Ikonographie/Kannon/Bato Kannon: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Kannon mit dem Pferde·kopf lässt sich — wie so oft — auf eine indische Urform zurück·führen: Unter den Mani·fes·ta·tionen des Gottes {{s|Vishnu}} gibt es eben·falls eine mit Pferde·kopf, genannt {{s|Hayagriva}}. Aber erst im esoteri·schen Buddhis·mus erhielt die Figur die Standard·attri·bute einer zorn·vollen Gott·heit, die heute vor allem in Tibet und der Mongolei, aber auch in Japan zu finden ist. In der geläu·figsten Form besitzt der buddhis·tische Hayagriva drei Gesichter, sechs Arme und einen (bzw. in Tibet drei) Pferde·köpfe als Kopf·putz (s. dazu auch ähnliche Bei·spie·le von [[Ikonographie/Myoo/Vajrapani | Vajrapani]] und [[Ikonographie/Gluecksgoetter/Daikoku | Mahakala]]). Der früheste Text, in dem diese Form des Bodhi·sattva {{s|Avalokiteshvara}} be·schrie·ben wird, ist das eso·terische {{s|Dharanisutra|''Dharani-Sutra''}}, das nur in einer chine·sischen Fassung aus dem Jahr 654 bekannt ist. Diesem Text zufolge er·hoffte man sich von Batō Kannon beson·deren Schutz vor giftigen Schlan·gen und Insekten oder vor Krank·heiten. | + | Kannon mit dem Pferde·kopf lässt sich — wie so oft — auf eine indische Urform zurück·führen: Unter den Mani·fes·ta·tionen des Gottes {{s|Vishnu}} gibt es eben·falls eine mit Pferde·kopf, genannt {{s|Hayagriva}}. Zugleich existiert auch ein pferdeköpfiger Dämon namens Hayagriva, der von Vishnu zu Fall gebracht wird.<ref>Zu den vielfältigen Möglichkeiten, wie die Figur des Hayagriva in Indien u.a. von philosophischen Schulen „wiederverwertet“ wurde, siehe Freschi.</ref> |
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+ | Aber erst im esoteri·schen Buddhis·mus erhielt die Figur die Standard·attri·bute einer zorn·vollen Gott·heit, die heute vor allem in Tibet und der Mongolei, aber auch in Japan zu finden ist. In der geläu·figsten Form besitzt der buddhis·tische Hayagriva drei Gesichter, sechs Arme und einen (bzw. in Tibet drei) Pferde·köpfe als Kopf·putz (s. dazu auch ähnliche Bei·spie·le von [[Ikonographie/Myoo/Vajrapani | Vajrapani]] und [[Ikonographie/Gluecksgoetter/Daikoku | Mahakala]]). Der früheste Text, in dem diese Form des Bodhi·sattva {{s|Avalokiteshvara}} be·schrie·ben wird, ist das eso·terische {{s|Dharanisutra|''Dharani-Sutra''}}, das nur in einer chine·sischen Fassung aus dem Jahr 654 bekannt ist. Diesem Text zufolge er·hoffte man sich von Batō Kannon beson·deren Schutz vor giftigen Schlan·gen und Insekten oder vor Krank·heiten. | ||
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Version vom 13. Dezember 2020, 15:18 Uhr
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Im eso·teri·schen Buddhis·mus [Vajrayāna (skt.) वज्रयन „Vajra-Fahrzeug“, Tantrismus, esoterischer Buddhismus (jap. mikkyō 密教 oder Kongō-jō 金剛乗)], der vor allem während des japa·nischen Mittel·alters großen Ein·fluss besaß, konnte selbst der an·sonsten so milde Bodhisattva [Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)] Kannon [Kannon (jap.) 観音 auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt] die er·schre·cken·den Züge eines myōō [myōō (jap.) 明王 wtl. Licht-König, auch „Mantra-König“ oder „Weisheits-König“; meist zornvoll dargestellte Schutzgottheit; skt. vidyaraja] annehmen. Diese Figur wird in Japan als Batō Kannon [Batō Kannon (jap.) 馬頭観音 Kannon mit dem Pferdekopf, eine zornvolle Manifestation Kannons], „Pferdekopf-Kannon“, manchmal auch als Batō Myōō bezeichnet. Neben den Standard·attri·buten zornvoller esoteri·scher Figuren (drei Gesichter, zahl·reiche Arme, Raub·tier·zähne, magische Waffen) lässt sich Batō Kannon zumeist anhand eines kleinen Pferde·kopfes identi·fizieren, der ober·halb des mittleren Gesichts als Kopf·putz an·ge·bracht ist.
