Ikonographie/Jizo
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Jizō Bosatsu
Bodhisattva (Bosatsu); skr. Kṣitigarbha, „Speicher oder Mutterleib der Erde“ (vgl. Jizō)
Der Begriff „Jizō Bosatsu“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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(skt. Ksitigarbha) gehört mit
auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt
Der Begriff „Kannon“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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zu den mit Abstand populärsten Bodhisattva Figuren, ist aber im Vergleich zu Kannon vielleicht noch vertrauter, alltäglicher und „einheimischer“. Jizō-Statuen gibt es an allen möglichen und unmöglichen Stellen. Alle haben das Aussehen eines buddhistischen Mönchs mit kahl geschorenem Schädel (eine große Ausnahme unter Bodhisattva Figuren). In seinen Händen hält Jizō meist einen Pilgerstab und/oder eine Wunscherfüllungsperle (
Der Begriff „nyoi no tama“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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). Oft erscheint Jizō außerdem jugendlich oder sogar kindlich. Vorlage:Galerie2
Begleiter der Toten
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Jizōs Popularität hängt zweifellos mit seiner Rolle als Begleiter der Totenseele auf dem Weg in die Unterwelt zusammen. Zahlreiche Legenden erzählen, wie er in die Hölle hinabsteigt und die Sünder, die dort eigentlich mehrere Erdzeitalter lang schmoren müssen, auf seine Lotosblüte holt und von ihren Qualen errettet. Daher findet man die meisten Jizō Satuen auch auf Friedhöfen.
Im Grunde spielt Jizō jedoch eine Doppelrolle im buddhistischen Jenseitsglauben. Bestimmte Überlieferungen sehen
skt. Yama; König oder Richter der Unterwelt; auch Enra; meist als Enma-ten oder Enma-ō angesprochen
Der Begriff „Enma“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, den strengen Richter der Unterwelt, als eine seiner Manifestationen an. Jizō ist demnach sowohl für die Verurteilung als auch für die Gnade gegenüber jenen, die gegen die Gebote des Buddhismus verstoßen haben, verantwortlich. Eines der zahlreichen Beispiele dafür, wie nahe mildtätige Barmherzigkeit und furchteinflößende Strenge in der buddhistischen Ikonographie bei einander liegen. (Siehe dazu auch das Kapitel „Mythen“, Jenseitsvorstellungen.)
Jizō und die Wasserkinder
Als Retter der Seelen nimmt sich Jizō auch all jener an, die kein ordentliches Begräbnis erhalten (
Verstorbene/ Totenseelen ohne Verwandtschaft
Der Begriff „muen botoke“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, wtl. „Buddhas ohne Bindung“), im speziellen ist er aber der Schutzherr der ungeborenen (abgetriebenen) und früh verstorbenen Kinder. Man nennt sie
wtl. Wasserkinder; abgetriebene Föten oder Totgeburten
Der Begriff „mizuko“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, „Wasserkinder“. Zwischen diesen mizuko und Bodhisattva Jizō gibt es ein besonderes Naheverhältnis. Ohne Jizō, so eine populäre Erklärung, könnten die Seelen der Kinder den Fluss der Unterwelt nicht überqueren und müssten ewig im Niemandsland zwischen Diesseits und Jenseits, dem Steinigen Flussufer (
Ufer des Flusses der Unterwelt
Der Begriff „Sai no Kawara“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
), umherirren.
