Geschichte/Staatsshinto: Unterschied zwischen den Versionen

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{{fl|D}}ie Errichtung des japanischen National·staats nach westlichem Muster begann mit der so·ge·nannten Meiji-Restau·ration ({{glossar:meijiishin}}). Diese hatte jedoch zunächst ganz andere Ziele als die „Verwest·lichung“ Japans. Der poli·tische Um·bruch zwischen 1867 und 68 wird genau des·halb als „Restauration“ be·zeichnet, weil er von dem Ideal ge·tragen war, zu den poli·tischen Ver·hältnis·sen des alten Japan, also zu einer zentra·listi·schen Monarchie rund um den {{Glossar:Tennou}} zurück·zu·kehren. Nach Jahr·hunder·ten der Be·deutungs·losig·keit sollte der kaiserliche Hof, angeführt vom jungen {{glossar:meijitennou}}, wieder ins Zentrum der poli·tischen Macht gerückt werden. Dieses poli·tische Ziel sollte durch eine (Wieder-)Ver·eini·gung von Shintō-Ritus und poli·tischer Gewalt ({{glossar:saiseiitchi}}) erfolgen. Das ideo·logi·sche System, das sich um diese poli·tische Ziel·set·zung heraus·bildete,  bezeich·net man heute als Staats·shintō,  jap. {{glossar:kokkashintou}}.  
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Staatsshintō ({{g|kokkashintou}}) ist ein umstrittener Begriff, da sich insbesondere in Japan viele Experten uneinig sind, ob es überhaupt je so etwas wie Staatsshintō gab, und wenn ja, wann er begann. Manche sehen darin auch eine unzulässige Bezeichnung für den japanischen Nationalismus der Zwischenkriegszeit, der erst im Nachhinein von den westlichen Siegermächten auf eine shintōistische Ideologie reduziert wurde. Ich selbst finde den Begriff Staatsshintō zwar durchaus berechtigt, sehe aber auch die damit verbundenen Probleme und Ambivalenzen. Diese sollen anhand eines geschichtlichen Überblicks auf dieser Seite thematisiert werden. 
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| Meiji Tennō mit Gemahlin und  göttlichen kaiserlichen Ahnen
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== Die Meiji-„Restauration“ ==
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Der Staatsshintō wäre ohne die Errichtung eines japanischen Nationalstaats nach westlichem Muster nicht denkbar. Diese Entwicklung begann mit der sogenannten Meiji-Restauration ({{g|meijiishin}}), die jedoch zunächst ganz andere Ziele hatte als die „Verwestlichung“ Japans. Der politische Umbruch zwischen 1867 und 68 wird genau deshalb als „Restauration“ bezeichnet, weil er von dem Ideal getragen war, zu den politischen Verhältnissen des alten Japan, also zu einer zentralistischen Monarchie rund um den {{g|Tennou}} zurückzukehren. Nach Jahrhunderten der Bedeutungslosigkeit sollte der kaiserliche Hof, angeführt vom jungen {{g|meijitennou}}, wieder ins Zentrum der politischen Macht gerückt werden.
  
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Im Hintergrund der Forderung nach einer neuen politischen Autorität stand u.a. die Bedrohung durch westliche Mächte, die  spätestens im Jahr 1853 in Gestalt der „Schwarzen Schiffe“ ({{g|kurobune}}) des amerikanischen Admirals {{g|Perrymatthew |Matthew Perry}} für die gesamte japanische Öffentlichkeit sichtbar wurde (s. {{showTitel|Geschichte/Bakumatsu}}). Eine effektive Maßnahme gegen diese Bedrohung wurde immer weniger vom {{g|Shougun}} und immer mehr vom Tennō erwartet. Ein bekannter Slogan aus den letzten Jahren der {{g|Edo}}-Zeit, der diese Erwartungshaltung charakterisiert, lautete: „Ehre dem Tennō, fort mit den Barbaren“ ({{g|sonnoujoui}}).  Dieses politische Ziel wollten die Meiji-Reformer anfangs durch eine Wieder-Vereinigung von Shintō-Ritus und politischer Gewalt erreichen. Das ideologische System, das sich um diese politische Zielsetzung herausbildete, lässt sich heute als Staatsshintō bezeichnen, obwohl dieser Begriff in der Meiji-Zeit selbst nicht in Gebrauch war.
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|Vergöttlichung, gepaart mit Verwestlichung: Meiji Tennō in westlicher Uniform, mit seiner Gemahlin und den göttlichen kaiserlichen Ahnen
 