Heian-Zeit, 12. Jh. Museum of Fine Arts, Boston.
Edo-Zeit. Ryukoku University Library.
Edo-Zeit, 1665. Bildquelle: Shimotsuke Original Online News, über Internet Archive.
Edo-Zeit. The Tale of Genji, 2006.
Hayagriva
Kannon mit dem Pferde·kopf lässt sich — wie so oft — auf eine indische Urform zurück·führen: Unter den Mani·fes·ta·tionen des Gottes Vishnu [Viṣṇu (skt.) विष्णु indische (vedische) Gottheit; gilt im Vishnuismus als Manifestation des höchsten Seins] gibt es eben·falls eine mit Pferde·kopf, genannt Hayagriva [Hayagrīva (skt.) हयग्रीव „Der Pferdeköpfige“ (jap. Batō 馬頭)]. Zugleich existiert auch ein pferdeköpfiger Dämon namens Hayagriva, der von Vishnu zu Fall gebracht wird.1
Aber erst im esoteri·schen Buddhis·mus erhielt die Figur die Standard·attri·bute einer zorn·vollen Gott·heit, die heute vor allem in Tibet und der Mongolei, aber auch in Japan zu finden ist. In der geläu·figsten Form besitzt der buddhis·tische Hayagriva drei Gesichter, sechs Arme und einen (bzw. in Tibet drei) Pferde·köpfe als Kopf·putz (s. dazu auch ähnliche Bei·spie·le von Vajrapani und Mahakala). Der früheste Text, in dem diese Form des Bodhi·sattva Avalokiteshvara [Avalokiteśvara (skt.) अवलोकितेश्वर „Herr, der [die Welt] unten wahrnimmt“, Bodhisattva (jap. Kannon 観音 oder Kanzeon 観世音)] be·schrie·ben wird, ist das eso·terische Dharani-Sutra [Dhāraṇīsamuccayasūtra (skt.) धारणीसमुच्चयसूत्र esoterisches Sutra, chin. Fassung aus 654 (jap. Darani-kyō 陀羅尼經 oder Darani-jikkyō 陀羅尼集經)], das nur in einer chine·sischen Fassung aus dem Jahr 654 bekannt ist. Diesem Text zufolge er·hoffte man sich von Batō Kannon beson·deren Schutz vor giftigen Schlan·gen und Insekten oder vor Krank·heiten.
Tibet, 16. Jh. Himalayan Art.
Sambor Prei Kuk, Kambodscha, 10. Jh. Bernhard Scheid, flickr, 2015.
Batō Kannon und die Pferde
Sowohl in Japan, als auch in Tibet und der Mongolei wird Kannon mit dem Pferde·kopf auch um den Schutz von Pferden und anderen Nutz·tieren angebetet. Dies scheint aber nicht die ur·sprüng·liche Aufgabe Batō Kannons gewesen zu sein. Als eine der sechs Kannon-Mani·festa·tionen, die in der späten Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit mit den Sechs Be·reichen der Wieder·geburt (rokudō [rokudō (jap.) 六道 wtl. die Sechs Wege = Bereiche der Wiedergeburt]) in Überein·stimmung gebracht wurden, ist Batō Kannon vielmehr für alle Wesen, die als Tiere wieder·geboren werden, zuständig. Erst als der be·son·dere Glaube an diese sechs Mani·festa·tionen seinen Höhe·punkt über·schrit·ten hatte, scheinen sich Pferde·züchter und Trans·port·unter·nehmer die Figur der Kannon mit dem Pferde·kopf als Schutz·patron aus·er·koren zu haben.
