Ahnenkult und Sorge für die Toten

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Ahnenkult und Sorge für die Toten

Vorlage:Wrapper Der Toten- und Ahnenkult in Japan ist für Nicht-Japaner besonders verwirrend, da die Toten an mindestens zwei Orten verehrt werden. Üblicher·weise natürlich am Fried·hof, darüber hinaus aber auch am bud·dhis·tischen Haus·altar (

butsudan 仏壇 (jap.)

buddh. Hausaltar

Gegenstand

Der Begriff „butsudan“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Bilder

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). Auf dem Haus·altar sind die in den letzten Jahren oder Jahr·zehnten verstorbenen Ver·wandten durch so·ge·nannte

ihai 位牌 (jap.)

Ahnentäfelchen

Gegenstand

Der Begriff „ihai“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Bilder

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präsent. Ihai sind schwarz·lackierte aufrecht stehende Holz·täfelchen, auf denen (zumeist in Gold) ein post·humer Name (

kaimyō 戒名 (jap.)

buddhistischer Totenname, posthumer Name eines Verstorbenen

Ritus

Der Begriff „kaimyō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

) auf·ge·schrieben steht. Dieser Name wird dem Ver·storbenen nach seinem Tod in einer bud·dhis·tischen Zeremonie ver·liehen.

Die Identität des Verstorbenen

Allgemein bezeichnet man einen Verstorbenen als

hotoke(jap.)

Buddha; umgangsspr. auch: Totenseele; andere Lesung: butsu; alte Schreibung: 佛

Buddha

Der Begriff „hotoke“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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, eigentlich eine japanische Be·zeich·nung für

Buddha बुद्ध (skt., m.)

„Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)

Buddha

Der Begriff „Buddha“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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. Wörtlich genommen bedeutet dies, dass ein Mensch nach seinem Ab·leben Buddha wird. Dies ist jedoch nicht im Ein·klang mit der eigent·lichen bud·dhis·tischen Lehre. Obwohl es innerhalb der bud·dhis·tischen Richtungen Japans dazu verschiedene Auf·fassungen gibt, vertritt keine die Ansicht, dass man nach dem Tod automatisch zu Buddha wird. Die Be·zeichnung ist demnach als frommer Wunsch zu verstehen, in etwa: der Ver·storbene möge ein Buddha geworden sein. Natürlich wird dieser Wunsch nicht jedesmal bewusst geäußert, wenn von hotoke die Rede ist. Hotoke oder hotoke-sama ist schlicht der geläufige Aus·druck für „Ver·storbener“. Daneben existieren die Begriffe

reikon 霊魂 (jap.)

Geist, Seele

Geist

Der Begriff „reikon“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

(Seele, Geist),

tamashii(jap.)

Geist, Seele

Geist

Der Begriff „tamashii“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

(Seele, Geist) und andere mehr, die im Alltags·gebrauch fast unter·schieds·los verwendet werden. Mitunter kann ein Ver·storbener auch als

kami(jap.)

Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō

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auf·gefasst werden. 

Die mehrdeutigen Benennungen eines Verstorbenen enthalten bereits einen Hinweis darauf, dass es in Bezug auf Jen·seits- und Seelen·vor·stellungen selbst unter religiösen Menschen eine große Band·breite an Inter·pre·ta·tionen gibt. Ein verbindliches, ein·heitliches Erklärungsmuster ist dahinter kaum zu erkennen. Vor allem hin·sichtlich des In·einander·greifens von bud·dhis·tischem und shin·to·is·tischem Jen·seits gibt es heute keine kanonische, d.h. offiziell von religiösen Institutionen vertretene Lehr·meinung mehr. Wer sich mit dem Thema näher befasst, muss sich daher darauf gefasst machen, immer wieder mit höchst wider·sprüch·lichen Dar·stellungs·weisen konfrontiert zu werden. (S. dazu auch Kap. Mythen, Jenseits.)

