Essays/Vajrapani
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Vajrapani Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
In seiner rechten Hand ein Vajra, um seine Schultern ein Löwenfell.
Krone mit fünf Totenschädeln, drei Augen.
Quelle: Himalayan Art [2010/8]
Was ist ein Vajra?
- In den Veden das Zepter Indras in Form eines Donnerkeils.
- In der puranischen (hinduistischen) Literatur eine Waffe aus den Knochen eines Heilers (rishi).
- Ritualinstrument und Symbol des tantristischen/esoterischen Buddhismus, des Vajrayana (Fahrzeug des Vajra). Meist aus Metall mit fünf oder neun (in Japan auch ein oder drei) einwärts gebogenen Zacken an beiden Enden.
Vajrapani (skt. „der den Vajra in der Hand hält“) spielt im esoterischen Buddhismus Tibets eine zentrale Rolle. Er zählt hier zusammen mit Avalokitshvara (jap.
auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt
Der Begriff „Kannon“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
Glossarseiten
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) und Manjushri (jap.
Bodhisattva Maitreya, „Buddha der Zukunft“
Der Begriff „Miroku“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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) zu den drei wichtigsten Bodhisattvas und gilt als mächtigster Beschützer des Buddhismus. In dieser Funktion nimmt er zumeist die Gestalt eines zornigen Dämonen an, in der auch andere Schutzgottheiten, z.B. Mahakala auftreten können. Diese Dämonengestalten besitzen Raubtierzähne und ein drittes Auge, zu ihrem Schmuck gehören Totenschädel und ein Lendenschurz aus Tigerfell, sie tanzen eine Art Siegestanz auf den Leichen ihrer getöteten Gegner. Ähnlich wie die friedfertigen Bodhisattvas unterscheiden sie sich unter einander hauptsächlich durch die Attribute, die sie in der Hand halten, oder durch bestimmte Bewegungen und Gesten. Der Vajra ist Vajrapanis typischstes Attribut, dem er auch seinen Namen verdankt. Ein Vajra (manchmal auch als „Diamant“ oder „Donnerkeil“ übersetzt) dient im esoterischen Buddhismus als wichtiger Ritualgegenstand und gilt zugleich als magische Waffe.
Wenn man die dämonischen Schutzgottheiten des tibetischen Buddhismus zum ersten Mal betrachtet, drängt sich unwillkürlich die Frage auf, wie diese Ikonographie mit dem friedvollen Bild der üblichen Buddha- und Bodhisattva-Statuen in Einklang zu bringen ist. Man stößt in diesem Zusammenhang recht bald auf Erklärungen, die in derartigen Darstellungen einen metaphysischen Kampf gegen Verblendung und weltliche Begierden sehen und meist genau erläutern, wie etwa die Krone mit den fünf Totenschädeln den Sieg über die „fünf Gifte“ (sk. klesha: Falschheit, Stolz, Begierde, Eifersucht und Hass) symbolisiert. Warum aber nimmt dabei die Darstellung der Gewalt, bzw. der Bestrafung größeren Raum ein als die Darstellung der Belohnung? Und wieso tritt diese Art der Darstellung im Buddhismus offenbar erst relativ spät und zumeist im Zusammenhang mit esoterischen Richtungen auf? Mit den folgenden Beispielen aus der Ikonographie des „Vajra-Trägers“ soll eine Annäherung an diese Fragen versucht werden.
Herkunft und früheste Ikonographie
Eine häufig zitierte Theorie besagt, dass Vajrapani sich ursprünglich aus dem vedischen Gewitter- und Kriegsgott Indra entwickelt hat, der ebenfalls ein Vajra als Emblem besitzt, und den Namen Vajrapani zu seinen Beinamen zählt. Der Vajra, den Indra in der Hand hält, ist übrigens zugleich Waffe und königliches Zepter und wird überdies als „Donnerstab“ gedeutet, wie ihn auch Zeus oder Thor besitzen.
Andererseits existieren frühe Darstellungen aus Gandhara (1. bis 3. Jh. im heutigen Pakistan), die Vajrapani im graeco-buddhistischen Stil darstellen. Er tritt hier als Gestalt im Gefolge des Buddha in Erscheinung, die man vielleicht als eine Art Leibwächter bezeichnen könnte. Auffallend ist dabei die starke Verwandtschaft mit dem griechischen Helden Herakles. Der Vajra in seiner Hand ähnelt einem Knüppel oder Knochen.
Die kriegerischen Figuren Herakles und Indra könnten also beide für die vielen gewaltätigen Aspekte in der späteren Ausgestaltung des Vajrapani verantwortlich sein.
