch den sonnō jōi Slogan geprägt. Auch im Lager der Reformer oder Modernisierer sah man also die Wiederherstellung der kaiserlichen Autorität und den Hinauswurf der Westmächte als oberstes Ziel an. Der Unterschied lag in der Wahl der Mittel bzw. in der Bereitschaft, vom westlichen Feind zu lernen.
Yoshida Shōin
National Diet Library, Tōkyō.
Yoshida Shōin [Yoshida Shōin (jap.) 吉田松陰 1830–1859; Gelehrter der westlichen Wissenschaften; Aktivist der sonnō jōi-Ideologie] (1830–1859) ist der bekannteste Vertreter der westjapanischen sonnō jōi-Bewegung. Er hatte einen besonders nachhaltigen Einfluss, da ein hoher Anteil von Politikern der Meiji-Zeit, angefangen von Premier Itō Hirobumi [Itō Hirobumi (jap.) 伊藤博文 1841–1909; Staatsmann; Premierminister der Meiji-Zeit], einst zu seinen Schülern gezählt hatten. Er starb allerdings schon in jungen Jahren als politischer Häftling des Shōgunats und wird daher auch als „Märtyrer der Meiji-Restauration“ bezeichnet.
Shōin stammte aus Hagi, dem Zentrum des Daimyats Chōshū [Chōshū (jap.) 長州 auch Nagato; alte Provinz im Westen von Japans Hauptinsel Honshū, heute Teil von Yamaguchi-ken.] (heute Yamaguchi-ken) im äußersten Westen der Hauptinsel Honshū. Schon als Jugendlicher studierte und lehrte er an einer Art Militärakademie in Hagi, geriet aber auch unter den Einfluss von Sakuma Shōzan [Sakuma Shōzan (jap.) 佐久間象山 1811–1864; Gelehrter des Konfuzianismus, des Militärwesens und der Rangaku (westliche Wissenschaften)], der konfuzianische Studien mit westlicher Naturwissenschaft verband. 1854 (mit vierundzwanzig) fasste Shōin den Entschluss, heimlich auf Perrys Schiffen nach Amerika zu reisen, um die westlichen Wissenschaften aus nächster Nähe kennen zu lernen. Nachdem der Plan vereitelt wurde, verbrachte Shōin die meiste Zeit seines restlichen Lebens unter Arrest. In Hagi bedeutete dies jedoch nicht, dass er auf Lehre und Studium verzichten musste, im Gegenteil, er verwandelte seine Zelle – mit wohlwollender Duldung des Landesfürsten – in eine Gelehrtenstube und begann einen rasch wachsenden Schülerkreis um sich zu scharen. Kaum in Freiheit, schmiedete er ein Mord-Komplott gegen einen Vertrauten von Ii Naosuke (s.o.), das wiederum scheiterte und ihm weitere komfortable Gefängnisaufenthalte in Hagi bescherte. Ii Naosuke verlangte jedoch im Zuge der „Säuberung der Ansei-Ära“ Shōins Auslieferung nach Edo, die mit der Hinrichtung Yoshida Shōins endete.
Trotz seines radikalen Anti-Ausländer Aktivismus wirkt Shōin weniger fremdenfeindlich als etwa die Mito-Schule, da er sich für eine Öffnung des Landes und eine Auseinandersetzung mit der westlichen Kultur und Technik engagierte. Seine Haltung lässt sich mit den Slogans fukoku kyōhei [fukoku kyōhei (jap.) 富国強兵 „reiches Land, starkes Heer“; politischer Slogan des 19. Jh.s] und wakon yōsai [wakon yōsai (jap.) 和魂洋才 „Japanischer Geist, westliche Technik“; politischer Slogan der bakumatsu- und Meiji-Zeit] beschreiben, die etwa zu dieser Zeit entstanden. In letzter Konsequenz nahm Shōin jedoch bereits den Kolonialismus des zwanzigsten Jahrhunderts vorweg, indem er das Ziel vorgab, sich westliche Technologien anzueignen, um selbst in der Lage zu sein, benachbarte Länder zu anektieren und zur Weltmacht aufzusteigen.3
Shōin akzentuierte also die reformistischen Aspekte der sonnō jōi Ideologie, die vor und während des Umschwungs von 1868 tatsächlich Gestalt annahmen:
- Tennō-Zentrismus (sonnō) als Mittel der Zentralisierung von staatlicher Gewalt und
- Maßnahmen gegen den Westen (jōi) auf der Grundlage eines genauen Studiums der „Barbaren“.
