Himiko: Die erste historisch fassbare Herrscherin Japans
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Die ersten histo·rischen Berichte über Japan ent·stam·men einem chi·ne·sischen Geschichts·werk aus dem dritten Jahr·hundert, das land·läufig als Weizhi [Weizhi (chin.) 魏志 Chin. Chronik der Wei Dynastie (220–266) aus dem 3. Jh. u.Z.; enthält die frühesten Berichte über Japan (Wa) (vgl. wo)] (Chronik der Wei Dynastie) be·zeichnet wird. Dieses Weizhi ist Teil der „Chronik der Drei Reiche“ (Sanguo zhi [Sanguo zhi (chin.) 三国志 Chroniken der Drei Reiche; verfasst 233–297 von Chen Shou]) und wurde von Chen Shou [Chen Shou (chin.) 陳壽 233–297; Autor der Chroniken der drei Reiche (Sanguo zhi); auch bekannt als Chengzuo 承祚] (233–297) verfasst, im fünften Jahr·hundert aber noch·mals von Pei Songzhi [Pei Songzhi (chin.) 裴松之 372–451; chinesischer Historiker der Liu Song-Dynastie (420–479); bekannt für seine Überarbeitung der Chroniken der drei Reiche (Sanguo zhi) von Chen Shou] bear·beitet. Die meis·ten Berichte gelten aus heutiger Sicht als mehr oder weniger authentisch. Das Weizhi enthält unter anderem elf Kapitel über die „Ost·barbaren“ (tung-i [tung-i (chin.) 東夷 „Ostbarbaren“; chinesische Bezeichnung für Japaner und/oder Koreaner]), also Völker im Osten Chinas, die sich im Wesent·lichen in han [han (kor.) 韓/한 älteste chin. Bez. für Koreaner bzw. koreanische Reiche (Drei Han), heute Selbstbezeichnung Südkoreas (Hanguk 韓国/한국)] (Koreaner) und wo [wo (chin.) 倭 älteste chin. Bez. für Japaner (wtl. „Zwerg“); jap. wa; in Japan wurde schon früh das Homonym 和 („Harmonie“) als Selbstbezeichnung gewählt] (jap. wa, Japaner) unter·teilen lassen. Wir ent·nehmen dem Weizhi jedoch, dass inner·halb dieser Reiche oder viel·leicht besser „Ethnien“ zahl·reiche, zum Teil ver·feindete Länder bzw. „Stammes·gebiete“ existierten.
China, 12. Jh. Bildquelle: Inues.net.
Berichte über Himiko
Das Weizhi berichtet ver·hält·nis·mäßig detailliert von der japanischen Königin Himiko [Himiko (jap.) 卑弥呼 ca. 170–248; frühgeschichtliche Priesterkönigin; auch Pimiko (wahrscheinliche Bedeutung: „Kind der Sonne“); chin. Pei-mi-hu] oder Pimiko (chin. Pei-mi-hu), wobei es sich höchst wahr·schein·lich um einen Herr·schafts·titel mit der Bedeutung „Kind der Sonne“ handelt. Die Königin be·herrschte ein Reich, das möglicher·weise Yamatai [Yamatai (jap.) 邪馬台 Reich der Königin Himiko im Japan des dritten Jhdts; in der chin. Chronik Weizhi beschrieben] hieß1 und eine lose Kon·födera·tion kleinerer Reiche/Stämme dar·stellte. Folgt man aller·dings der in der Chronik ent·haltenen Weg·beschrei·bung zur Resi·denz Himikos, so würde man mitten im Pazifischen Ozean landen, was mannigfachen Speku·lationen über den geo·gra·phischen Ort des Reiches Tür und Tor öffnete. Im Wesent·lichen stehen das Nara-Becken [Nara-bonchi (jap.) 奈良盆地 Becken im Norden der Präfektur Nara in welchem auch die Stadt Nara liegt] in Zentral·japan oder Kyūshū [Kyūshū (jap.) 九州 „Neun Provinzen“; süd-westliche der vier japanischen Hauptinseln, drittgrößte und zweitbevölkerungsreichste Insel; heute bestehend aus acht Präfekturen] zur Auswahl. Interessant ist aber vor allem, was das Weizhi über die politisch-religiösen Ver·hält·nisse im Japan des dritten Jahr·hun·derts berichtet:
In ihrem Lande hat man ur·sprüng·lich auch Männer zu Königen gemacht, siebzig, achtzig Jahre lang. Dann gab es im Lande Wo Unruhen. Gegen·seitig griff man sich an und be·kämpfte sich über Jahre hin. Da·rauf·hin erhob man ge·mein·sam eine Frau zur Königin. Sie heißt Pei-mi-hu. Sie dient dem Geister·glauben und ist fähig, damit das Volk zu ver·leiten. Sie ist im fort·geschrittenen Alter, hat aber keinen Ehe·mann. Sie hat einen jüngeren Bruder, der unter·stützend das Land mitregiert. Es gibt nur wenige, die sie bisher, seit sie Königin ge·worden ist, gesehen haben. Von tausend Diener·innen lässt sie sich persön·lich be·dienen. Es gibt nur einen Mann, der sie mit Essen und Trinken ver·sorgt und Nach·richten über·mittelt. Er geht in der Residenz ein und aus. Der Palast, die Wach·türme und Be·festigungs·anlagen sind imposant ausgeführt.
