Religion und Familie

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Religion und Familie

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In den meisten Kulturen gehört es zu den Auf·ga·ben der Religion, wich·ti·ge Ab·schnit·te im Verhältnis des einzel·nen und seiner Familie rituell zu markieren: Im christlichen Kontext kennt man u.a. die Taufe (Eintritt in die Familie), Fir·mung/Kon·fir·mation (Eintritt ins Er·wach·senen·alter), Hochzeit und Be·stat·tungs·riten. Im moder·nen Japan gibt es in dieser Hinsicht die Be·sonder·heit, dass je nach Anlass eine andere Religion zur Auswahl steht. Daher heißt es auch: Shin·tō·is·tisch geboren werden, christlich heiraten, bud·dhis·tisch begraben werden. Diese Formel trifft zwar sicher nicht auf die gesamte Be·völk·erung zu, cha·rak·terisiert aber doch bestimmte Ideal- oder Norm·vor·stel·lungen.

Kindheit

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Kinder beim Shichigosan-Fest
Die Hauptrolle beim Shichigosan-Fest spielen eindeutig Mädchen in ihren farbenprächtigen Kimonos.
Bildquelle: Shige's Wallpapers, über Internet Archive.

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Die Taufe wird in Japan nur von überzeugten Christen in Anspruch ge·nom·men, also von maximal 3% der Be·völk·erung. Eine direkte Ent·sprech·ung der Taufe gibt es weder im Bud·dhis·mus noch im Shintō. Es gibt jedoch den Brauch, den traditionel·len Neu·jahrs-Schrein·besuch (

hatsumōde 初詣 (jap.)

Schrein-Neujahrsbesuch

Ritus

Der Begriff „hatsumōde“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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), der auf die Geburt eines Babys folgt, beson·ders feier·lich zu begehen. Neu·geborene Mädchen erhal·ten bei diesem Anlass einen reich dekorier·ten Feder·ball·schläger (

hagoita 羽子板 (jap.)

Federball-Schläger

Gegenstand

Der Begriff „hagoita“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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) als Glücks·amulett, kleine Buben einen „Dämonen·abwehr-Bogen“ (

hamayumi 破魔弓 (jap.)

Glücksbogen, wtl. Dämonentöter-Bogen

Gegenstand

Der Begriff „hamayumi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

). Dieser passt symbolisch zu den Glücks·pfeilen (

hamaya 破魔矢 (jap.)

Glückspfeil, wtl. Dämonentöter-Pfeil

Gegenstand

Der Begriff „hamaya“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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), die man übli·cher·weise zu jedem Neu·jahrs·besuch bei Schreinen erwer·ben kann. All diese Bräuche werden mit dem Shintō assoziiert. Einen speziel·len Segen durch einen Priester gibt es bei diesem Anlass jedoch nicht.

Darüber hinaus begehen Shintō-Schreine Mitte Novem·ber das

Shichigosan 七五三 (jap.)

Shichigosan-Fest für Kinder von drei, fünf, und sieben Jahren

Kalender, Ritus

Der Begriff „Shichigosan“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Glossarseiten

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-Fest für drei-, fünf- und sie·ben·jäh·rigen Kinder. Zu diesem Zeit·punkt kann man in allen größeren Schreinen Japans kleine Kinder in den putzigsten Ki·mo·nos und foto·gra·fie·rende Eltern beobach·ten. Manche Familien lassen zu diesem Anlass auch einen Rei·ni·gungs·ritus (

harae(jap.)

Purifikation, Weihezeremonie, Exorzismus

Ritus

Der Begriff „harae“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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) für die Kinder durch einen Shintō-Priester durchführen.

Tra·ditionel·lerweise wurde der Mann·bar·keits·zeremonie (genpuku [genpuku (jap.) 元服 Traditionelle, japanische Mannbarkeitszeremonie, deren Entstehung bis ins japanische Altertum (7./8. Jh.) zurückgeht]) junger Männer mehr Gewicht bei·ge·messen als Geburts- und Heirats·riten. Junge Männer erhiel·ten dabei meist einen neuen Namen, kleideten sich ab da anders und trugen die Haupt·haar in einem Knoten. Mädchen voll·zo·gen einen ähnlichen Wechsel erst nach der Heirat. Heute ist von dieser Tradition aber kaum mehr etwas übrig geblieben. Traditionelle Feiern, die den Übergang von der Kindheit zum Erwach·senen·dasein markieren, sind in Japan wie im Westen durch die Ein·füh·rung der allgemeinen Schul·pflicht dem profanen Bereich der Schul·er·ziehung über·antwor·tet worden. Was es an religiösen Riten gab, wird mehr und mehr von der feier·lichen Ver·teilung eines Abschluss·zeug·nisses ersetzt.