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Im Hinter·grund der Forderung nach einer neuen politischen Auto·rität stand u.a. die Bedro·hung durch west·liche Mächte, die  spätestens im Jahr 1853 in Gestalt der „Schwarzen Schiffe“ ({{glossar:kurobune}}) des ameri·kani·schen Admirals {{g|Perrymatthew |Matthew Perry}} für die gesamte japa·nische Öffent·lich·keit sichtbar wurde (s. [[Geschichte/Bakumatsu| Bakumatsu-Zeit]]). Eine effek·tive Maß·nahme gegen diese Bedro·hung wurde immer weniger vom Shōgun und immer mehr vom Tennō erwartet. Ein bekann·ter Slogan aus den letzten Jahren der {{glossar:Edo}}-Zeit, der diese Erwar·tungs·hal·tung charak·terisiert, lautete: „Ehre dem Tennō, fort mit den Barbaren“ ({{glossar:sonnoujoui}}).  
 
  
== Tradition und Moderne ==
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=== Tradition und Moderne ===
  
Die Ideen des Staats·shintō wurden u.a. von der {{Glossar:kokugaku}} („Nationale Schule“) und der Mito-Schule ({{glossar:mitogaku}}) formuliert, die sich im Laufe des neun·zehnten Jahr·hun·derts zu·neh·mend politi·siert hatten und den Umsturz der feudalen Ver·hält·nisse unter dem Toku·gawa Shōgunat ideo·logisch vor·berei·teten. Die Gelehrten dieser Schulen er·achte·ten das klassi·sche Alter·tum als eine Art gol·denes Zeit·alter, in dem sowohl der Tennō als auch die {{g|kami}} von allen Japa·nern als natur·gege·bene Auto·ritä·ten an·er·kannt wurden, ohne dass explizite Gesetze oder Glau·bens·lehren von Nöten gewe·sen wären. Diese selbst·ver·ständ·liche An·erken·nung einer religiös-politi·schen Ordnung wurde als die Essenz des {{Glossar:Shintou}}, des Weges der ''kami'', ange·sehen. Aus Sicht der ''kokugaku'' impli·zierte Shintō somit die Idee eines sakra·len König·tums. Auch diese Idee wurde durch das erwähnte Schlag·wort ''saisei itchi'', die Einheit von Religion/Ritus und Staat/Verwaltung, ausgedrückt.  
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Die Ideen des Staatsshintō wurden u.a. von der „Nationalen Schule“ ({{g|kokugaku}}) und der Mito-Schule ({{g|mitogaku}}) formuliert. In beiden Fällen handelt es sich um intellektuelle Strömungen, die sich im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts zunehmend politisiert hatten und den Umsturz der feudalen Verhältnisse unter dem {{g|tokugawa}} Shōgunat ideologisch vorbereiteten. Die Gelehrten dieser Schulen erachteten das klassische Altertum als eine Art goldenes Zeitalter, in dem sowohl der Tennō als auch die {{g|kami}} von allen Japanern als naturgegebene Autoritäten anerkannt wurden, ohne dass explizite Gesetze oder Glaubenslehren von Nöten gewesen wären. Diese selbstverständliche Anerkennung einer religiös-politischen Ordnung wurde als die Essenz des {{g|Shintou}}, des Weges der ''kami'', angesehen. Aus Sicht der ''kokugaku'' implizierte Shintō somit die Idee eines sakralen Königtums. Diese Idee wurde u.a. durch das Schlagwort {{g|saiseiitchi}}, die Einheit von Religion/Ritus und Staat/Verwaltung, ausgedrückt. Die damit verbundene Shintō-Richtung bezeichnete sich selbst oft als {{g|fukkoshintou}}, ein Begriff, der der Einfachheit halber meist als „Restaurations-Shintō“ übersetzt wird, sich aber auch als Absichtserklärung — „den Shintō des Altertums wieder errichten“ — oder als Leit-Ideologie — „wiedererrichteter Shintō“ — verstehen lässt.  
  
Die Utopien, die Japan Mitte des neun·zehnten Jahr·hunderts veränderten, waren also primär auf die Ver·gangen·heit gerichtet. Auch die sieg·reichen Refor·mer der Meiji-Zeit standen zu·nächst in dieser Tradition. Die Meiji Restau·ration unter·schied sich in diesem Punkt von den bürger·lichen Revolu·tionen, die Europa zu dieser Zeit bewegten, wurden diese doch im Namen einer wie immer gear·teten „Freiheit“ durch·geführt. In Japan, wo eine äußere Bedro·hung den Anlass zur Verän·derung lieferte, stand anstelle dieser Freiheit Nostalgie.  
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Die Utopien, die Japan Mitte des neunzehnten Jahrhunderts veränderten, waren also primär auf die Vergangenheit gerichtet. Auch die siegreichen Reformer der Meiji-Zeit standen zunächst in dieser Tradition. Die Meiji-Restauration unterschied sich in diesem Punkt von den bürgerlichen Revolutionen, die Europa zu dieser Zeit bewegten, wurden diese doch im Namen einer wie immer gearteten „Freiheit“ durchgeführt. In Japan, wo eine äußere Bedrohung den Anlass zur Veränderung lieferte, stand anstelle dieser Freiheit Nostalgie.  
  
