Der traditionelle Kalender
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In Japan galt bis 1873 ein sogenannter luni-solarer Kalender nach chi·ne·sischem Muster, der über 1.200 Jahre mit nur geringen Modi·fi·kationen bei·behalten worden war. Dieser Kalender misst die Monats·länge nach dem Mond, die Jahres·länge aber nach der Sonne. Jeder Monat beginnt und endet mit dem Neu·mond, während die Monats·mitte durch den Voll·mond angezeigt wird. Da aber eine Mond·phase 29,53 Tage andauert, schwanken die Monats·längen im tradit·ion·ellen Kalender zwischen 29 und 30 Tagen. 12 Mond·phasen ergeben auf diese Weise im Schnitt 254 Tage. Es fehlen also 11 Tage, damit ein Sonnen·jahr von 365 Tagen voll wird. Um diese Differenz aus·zu·glei·chen, wird jedes zweite oder dritte Jahr ein Schalt·monat not·wendig.1 Der Schalt·monat selbst ver·dop·pelt einen exis·tie·renden Monat, sodass auch ein Schalt·jahr nominell nur 12 Monate besitzt. Welcher Monat in welchem Jahr ver·dop·pelt wird, ergibt sich nach Be·rech·nungen, die vom Grund·prinzip ausgehen, dass die Frühlings-Tag·und·nacht·glei·che immer in den 2. Monat fallen muss, die Sommer-Sonnen·wende in den 5. Monat, die Herbst-Tag·und·nacht·glei·che in den 8. und die Winter-Sonnen·wende in den 11. Monat.
Edo-Zeit, 1857. National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ).
Daher gibt es sowohl im west·lichen, gre·gor·ian·ischen als auch im tradit·ion·ellen chi·ne·sischen Kalender die zwölf Monate, die aber leider nie ganz mit einander über·ein·stim·men. Viel·mehr hat das chinesische System zur Folge, dass das traditionelle Neujahr – also der Beginn des ersten Monats – nach west·lichem Kalender frühestens auf einen 21. Januar und spät·es·tens auf einen 20. Februar fällt. Das wiederum bedingt Un·genau·igkeiten bei der Angabe histor·ischer Daten, wenn ledig·lich auf das Jahr, nicht aber auf den Monat Bedacht genommen wird.
Zwölf Tier·kreis·zeichen
Ausgehend von der Zahl Zwölf benützt man in Ost·asien zur Einteilung von Raum und Zeit zwölf Tier·kreis·zeichen (eig. „Erdzweige“, jūni shi [jūni shi (jap.) 十二支 Zwölf Erdzweige (chin. Tierkreiszeichen)]):
Ratte (Maus), Ochse (Büffel, Rind), Tiger, Hase, Drache, Schlange,
Pferd, Ziege (Schaf), Affe, Hahn, Hund, Eber (Schwein)
Die Tierkreiszeichen gliedern den Tag in folgender Weise:
Tier | On2 | Kun3 | Yin/Yang | Stunde4 | ||
---|---|---|---|---|---|---|
1 | Ratte/Maus | SHI | ne | 子 | Yang | 1 (23:00–1:00) |
2 | Ochse/Rind | CHŪ | ushi | 丑 | Yin | 2 (1:00–3:00) |
3 | Tiger | IN | tora | 寅 | Yang | 3 (3:00–5:00) |
4 | Hase | BŌ | u | 卯 | Yin | 4 (5:00–7:00) |
5 | Drache | SHIN | tatsu | 辰 | Yang | 5 (7:00–9:00) |
6 | Schlange | SHI | mi | 巳 | Yin | 6 (9:00–11:00) |
7 | Pferd | GO | uma | 午 | Yang | 7 (11:00–13:00) |
8 | Ziege/Schaf | BI | hitsuji | 未 | Yin | 8 (13:00–15:00) |
9 | Affe | SHIN | saru | 申 | Yang | 9 (15:00–17:00) |
10 | Hahn | YŪ | tori | 酉 | Yin | 10 (17:00–19:00) |
11 | Hund | JUTSU | inu | 戌 | Yang | 11 (19:00–21:00) |
12 | Wildschwein | GAI | i | 亥 | Yin | 12 (21:00–23:00) |
Die kanji [kanji (jap.) 漢字 chin. Schriftzeichen im japanischen Schriftsystem] der Tier·kreis·zeichen sind Spezial·zeichen der Kalen·der·kunde. Die japanischen Namen entsprechen hingegen den geläufigen Namen, doch kürzt man bei manchen Tieren den Namen ab, wenn man das Tier·kreis·zeichen meint: Ratte = nezumi, Hase = usagi, Schlange = hebi>mi, Wildschwein = inoshishi.