In Japan war Abtreibung nie mit einem besonderen Tabu belegt, aber man erachtete und erachtet die Ungeboren doch als Wesen, für deren Seelen gebetet werden muss. Diesen Glauben und die damit verbunden Rituale nennt man
Gedenkriten für abgetriebene Föten (Wasserkinder)
Der Begriff „mizuko kuyō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
, Gedenkriten für die Wasserkinder. Auf vielen Friedhöfen gibt es bestimmte Areale für diesen Kult. Hier können Eltern von abgetriebenen oder totgeborenen Kindern Jizō Statuen aufstellen lassen, die dann stellvertretend für die Kinder mit Riten und Opfern bedacht werden. Man nennt solche Statuengruppen — oft ohne zu übertreiben — sentai jizō (tausend Jizō) oder „Jizō Armeen“. Berühmte Friedhöfe für die Wasserkinder mit den entsrechenden Jizō Armeen gibt es beispielsweise im Hasedera in
Stadt im Süden der Kantō Ebene, Sitz des Minamoto Shōgunats 1185–1333 (= Kamakura-Zeit)
Der Begriff „Kamakura“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
; in Ogano-machi, im Norden Tokyos, wo zum Bon Fest alle Statuen beleuchtet werden; oder auf dem großen Friedhof des Tempelbergs Kōya südlich von
Der Begriff „Nara“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
.
Ich persönlich habe immer den Eindruck, dass die Tausend-Jizō Statuen die mizuko-Kinder selbst repräsentieren. Proportionen und Aussehen der glatzköpfigen Mönchsgestalt des Jizō werden auf den entsprechenden Statuen dem Bild eines Säuglings angeglichen. Viele Eltern kleiden einzelne Statuen an, meist mit einem roten Lätzchen und Käppchen, manchmal auch mit Kindergewand. Auch findet man gelegentlich Kinderspielzeug als Opfergabe. Bestimmte Orte, die mit dem Eingang ins Jenseits identifiziert werden, wie etwa der
„Angst-Berg“; rel. Zentrum in Aomori-ken (Nordjapan), das als Abbild der Totenwelt gilt
Der Begriff „Osore-zan“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
(„Angst-Berg“) in Nord-Japan, sind u.a. an ihren Jizō-Statuen und ihren Windrädern erkennbar.
In früherer Zeit wurden mitunter auch Säuglinge (meist Mädchen) gleich nach der Geburt „zurückgeschickt“, also getötet, und mit dem gleichen Kult bedacht. Auf den ersten Blick erscheint es zynisch, Föten oder Säuglinge zuerst zu töten, um sich dann ihrer leidvollen Existenz im Jenseits anzunehmen. Wenn man sich aber vor Augen hält, dass die Entscheidung zu Abtreibung und Säuglingsmord in einem vormodernen Haushalt eher von der Großfamilie als von der Mutter selbst getroffen wurde, kann man sich vorstellen, dass der Jizō Kult vor allem den Müttern helfen sollte, über ihren Schmerz hinwegzukommen. Dies ist bis zu einem gewissen Grad auch heute noch so.
Seit dem zweiten Weltkrieg hat der Kult für die Wasserkinder nicht etwa abgenommen, sondern wurde von vielen Tempeln so weit ausgebaut, dass manche Autoren mizuko kuyō als ein Art Neuer Religion betrachten. Dies hat bis zu einem gewissen Grad damit zu tun, dass Abtreibungen schon seit der Nachkriegszeit relativ einfach und legal durchgeführt werden können, während andere Verhütungsmethoden, etwa die Pille lange verboten waren. In den letzten Jahren ist die Abtreibungsrate in Japan zwar leicht gesunken, aber immer noch verhältnismäßig hoch. Der Buddhismus verbietet diese Praxis nicht grundsätzlich, schürt aber latente Schuldgefühle und bietet gleichzeitig verhältnismäßig aufwendige Riten an, durch die sich Eltern von ihrer Schuld freikaufen können.
Anmerkung von Gabriele Greve
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Zu den mizuko, bzw. den mabiki-ko, den umgebrachten Säuglingen, und ihren roten Lätzchen habe ich in einem Tempel folgende Erklärung gehört: Jizō hat gelobt, alle Kinder aus der Vorhölle zu retten. Weil Kinder noch keine Sünden begangen haben, kommen sie nämlich nicht direkt in die Hölle, das wäre ja ungerecht. Aber sie müssen am Grenzfluss warten und während dieser Zeit Steine aufeinander schichten. Das ist ähnlich wie Sisyphos. Sie warten so lange, bis keiner mehr um sie trauert. Die Mutter bindet also eines der Kinderlätzchen zu einem Jizō und bittet, durch den Geruch des Lätzchens das Kind in der Vorhölle zu identifizieren und zum Paradies zu bringen.