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Trotz dieser unter·schiedlichen Aus·gangs·bedingungen führten die politischen Ver·änderungen in Europa und Japan gleicher·maßen zur Besin·nung auf nationale Werte. Obwohl dies eigentlich nationale Diver·genzen begünstigen sollte, bewegten sich Japan und die westlichen Staaten hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Entwicklung weiter auf einander zu. Dies wird auch aus dem „[[{{FULLPAGENAME}}/5-Artikel-Eid|Fünf-Artikel-Eid]]“ von 1868 deutlich, der den Minimal-Konsens des neuen Regimes im Jahr 1868 formulierte und besiegelte. Aus diesem Dokument spricht einerseits das Vor·haben, neue Be·völkerungs·schichten an politischen Entscheidungs·prozessen teilhaben zu lassen, andererseits sollen „die Unsitten der Vergangenheit“ überwunden und Wissen aus aller Welt nutzbar gemacht werden. Dies markiert die ideologische Umkehr von einer rein tradi·tionalistischen Verteidigung „alter Werte“ zu einem prag·matischen Umgang mit globalen Trends.  
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Trotz dieser unterschiedlichen Ausgangsbedingungen führten die politischen Veränderungen in Europa und Japan gleichermaßen zur Besinnung auf nationale Werte. Obwohl dies eigentlich nationale Divergenzen begünstigen sollte, bewegten sich Japan und die westlichen Staaten hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Entwicklung weiter aufeinander zu. Dies wird auch aus dem „[[{{FULLPAGENAME}}/5-Artikel-Eid|Fünf-Artikel-Eid]]“ von 1868 deutlich, der den Minimal-Konsens des neuen Regimes im Jahr 1868 formulierte und besiegelte. Aus diesem Dokument spricht einerseits das Vorhaben, neue Bevölkerungsschichten an politischen Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen, andererseits sollen „die Unsitten der Vergangenheit“ überwunden und Wissen aus aller Welt nutzbar gemacht werden. Dies markiert die ideologische Umkehr von einer rein traditionalistischen Verteidigung „alter Werte“ zu einem pragmatischen Umgang mit globalen Trends.  
  
Ein wichtiger Motor dieser konvergenten Ver·änderungen war die sogenannte „industrielle Revolution“. Diese entstand zwar in Europa, wurde aber von Japan mit nur geringfügiger Verspätung auf·genommen und mitgetragen. Nach dem erwähnten Kontakt mit den Schwarzen Schiffen (1853/54) bildete sich langsam ein allgemeiner Konsens, dass ein zu großer technischer Rück·stand gegenüber den westlichen Mächten früher oder später zur Kolonia·lisierung führen würde. Daher begann die tech·nische Aufrüstung des Militärs mit westlichen Waffen (v.a. mit Kriegs·schiffen) bereits vor 1868, was schließ·lich die ent·sprechende Umge·staltung der politisch-gesell·schaft·lichen Struktur des Landes unum·gänglich machte. Ab der Meiji-Zeit beob·achtete die politische Elite auch alle anderen Innova·tionen der west·lichen Staaten sehr genau, ließ sich von west·lichen Experten beraten und führte sie – zumeist mit leichten Modifikationen – auch im eigenen Lande ein. Dies führte notgedrungen zu einem Wider·spruch zwischen den Idealen der „Restauration“ und der gesell·schaft·lichen Wirklichkeit.  
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Ein wichtiger Motor dieser konvergenten Veränderungen war die sogenannte „industrielle Revolution“. Diese entstand zwar in Europa, wurde aber von Japan mit nur geringfügiger Verspätung aufgenommen und mitgetragen. Nach dem erwähnten Kontakt mit den Kanonenbooten des Admirals {{g|Perrymatthew|Perry}} (1853/54) bildete sich in Japan langsam ein allgemeiner Konsens, dass ein zu großer technischer Rückstand gegenüber den westlichen Mächten früher oder später zur Kolonialisierung führen würde. Daher begann die technische Aufrüstung des Militärs mit westlichen Waffen (v.a. mit Kriegsschiffen) bereits vor 1868, was schließlich die entsprechende Umgestaltung der politisch-gesellschaftlichen Struktur des Landes unumgänglich machte. Ab der Meiji-Zeit beobachtete die politische Elite auch alle anderen Innovationen der westlichen Staaten sehr genau, ließ sich von westlichen Experten beraten und führte sie – zumeist mit leichten Modifikationen – auch im eigenen Lande ein. Ein Sinnbild für diesen Geist der Modernisierung ist die sogenannte „Iwakura-Mission“ ({{g|iwakurashisetsudan}}), die unter Führung des Staatsmannes {{g|iwakuratomomi}} ab 1871 zwei Jahre lang die westliche Welt bereiste und neben politischen Verhandlungen vor allem die technischen Innovationen der führenden Industrienationen inspizierte. Die durch die Iwakura-Mission ein weiteres Mal angeheizte Modernisierungswelle Japans führte notgedrungen zu einem Widerspruch zwischen den Idealen der „Restauration“ und der gesellschaftlichen Wirklichkeit.
  
