Ausforschung von Christen in der Edo-Zeit
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Im Zuge der Verfolgung des Christentums, die ab 1614 systematisch in Japan durchgeführt wurde, entstanden unterschiedliche Methoden um Christen auszuforschen und dingfest zu machen. Abgesehen von Folter und physischer Vernichtung spielten auch subtilere Techniken eine Rolle. Dazu zählten
- Apostasie-Schwur
- „Bildertreten“, fumie [fumie (jap.) 踏み絵 „Bildertreten“; Zwangsmaßnahme zur Entlarvung von Christen] (oder ebumi)
- „Fünf-Mann Gruppen“, goningumi [goningumi (jap.) 五人組 Nachbarschaftsgruppe; wtl. „Fünfergruppe“]
- Kopfgeld
- Glaubensbestätigung, shuumon aratame [[[glossar:shuumon aratame|]] () ]
Unter diesen Methoden setzte sich das System der Glaubensbestätigung durch buddhistische Tempel terauke [terauke (jap.) 寺請 obligatorische Bestätigung der Mitgliedschaft bei einem buddhistischen Tempel; diente in der Edo-Zeit zum Nachweis des nicht-christlichen Status] auch als generelles Mittel der Kontrolle durch und wird daher auf einer eigenen Hauptseite, Inquisition, genauer erläutert. Die anderen Methoden werden auf dieser Seite kurz aufgelistet.
Apostasie-Schwur
Ein eher in der Oberschicht von Kyoto verbreitetes Verfahren sah vor, dass ehemalige Christen, die ihrem Glauben freiwillig abschwuren, schriftliche Eide leisten mussten, die in der Formulierung endeten:
Sollte ich je zum Christentum zurückkehren, werde ich nach meinem Tod in die Hölle fahren [...] und dort die Qualen der fünf Kälten und drei Hitzen durch die Hände der Höllenteufel erfahren. 1
}} Dieses Verfahren machte sich zunutze, dass ähnliche Höllenvorstellungen sowohl im Christentum als auch im Buddhismus existierten.
Bildertreten
Das Bildertreten (fumie [fumie (jap.) 踏み絵 „Bildertreten“; Zwangsmaßnahme zur Entlarvung von Christen]) wurde zunächst in Nagasaki, dem einstigen Zentrum des japanischen Christentums, unter der Oberhoheit des Stadtverwalters Mizuno Morinobu entwickelt. Verdächtigte wurden genötigt, auf ein Abbild Jesu, Mariä oder des Kreuzes zu treten. Wer sich weigerte oder zögerte, entlarvte sich als Christ und musste mit der Todesstrafe rechnen.
Fünf-Mann Gruppen
Die Idee stammt von Sakai Tadakatsu (1587-1662), einem Daimyo und hohen Beamten der frühen Edo-Zeit. Er organisierte alle Haushaltsvorstände in seinem Lehen in Fünfergruppen und verfügte, dass alle Mitglieder und ihrer Familien strengste Strafen zu befürchten hätten, wenn auch nur einer unter ihnen Christ sein sollte. Diese Form der Sippenhaftung schloss mitunter auch die jeweiligen Dorfvorstände und die lokalen Tempel mit ein. Dieses System der gegenseitigen Kontrolle etablierte sich später unabhängig von anti-christlicher Überwachung zu einem autonomen Nachbarschaftsgruppen-System, das teilweise noch heute in Japan existiert.
Kopfgeld
ur Zeit der Christenverfolgenungen bemühte man sich nicht nur durch Strafen, sondern auch durch Be·loh·nungen, Christen ding·fest zu machen. Öffentlich auf·gestellte Ve·rordnungen legten detailliert fest, welches Kopf·geld auf die Anzeige von Christen aus·ge·setzt wurde.
