Shōtoku Taishi als buddhistischer Staatsmann und Heiliger
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Aus heutiger Sicht erscheint
574–622; Prinz Shōtoku; kaiserlicher Regent
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vor allem als genialer Staats·mann, der u.a. durch die ihm zu·ge·schriebene „Ver·fassung in 17 Punkten“1 — ein sehr all·gemein ge·haltener Ver·haltens·kodex für die politi·sche Klasse des Landes — die Re·for·men des siebten Jahr·hunderts, die aus Japan einen Staat nach chi·ne·sischem Vor·bild machten, ein·leitete. Zu·gleich findet man bereits in den frühesten Quellen An·sätze zur Legenden·bildung um Shōtoku Taishi. So heißt es im
Zweitältestes Schriftwerk und erste offizielle Reichschronik Japans (720)
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, dass er von Geburt an sprechen konnte und dass er oft die An·liegen von zehn Menschen gleich·zeitig anhörte.
Das bekannteste Shōtoku-Motiv stammt angeb·lich aus der Nara-Zeit. Der Prinz ist er·wachsen, trägt ein Zepter (shaku) als Zei·chen seiner welt·lichen Macht und wird von zwei kind·lichen Prinzen beglei·tet. Im 20. Jahr·hun·dert griff man ganz be·son·ders stark auf die·ses Motiv zurück: Geld·scheine mit dem Taishi Motiv waren von den dreißi·ger Jahren bis 1984 in Umlauf. Die staats·män·nische Seite des Prinz-Regen·ten tritt auf den Geld·schei·nen noch deut·licher hervor als auf dem Original.
Obwohl die genannte Verfassung von Shōtoku Taishi vor·nehm·lich kon·fuzia·nische Prinzipien enthält, setzt sie sich auch für die För·de·rung des Bud·dhis·mus ein. Punkt 2 der Ver·fassung lautet:
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„(Mönchs-)Gemeinde“ (jap. sō 僧 oder sōgya 僧伽)
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(Buddha, Buddha·lehre und Mönchs·gemeinde). Sie sind die letzte Zu·flucht der vier Arten von Wesen, das Fundament aller Nationen. Welcher Mensch zu welcher Zeit könnte diese Lehren nicht respektieren? Wirklich schlechte Menschen gibt es nur wenige. Die meisten be·folgen, was man sie lehrt. Wie aber sollte man Ver·bogenes gerade biegen, wenn man nicht zu den Drei Schätzen Zuflucht nimmt? 2
Spätere Generationen buddhistischer Mönche dankten Shōtoku dieses Engagement für den Bud·dhis·mus, indem sie ihn zu einer Art Heiligen hoch·stilisierten. Es ent·stand eine eigene Glaubens·richtung, die sich in ihren Gebeten speziell an Shōtoku Taishi wandte. Diese Vereinnahmung durch den Buddhismus gibt umgekehrt Anlass zu Zweifeln an der Historizität des Prinzen. Vieles deutet darauf hin, dass er von Anfang eine Konstruktion probuddhistischer Adelskreise war.
Legenden
Zwei Hängerollbilder aus dem 14. Jahrhundert, die sich heute im Besitz des Metropolitan Museum of Art befinden, veranschaulichen die Biographie des zur Legende gewordenen Prinzen. Deren wichtigste Eckdaten sind bereits im Nihon shoki zu finden und später in zahlreichen frommen Schriften weiter ausgebaut worden.
Geburt
Eines Nachts träumt die Prinzessin Anahobe, die Hauptfrau des Yōmei Tennō, von einem Bodhisattva in Gestalt eines goldenen Mönchs, der durch ihren Mund in sie eindringt, um sich in ihrem Mutterleib einzunisten. Am folgenden Neujahrstag (571) bringt sie einen Sohn zur Welt, als sie die Pferdeställe des kaiserlichen Palastes inspiziert. Die Geburt verläuft mühelos und ihr Sohn, der spätere Shōtoku, kann (wie Buddha) sofort danach sprechen. Diese Umstände führen zum geläufigsten Eigennamen des Prinzen: Umayado Taishi (Prinz Pferdestall).