Unter Shōins Schülern kam schließlich ein weiteres Schlagwort bunmei kaika [bunmei kaika (jap.) 文明開化 „Aufklärung und Öffnung“; Modernisierungs-Slogan des 19. Jh.s] zur Geltung, „Aufklärung und Öffnung“, das man auch als Euphemismus für „Verwestlichung“ interpretieren könnte. Nach der Meiji-Restauration interpretierten manche Reformer dieses Schlagwort in der Tat so weit, dass es zur Negierung eigener Traditionen und Bräuche und einer Bejahung alles Westlich-Modernen kam. Diese Identifikation mit einer als höher und mächtiger empfundenen Kultur, führte aber nicht zur Aufgabe jeden nationalen Selbstbewusstseins. Dieses fand im Gegenteil eine neue Identifikationsfigur im japanischen Kaiserhaus und ein neues Aktionsfeld im modernisierten Militär. Insgesamt folgte die Meiji-Politik daher in erstaunlich hohem Maß den Leitlinien, die Yoshida Shōin nicht nur in seinen Schriften, sondern auch in seinem politischen Aktivismus vorgegeben hatte.
Gesellschaftliche Veränderungen
In territorialer Hinsicht lassen sich die Ereignisse zwischen 1853 und 1868, die letztlich zur Meiji [Meiji (jap.) 明治 posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt]-Restauration führten, auch als eine Art innerjapanischer Ost-West Konflikt darstellen. Der Osten war die Domäne der Tokugawa, gegen die sich im Laufe der Edo-Zeit eine neue Opposition formiert hatte. Der kaiserliche Hof stellte so etwas ein Pfand dar, das den Sieger in jedem Fall legitimieren würde, sofern er sich dem Tennō symbolisch unterordnete. Das westliche Lager konnte sich zwar leichter für eine neue Herrschaftsform im Namen des Tennō begeistern, war aber zunächst noch gespalten. Erst als sich die mächtigsten Daimyō (Mori und Shimazu) zu einer Allianz zusammenschlossen, gelang es, das Bakufu, das schlussendlich vom Nordosten militärisch unterstützt wurde, zu stürzen. Nach der formalen Angelobung der neuen Regierung durch Meiji Tennō [Meiji Tennō (jap.) 明治天皇 1852–1912; 122. japanischer Kaiser (r. 1867–1912); Namensgeber und politische Symbolfigur der Meiji-Zeit; Eigenname: Mutsuhito] im 4. Monat 1868 dauerte es aber noch ein ganzes Jahr, bis die letzten Truppen aus Edo, Mito und Aizu, die sich zuletzt in Hokkaidō verschanzten, militärisch unterworfen werden konnten (Bōshin [Bōshin Sensō (jap.) 戊辰戦争 Bōshin-Krieg (1868–1869); Bürgerkrieg zwischen Tennō-Loyalisten und Shōgunatstruppen am Beginn der Meiji-Zeit. Bōshin bezeichnet das Jahr 1868]-Krieg).