Auf der oben ab·ge·bildeten Holztafel aus dem Jahr 1682 ist folgendes zu lesen:
Verordnung
Der christliche Glaube (kirishitan shūmon [kirishitan shūmon (jap.) キリシタン宗門 Christentum im feudalen Japan; wtl. christliche Sekte]) ist seit langem verboten. Wer einen Verdächtigen entdeckt, muss ihn den Be·hörden melden. Als Be·lohnung gibt es
- 500 Siber·münzen für die An·zeige eines Priesters (bateren [bateren (jap.) 伴天連 christlicher Priester; Missionar])
- 300 Silbermünzen für die An·zeige eines Mönchs·bruders (iruman [iruman (jap.) イルマン/以留満 christlicher Mönchsbruder/Frater im feudalen Japan; von Portugiesisch irmão])
- den gleichen Betrag für einen Re·kon·ver·tierten (tachikaerimono [tachikaerimono (jap.) 立ち返り者 wtl. sofortiger Rückkehrer; rekonvertierter (Christ); Person, die (dem Christentum) abschwört, es aber heimlich weiter praktiziert])
- 100 Silber·münzen für einen Laien.
Auch wenn der An·zei·gende selbst Christ ist, bekommt er 500 Silbermünzen oder den der Anzeige ent·sprechenden Betrag. Wenn jemand aber einen Priester oder Mönch ver·steckt, so wird auch der Vor·steher (nanushi [nanushi (jap.) 名主 Dorfvorstehender; Dorfoberster zur Edo-Zeit]) seines Dorfes, die Nach·bar·schafts·gruppe (goningumi [goningumi (jap.) 五人組 Nachbarschaftsgruppe; wtl. „Fünfergruppe“]) und die ganze Ver·wandt·schaft bestraft.
Im Jahr Tenna 2 (1682), 5. Monat
定
切支丹宗門は累年御制禁たり自然不審成もの有之は申出へし御ほうびとして
- はてれんの訴人 銀五百枚
- いるまんの訴人 銀三百枚
- 立かへり者の訴人 同断
- 同宿并宗門の訴人 銀百枚
右之通可被下之たとひ同宿并宗門之内たりといふとも訴人に出る品により銀五百枚可被下之隠置他所よりあらはるゝにおゐては其所之名主并五人組迄一類ともに 可被処厳科者也仍下知如件
天和二年五月日
Quelle: 26 Martyrs Musem, Nagasaki [2010/8]
Verweise
Verwandte Themen
Fußnoten
- ↑ Hur 2007, S. 46
Literatur
Bilder
- ^ Das Gemälde stammt von einem unbekannten Maler, wahrscheinlich ein japanischer Christ aus der Schule des Jesuitenpaters und Malers Giovanni Cola. Es dokumentiert die Massenhinrichtung von 52 europäischen Missionaren und ihren Anhängern am 10. Sept 1622 in Nishizaka, dem damaligen Richtplatz von Nagasaki. Das Christentum in Japan war zunächst 1587 verboten worden, 1614 wurde das Verbot erneuert und ab da konsequent durchgesetzt. Nach 1638 hielten sich nur noch versprengte Gemeinden von Untergrund-Christen (kakure kirishitan).
Werk von Giovanni Cola (Schule). Edo-Zeit, 17. Jh. Chiesa del Gesù, Museum of the Jesuit Mission in Japan, mit freundlicher Genehmigung. - ^ Illustration aus einem Handbuch der Folter- und Hinrichtungsmethoden aus der späten Edo-Zeit. Berichte der Jesuiten aus dem 16. Jh. legen nahe, dass die Kreuzigung schon damals auf ähnliche Weise vollzogen wurde.
Digital Archives, National Archive of Japan. - ^ Flugblatt zur der Heiligsprechung der Märtyrer von Nagasaki, 1627. Der begleitende Text besagt:
- Drey Seelige Martyrer der Societet Jesu, Welche in Japon neben andern 23. den Namen Christi mit jhrem blut bezeugt, und deßhalben am Creutz jhr Leben standthafftig geendet haben, im Jahr 1597. den 5. Febr. [...]
Die besonders hervorgehobenen drei Märtyrer waren, wie der Text weiter erklärt, japanische Jesuiten, die zusammen mit ihren europäischen Lehrern den Tod fanden.
Werk von Wolfgang Kilian. 1628. Bayrische Staatsbibliothek.