 
=== Das doppelte Gesicht des Tennō ===
 
=== Das doppelte Gesicht des Tennō ===
  
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Der junge {{g|meijitennou}}, der eher zufällig zugleich mit der Sieg der Tennō-Loyalisten an die Macht kam,<!--
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Schon Meiji's Vater, {{gb| koumeitennou}} hatte sich aktiv am Niedergang des Shōgunats beteiligt, indem er ohne Rücksprache weitreichende Befehle erteilte, die wieder zurückgenommen werden mussten. Er starb allerdings aus nicht ganz geklärten Umständen im Jahr 1867, im Alter von 36 Jahren.
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wurde nicht nur zum wichtigsten Emblem der Meiji-zeitlichen Erneuerung, sondern erhielt auch — den  unterschiedlichen Triebkräften der Restauration entsprechend — ein doppeltes Gesicht: Neben seinen sakral anmutenden traditionellen Amtsroben trat er in einer vollkommen neuen Gestalt auf, nämlich in Militäruniform nach westlichem Muster.
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Der junge {{glossar:meijitennou}}, der eher zufällig zugleich mit der Sieg der Tennō-Loyalisten an die Macht kam,<!--
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Dieses doppelte Erscheinungsbild des Meiji Tennō spiegelt nicht nur die Zerrissenheit des damaligen Japan zwischen Traditionalismus und Moderne, es trägt auch die Paradoxe in sich, die sich in der Idee eines staatstragenden Shintō offenbaren. Dieser sollte die Ideologie für eine Entwicklung bereit stellen, die eben nicht in erster Linie die Vergangenheit wach rief, sondern von politischer Zentralisierung, verwaltungstechnischer und militärischer Rationalisierung, sowie von technologischer Erneuerung, kurz von der Modernisierung nach westlichem Muster geprägt war. Dennoch bediente sich diese Modernisierung, wo es möglich war, eines rituellen Gepräges, das der japanischen Antike entnommen war. Diesen Zwiespalt versuchte man mit dem Schlagwort „Japanischer Geist — westliche Technik“ ({{g|wakonyousai}}) zu überbrücken.<ref>
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Interessanterweise handelt es sich dabei um die Abwandlung eines Schlagwortes, das auf den Heian-zeitlichen Gelehrten {{gb|sugawaranomichizane}} zurückgehen soll: ''wakon kansai'' 和魂漢才, „japanischer Geist, '''chinesische''' Technik“ ({{zitiert|Wachutka 2013}}, S. 48).  
Schon Meiji's Vater, {{glossar: koumeitennou}} hatte sich aktiv am Nieder·gang des Shōgunats beteiligt, indem er ohne Rück·sprache weitreichende Befehle erteilte, die wieder zurück genommen werden mussten. Er starb allerdings aus nicht ganz geklärten Umständen im Jahr 1867, im Alter von 36 Jahren.
 
 
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wurde nicht nur zum wichtig·ste Emblem der Meiji-zeitlichen Erneue·rung, sondern erhielt auch — den  unterschiedlichen Trieb·kräften der Restauration entsprechend — ein doppeltes Gesicht: Neben seinen sakral anmu·tenden tradi·tionellen Amts·roben trat er in einer voll·kommen neuen Gestalt auf, nämlich in Militär·uniform nach westlichem Muster.  
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Man meinte also, zwar äußerlich dem westlichen Vorbild zu folgen, innerlich aber sich selbst treu zu bleiben. Tatsächlich regierte in der Meiji-Zeit jedoch ein schrankenloser Pragmatismus, der im Grunde nur von einem Ziel bestimmt war: in machtpolitischer Hinsicht mit den europäischen Mächten und Amerika gleichzuziehen. Ob dies nun durch Rückbesinnung auf alte Werte oder durch Übernahme neuer Institutionen und Techniken zu erreichen wäre, unterlag den momentanen Schwankungen der tagespolitischen Situation.
  