Heirat

brautpaar

Hochzeitsriten in Japan

2008 1998
christlich 64% 53%
shintōistisch 18% 32%
konfessionslos 16% 11,5%
buddhistisch k.A. 0,8%
sonstige k.A. 2,3%


Quellen: NIPPONIA 9, 1999;
Wikipedia Japan (2009/9)

Große Hoch·zeits·ze·re·monien (

kekkonshiki 結婚式 (jap.)

Hochzeitszeremonie

Ritus

Der Begriff „kekkonshiki“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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) haben in Japan keine lange Tradition. Das hängt möglicher·weise damit zusam·men, dass die Einehe früher nicht ver·pflich·tend war und es beson·ders unter den gesell·schaft·lichen Eliten ver·schiedene Formen von Haupt- und Neben·frauen, von Probe·ehen, u.a.m. gab. Während im christlichen Abend·land die Ein·ehe durch Jahr·hunderte in erster Linie religiös und erst in zweiter Linie gesetz·lich legi·timiert wurde, verlief dieser Prozess in Japan umgekehrt: Ein gesetzliches Verbot der Viel·ehe gibt es erst seit der

Meiji 明治 (jap.)

posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt

Der Begriff „Meiji“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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-zeit·lichen Ver·fassung (1890). Eine ent·sprechende reli·giöse Zere·monie fehlte damals noch. Erst etwa zehn Jahre später entstand auch ein Shintō-Zere·moniell, um den monogamen „Bund fürs Leben“ religiös zu besie·geln. Der Beginn dieser heute all·ge·mein prak·tizier·ten Shintō-Hoch·zeit lässt sich auf die Ehe·schließung zwischen Prinz Yoshi·hito, dem späteren

Taishō Tennō 大正天皇 (jap.)

1879–1926 (r. 1912–26); Sohn des Meiji Tennō; persönlicher Namen Yoshihito

Der Begriff „Taishō Tennō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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, und Prin·zessin Sadako am 10. Mai 1900 zurück·füh·ren. Sie wurde zunächst von Ange·hörigen des Militärs imi·tiert und fand schließ·lich auch in der all·ge·mei·nen Bevöl·ke·rung An·klang (vgl. Ōbayashi 1997). Im Laufe der Zeit wurden aller·dings auch west·liche Ele·mente, etwa der Aus·tausch von Ringen, in den shin·tōis·tischen Ritus integriert.

Die moderne Shintō-Hochzeit entstand freilich nicht einfach aus dem Nichts. Ein rituel·les Element, das es schon seit jeher bei Ver·mählungs·feiern gegeben zu haben scheint, ist das gemein·same

Sake 酒 (jap.)

Reiswein

Gegenstand

Der Begriff „Sake“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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-Trinken des Braut·paares. Es stellt auch bei moder·nen Shintō-Hoch·zeiten ein wichtiges Element dar. Im Unter·schied zur moder·nen Shintō-Hoch·zeit wurden Heirats·zeremonien vor der Meiji-Zeit aller·dings weder in einem Schrein noch im Beisein von Shintō-Priestern durchgeführt. Es gab viel·mehr häusliche Zeremonien ohne religiösen Bezug, die von weltlichen, in unter·schied·lichen Schulen organisier·ten Zeremonien·meis·tern angeboten wurden.

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Private Hochzeitszeremonie, 19. Jh.
Private Hochzeitsfeier (kekkonshiki) in der ausgehenden Edo-Zeit. Das Brautkleid wird auch heute noch ähnlich gestaltet, auch das gemeinsame Trinken aus einer Sake-Schale ist heute noch ein wichtiges Element der Shintō-Hochzeit. Das Bild ist Teil einer Reihe von Illustrationen, die vom englischen Marineoffizier Jacob Silver in den Jahren 1864 und 65 in Japan gesammelt, in eine Buchillustration umgewandelt und mit einem kurzen erklärenden Text versehen wurden. Bei der Darstellung des Brauchtums berücksichtigt das Werk selbstverständlich nur die gehobenen Klassen.
Edo-Zeit. Bildquelle: Open Library.

