Die Zehn Richterkönige der Totenwelt
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Eine wesentlich Neuerung, die der Buddhismus in China erfuhr, war die Ausgestaltung jener Phase, in der über die nächste Wiedergeburt eines Wesens entschieden wird.
Im ostasiatischen Buddhismus hat sich eine etwas andere Narration durchgesetzt: Yama ist hier kein impul·siver Dämon, sondern ein strenger Bürokrat, der als not·wendiges Übel, als Personi·fikation des uner·bitt·lichen
„Tat“, auch „konsequente Folge“; moralische Bilanz der gesetzten Handlungen (jap. gō 業)
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s angesehen werden kann. Obwohl als „König“ tituliert, entspricht seine Funktion der eines Richters, der darüber zu entschei·den hat, in welchen der sechs Lebens·bereiche (
wtl. die Sechs Wege = Bereiche der Wiedergeburt
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) eine Toten·seele wieder·ge·boren zu werden hat. König Yan oder
abgeleitet von skt. Yama Raja, König Yama; jap. Enra oder Enma; König oder Richter der Unterwelt
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, wie er auf chinesisch heißt, bekommt in China ein komplexes Gefolge, das chinesi·schen Gerichts·höfen nach·emp·funden ist. Er wird von neun weiteren Königen/Richtern assistiert bzw. mit diesen zusam·men in das Ensemble der „Zehn Könige“ (
Die Zehn Könige oder Richter der Totenwelt
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) der Unter·welt integriert. Dass die Toten·welt als solche in China mit einem Gerichts·hof assoziiert wird, passt im übrigen gut zu der Tatsache, dass die schlimmste Form der Wieder·geburt, die „Hölle“, ihrer chinesi·schen Wort·be·deu·tung nach ein „unterirdischer Kerker“ (jap.
wtl. „[unter]irdischer Kerker“, buddhistische Hölle
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) ist.
Die Zehn Könige
Yama selbst ist also in dieser Tradition nur einer unter zehn Richtern (und zwar stets der fünfte), wenn auch sicher·lich der promi·nen·teste. Die Schar der Einzel·richter unter·steht aber letztlich Bodhisattva
wtl. Schatzhaus/Mutterleib der Erde; skr. Kṣitigarbha; populäre Bodhisattva Figur
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(chin. Dizang, skt.
„Schatzhaus/Mutterleib der Erde“, populärer Bodhisattva (jap. Jizō 地蔵)
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, wtl. „Schatzhaus der Erde“), der zum eigent·lichen Herren über das gesamte Toten·reich erklärt wird. Ähnlich wie Manjushri in Tibet tritt also auch hier ein promi·nenter Bodhi·sattva in den Ring, um zu garantieren, dass alles wirklich nach den Geset·zen von
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s Lehre abläuft. Und so ist es auch nicht weiter verwun·derlich, wenn manche Über·liefe·rungen in Yama nichts anderes als eine spezi·fische Mani·festion — eine zornvolle Erschei·nungs·form — von Jizō erblicken. Kategori·sche Strenge und mildtätige Gnade werden — wie so oft im Maha·yana Bud·dhismus — letztlich als Akte der gleichen Figur inter·pretiert. Im übrigen zeigen frühe chinesische Abbil·dungen aus China Jizō keines·wegs als knaben·haften, mild lächelnden Pilgermönch, wie er uns im heutigen Japan zumeist begegnet, sondern als strengen Abt, der den Vorsitz im Gericht der Zehn Könige führt.
Tang Zeit, 10. Jh. The British Museum.
Die Vorstellung von den Zehn Königen wurde vor allem durch einen in vielen Ver·sionen über·lieferten Text ver·breitet, der land·läufig als Sutra der Zehn Könige (jap.
) bekannt ist. Die Urform des Textes entstand in der chine·sischen Tang Zeit, wahr·schein·lich im 8. oder 9. Jahrhundert.1Das Sutra der Zehn Könige begründete nicht nur die Idee von Enmas Gerichts·hof, sondern stellt wohl auch einen wichtigen Faktor für die Popu·larität von Bodhi·sattva Jizō in ganz Ost·asien dar. In Japan wurde die Toten·welt schließlich in Werken wie dem
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(985) oder dem Jizō jūō-kyō (um 1200?) weiter aus·differen·ziert.
Der Weg der Totenseele ins Jenseits wird im Sutra der Zehn Könige als eine Folge von Ver·hand·lungen vor den zehn Richtern dargestellt. Es ist eine Art Fegefeuer, in dem der endgültige Ort der Wieder·geburt noch nicht fixiert ist. Vor den ersten sieben Richtern muss sich der Ver·stor·bene in den ersten sieben Wochen nach seinem Tod ver·ant·worten. Die weiteren Richter fällen ihre Urteile hundert Tage nach dem Tod, ein Jahr nach dem Tod und drei Jahre nach dem Tod. Dies sind die Zeiten, in denen auch die Hinter·blie·benen durch religiöse Opfer·gaben die Ent·schei·dung von Enmas Gericht be·ein·flussen können und zu denen daher beson·dere Toten·riten vorgesehen sind. 2
Anmerkungen
- ↑ Teiser, The Scripture on the Ten Kings, S. 9. Chinesische Vorläufer lassen sich bis in das Jahr 664 zurück verfolgen (idid., S. 48)
- ↑ Auch in heutigen buddhistischen Totenriten wird diese Folge von Totengedenken noch berücksichtigt. Insbesondere die Periode von sieben mal sieben Tagen gilt als Zwischenexistenz zwischen zwei aufeinanderfolgenden Formen der Wiedergeburt. Die letzten drei Feiern — zum hundertsten Tag, zum ersten und zum dritten Jahrestag des Ablebens — scheinen auf vorbuddhistische chinesische Bräuche zurück zu gehen. Vgl. Teiser, S. 25–26.
- ^ Jizō und die Zehn Könige (Jūō). Deckblatt einer illustrierten Ausgabe des Sutras der Zehn Könige. Aus Höhle 17 der sogenannten „Tausend Buddha Höhlen“.
Tang Zeit, 10. Jh. The British Museum. - ^ Jizō inmitten der Gruppe der Zehn Richter/Könige (Jūō) der Unterwelt.
Heian-Zeit. Bildquelle: Prismo, 2010 (bildbearbeitet).
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- Bishamon-ten: Wächter und Glücksgott
- Riesen-Buddhas: Im Kampf gegen die Unbeständigkeit des irdischen Daseins
- Lokale Vorstellungen, Japan:
- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
- Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit
- Religion und Politik:
- Die Tenshō-Mission: Beginn einer schwierigen transnationalen Beziehung
- Yasukuni: Der Schrein des ‚friedlichen Landes‘
- Herrigels Zen und das Bogenschießen
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„König Enma und sein Totengericht.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001