- ^ Medaillon aus Bronze mit Pieta-Motiv (Maria und Jesus), wahrscheinlich in Europa hergestellt, aber in Japan als „Tretbild“ (fumie) verwendet. In der Edo-Zeit mussten Menschen, die im Verdacht standen Christen zu sein, auf solche Bilder treten, um zu beweisen, dass sie dem Christentum abgeschworen hatten. Das Medaillon trägt Spuren deutlicher Abnützung.
Edo-Zeit, 16.–17. Jh. Tokyo National Museum. - ^ Marienmedaillon aus Bronze, wahrscheinlich in Europa hergestellt, aber in Japan in ein Holzbrett eingefasst, um als „Tretbild“ (fumie) zu fungieren. In der Edo-Zeit mussten Menschen, die im Verdacht standen Christen zu sein, auf solche Bilder treten, um zu beweisen, dass sie diese nicht in Ehren hielten. Das Medaillon trägt Spuren deutlicher Abnützung.
Edo-Zeit, 17. Jh. Tokyo National Museum.
Glossar
- Endō Shūsaku 遠藤周作 ^ 1923–1996; japanischer Schriftsteller, der in zahlreichen Romanen zumeist das Christentum in Japan thematisierte
- Ferreira, Cristóvão (west.) ^ 1580?–1650; portugiesischer Jesuitenmissionar in Japan, der nach Verhaftung und Folter 1633 zur anti-christlichen Inquisition überwechselte
- kirishitan shūmon キリシタン宗門 ^ Christentum im feudalen Japan; wtl. christliche Sekte
- Mizuno Morinobu 水野守信 ^ 1577–1637; Staatsbeamter der frühen Edo-Zeit, 1626–28 Verwalter von Nagasaki (Nagasaki bugyō); für die Einführung von fumie verantwortlich
- Neeson, Liam (west.) ^ 1952–; irischer Filmschauspieler, der in einem Spielfilm vom Martin Scorsese den Jesuiten Cristóvão Ferreira verkörperte; dieser wurde im Japan des 17. Jh. zur Apostasie gezwungen und half Japanern bei der Verfolgung anderer Christen
- Sakai Tadakatsu 酒井忠勝 ^ 1587–1662; Staatsbeamter und Daimyō; 1624–1638 Mitglied des obersten Regierungsrats (rōjū)
- Scorsese, Martin (west.) ^ 1942–; amerik. Filmregisseur, drehte u.a. den Spielfilm Silence (2016) über japanische Christenverfolgungen im 17. Jh. nach einem Roman von Endō Shūsaku
- Sengoku Jidai 戦国時代 ^ Zeit der kämpfenden Länder, 1467–1568; beginnt mit dem Ōnin-Krieg und endet nach dieser Definition mit dem Beginn der nationalen Einigung unter Oda Nobunaga; nach anderen Definitionen mit der Ausrottung der Toyotomi durch Tokugawa Ieyasu im Jahr 1615
- tachikaerimono 立ち返り者 ^ wtl. sofortiger Rückkehrer; rekonvertierter (Christ); Person, die (dem Christentum) abschwört, es aber heimlich weiter praktiziert
- terauke seido 寺請制度 ^ System der buddhistischen Zertifikation der Rechtgläubigkeit
Religion in Japan, Inhalt
- 一 Grundbegriffe
- 二 Bauten
- 五 Mythen
- Einleitung
- Mythologie:
- Götter des Himmels
- Götter der Erde
- Jenseits:
- Jenseits
- Geister:
- Totengeister
- Dämonen
- Tiere:
- Imaginäre Tiere
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- 六 Geschichte
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- Buddhismus, Asien:
- Arhats in China und Japan
- Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
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- Riesen-Buddhas: Im Kampf gegen die Unbeständigkeit des irdischen Daseins
- Lokale Vorstellungen, Japan:
- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
- Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit
- Religion und Politik:
- Die Tenshō-Mission: Beginn einer schwierigen transnationalen Beziehung
- Yasukuni: Der Schrein des ‚friedlichen Landes‘
- Herrigels Zen und das Bogenschießen
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„Christenverfolgung in der Edo-Zeit.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001