Mythen/Goetter der Erde/Trickster

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Mircea Eliade über Trickster

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Mircea Eliade (1907-1986)
Illustration von Ben Heine, 2007 [2010/9]


Der bekannte Mythenforscher Mircea Eliade definierte die seiner Meinung nach arche·typische Gestalt des Tricksters folgendermaßen:

Seine Persönlichkeit ist ambivalent und seine Rolle zwiespältig, in der Mehr·zahl der mytho·logischen Traditionen ist er für das Vor·handen·sein des Todes und den jetzigen Zu·stand der Welt ver·ant·wort·lich. Er ist aber auch ein Ver·wandler und Kulturheros, denn man sagt von ihm, er habe das Feuer und andere nützliche Dinge ge·stohlen und die Ungeheuer, die die Erde verwüsteten, vernichtet.

Aber auch als Kulturheros bewahrt er die spezifischen Züge eines Betrügers. Wenn er das Feuer oder ein anderes dem Menschen un·be·dingt not·wen·diges Gut stiehlt, das ein götliches Wesen eifer·süchtig hütet (Sonne, Wasser, Wild, Fische), so gelingt ihm das nicht auf heroische Weise, sondern mittels Schlau·heit oder Betrug. Der Erfolg seiner Bemühungen wird oft durch seine Un·ge·schick·lich·keit in Frage gestellt (die Erde wird etwa durch Feuer oder Flut vernichtet).

Nur mit List oder Täuschung gelingt es ihm, die Menschen von den kanni·balischen Ungeheuern zu befreien.

Ein weiterer charakteristischer Zug des Tricksters ist seine ambivalente Haltung gegenüber dem Heiligen. Er karikiert und parodiert scha·ma·nis·tische Erfahrungen oder priesterliche Rituale. Die Schutzgeister des Schamanen werden von ihm auf groteske Weise mit seinen Ex·kre·men·ten identifiziert, und er parodiert den ekstatischen Flug des Schamanen, obwohl er selbst am Ende immer her·unter·fällt. Es ist klar, daß dieses paradoxe Benehmen eine zwei·fache Bedeutung hat: Der Trickster macht sich über das Heilige, die Priester und die Scha·ma·nen lustig, die Lächer·lich·keit richtet sich aber auch gegen ihn selbst. Wenn er nicht der hart·näckige und listen·reiche Feind des Schöpfergottes ist (wie in den kalifornischen Mythen), dann erweist er sich als eine schwer zu definierende Persön·lich·keit, intelligent und dumm zugleich, den Göttern nahe durch seine „Uranfänglichkeit“ und seine Kräfte, aber den Menschen noch näher durch seinen ge·fräßigen Hunger, seine außer·ge·wöhn·liche Sexualität und seine Amoralität.

Aus: Mircea Eliade, Die Sehnsucht nach dem Ursprung. Frankfurt am Main 1989 (Erstauflage 1969)

Gestalten, die Eliades Trickster-Archetyp nahe kommen, finden sich auch in den Mythen der europäischen Antike, allen voran in der Figur des Prometheus, der den Menschen nach einer Über·lieferung sogar selbst aus Lehm er·schafft und ihn schließ·lich durch List in den Besitz des Feuers bringt. All dies gegen den aus·drück·lichen Befehl des Göttervaters Zeus. Auch andere griechische (Halb-)Götter rebellieren mit List und Tücke gegen die Ordnung der Götter, etwa Tantalos, der den Göttern, um ihre All·wissen·heit zu testen, seinen eigenen Sohn zur Mahl·zeit vorsetzt, oder Sisyphos, ein notorischer Lügner, der kurz·zeitig sogar den Tod außer Gefecht setzt. Sie alle werden in den griechischen Mythen mit drastischen Strafen belegt, die sich vor allem durch ihre Permanenz auszeichnen: Prometheus' Leber wächst immer nach, damit sie erneut von einem Adler ge·fressen werden kann, Sisyphos' Stein rollt immer wieder den Berg hin·unter, bevor er es geschafft hat, ihn bis zum Gipfel zu bringen, Tantalos hungert und durstet umgeben von Köstlichkeiten, die er gerade nicht mehr erreichen kann.

Gerade am Beispiel des Prometheus drängt sich die Idee auf, dass er stell·ver·tretend für die Entweihung büßen muss, welche die mensch·liche Kultur gegenüber der gött·lichen Ordnung darstellt. Auch in der biblischen Erbsünde, bzw. dem Kreuzestod Christi kann man diese Idee von mensch·licher Kultur als Frevel finden (Jesus über·nimmt dabei eine theologisch transzendierte Tricksterrolle, in der die komische Seite fehlt).

Susanoo 須佐之男/素戔男 (jap.)

mytholog. Gottheit; Trickster-Gott, Sturmgott, Mondgott; Bruder der Amaterasu

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, der japanische Trickster, besitzt fast alle der von Eiade auf·ge·zählten Eigen·schaften, aller·dings treten sie nicht gleich·zeitig zu Tage, sondern in auf einander folgenden Episoden. Zu·nächst begeht er Missetaten, die u.a. die Ent·weihung von Heiligem implizieren, v.a. durch die Verunreinigung von

Amaterasu 天照 (jap.)

Sonnengottheit; Ahnherrin des Tennō-Geschlechts; Hauptgottheit von Ise

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Palast mit den eigenen Exkrementen. Zur Strafe werden ihm die Nägel aus·ge·rissen, dann muss er aufwendige Opfergaben leisten und schließ·lich wird er aus dem Himmel ver·bannt. Diese Strafen sind grausam, aber be·grenzt. Er muss nicht wie seine griechischen Kollegen alle Zeiten hindurch leiden.

Stattdessen kann er sich in der irdischen Welt eine neue Existenz aufbauen und wird erst dadurch zum Kulturheros. Schluss·end·lich endet er als Herr über die Unterwelt. Diese Rolle ist durchaus nicht subversiv. Seine List, mit der er die tyrannische Schlange

Yamata no Orochi 八岐大蛇 (jap.)

Mythologische Schlange (Drache) mit acht Köpfen; wtl. „achtfach gegabelte Schlange“; wird von Susanoo besiegt

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un·schäd·lich macht, ist eben·so·wenig gegen die Ordnung der Götter gerichtet, wie die sonstigen Wohl·taten, die er für die Menschen ersinnt (nach einer Version erschafft er nützliche Bäume und Getreide). Seine Identität als Tunichtgut und seine Identität als Wohltäter der Menschheit werden im japanischen Mythos also nicht in eine ur·säch·liche Verbindung mit einander gebracht.

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„Japanische Trickster.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001