Nachdem die Ehe also traditionel·ler·weise nicht religiös konnotiert war, hatten es christliche Kirchen verhältnis·mäßig leicht, gerade auf diesem Gebiet eine Lücke zu schließen. Beson·ders nach dem zweiten Weltkrieg wurde eine kirchliche Hochzeit im weißem Braut·kleid (waito weddingu = white wedding) für viele zum Inbegriff einer roman·tischen Liebes·heirat. Mittler·weile sind solche Zeremonien, bei denen oft westliche Aus·tausch·studen·ten den christlichen Priester substituieren, wesentlich billiger als ein shin·tō·is·tischer Ritus. Der Trend zur christlichen Hoch·zeit hält daher ungebrochen an (s. Statistik). Darüber hinaus fühlen sich die meisten Braut·paare dem Chris·tentum aber nicht weiter verbunden.

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Shintō-Hochzeitsfoto
Eine japanische Großfamilie beim Hochzeitsfoto in traditioneller Aufmachung. Braut und Bräutigam sind im Hochzeits-Kimono, auch die engsten Verwandten tragen zumeist Kimono, während die entfernteren Verwandten westlich gekleidet sind. Bemerkenswert ist das Mädchen im Vordergrund, das dem Photographen die Zunge zeigt.
Bildquelle: unbekannt, vor 2004.

Das einzig ver·bind·liche Element der modernen japanischen Ehe ist der Ehevertrag am Stan·des·amt. Die religiösen Institutionen, egal ob Kirchen, Schreine oder Tempel stellen le·dig·lich zeremonielle Dienst·leis·tun·gen zur Verfügung, unter denen Japaner frei wählen, ohne darüber hinaus ir·gend·welche religiösen Ver·pflich·tun·gen auf sich zu nehmen. Die von einzelnen bevorzugte Form des Hoch·zeits·ritus richtet sich daher in erster Linie nach Angebot und Nachfrage auf dem Markt religiöser Dienstleister, nicht nach tra·di·tio·nellen Bräuchen oder gar religiös-dogmatischen Gesichtspunkten.

O-miai

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Shintōbraut (Yoshida Kimiko, 2002)

Im Ge·gen·satz zu diesem relativ liberalen Umgang mit religiösen Ins·ti·tu·tionen erfolgt die Wahl des Hei·rats·part·ners auch heute noch oft nach traditionellen Schemata. D.h. die Entscheidung wird häufig von den Eltern, nicht von den Betroffenen selbst getroffen. Die potentiellen Heiratspartner werden dabei im Auftrag der Eltern von eigenen semi-professionellen Vermittlern (nakōdo) ausgewählt. Ein erstes formelles Zu·sam·men·tref·fen findet im Rahmen eines arrangierten Treffens (

o-miai  お見合い (jap.)

wtl. „einander betrachten“; arrangiertes Rendezvous (zum Zweck der ehelichen Partnerfindung)

Ritus

Der Begriff „o-miai“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Glossarseiten

, wtl. sich gegenseitig betrachten) statt. Daher nennt man diese arrangierten Heiraten auch o-miai kekkon (Ehe durch arrangierte Treffen). Das o-miai bietet die Möglichkeit eines Einspruchs, zumeist kommt die Heirat aber zustande. In der Nachkriegszeit war o-miai die vorherrschende Form der Eheschließung und noch heute sollen über 5% der Ehen durch o-miai zustande kommen. O-miai wird vor allem dann in An·spruch genommen, wenn das ideale Heiratsalter (Mitte bis Ende 20) bereits überschritten ist.

Tod

Es mag überraschen, welch geringe Rolle der Bud·dhis·mus bei den bisher be·spro·che·nen Riten spielt. Doch der Bud·dhis·mus domi·niert die viel·leicht wich·tigste Domäne reli·giöser Zere·monien: den Um·gang mit dem Tod. Aus histo·ri·schen Gründen ist die bud·dhis·tische Mono·pol·stel·lung hier so stark, dass der japa·nische Bud·dhis·mus oft auch als reiner „Begräb·nis-Bud·dhis·mus“ (

sōshiki bukkyō 葬式仏教 (jap.)

„Begräbnis-Buddhismus“; Buddhismus, der auf die Abhaltung von Totenriten fokussiert ist

Ritus, Schulrichtung

Der Begriff „sōshiki bukkyō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

) charak·terisiert wird.

Fast jede japanische Familie besitzt ein Familiengrab auf einem bud·dhis·tischen Friedhof, ehrt ihre Ver·stor·benen aber auch in einem bud·dhis·tischen Hausaltar. Vor allem für alte Menschen, die in Japan ebenso wie im Westen religiös aktiver sind als die jungen, ist die tägliche rituelle Be·schäft·igung mit Toten und Ahnen ein wichtiger Be·stand·teil des Alltags. Mehr dazu auf den folgen·den Seiten.

Religion in JapanAlltag
Diese Seite:

„Religion und Familie.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001