Wenn die Mutter früher, in der Edo-Zeit zu lange trauerte, konnte sie nicht genug im Haus und am Feld arbeiten. Daher wurde ihr eine Periode von 7 Tagen nach dem Tod eines Kindes (nicht bei Abtreibung, aber bei mabiki, dem Töten eines weiblichen Säuglings) gegönnt. Danach musste sie die Sachen des Kindes, Lätzchen und Spielzeug, bei Jizo 'abgeben' und die Trauerzeit war vorüber, Mutter musste wieder arbeiten gehen! Eine recht diesseitliche Religionsbenutzung.
Um den Iwaki-san in Nordjapan werden verstorbene Kinder zu ihrem 20. Geburtstag verheiratet. Die Tempel verkaufen ca. 50 cm große Puppen von Bräuten oder Bräutigamen, die dann mit dem toten Kind 'verheiratet' werden. Das macht die Eltern froh und die Tempel reich. Es ist erstaunlich, dort in so einer Halle mit tausenden von Hochzeits-Puppen zu stehen! Die Itako-Shamaninnen am Osore-Berg reden den Eltern auch noch manch anderes ein — so werden Tennisschuhe und Fahrräder oder Frack und Regenmantel gespendet, manche Tempel sehen aus wie Altwarenhändler.
Dr. Gabriele Greve, ist Wahljapanerin und Kunsthistorikerin. Sie schickte mir die ergänzenden Hinweise zu dieser Seite per e-mail am 27.3.2002.
S.a. Greve 1994: 60.
Weiterführende Informationen
- Shikoku Henro Shashinshu
Jizo-Statuen von der berühmten 88 Tempel Pilgerroute in Shikoku.
- Diskussion zum Thema: Jizo's Lätzchen auf der Mailing list PMJS (Premodern Japanese Studies, en.), 2008.Letzte Überprüfung der Linkadressen: 2010/8
Religion in Japan, Inhalt
- 一 Grundbegriffe
- 二 Bauten
- 五 Mythen
- Einleitung
- Mythologie:
- Götter des Himmels
- Götter der Erde
- Jenseits:
- Jenseits
- Geister:
- Totengeister
- Dämonen
- Tiere:
- Imaginäre Tiere
- Verwandlungskünstler
- Symboltiere
- 六 Geschichte
- Einleitung
- Altertum:
- Prähistorie
- Frühzeit
- Nara-Zeit
- Frühe kami-Kulte
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- Saichō
- Kūkai
- Honji suijaku
- Mittelalter:
- Kamakura-Zeit
- Amidismus
- Zen Buddhismus
- Nichiren Buddhismus
- Mittelalterl. Shintō
- Frühe Neuzeit:
- Reichseinigung
- Christentum
- Terauke-System
- Neo-Konfuzianismus
- Kokugaku
- Moderne und Gegenwart:
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- Staatsshintō
- Neue Religionen
- 七 Essays
- Überblick
- Buddhismus, Asien:
- Arhats in China und Japan
- Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
- Bishamon-ten: Wächter und Glücksgott
- Riesen-Buddhas: Im Kampf gegen die Unbeständigkeit des irdischen Daseins
- Lokale Vorstellungen, Japan:
- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
- Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit
- Religion und Politik:
- Die Tenshō-Mission: Beginn einer schwierigen transnationalen Beziehung
- Yasukuni: Der Schrein des ‚friedlichen Landes‘
- Herrigels Zen und das Bogenschießen
- Anhang
- Metalog
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„Jizō Bosatsu.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001