Vom friedlichen Bodhisattva zum zornigen Dämon
Tatsächlich kann Vajrapani aber auch in friedvoller Gestalt als typischer androgyner Bodhisattva mit mildem Lächeln und entspannten Zügen auftreten. Darstellungen dieser Art dürften v.a. im Indien des siebenten und achten Jahrhunderts häufig gewesen sein, tauchen vereinzelt aber auch später noch in Tibet auf. Die einzige Gemeinsamkeit dieser ikonographischen Form mit dem zornigen Vajrapani ist der Vajra in seiner Hand.
Die besondere Herausarbeitung des zornvoll-dämonischen Vajrapani mit seiner bedrohlichen Mimik und dem charakteristischen Tanz auf den Leichen seiner Feinde scheint aber erst mit dem Aufkommen des Tantrismus oder esoterischen Buddhismus zu erfolgen. In einer 2002 erschienenen Studie bringt der Indologe Ronald Davidson das Aufkommen des esoterischen Buddhismus v.a. mit 2 Faktoren in Verbindung: 1) der zunehmenden Militarisierung Indiens im frühen indischen Mittelalter (6.–8. Jh) und 2) den damit einhergehenden Siegeszug des Shivaismus, also jener Richtung des „Hinduismus“, die Shiva als obersten Weltenherrscher ansieht. In einer politisch höchst wechselvollen Zeit mit zahlreichen militärischen Auseinandersetzungen gelang es dieser Glaubensrichtung, Shiva mit neuen, für die Kriegsherren attraktiven kriegerischen Aspekten auszustatten. Der Buddhismus sah sich nach Ansicht Davidsons gezwungen, gegen die Konkurrenz der Shiva Anhänger ebenfalls neue Gottheiten ins Spiel zu bringen, die die Lehre des Buddha wehrhaft verteidigten.
Li: Bronzestautue aus Kashmir, 8. Jh. Cleveland Museum of Art. [2010/8]
Re: Trailokyavijaya (ein Beinamen Vajrapanis),
Nalanda, Indien, 7. Jh. Quelle: Huntington Archive [2010/8]
Die Unterwerfung Shivas (Maheshvara) durch Vajrapani
Vajrapanis Sieg über Shiva
... Then Vajrapani raised his Vajra away from his heart and waving it, he surveyed the whole circle of the threefold world to its limits. He spoke: "Come my friends, to the teachings of the Tathagatas. Obey my command!" ... Then Maheshvara, the lord of the whole threefold world in this worldly sphere, proud of his overlordship of the whole threefold world, appeared very wrathful and said:
"Listen you Yaksha, I am Ishvara, Lord of the threefold world, creator, destroyer, Lord of all Spirits, God of Gods, Mighty God. So how should I carry out the order of a yaksha" ...
"Listen, you evil being, quickly enter the Mandala and hold my pledge." ...
Then Maheshvara by the power of his overlordship of the threefold world and of his own knowledge, together with his whole company, manifested a fearful and wrathful and greatly terrifying form ... Then Vajrapani, waving his Vajra and laughing, said:
"Approach you eater of corpses and human flesh, you who use the ashes of the funeral pyres as your food, as your couch, as your clothing, obey my command!" ...
Then Vajrapani pronounced his own Vajra syllable: Hum! As soon as he pronounced this, all the great gods who belong to the threefold world, fell down on their faces, emitting miserable cries, and they went to Vajrapani for protection. The Great God himself remained motionless on the ground, quite dead ...
Auszug aus Mark Elmore, The Roots of a Warrior: The Early History(s) of Vajrapani (http://www.uweb.ucsb.edu/~elmorem/vajrapani/, inaktiv)
Vajrapani ist für diese Entwicklung symptomatisch: Nach einer tantristischen Legende bekommt er seinen Namen, „Vajra-Träger“, nachdem ihm Buddha Vairocana (jp.
Buddha Vairocana, der „kosmische Buddha“; wtl. „Großes Licht“ oder „Große Sonne“
Der Begriff „Dainichi Nyorai“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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) ein Vajra-Zepter überreicht hat und ihn zu einem Feldherrn (Yaksha) der buddhistischen Lehre befördert. Als solcher übernimmt es Vajrapani, Shiva (Maheshvara, Ishvara, jap. Daijizai-ten) zu unterwerfen. Es gelingt ihm, Shiva zu besiegen und sein Gefolge zu „bekehren“, doch Shiva selbst widersetzt sich hartnäckig der Lehre des Buddha und muss daher von Vajrapani getötet werden. Er erlangt schließlich als Bhameshvara-nirgosa (der tonlose Herr der Asche) eine Wiedergeburt als Buddha (Davidson 2002: 147–151).