Da die Messung der Tagesstunden eng mit dem Sonnenstand verbunden ist, repräsentieren die Tier·namen auch Himmels·richtungen:
- Ratte= Norden, Pferd= Süden, Hase= Osten, Hahn= Westen
Bei den Monaten beginnt die Zählung mit dem Tiger, folgt aber ansonsten dem Stunden·schema:
- 1. Tiger, 2. Hase, 3. Drache, 4. Schlange, 5. Pferd, 6. Ziege, 7. Affe, 8. Hahn, 9. Hund, 10. Schwein, 11. Ratte, 12. Ochse
Das lässt sich damit erklären, dass das Neujahr (der Beginn des ersten Monats) grundsätzlich immer auf den zweiten Neumond nach der Winter·sonnen·wende fällt. Die Winter·sonnen·wende selbst ist jedoch fest mit dem Nord-Tier, der Ratte, verknüpft. Auch die anderen „Monate der Haupt·richtungen“ müssen — trotz gelegentlich notwendiger Schalt·monate — mit den Wende·punkten des Sonnen·laufs auf folgende Weise über·ein·stimmen:
Wintersonnenwende | 11. Monat (Ratte, N) |
Sommersonnenwende | 5. Monat (Pferd, S) |
Frühlings-Tagundnachtgleiche | 2. Monat (Hase, O) |
Herbst-Tagundnachtgleiche | 8. Monat (Hahn, W) |
Acht Richtungen
Die acht Him·mels·rich·tun·gen, die auch durch die sog. Acht Trigramme repräsentiert sind, stehen auf folgende Weise mit den Tier·kreis·zeichen in Verbindung:
Trig. | Kanji | On2 | Tier | Kun3 | Richtung | Element |
---|---|---|---|---|---|---|
☵ | 坎 | KAN | Ratte | (ne) | Norden | Wasser |
☶ | 艮 | GON | Rind Tiger |
ushitora | Nordost | Berg |
☳ | 震 | SHIN | Hase | (u) | Osten | Donner |
☴ | 巽 | SON | Drache Schlange |
tatsumi | Südost | Wind |
☲ | 離 | RI | Pferd | (uma) | Süden | Feuer |
☷ | 坤 | KON | Ziege Affe |
hitsujisaru | Südwest | Erde |
☱ | 兌 | DA | Hahn | (tori) | Westen | Sumpf |
☰ | 乾 | KEN | Hund Schwein |
inui | Nordwest | Himmel |
Der Sechzigerzyklus
Jahre werden grundsätzlich ebenfalls nach dem Tierkreisschema gezählt. Doch fasst man fünf Dutzende von Jahren im Sechziger·zyklus (kanshi [kanshi (jap.) 干支 Sechzigerzyklus des traditionellen Kalenders, wtl. Himmelsstämme (干) und Erdzweige (支)]) zusammen. Dabei kommen auch die Fünf Wandlungs·phasen zum Einsatz:
- Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser (Zyklus der Hervorbringung)
Zehn Himmelsstämme
Ordnet man den Fünf Wandlungsphasen jeweils einen Yin- und einen Yang-Aspekt zu, erhält man die sog. Zehn Him·mels·stämme (jikkan [jikkan (jap.) 十干 zehn Himmelsstämme; Kategorie der traditionellen Kalenderkunde]).