Dieses doppelte Erschei·nungs·bild des Meiji Tennō spiegelt nicht nur die Zer·rissen·heit des dama·ligen Japan zwischen Traditio·nalis·mus und Moderne, es trägt auch die Para·doxe in sich, die sich in der Idee eines staats·tragen·den Shintō offen·baren. Dieser sollte die Ideo·logie für eine Ent·wick·lung bereit stellen, die eben nicht in erster Linie die Ver·gangen·heit wach rief, sondern von politi·scher Zentra·lisie·rung, verwal·tungs·techni·scher und militäri·scher Rationa·lisierung, sowie von tech·nologi·scher Er·neue·rung, kurz von der Moderni·sierung nach westlichem Muster geprägt war. Dennoch bediente sich diese Moderni·sierung, wo es möglich war, eines rituellen Gepräges, das der japani·schen Antike entnom·men war. Diesen Zwie·spalt ver·suchte man mit dem Schlag·wort „Japani·scher Geist — west·liche Technik“ ({{glossar:wakonyousai}}) zu über·brücken.<ref>
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== Shintō als Staatsreligion?==
Interessanter·weise handelt es sich dabei um die Ab·wandlung eines Schlag·wortes, das auf den Heian-zeitlichen Gelehrten {{glossar:sugawaranomichizane}} zurückgehen soll: ''wakon kansai'' 和魂漢才, „japanischer Geist, '''chinesische''' Technik“ (Wachutka 2013, S. 48).
 
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Man meinte also, zwar äußerlich dem west·lichen Vorbild zu folgen, inner·lich aber sich selbst treu zu bleiben. Tat·sächlich regierte in der Meiji-Zeit jedoch ein schranken·loser Pragma·tismus, der im Grunde nur von einem Ziel bestimmt war: in macht·politi·scher Hinsicht mit den euro·päi·schen Mächten und Amerika gleich·zu·ziehen. Ob dies nun durch Rück·besin·nung auf alte Werte oder durch Über·nahme neuer Institu·tionen und Techniken zu erreichen wäre, unter·lag den momen·tanen Schwan·kungen der tages·poli·tischen Situation.
 
  
{{h2+3| Shinto als Staatsreligion?}}
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=== Trennung von Shintō und Buddhismus ===
  
=== Trennung von Shintō und Buddhismus ===
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Eine Staats·religion zu haben erschien zunächst gerade aus der pragma·tischen Orientierung an Europa un·ab·ding·bar. Die meisten japani·schen Be·ob·achter der europäi·schen Ver·hältnisse machten nämlich das Christen·tum dafür ver·ant·wortlich, dass der Staat hier das Volk besser im Griff habe als in Japan. Die Meiji-Reformer suchten also nach einer ver·gleich·baren ideologi·schen Macht im eigenen Land. Da der Bud·dhis·mus durch seine Verbindung mit dem über·kom·menen Tokugawa Regime dafür nicht in Betracht kam ({{glossar:teraukeseido| ''terauke''}} System), ent·schied man sich für Shintō und Tennō-Kult. Es war jedoch un·über·sehbar, dass der Shintō erst einmal neu gestaltet —  um nicht zu sagen neu erfunden  —  werden musste, damit er eine dem Christen·tum ver·gleich·bare Rolle über·nehmen konnte. Er musste z.B. erst einmal säuberlich vom Bud·dhis·mus ge·trennt werden. Einer der ersten Erlasse der neuen Meiji-Regierung im Jahr 1868 ordnete daher die „Trennung von ''kami'' und Buddhas“ ({{glossar:shinbutsubunri}}) an. Dies markierte einen Bruch mit der seit dem Alter·tum all·ge·mein·gül·tigen Auf·fassung, dass japani·sche ''kami'' im Grunde nur beson·dere Erschei·nungs·formen buddhis·tischer Wesen seien (s. [[Geschichte/Honji_suijaku | ''honji suijaku'']]). Dieser Bruch reali·sierte sich in der Praxis durch Maß·nahmen wie die Ab·schaf·fung bud·dhis·tischer Titel für die ''kami'', die Um·benen·nung und Umwidmung von Shintō-Schreinen sowie die Zer·störung bud·dhis·tischer Statuen, vor allem wenn diese in Shintō-Schreinen verehrt worden waren.  Es kam überdies landes·weit zu anti-buddhis·tischen Aus·schrei·tungen, bei·spiels·weise Tempel·plün·de·rungen, die von be·stehen·den Ressenti·ments gegenüber den Privilegien des bud·dhis·tischen Klerus in der Edo-Zeit (s. [[Geschichte/Terauke | ''terauke'' System]]) angeheizt wurden.
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Eine Staatsreligion zu haben erschien zunächst gerade aus der pragmatischen Orientierung an Europa unabdingbar. Die meisten japanischen Beobachter der europäischen Verhältnisse machten nämlich das Christentum dafür verantwortlich, dass der Staat hier das Volk besser im Griff habe als in Japan. Die Meiji-Reformer suchten also nach einer vergleichbaren religiös-ideologischen Macht im eigenen Land. Da der Buddhismus durch seine Verbindung mit dem überkommenen Tokugawa-Regime dafür nicht in Betracht kam, entschied man sich für Shintō und Tennō-Kult. Es war jedoch unübersehbar, dass der Shintō erst einmal neu gestaltet —  um nicht zu sagen neu erfunden  —  werden musste, damit er eine dem Christentum vergleichbare Rolle übernehmen konnte. Er musste z.B. erst einmal säuberlich vom Buddhismus getrennt werden. Einer der ersten Erlasse der neuen Meiji-Regierung im Jahr 1868 ordnete daher die „Trennung von ''kami'' und Buddhas“ ({{g|shinbutsubunri}}) an. Dies markierte einen Bruch mit der seit dem Altertum allgemeingültigen Auffassung, dass japanische ''kami'' im Grunde nur besondere Erscheinungsformen buddhistischer Wesen seien (s. [[Geschichte/Honji_suijaku | ''honji suijaku'']]). Dieser Bruch realisierte sich in der Praxis durch Maßnahmen wie die Abschaffung buddhistischer Titel für die ''kami'', die Umbenennung und Umwidmung von Shintō-Schreinen sowie die Zerstörung buddhistischer Statuen, vor allem wenn diese in Shintō-Schreinen verehrt worden waren.  Es kam überdies landesweit zu anti-buddhistischen Ausschreitungen, beispielsweise Tempelplünderungen, die von bestehenden Ressentiments gegenüber den Privilegien des buddhistischen Klerus in der Edo-Zeit (s. {{showTitel|Geschichte/Terauke}}) angeheizt wurden.
  