Kindliche Frömmigkeit
Eine andere Legende weiß zu berichten, dass Prinz Shōtoku bereits als zwei·jähriges Kind an Buddhas Todes·tag, dem 15. des Zweiten Monats, mit ge·fal·te·ten Händen nieder·kniete und den Buddha pries (
Lobpreisung Buddhas
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). Daraufhin fanden sich auf mirakulöse Weise Reliquien des Buddha zwischen den gefalteten Händen des Kindes. Shōtoku Taishi als betender Knabe stellt daher ein häufiges Motiv in der dar·stel·lenden Kunst dar.
Ein weiteres Standard Motiv zeigt den Prinzen, wie er ein buddhistisches Rauch·opfer für die Genesung seines Vaters, Kaiser Yōmei (r. 585-587), abhält. Auf·grund dieses frommen — und der Legende nach erfolg·reichen — Unter·nehmens wurde auch Yōmei zum Bud·dhis·mus bekehrt. Das Motiv des „pietätvoll opfernden Prinzen“ (
ikonographisches Motiv des „pietätvoll opfernden Prinzen“ Shōtoku Taishi
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) zeigt Shōtoku Taishi als über·proportional dar·gestelltes Kind mit bud·dhis·tischer Mönchs·stola (
äußerstes Gewand der buddh. Mönchstracht, variiert zwischen einem breiten Wickeltuch und einer dünnen Stola; besteht der Theorie nach aus Flicken
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) und einer Rauch·opfer·schale in der Hand. Die über Shōtoku Taishis neu·artigen Kult sichtlich er·staunten Hof·adeligen sind als kleine Figuren im Vordergrund zu sehen.
Kampf für den Buddhismus
587, als sich Shōtoku im 16. Lebensjahr befindet, kommt es zu einer entscheidenden Schlacht zwischen den pro-buddhistischen Soga, angeführt von Soga no Umako, und den „konservativen“, anti-buddhistischen Mononobe unter der Führung von Mononobe no Moriya. Shōtoku Taishi greift trotz seiner Jugend in diese Schlacht ein. Zuvor schnitzt er rasch die Statuen der Vier Himmelskönige (
wtl. Vier Himmelskönige, die aber eher als Himmelswächter auftreten und jeweils eine Himmelsrichtung beschützen; angeführt von Bishamon-ten, dem Wächter des Nordens; der Ausdruck wird auch für diverse Gruppen von vier Kriegern angewendet
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), was schließlich zum Sieg der Soga und damit des Buddhismus führt. Zum Dank veranlasst Shōtoku später den Bau des
buddh. Tempel im heutigen Ōsaka; zählt zusammen mit dem Asuka-dera zu den beiden ältesten Tempeln Japans (Gründung 593)
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Geographische Lage
, des Tempels der Vier Himmelskönige im heutigen Ōsaka.
Kamakura-Zeit, 14. Jh. MET Museum.
Barmherzigkeit
Eine bereits im Nihon shoki über·lieferte Le·gen·de, die ent·fernt an die Vier Aus·fahrten des Buddha erin·nert, schil·dert die Be·geg·nung des Prinzen mit einem hun·gern·den Bett·ler an einem Ort namens Kata·oka. Der Prinz lässt den ge·schwäch·ten Mann nicht nur ver·kös·tigen, er gibt ihm sogar sei·nen eige·nen Um·hang. Als der Mann am nächs·ten Tag den·noch stirbt, lässt er ihn feier·lich be·stat·ten. Wieder einige Tage später be·fiehlt er, das Grab zu unter·su·chen. Zum all·ge·mei·nen Erstau·nen ist der Leich·nam ver·schwun·den, nur das Ge·wand des Prinzen liegt säu·ber·lich ge·fal·tet auf dem Sarg. Der Prinz sieht darin be·stätigt, dass es sich um einen Hei·ligen ge·han·delt haben muss, und zieht das Ge·wand wieder an. Die Epi·sode wird mit den Worten kom·men·tiert: „[Nur] ein Hei·liger erkennt einen Hei·ligen.“
Der Prinz als Bodhisattva
Im Zuge der buddhistischen Verehrung wurde Shōtoku Taishi mit mehreren buddhistischen Heilsgestalten identifiziert, vor allem mit
Bodhisattva Avalokiteshvara, wtl. „der den Klang der Welt erhört“; „Bodhisattva des Mitleids“; s.a. Kannon, Guanyin;
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(Avalokiteshvara).