In der späteren Entwickung des esoterischen Buddhismus in Tibet steigt Vajrapani neben Avalokiteshvara (
auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt
Der Begriff „Kannon“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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) und
Manjushri, Bodhisattva der Weisheit
Der Begriff „Monju“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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zu den drei wichtigsten Bodhisattvas auf. Sie stehen gemeinsam für das Mitgefühl (Avalokiteshvara), die Weisheit (Manjushri) und die Macht (Vajrapani) aller Buddhas der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Obwohl alle drei Bodhisattvas sowohl über zornvolle als auch über friedvolle Erscheinungsformen verfügen, werden Avalokiteshvara und Manjushri überwiegend friedlich, Vajrapani dagegen vorwiegend zornvoll dargestellt. Dies dürfte wohl mit der erwähnten Legende der Unterwerfung Shivas zu tun haben. Verschiedene tantristische Texte variierten offenbar sowohl die Legenden als auch die Namen von Shivas Bezwingern, sodass letztlich eine Reihe ähnlicher Beschützerfiguren (Mahakala, etc.) entstand. Es finden sich sogar weibliche Beschützergottheiten, die beispielsweise als bekehrte Dämoninnen (
weibl. buddhist. Schutzgottheit, identifiziert mit Inari; skt. Dākinī; auch: menschenfressende Dämonin
Der Begriff „Dakini“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, Vajrayogini) gedeutet werden. Die ursprünglichen Modelle für all diese Figuren stellen aber jeweils die von ihnen bekämpften Feinde des Buddhismus (in erster Linie Shiva) dar. Die Attribute (Waffen, etc.) dieser Feinde werden in den Buddhismus aufgenommen und auf die siegreichen buddhistischen Gestalten übertragen.
Vajrapani in Japan
In Japan ist die Figur des Vajrapani (jap.
Der Begriff „kongōshu“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
, bzw. Gosanze Myōō) weniger prominent als im tibetischen Buddhismus. Als Kongōshu (bzw.
Der Begriff „kongō rikishi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
, mit einzackigem Vajra) ist er als buddhistischer Torwächter anzutreffen, als Gōsanze Myōō („Mantra-König, der die Drei Welten bezwingt“, sk. Trailokyavijaya) steht er hierarchisch klar unter
Der Begriff „Fudō Myōō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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(skt. Acala). Im tibetischen Buddhismus ist das Verhältnis zwischen diesen Figuren genau umgekehrt.
Japanischer Vajra-Träger, Kamakura-Zeit Quelle: Freer Collection (2005/10) |
Acala (jap. Fudō), Nepal, 19. Jh. Quelle: Himalayan Art [2010/8] |
Die verschiedenen Bewertungen von Vajrapani und Fudō deuten darauf hin, dass es in den unterschiedlichen regionalen Traditionen des esoterischen Buddhismus verschiedene Ansichten darüber gab, welcher kriegerischen Gestalt der Vorzug zu geben sei, dass diese Gestalten aber im Kern auf einen ikonographischen Typus zurückzuführen sind. Dieser Typus wurde offenbar besonders in kriegerischen Zeiten benötigt, wenn auch buddhistische Mönche gezwungen waren, Besitz oder Leben mit der Waffe zu verteidigen, bzw. aktiv in militärische Auseinandersetzungen einschritten. Auch Japan erlebte der esoterische Buddhismus seine Blüte im Mittelalter, als das Land politisch zersplittert und von Bürgerkriegen gezeichnet war. Dass in zahlreichen Regionen der buddhistischen Welt ein ausgeprägter Gewaltaspekt in die Ikonographie des Buddhismus Eingang fand, scheint somit mit der Erfahrung tatsächlicher kriegerischer Gewalt in Beziehung zu stehen.
Weiterführende Informationen
- Vajrapani: Bodhisattva and Deity, The Shelley & Donald Rubin Foundation (en.)
Übersichtsseite zum Thema Vajrapani auf Himalayan Art.Letzte Überprüfung der Linkadressen: Aug. 2010
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- Jenseits
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- Buddhismus, Asien:
- Arhats in China und Japan
- Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
- Bishamon-ten: Wächter und Glücksgott
- Riesen-Buddhas: Im Kampf gegen die Unbeständigkeit des irdischen Daseins
- Lokale Vorstellungen, Japan:
- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
- Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit
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- Die Tenshō-Mission: Beginn einer schwierigen transnationalen Beziehung
- Yasukuni: Der Schrein des ‚friedlichen Landes‘
- Herrigels Zen und das Bogenschießen
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„Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001