Die neuen Maß·nahmen trafen aber nicht nur [[Alltag/Mönche | buddhistische Mönche]], sondern auch viele [[Alltag/Schreinpriester | Schrein·priester]], da die meisten von ihnen ja gemein·sam mit den Mönchen in „Tempel-Schrein-Komplexen“ tätig gewe·sen waren. Ohne den institu·tionellen Schutz und das litur·gische Knowhow bud·dhis·tischer Tempel fehlte vielen Schrein·priestern schlicht die Existenz·grund·lage. Am härtesten traf die ver·ord·nete Trennung von Bud·dhis·mus und Shintō allerdings religiöse Misch·formen wie den Kult der {{Glossar:Yamabushi}}, der keiner der beiden Religionen ein·deutig zu·ge·ordnet werden konnte und daher zu Gänze verboten wurde.
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Die neuen Maßnahmen trafen aber nicht nur [[Alltag/Mönche | buddhistische Mönche]], sondern auch viele [[Alltag/Schreinpriester | Schreinpriester]], da die meisten von ihnen ja gemeinsam mit den Mönchen in „Tempel-Schrein-Komplexen“ ({{g|jinguuji}}) tätig gewesen waren. Ohne den institutionellen Schutz und das liturgische Knowhow buddhistischer Tempel fehlte vielen Schreinpriestern schlicht die Existenzgrundlage. Am härtesten traf die verordnete Trennung von Buddhismus und Shintō allerdings religiöse Mischformen wie den Kult der {{g|Yamabushi}}, der keiner der beiden Religionen eindeutig zugeordnet werden konnte und daher zu Gänze verboten wurde.
  
