Der Fünf-Artikel-Eid (1868)
Gokajō no go-seimon 五箇条の御誓文, verlautbart und unterzeichnet am 6. April 1868 (Meiji 1/3/14).
- Wir wollen weitreichende Versammlungen abhalten, um alle Angelegenheiten öffentlich zu entscheiden.
- Obrigkeit und Untertanen seien eines Herzens, um die Wirtschaft des Reichs1 zu stärken.
- Es ist von Nöten, dass Hof und Krieger zusammen mit dem gemeinen Volk ihre Ziele verfolgen können und nicht in Mutlosigkeit versinken.
- Wir wollen althergebrachte Unsitten beseitigen und uns auf die Basis des Öffentlichen Weges von Himmel und Erde stellen.
- Wir wollen Wissen aus aller Welt erwerben, um die Fundamente des Kaisertums umfassend zu festigen.
- 廣ク會議ヲ興シ萬機公論ニ決スヘシ
hiroku kaigi wo okoshi banki kōron ni kessubeshi - 上下心ヲ一ニシテ盛ニ經綸ヲ行フヘシ
shōka kokoro wo hitotsu ni shite sakan ni keirin wo okonau beshi - 官武一途庶民ニ至ル迄各其志ヲ遂ケ人心ヲシテ倦マサラシメン事ヲ要ス
kanbu itto shōmin ni itaru made onoono sono kokorozashi wo toge jinshin wo shite umazarashimen koto wo yō su - 舊來ノ陋習ヲ破リ天地ノ公道ニ基クヘシ
kyūrai no rōshu wo yaburi, tenchi no kōdō ni motozuku beshi - 智識ヲ世界ニ求メ大ニ皇基ヲ振起スヘシ
chishiki wo sekai ni motome, ōi ni kōki wo shinki subeshi
- 廣ク會議ヲ興シ萬機公論ニ決スヘシ
Der Fünf-Artikel-Eid war die erste Grundsatzerklärung des neuen Regimes, das sich drei Monate zuvor (3. Jänner 1868) an die Macht geputscht hatte. Er kann auch als eine Art „Verfassung“ der neuen Meiji-Regierung angesehen werden oder wurde zumindest im Rückblick so gedeutet. Der Text wurde von mehreren Vertretern der Satsuma-Tosa-Chōshū Koalition verfasst und von insgesamt 767 führenden Vertretern des Hofes und des Tennō-loyalen Kriegeradels unterzeichnet.
Die ersten drei Punkte spiegeln das Bedürfnis wider, die alten Hierarchien zu überwinden, und wurden oft auch als demokratische Ansätze interpretiert. Die „alten Unsitten“ in Punkt vier wurden einerseits als Gepflogenheiten des Tokugawa-Regimes, etwa die Privilegien des Shōgun, verstanden, konnten sich aber auch z.B. auf den Buddhismus beziehen. Punkt 5 erhält ein Bekenntnis zur Modernisierung nach westlichem Muster. Schon Robert Spaulding machte allerdings darauf aufmerksam, dass die Ziele des Eids Anfangs wesentlich enger und konkreter waren, als sich dem Text selbst entnehmen lässt. Doch dank der allgemeinen Formulierungen, die teils aus Rücksicht auf mögliche politische Gegner gesucht wurden, ließ sich der Text im Rückblick als Aufforderung zu weit radikaleren Reformen lesen, als sie den „Meiji Oligarchen“ zunächst selbst vor Augen standen.
Anmerkungen
- ↑ Keirin, üblicherweise Staatsverwaltung, wird hier in einem speziellen Sinne ähnlich wie keizai 経済 verwendet (Spaulding 1967, S. 8).
Quellen
Japanischer Originaltext:
- gokajō no go-seimon (Wikisource).
Übersetzungen:
- John Breen, „The Imperial Oath of April 1868: Ritual, Politics, and Power in the Restauration“. Monumenta Nipponica 51:4 (1996), 407–29.
- Marius Jansen, The Making of Modern Japan. Cambridge, MA: Harvard University Press, 2000.
- Robert Spaulding, „The Intent of the Charter Oath“. In: Richard Beardsley (Hg.), Studies in Japanese History and Politics. Ann Arbor: Univ. of Michigan Press, 1967, 3–35. (Online.)
- Reinhard Zöllner, Geschichte Japans: Von 1800 bis zur Gegenwart. Paderborn: Schöningh, 2008. [2., durchgesehene Auflage 2009.]
Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Geschichte/Staatsshinto/5-Artikel-Eid.
- ^ Drei führende Politiker der frühen Meiji-Zeit Sanjō Sanetomi (re.), Iwakura Tomomi (Mitte) und Ōkubo Toshimichi (li.). Iwakura, der in der Darstellung offenbar den wichtigsten Platz innehält und den breitesten Raum einnimmt, war u.a. Leiter der sog. Iwakura Mission, die in den Jahren 1871–1873 die Länder der westlichen Welt bereiste, um die diplomatischen Beziehungen zu festigen.
Werk von Yamazaki Toshinobu (1857–1885). Meiji-Zeit, 1878. Antique Art Morimiya.
Religion in Japan, Inhalt
- 一 Grundbegriffe
- 二 Bauten
- 五 Mythen
- Einleitung
- Mythologie:
- Götter des Himmels
- Götter der Erde
- Jenseits:
- Jenseits
- Geister:
- Totengeister
- Dämonen
- Tiere:
- Imaginäre Tiere
- Verwandlungskünstler
- Symboltiere
- 六 Geschichte
- Einleitung
- Altertum:
- Prähistorie
- Frühzeit
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- Frühe kami-Kulte
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- Neo-Konfuzianismus
- Kokugaku
- Moderne und Gegenwart:
- Bakumatsu-Zeit
- Staatsshintō
- Neue Religionen
- 七 Essays
- Überblick
- Buddhismus, Asien:
- Arhats in China und Japan
- Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
- Bishamon-ten: Wächter und Glücksgott
- Riesen-Buddhas: Im Kampf gegen die Unbeständigkeit des irdischen Daseins
- Lokale Vorstellungen, Japan:
- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
- Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit
- Religion und Politik:
- Die Tenshō-Mission: Beginn einer schwierigen transnationalen Beziehung
- Yasukuni: Der Schrein des ‚friedlichen Landes‘
- Herrigels Zen und das Bogenschießen
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„Der Fünf-Artikel-Eid (1868).“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001