Soziologisch gesehen führten die Ereignisse der Bakumatsu-Zeit zum Aufstieg neuer Schichten. Die Daimyō-Dynastien des Kriegeradels traten in den Hintergrund, junge, ehrgeizige Vertreter des niederen Samurai-Standes übernahmen im Namen des Tennō die politische Führung. In der Meiji-Zeit regierte zunächst eine Allianz von Hofadeligen (kuge [kuge (jap.) 公家 Hofadel; die führenden höfischen Familien]) und ehemaligen Vasallen der westlichen Daimyō. Diese ersetzten die alten Rangsysteme des Hof- und Kriegeradels durch neue, an Europa angelehnte Titel (Fürst, Graf, Baron...) und bildeten auf diese Weise eine neue Aristokratie, der nun auch der Geldadel angehörte und die die Gesellschaft bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs dominierte. Dies erklärt wahrscheinlich auch, warum die alten Klanrivalitäten, die das politische Geschehen die ganze Edo-Zeit hindurch bestimmt hatten, in der Meiji-Zeit so rasch beseitigt werden konnten.
Dabei ließ sich der Künstler offenbar von den Umzügen inspirieren, die ab Mitte 1867 in vielen Landesteilen spontan um sich griffen. Diese sind nach dem Refrain der Gesänge, die dabei gesungen wurden, als ee ja nai ka („ist doch gut so“ oder „was ist schon dabei“) Umzüge bekannt. Auslöser waren z.T. auch Gerüchte von mysteriösen Geldregen, die sich insbesondere während der Pilgerfahrten nach Ise ereigneten.
Dass sich im kommenden Jahr 1868 ein politischer Umschwung ereignen würde, war dem Künstler natürlich nicht bewusst, doch deutet sich in dem hektischen Treiben die aufgeladene Stimmung unter der allgemeinen Bevölkerung in den Jahren 1867 und 1868 an. Diese Stimmung scheint auf dem Bild durch die Münzen hervorgerufen zu werden, die von der drachenreitenden Gestalt in der linken oberen Bildecke in die Menge geworfen werden. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Amaterasu, die Hauptgottheit des Ise Schreins.Werk von Kawanabe Kyōsai (1831–1889). Edo-Zeit, 1867. National Diet Library, Tōkyō.
Die Schnelligkeit und scheinbare Leichtigkeit dieser Veränderungen war vor allem zwei Faktoren geschuldet: Dem Druck von außen (Gefahr der Kolonialisierung), den man sicher zu recht als reale Gefahr ansah, und dem Druck „von unten“, in Form von Bauernaufständen und milliennaristischen Bewegungen, die eine unspezifische, aber durchaus machtvolle Sehnsucht nach „Welterneuerung“ (yonaoshi [yonaoshi (jap.) 世直し Welterneuerung; „Weltsanierung“; gesamtgesellschaftliche Umwälzung]) zum Ausdruck brachten. In dieser Situation war den politischen Eliten offenbar bewusst, dass eine Fortsetzung des gesellschaftlichen Stillstands den Untergang der nationalen Souveränität und/oder flächendeckende Volksaufstände bedeutet hätte und dass ein Systemwandel daher unumgänglich war. Dieser Eindruck ergibt sich jedenfalls angesichts der relativ hohen Kompromiss- und Reformbereitschaft der oben skizzierten Lager. Auf persönlicher Ebene sah die Sache allerdings anders aus: Kaum eine politisch exponierte Persönlichkeit dieser Tage starb eines natürlichen Todes, Attentate, Meuchelmorde und spektakuläre seppuku [seppuku (jap.) 切腹 ritueller Selbstmord durch Bauchschnitt; „Harakiri“] standen auf der Tagesordnung. Daran sollte sich auch nach dem Umsturz von 1868 nur wenig ändern.
Die Bakumatsu-Zeit war also auch eine Zeit des Klassenkampfes, der eine mit der französischen Revolution vergleichbare Umschichtung der Gesellschaftsstruktur mit sich brachte. All dies geschah allerdings auf der Grundlage der sonnō-Ideologie, die eine Rückkehr zu einer idealisierten Tennō-Herrschaft versprach und sämtliche Veränderungen unter dem Mantel der loyalen Pflichterfüllung gegenüber Kaiser und Vaterland rechtfertigte.