wtl. Kannon, der Weltenretter; Hauptheiligtum in der Halle der Träume (Yumedono) im Hōryū-ji
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(„Kannon, der Weltenretter“) ist das Hauptheiligtum der „Halle der Träume“ (
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) im Tempelkomplex des
Tempel in Ikaruga bei Nara, gegr. 607; wtl. „Tempel des prosperierenden [Buddha]-Gesetzes“
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Geographische Lage
, der einst dem Prinzen selbst als Palast diente. Die Statue trägt angeblich die Züge Shōtokus. Sie gilt als „Geheime Buddha-Statue“ (
wtl. „geheimer Buddha“; geheim gehaltene Buddha-Statue
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) und wurde lange komplett unter Ver·schluss ge·halten, so·dass sie ver·hältnis·mäßig gut erhalten ist. Auch heute wird sie nur einmal pro Jahr öffentlich gezeigt.
Auf der Abbildung rechts oben trägt Shōtoku Taishi trägt ein Mönchsgewand mit speziellem Pilgerstab, der an Bodhisattva
wtl. Schatzhaus/Mutterleib der Erde; skr. Kṣitigarbha; populäre Bodhisattva Figur
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erinnert.
Shōtoku Taishi und Kōbō Daishi
Kamakura-Zeit. Yamaguchi Sumio, Kyōto shiseki sansaku kai.
Auf diesem
„Kreis“, schematische Darstellung der kosmischen Ordnung (jap. mandara 曼荼羅)
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aus der Kamakura Zeit sieht man Shōtoku Taishi und den eminenten japanischen Mönch
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774–835, Gründer des Shingon Buddhismus; Eigennamen Saeki Mao, Ehrennamen Kōbō Daishi
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„zu Füßen“ des
Buddha Vairocana, der „kosmische Buddha“; wtl. „Großes Licht“ oder „Große Sonne“
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. Dainichi ist der Haupt-Buddha des von Kūkai nach Japan über·mittelten eso·te·rischen Bud·dhis·mus. Für die An·hänger Shōtokus war Kūkai darüber hinaus die Re·inkar·nation des Shōtoku Taishi. Auf diese Weise konnte der Prinz auch in den eso·te·rischen Bud·dhis·mus integriert werden.3
Shōtoku Taishi und Kūkai sind auch dadurch verbunden, dass sich um ihre Kind·heit ein ähn·licher Kult etab·liert hat. Auch Kūkai soll bereits in frühen Kinder·tagen Zeichen erhal·ten haben, dass er für eine beson·dere Rolle in der Ver·brei·tung des Buddhis·mus aus·er·se·hen sei. Die Heraus·bil·dung und Identi·fizie·rung der beiden legen·dären Figuren er·folgte aller·dings erst im japa·ni·schen Mittel·alter. Christine Guth sieht in beiden Fällen den Kult um die beson·dere Geburt des histo·rischen Buddhas als In·spira·tions·quelle der japa·ni·schen Legen·den an. 4
Anmerkungen
- ↑ Tat·säch·lich be·stehen be·rechtigte Zweifel an der Authentizität dieses Dokuments, das nur in einer Fassung des Nihon shoki, also über hundert Jahre nach seiner Ent·stehung, be·kannt ist.
- ↑ Nihon shoki, Suiko Tennō, 12. Jahr (604), 4. Monat (Ü.: B. Scheid).
Siehe auch: Wikisource (jap.), Wikipedia (dt.), Aston, Nihongi II, S. 129. - ↑ Die beiden Figuren im oberen Teil des Mandala sind im übrigen die Bodhisattvas Kokūzō und Kannon, die hier wohl als „Urformen“ (
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) der beiden buddhistischen Heiligen fungieren.
- ↑ Guth 1987
Links und Literatur
- 17-Artikel-Verfassung (dt.)
Übersetzung der Jūshichijō kenpō auf Wikipedia. - Kyōto shiseki sansaku e Yamaguchi Sumio (jap.)
Online Artikel Serie über Shōtoku Taishi. - „Shōtoku Taishi,“ aus Kamigraphie, ein Wikiprojekt zur Ikonographie und Ikonologie japanischer Gottheiten.
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„Shōtoku Taishi: Staatsmann und buddhistischer Heiliger.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001