 
=== Die „Verbreitung der Großen Lehre“ ===
 
=== Die „Verbreitung der Großen Lehre“ ===
  
Während das Kräfte·verhältnis von Tempeln und Schreinen ungewiss blieb, übten westliche Mächte Druck auf die Meiji-Regie·rung aus, den Edo-zeitlichen Bann gegen das Christen·tum aufzuheben und der christlichen Missionierung neue Ent·faltungs·möglich·keiten zu geben. Diesen Forderungen wurde bereits 1873 statt gegeben, doch nährte diese Liberalisierung Ängste vor einer Über·fremdung, die vom Shintō allein nicht auf·gehalten werden konnte. Die meisten Führer der Restau·ration waren im übrigen keines·wegs gläubige Shintōisten. Sie neigten vor allem dem Kon·fuzianis·mus zu und sahen im Shintō lediglich ein dema·go·gisches Instru·ment zur Stär·kung des Tennōismus.  
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Während das Kräfteverhältnis von Tempeln und Schreinen ungewiss blieb, übten westliche Mächte Druck auf die Meiji-Regierung aus, den Edo-zeitlichen Bann gegen das Christentum aufzuheben und der christlichen Missionierung neue Entfaltungsmöglichkeiten zu geben. Diesen Forderungen wurde bereits 1873 statt gegeben, doch konnte diese Liberalisierung die schwelende Ängste vor einer christlichen Überfremdung, die schon unter den Tokugawa entstanden waren, nicht tilgen. Man suchte also nach indirekten Methoden, um den Gefahren einer Christianisierung Japans vorzubeugen.  
  
In dieser Situation entstand die Idee, alle traditionellen Religionen Japans in einer  breiten Kampagne zur Ver·breitung von patrio·tischen Grund·sätzen zu bündeln.  Zu diesem Zweck entstand eine anfangs staatlich koordinierte Initiative, die vor der fast unlösbaren Aufgabe stand, eine neue Staats·religion gleichzeitig zu formulieren und zu verbreiten. Diese Staats·religion wurde schlicht die „Große Lehre“ genannt. Sie sollte zwar ihre Basis in den Schreinen des Landes haben und vom 1869 revitali·sier·ten „Götteramt“ ({{glossar:jingikan}}) koordiniert werden, doch sollten auch Bud·dhisten und andere an ihrer Verbreitung teilhaben können. Wahrscheinlich war man sich bewusst, dass man ganz ohne Bud·dhis·mus nicht über die nötige Masse von qualifiziertem päda·gogischen Personal verfügte. Die sogenannten „Drei Prinzipien der Großen Lehre“ wurden daher bewusst sehr offen und allgemein gehalten. Sie lauteten:
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In dieser Situation entstand die Idee, eine neue Staatsreligion zu formulieren. Diese Staatsreligion wurde schlicht die „Große Lehre“ ({{g|taikyou}}) genannt und sollte im Rahmen der 1870 begründeten „Bewegung zur Verbreitung der Großen Lehre“ ({{g|taikyousenpuundou}}) verbreitet werden. Sie wurde zunächst vom 1869 revitalisierten „Götteramt“ ({{g|jingikan}}) koordiniert und ging von den Ideologen des Restaurations-Shintō aus.<ref>{{zitiert|Kleinen 2002}}.</ref> Doch schon bald stellte sich heraus, dass man ganz ohne Buddhismus nicht über die nötige Masse von qualifiziertem pädagogischen Personal verfügte, um die Bevölkerung auf religiös-ideologischem Gebiet beeinflussen zu können.
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Bereits 1872 erfolgte eine  Art Neugründung der Kampagne.  
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Die verantwortliche staatliche Institution, das Shintō-dominierte Götteramt (bzw. sein Nachfolger, das „Götter-Ministerium“), wurde aus diesem Anlass aufgelöst und ging in das Ministerium für doktrinäre Angelegenheiten ({{g|kyoubushou}}) über, welches explizit auch Buddhisten und Konfuzianer in die Lehrtätigkeit einbezog. Die Basis der Kampagne bildeten offizielle Instruktoren ({{g|kyoudoushoku}}), deren Zahl Mitte der 70er Jahre bereits auf über 10.000 anstieg. Sie setzten sich aus Shintō-Priestern, buddhistischen Mönchen, aber auch weltlichen Pädagogen zusammen.<!--
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{{zitiert|Hardacre 1991}}, S. 45.
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</ref>
  
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Zu diesem Zeitpunkt überwog in der Regierung die Ansicht, eine Mischform aus Shintō, Konfuzianismus und Buddhismus wäre wohl eher als Staatsreligion geeignet denn Shintō allein. Im Gegensatz zur traditionellen ''kokugaku'' vertraute man nun nicht mehr auf eine spontane, intuitive Bejahung des Tennō seitens der Bevölkerung, sondern bemühte sich um eine entwickelte Morallehre in der Art des Konfuzianismus.
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Die meisten Führer der Restauration waren im übrigen keineswegs gläubige Shintōisten. Sie neigten vor allem dem Konfuzianismus zu und sahen im Shintō lediglich ein demagogisches Instrument zur Stärkung des Tennōismus in weniger gebildeten Bevölkerungsschichten.
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In Übereinstimmung mit den inklusivistischen Vorstellungen einer japanischen Staatsreligion oder Staatsdoktrin wurden 1872 die sogenannten „Drei Prinzipien der Großen Lehre“ ({{g|sanjounokyousoku}}) formuliert, die bewusst sehr offen und allgemein gehalten waren. Sie lauteten:
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{{shortlist|
 