Verweise
Fußnoten
- ↑ Der Höhepunkt ausländerfeindlicher Aktionen fällt in das Jahr 1863, als Kōmei Tennō ohne Rücksprache mit dem Bakufu den „Befehl zur Vertreibung der Barbaren“ erließ. Dieser Befehl wurde zwar auf Druck des Bakufu zurück genommen, von den Daimyō in Chōshū (West-Japan) allerdings dennoch befolgt. Vereinzelte Angriffe auf westliche Schiffe in der Meerenge von Shimonoseki führten zu einer Serie von Seeschlachten um diese wichtige Passage, in denen das Daimyat Chōshū einer Allianz westlicher Flottenverbände gegenüberstand und sich 1864 geschlagen geben musste. Dies führte zu einer vorübergehenden Stärkung des Shōgunats.
- ↑ Wachutka 2013, S. 4.
- ↑ „[Wir müssen] die Mandschurei besetzen und Russland bedrohen, Korea unterwerfen und uns China zuwenden, die Südinseln in Besitz nehmen und Indien angreifen.“ Brief an Yamada Raiki, 1856, zitiert nach Dumoulin 1939. Heinrich Dumoulins Aufsatz ist im übrigen ein gutes Beispiel für die kritiklose Verherrlichung von Shōins Patriotismus durch einen führenden deutschen Japanologen der Zwischenkriegszeit.
Internetquellen
- With Perry to Japan, Auszüge aus den Memoiren des Malers Wilhelm Heine, Brown University. (S.a. Reise um die Erde nach Japan an Bord der Expeditions-Escadre unter Commodore M.C. Perry, 1856, dtspr. Original auf Open Library).
- Black Ships and Samurai, Teilprojekt von Visualizing Cultures, Massachusetts Institute of Technology.
Literatur
Bilder
- ^ Drei Schiffe des Geschwaders von US Commodore Matthew Perry bei seinem zweiten Besuch Japans, 1854. Perry war mit insgesamt neun Schiffen und etwa 1800 Mann Besatzung unterwegs. Im Vordergrund das Flaggschiff „Powhatan“ — der als kurobune bekannt gewordenen Schiffe — Amerikas dritter, brandneuer Schaufelraddampfer (1850). Das Bild stammt aus einer japanischen Querbildrolle auf der Grundlage von Zeichnungen von Hibata Ōsuke, der den Besuch der Amerikaner und ihre technischen Wunderwerke akribisch aufzeichnete.
Edo-Zeit, 1854. The British Museum. - ^ Eine Gruppe junger Samurai bei militärischer Lagebesprechung (1864?). Einige in traditioneller Kleidung, andere teilweise in westlichen Uniformjacken. Der Photograph, Felice Beato, eröffnete 1863 eines der ersten Photostudios in Japan und erhielt schon vor 1868 die Möglichkeit, außerhalb der Ausländerghettos zu photographieren.
Werk von Felice Beato. Späte Edo-Zeit, 1860er Jahre. Wikimedia Commons. - ^ Der Mito-Gelehrte Aizawa Seishisai, 1782–1863.
19.Jhd. Bildquelle: Bakumatsu Guide, (bildbearbeitet).
- ^ Aufständische Vassallen von Mito in einer militärischen Konfrontation mit den Truppen des bakufu, die als Aufstand der Tengu-Partei (tengu-tō no ran, 1864–65) in die Geschichte einging. Auf ihrem Banner haben die Tennō-treuen Mito-Kämpfer den Wahlspruch sonnō jōi, „Ehrt den Kaiser, verjagt die Barbaren“, angebracht. In diesem Fall kämpfte aber selbst das Fürstenhaus von Mito auf der Seite des Shōgunats gegen die eigenen Vasallen.
Werk von Utagawa Kuniteru (1808–1876). Späte Edo-Zeit. Wikimedia Commons. - ^ Der politische Reformer und Wegbereiter der Meiji Restauration Yoshida Shōin.