Übersetzung nach Seyock 2004, S.56, leicht modifiziert
Das Weizhi berichtet weiter, dass die Königin im Jahr 238 mit der chi·ne·sischen Wei-Dynastie Kontakt auf·ge·nom·men und Tribute ge·sendet hätte, die mit freund·lichen Gegen·geschenken be·lohnt wurden. 247 scheint sie sich mit einem Nach·bar·könig bekriegt zu haben. Schließ·lich heißt es über ihr Ableben:
Als Pei-mi-hu starb, baute man in großartiger Weise einen Grab·hügel mit einem Durch·messer von mehr als hundert Schritt (pu [pu (chin.) 步 „Schritt“; chin. Längenmaß, 1 pu ≈ 1,67m)]). Es waren mehr als hundert Diener und Diene·rinnen, die ihr zum Geleit mit be·graben wurden. Man setzte nun wiederum einen Mann als König ein. Im Lande jedoch unter·warf man sich ihm nicht. Wiederum tötete man sich gegen·seitig. Zu jener Zeit tötete man mehr als tausend Menschen. Dann wiederum setzte man eine Tochter Pei-mi-hus ein, das Mädchen I-yü [I-yü (chin.) 壹與 235–?; Tochter der japanischen Königin Himiko (da der Name nur aus chin. Chroniken bekannt ist, ist die jap. Aussprache unklar)], dreizehn Jahre alt, und machte sie zur Königin. Im Lande war es daraufhin wieder ruhig.
Übersetzung nach Seyock 2004, S.58, leicht modifiziert
Kaiserin Jingū
Heian-Zeit, 9. Jh. Bildquelle: unbekannt.
Teile des Weizhi sind nach·weis·lich in das Nihon shoki [Nihon shoki (jap.) 日本書紀 Zweitältestes Schriftwerk und erste offizielle Reichschronik Japans (720)] (720) ein·ge·flossen und zwar vor·nehmlich in die Berichte über die legendäre Herr·scherin Jingū Kōgō [Jingū Kōgō (jap.) 神功皇后 mytholog. Herrscherin; Witwe des 14. Tennō, Chūai, und Mutter des Ōjin Tennō] (mytho·logische Daten 169—269 u.Z.). Sie spielt als Anführerin eines Feld·zugs gegen den Erz·feind des früh·geschicht·lichen japa·nischen Staates, das korea·nische Königreich Silla [Silla (kor.) 新羅/신라 frühes koreanisches Reich, das die Halbinsel von 668 bis 935 beherrschte], eine be·deu·tende Rolle in der kaiserlichen Mytho-Genealogie und wurde später immer wieder im Zu·sammen·hang mit Kriegs·zügen gegen das Nach·bar·land als Vorbild heran·ge·zogen. Die staat·lichen Chro·nisten des siebenten und achten Jahr·hunderts, denen die chi·ne·sischen Ge·schichts·werke zweifellos gut bekannt waren, bemühten sich offenbar, die Lebens·daten von Jingū und Himiko in Einklang zu bringen. Möglicher·weise spielte dabei auch eine Rolle, dass zur Zeit der schrift·lichen Fixierung der kaiser·lichen Chroniken, also in der Zeit um 700, immer wieder Frauen das Tennō [Tennō (jap.) 天皇 jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels]-Amt innehatten.
Verweise
Verwandte Themen
Fußnoten
Internetquellen
- 魏志倭人伝 (Wikisource). Primärtext der Beschreibung Japans im Sanguo zhi.
Literatur
Bilder
- ^ Bericht über die wo aus dem Sanguo zhi (3. Jh.), Titelseite; früher chin. Buchdruck (Pona-Edition, 12. Jh.; Nachdruck 1958)
China, 12. Jh. Bildquelle: Inues.net.
- ^ Darstellung der mythologischen Kaiserin Jingū Kōgō. Bestandteil einer der ältesten plastischen Darstellung japanischer Gottheiten, bestehend aus Jingū, ihrem Sohn Hachiman und dessen Frau Himegami.
Heian-Zeit, 9. Jh. Bildquelle: unbekannt.
Glossar
- Makimuku 纏向 ^ Region im Nara-Becken, wo die frühesten Hügelgräber (kofun) des Yamato-Reichs verortet werden
- Meiji Ishin 明治維新 ^ Meiji Restauration, wtl. Meiji-Erneuerung, umfasst den politischen Umsturz 1867–68 und die nachfolgende Konsolidierung Japans als moderner Nationalstaat
- Nihon shoki 日本書紀 ^ Zweitältestes Schriftwerk und erste offizielle Reichschronik Japans (720)
- Sujin Tennō 崇神天皇 ^ 97–30 v.u.Z. (mythol. Regierungszeit); 10. japanischer Kaiser
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„Himiko: Die erste historisch fassbare Herrscherin Japans.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001