Eine bestimmte Vorstellung findet sich allerdings sehr häufig in Verbindung mit japanischen Jenseits·vorstellungen. Man muss nach dem Tod aktiv dafür sorgen, dass die Toten den Weg ins Jen·seits finden und dort „befriedet“ werden. Geschieht dies nicht, kann es leicht sein, dass die Toten·seele ziellos im Dies·seits umher irrt und als Gespenst (

o-bake お化け (jap.)

Gespenst, Geist; wtl. „Verwandeltes“

Geist

Der Begriff „o-bake“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

bzw.

yūrei 幽霊 (jap.)

Totengeist

Geist

Der Begriff „yūrei“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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) allerlei Unfrieden stiftet (s. Kap. Mythen, Geister). Die weite Ver·breitung dieser Vor·stellung auch unter ansonsten vollkommen rationell orientierten Menschen mag mit ein Grund dafür sein, dass den Verstorbenen im Alltag verhältnismäßig viel Auf·merk·sam·keit zu teil wird. Darüber hinaus kann die Sorge um die Toten·seele eines nahen Verwandten aber natürlich auch Aus·druck echter Trauerarbeit sein, die einem Menschen hilft, über den Ver·lust des Ehe·partners oder Eltern·teils hinweg·zukommen. Besonders ältere Menschen widmen sich aus diesen Gründen täglich der Pflege des buddhistischen Hausaltars.

Butsudan — der Hausaltar

Vorlage:Galerie1

Im Hausaltar stehen mehrere ihai-Täfelchen, welche die Ver·storbenen, meist un·mittel·bare Vorfahren, repräsentieren. Darüber hinaus können im oder neben dem Altar auch Fotos an die Ver·storbenen erinnern. Ihnen wird bei·spiels·weise bei jeder Mahl·zeit ein kleines Speise·opfer dargebracht, d.h. dass ein kleiner Teil der Mahl·zeit in eigenen Gefäßen vor den Altar gestellt wird. Auch werden mehrmals am Tag Räucher·stäbchen zu Ehren der Ahnen entzündet. Dabei vollführt man ganz ähnliche Gesten wie beim Aufsuchen eines religiösen Gebäudes (

o-mairi お参り/お詣り (jap.)

Schrein- oder Tempelbesuch; auch Grabbesuch; auch sankei, sanpai

Ritus

Der Begriff „o-mairi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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): Glocke läuten, Hände falten, verneigen, kurz innehalten. Die Speise·opfer werden meist nach einer gewissen Zeit selbst gegessen.

Speiseopfer
Mini-Butsudan mit Kunst·blumen und Speise·opfer

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Jede buddhistische Richtung hat eigene Vor·schriften für die Aus·stattung und die Be·handlung des Haus·altars entwickelt. Während

Shingon-shū 真言宗 (jap.)

Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan

Schulrichtung

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etwa vorsieht, die ihai eine Stufe tiefer als die wichtigsten Buddhas und Heiligen zu positionieren, ordnet die größte bud·dhis·tische Glaubens·gemeinde in Japan, die

Jōdo Shinshū 浄土真宗 (jap.)

Shin-Buddhismus, bzw. Jōdo Shin-Buddhismus; wtl. „Wahre Schule des Reinen Landes“

Schulrichtung

Der Begriff „Jōdo Shinshū“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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  • Ushiku daibutsu.jpg
  • Rennyo higashihonganji 1611 knm.jpg
an, dass im Haus·altar ausschließlich Buddhastatuen stehen, während die Ahnen·täfelchen daneben aufgestellt werden sollen.

Alles in allem ist der butsudan jedoch Bühne einer sehr privaten Religiosität. Die persönlichen und familiären Auf·fassungen, wie er auszusehen hat und wie man die Ahnen pflegt, sind daher oft stärker als die konfessionelle Bindung. Auch die meisten Jōdo Shinshū Anhänger stellen, glaube ich, ihre ihai in den Haus·altar. Auf·grund meiner persönlichen Erfahrung würde ich außerdem behaupten, dass viele JapanerInnen erst durch die Sorge um die Ver·storbenen im Haus·altar zur Religion hingeführt werden.

Religion in JapanAlltag
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„Ahnenkult und Sorge für die Toten.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001