National Diet Library, Tōkyō. - ^ Die im Titel angesprochenen Erntedank-Tänze (hōnen odori) werden hier von Alltags-Figuren ausgeführt wie Bauern, Freudenmädchen oder fahrenden Nonnen, dazwischen mischen sich aber auch Götter wie Ebisu, Shōki oder Uhō Dōji. Das Bild ist eigentlich ein Kalender, auf dem verschiedene Kalenderdaten für das Jahr Keiō 4 (1868) eingeschrieben sind. Die zwölf tanzenden Figuren sind wohl auch die zwölf Monate, angedeutet durch die Zwölf Tierkreiszeichen (jūni shi).
Dabei ließ sich der Künstler offenbar von den Umzügen inspirieren, die ab Mitte 1867 in vielen Landesteilen spontan um sich griffen. Diese sind nach dem Refrain der Gesänge, die dabei gesungen wurden, als ee ja nai ka („ist doch gut so“ oder „was ist schon dabei“) Umzüge bekannt. Auslöser waren z.T. auch Gerüchte von mysteriösen Geldregen, die sich insbesondere während der Pilgerfahrten nach Ise ereigneten.
Dass sich im kommenden Jahr 1868 ein politischer Umschwung ereignen würde, war dem Künstler natürlich nicht bewusst, doch deutet sich in dem hektischen Treiben die aufgeladene Stimmung unter der allgemeinen Bevölkerung in den Jahren 1867 und 1868 an. Diese Stimmung scheint auf dem Bild durch die Münzen hervorgerufen zu werden, die von der drachenreitenden Gestalt in der linken oberen Bildecke in die Menge geworfen werden. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Amaterasu, die Hauptgottheit des Ise Schreins.
Werk von Kawanabe Kyōsai (1831–1889). Edo-Zeit, 1867. National Diet Library, Tōkyō.
Glossar
- Aizawa Seishisai 会沢正志斎 ^ 1782–1863; Gelehrter der Mito Schule; wichtiger Vertreter der sonnō jōi-Ideologie
- Bōshin Sensō 戊辰戦争 ^ Bōshin-Krieg (1868–1869); Bürgerkrieg zwischen Tennō-Loyalisten und Shōgunatstruppen am Beginn der Meiji-Zeit. Bōshin bezeichnet das Jahr 1868
- bunmei kaika 文明開化 ^ „Aufklärung und Öffnung“; Modernisierungs-Slogan des 19. Jh.s
- Dai Nihon-shi 大日本史 ^ Gesamtdarstellung der japanischen Geschichte bis 1392 in 397 Bänden, verfasst zw. 1657 und 1906
- fukko shintō 復古神道 ^ „Restauration des antiken Shintō“; Restaurations-Shintō
- fukoku kyōhei 富国強兵 ^ „reiches Land, starkes Heer“; politischer Slogan des 19. Jh.s
- Harris, Townsend (west.) ^ 1804–1878; erster Konsul der Vereinigten Staaten in Japan
- Hirado-shi 平戸市 ^ Stadt in der Präfektur Nagasaki
- Hirata Kanetane 平田鉄胤 ^ 1799–1880; Kokugaku-Gelehrter
- Ii Naosuke 井伊直弼 ^ 1800–1860; Staatsmann des Bakufu; wegen pro-amerikanischer Politik ermordet
- Itō Hirobumi 伊藤博文 ^ 1841–1909; Staatsmann; Premierminister der Meiji-Zeit
- Iwakura Tomomi 岩倉具視 ^ 1825–1883; Staatsmann der Meiji-Zeit; Leiter der Iwakura Mission Iwakura Shisetsudan, 1871–1873)
- Kōdōkan 弘道館 ^ Akademie der konfuzianischen Mito-Schule; wtl. Schule zur Verbreiterung des Weges; gegr. 1841 von Tokugawa Nariaki
- Kōmei Tennō 孝明天皇 ^ 1831–1867; 121. Tennō Japans; (r. 1846–1867); letzter Tennō der Edo-Zeit, Vorgänger und Vater des Meiji Tennō
- Meiji Tennō 明治天皇 ^ 1852–1912; 122. japanischer Kaiser (r. 1867–1912); Namensgeber und politische Symbolfigur der Meiji-Zeit; Eigenname: Mutsuhito