Kanji | On2 | Kun3 | Yang/Yin | Element | |
---|---|---|---|---|---|
1 | 甲 | KŌ | kinoe 木の兄 | Yang | Holz (ki 木) |
2 | 乙 | OTSU | kinoto 木の弟 | Yin | |
3 | 丙 | HEI | hinoe 火の兄 | Yang | Feuer (hi 火) |
4 | 丁 | TEI | hinoto 火の弟 | Yin | |
5 | 戊 | BO | tsuchinoe 土の兄 | Yang | Erde (tsuchi 土) |
6 | 己 | KI | tsuchinoto 土の弟 | Yin | |
7 | 庚 | KŌ | kanoe 金の兄 | Yang | Metall (kane 金) |
8 | 辛 | SHIN | kanoto 金の弟 | Yin | |
9 | 壬 | JIN | mizunoe 水の兄 | Yang | Wasser (mizu 水) |
10 | 癸 | KI | mizunoto 水の弟 | Yin |
Die Kom·bi·nation der Zwölf Erd·zweige und der Zehn Him·mels·stämme ergibt den Sech·ziger·zyklus. Er enthält 60 und nicht 120 Elemente, da ein Erd·zweig-Tier mit Yang-Aspekt nur einem Yang-Him·mels·stamm, und ein Yin-Tier nur einem Yin-Stamm zuge·ordnet wird.
Sechzigerzyklus, schematisch
Ratte | Büffel | Tiger | Hase | Drache | Schlange | Pferd | Ziege | Affe | Hahn | Hund | Schwein | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Holz + | 1甲子 | 51甲寅 | 41甲辰 | 31甲午 | 21甲申 | 11甲戌 | ||||||
Holz – | 2乙丑 | 52乙卯 | 42乙巳 | 32乙未 | 22乙酉 | 12乙亥 | ||||||
Feuer + | 13丙子 | 3丙寅 | 53丙辰 | 43丙午 | 33丙申 | 23丙戌 | ||||||
Feuer – | 14丁丑 | 4丁卯 | 54丁巳 | 44丁未 | 34丁酉 | 24丁亥 | ||||||
Erde + | 25戊子 | 15戊寅 | 5戊辰 | 55戊午 | 45戊申 | 35戊戌 | ||||||
Erde – | 26己丑 | 16己卯 | 6己巳 | 56己未 | 46己酉 | 36己亥 | ||||||
Metall + | 37庚子 | 27庚寅 | 17庚辰 | 7庚午 | 57庚申 | 47庚戌 | ||||||
Metall – | 38辛丑 | 28辛卯 | 18辛巳 | 8辛未 | 58辛酉 | 48辛亥 | ||||||
Wasser + | 49壬子 | 39壬寅 | 29壬辰 | 19壬午 | 9壬申 | 59壬戌 | ||||||
Wasser – | 50癸丑 | 40癸卯 | 30癸巳 | 20癸未 | 10癸酉 | 60癸亥 | ||||||
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Verweise
Verwandte Themen
Fußnoten
- ↑ Genauer gesagt gibt es innerhalb eines Zyklus von 19 Jahren sieben Jahre mit Schalt·monaten.
- ↑ abc onyomi, sinojap. Lesung eines Zeichens
- ↑ abc kunyomi, jap. Lesung eines Zeichens
- ↑ Die Stundenlänge ist streng genommen abhängig von der Jahreszeit, da die Zeit zwischen Sonnenauf- und -untergang in jeweils sechs Einheiten geteilt wird.
Literatur
Glossar
- ^ Kalenderblatt für das Jahr 1857 (Ansei 4). Das Bild enthält diverse für das alltägliche Kalenderwesen wichtige Informationen, z.B. dass dieses Jahr 384 Tage hat, da es sich um ein Schaltjahr handelt. Der Schaltmonat wurde nach dem 5. Monat eingeschoben. Weitere wichtige Informationen beziehen sich auf die Länge der einzelnen Monate: „klein“ (小), d.h. 29 Tage, oder „groß“ (大), 30 Tage. Die Schlange rechts im Bild zeigt an, dass es sich um ein Schlangenjahr (genauer Feuer-Schlangen-Jahr, hinoto no mi no toshi) handelt. Die meisten Informationen sind allerdings horoskopischer Natur.
Edo-Zeit, 1857. National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ).
Religion in Japan, Inhalt
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- Jenseits
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- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
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„Der traditionelle Kalender.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001