Heute ist Batō Kannon in Japan weit·gehend in Ver·ges·sen·heit geraten und wird nur noch in wenigen großen Tempeln verehrt. Doch findet man ihn immer wieder in Form ein·facher Stein·skulp·turen aus der Edo [Edo (jap.) 江戸 Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);]-Zeit, die münd·lichen Lokal·tradi·tionen zufolge damals die Bitten von Rei·sen·den um eine sichere Fahrt ent·gegen·nahmen oder als Gedenk·stätten beson·ders ver·dienst·voller Pferde errichtet wurden. Obwohl auf diesen Stein·skulp·turen noch Elemente der eso·teri·schen Ikono·graphie er·kenn·bar sind, haben sie meist alle schrecken·erregenden Züge ver·loren. Bis·weilen tritt Batō Kannon auch als einfache mensch·liche Figur mit einem Pferde·kopf auf.
Die Ikonographie der Stein·skulpturen lässt sich auch an den o-fuda [o-fuda (jap.) お札 Amulett oder Talisman in Gestalt eines symbolischen Zeichens, meist aus Papier; auch shinsatsu; das Zeichen 札 kann auch „Geldschein“ bedeuten, wird dann aber sinojap. satsu ausgesprochen;] (Talismanen) diverser Tempel erkennen, in denen Batō Kannon verehrt wird:
Verweise
Verwandte Themen
- Kannon (Hauptseite)
- Fudō Myōō &Co (Hauptseite)
- Wegegötter (Sidepage)
- Kōshin-Glaube (Sidepage)
Internetquellen
- Batou Kannon (en.)
Eintrag auf Japanese Architecture and Art Net Users System (JAANUS).
Literatur
Bilder
- ^ Im oberen Teil des Kopfes des Batō Kannon ist undeutlich ein Pferd zu erkennen.
Heian-Zeit, 12. Jh. Museum of Fine Arts, Boston. - ^ Kannon in Form eines esoterischen myōō mit Pferdekopf (Batō Kannon). Die Abbildung stammt aus einer Edo-zeitl. Kopie des ältesten japanischen Handbuchs der buddhistischen Ikonographie (Zuzōshō 図像抄, „Abriss von Skizzen [buddhistischer] Statuen“, 12. Jh.; auch Jikkan-shō).
Edo-Zeit. Ryukoku University Library. - ^ Achtarmiger Batō Kannon des Tempels Rinnō-ji in Nikkō, während der Restaurierungsarbeiten im Jahr 2015. Die Teile der Statue wurden einzeln behandelt und hier erneut wieder zusammengesetzt. Die Statue ist Teil einer Dreiergruppe, bestehend aus Amida, Senju Kannon und eben Batō Kannon.
Edo-Zeit, 1665. Bildquelle: Shimotsuke Original Online News, über Internet Archive. - ^ Heian-zeitliche Darstellung des Batō Kannon.
Heian-Zeit. Tōkyō Geijutsu Daigaku Bijutsukan.
- ^ Batō Kannon mit weißem Pferdekopf und drei zornvollen Gesichtern. Station 29 der „Westlichen Kannon Pilgerroute“. Diese Staue ist ein „Geheimer Budda“ (hibutsu) und wird nur alle 77 Jahre einmal hergezeigt. Der Tempel selbst beruft sich auf eine Gründungslegende, laut der Kannon mit dem Pferdekopf hier in der Nara-Zeit erschienen sein soll.
Edo-Zeit. The Tale of Genji, 2006. - ^ Im Unterschied zu japanischen Darstellungen (vgl. Batō Kannon) besitzt dieser Hayagriva drei Pferdeköpfe als Kopfputz.
Tibet, 16. Jh. Himalayan Art. - ^ Der hinduistische Gott Vishnu in einer Manifestation mit Pferdekopf.
Sambor Prei Kuk, Kambodscha, 10. Jh. Bernhard Scheid, flickr, 2015.
Glossar
- Avalokiteśvara (skt.) अवलोकितेश्वर ^ „Herr, der [die Welt] unten wahrnimmt“, Bodhisattva (jap. Kannon 観音 oder Kanzeon 観世音)
- Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व ^ „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)
- Dhāraṇīsamuccayasūtra (skt.) धारणीसमुच्चयसूत्र ^ esoterisches Sutra, chin. Fassung aus 654 (jap. Darani-kyō 陀羅尼經 oder Darani-jikkyō 陀羅尼集經)
- Kannon 観音 ^ auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt
- ↑ Zu den vielfältigen Möglichkeiten, wie die Figur des Hayagriva in Indien u.a. von philosophischen Schulen „wiederverwertet“ wurde, siehe Freschi.