- Mōri-shi 毛利氏 ^ einflussreicher Daimyō-Klan seit der Sengoku Jidai, in der Edo-Zeit Daimyō von Chōshū im Westen von Honshū
- Perry, Matthew (west.) ^ 1794–1858; amerikanischer Admiral (Commodore), der 1853–1854 die Öffnung der japanischen Häfen für amerikanische Schiffe erwirkte
- saisei itchi 祭政一致 ^ Einheit von Ritus und Verwaltung bzw. von Religion und Staat
- Sakuma Shōzan 佐久間象山 ^ 1811–1864; Gelehrter des Konfuzianismus, des Militärwesens und der Rangaku (westliche Wissenschaften)
- Shinron 新論 ^ 1825 von Aizawa Seishisai geschriebene Kollektion von Essays, welche sich unter anderem mit der Tokugawa Verteidigungspolitik auseinandersetzen
- Shirakawa-ke 白川家 ^ Priesterfamilie, die traditionellerweise das oberste Amt (haku) des höfischen Götteramts (Jingi-kan) innehatte und in der Edo-Zeit zusammen mit den konkurrierenden Yoshida die oberste Instanz der Shinto-Priester darstellte
- Tokugawa Yoshinobu 徳川慶喜 ^ 1837–1913; letzter Tokugawa-Shōgun aus der Linie der Mito Tokugawa; (r. 1866–1867); auch Tokugawa Keiki
- tozama daimyō 外様大名 ^ Gruppe von Daimyō die erst nach der Schlacht von Sekigahara zu Vasallen von Tokugawa Ieyasu wurden; ehemalige Gegner der Tokugawa Shōgune
- wakon yōsai 和魂洋才 ^ „Japanischer Geist, westliche Technik“; politischer Slogan der bakumatsu- und Meiji-Zeit
- yamato-damashii 大和魂 ^ „japanischer Geist“; Japanertum; nationalistisches Schlagwort
- Yokohama-shi 横浜市 ^ Großstadt in der Präfektur Kanagawa
- Yoshida Shōin 吉田松陰 ^ 1830–1859; Gelehrter der westlichen Wissenschaften; Aktivist der sonnō jōi-Ideologie
Religion in Japan, Inhalt
- 一 Grundbegriffe
- 二 Bauten
- 五 Mythen
- Einleitung
- Mythologie:
- Götter des Himmels
- Götter der Erde
- Jenseits:
- Jenseits
- Geister:
- Totengeister
- Dämonen
- Tiere:
- Imaginäre Tiere
- Verwandlungskünstler
- Symboltiere
- 六 Geschichte
- Einleitung
- Altertum:
- Prähistorie
- Frühzeit
- Nara-Zeit
- Frühe kami-Kulte
- Heian-Zeit
- Saichō
- Kūkai
- Honji suijaku
- Mittelalter:
- Kamakura-Zeit
- Amidismus
- Zen Buddhismus
- Nichiren Buddhismus
- Mittelalterl. Shintō
- Frühe Neuzeit:
- Reichseinigung
- Christentum
- Terauke-System
- Neo-Konfuzianismus
- Kokugaku
- Moderne und Gegenwart:
- Bakumatsu-Zeit
- Staatsshintō
- Neue Religionen
- 七 Essays
- Überblick
- Buddhismus, Asien:
- Arhats in China und Japan
- Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
- Bishamon-ten: Wächter und Glücksgott
- Riesen-Buddhas: Im Kampf gegen die Unbeständigkeit des irdischen Daseins
- Lokale Vorstellungen, Japan:
- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
- Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit
- Religion und Politik:
- Die Tenshō-Mission: Beginn einer schwierigen transnationalen Beziehung
- Yasukuni: Der Schrein des ‚friedlichen Landes‘
- Herrigels Zen und das Bogenschießen
- Anhang
- Metalog
- Konzept
- Autor
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„Aufbruch in eine neue Ära: Bakumatsu-Zeit, 1853–1867.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001