# Ehre die Götter, liebe dein Land  
 
# Ehre die Götter, liebe dein Land  
 
# Wisse um die Prinzipien des Himmels und den Weg des Menschen  
 
# Wisse um die Prinzipien des Himmels und den Weg des Menschen  
# Ehre den Kaiser und gehorche dem kaiserlichen Hof (= Regierung)
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# Ehre den Kaiser und gehorche dem kaiserlichen Hof ({{=}} Regierung)
 
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}}
Diese Prinzipien wurden um immer detail·liertere Zusätze ergänzt, die u.a. die Steuer·pflicht, die Schul·pflicht, den Militär·dienst und die Umstellung auf den westlichen Kalender erklärten.<ref>Hardacre 1989, S. 45.</ref> Es ging also kaum um transzendente „religiöse“ Inhalte, sondern um die Erziehung der Bevölkerung zu modernen Staats·bürgern.  
+
Diese Prinzipien wurden um immer detailliertere Zusätze ergänzt, die u.a. die Steuerpflicht, die Schulpflicht, den Militärdienst und die Umstellung auf den westlichen Kalender erklärten.<!--
 
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--><ref>
Die offizielle Gründung der „Bewegung zur Verbreitung der Großen Lehre“ ({{glossar:taikyousenpuundou}}) erfolgte bereits 1870, doch erst 1872, nach Rückkehr der Iwakura Mission, begann die Bewegung ihre Arbeit ernsthaft aufzunehmen. Die verantwortliche staatliche Institution, das Götter·amt, wurde aus diesem Anlass in {{glossar:kyoubushou}}, Ministerium für doktrinäre Angelegen·heiten, unbenannt. Die Basis der Kampagne bildeten offizielle Instruktoren ({{glossar:kyoudoushoku}}), deren Zahl Mitte der 70er Jahre bereits auf über 10.000 angestiegen war. Sie setzten sich aus Shintō-Priestern, bud·dhis·tischen Mönchen, aber auch weltlichen Pädagogen zusammen.<!--
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1873 wurden zwei Gruppen von Zusätzen erlassen, nämlich elf Punkte eher shintoistisch-theologischer Natur, die u.a. Fragen des Jenseits berührten, und 17 Punkte, die sich der diesseitigen staatlichen Ordnung aus eher konfuzianischer Perspektive widmeten ({{zitiert|Zhong 2016}}, p. 154; für eine wtl. Übersetzung ins Deutsche s. {{zitiert|Lokowandt 1978}}, S. 148).
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Hardacre 1989, S. 45.
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Es ging also um die Erziehung der Bevölkerung zu modernen Staatsbürgern bei gleichzeitiger Stärkung [[Grundbegriffe/Weltbild|traditioneller religiöser Vorstellungen]]. Zugleich schuf der Staat mit der Rolle der Instruktoren auch ein Instrument, um religiöse Professionisten staatlich zu kontrollieren. Doch hatte die Meiji-Regierung für Aufgaben dieser Art kein Geld, sodass die Instruktoren im Zuge der Kampagne selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen mussten. Für Buddhisten, die nach wie vor in ein etabliertes System von Spenden eingebunden waren, war dies ein geringeres Problem als für Shintō-Priester, die diese Tradition erst neu aufbauen mussten. Das einzige offizielle Privileg der Instruktoren war, dass sie ab 1874 vom Militärdienst befreit waren.<ref>Zhong 2016, S. 152.</ref>
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In der Führungs·ebene standen sich jedoch gegnerische Fraktionen gegenüber, die zunächst in Bud·dhisten und Anti-Bud·dhisten zerfielen. 1875 verlagerte sich das Zentrum der Bewegung immer stärker nach {{glossar:ise}}, was zu einer Betonung der shintōistischen Aspekte und schließlich zu einem demonstrativen Austritt der Bud·dhisten führte. Die „Shintōisten“ spalteten sich aber bald erneut in in verschiedenen Grup·pierungen der {{glossar:kokugaku}}-Schule auf, während sich der Staat zunehmend aus der Kampagne zurückzog.
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Ein weiteres Problem lag in der Führungsebene der Kampagne, wo sich Buddhisten und Anti-Buddhisten zunehmend feindlich gegenüber standen. 1875 verlagerte sich das Zentrum der Bewegung immer stärker nach {{g|ise}}, was zu einer Betonung der shintōistischen Aspekte und schließlich zu einem demonstrativen Austritt der Buddhisten führte. Die „Shintōisten“ spalteten sich aber bald erneut in verschiedene Gruppierungen der {{g|kokugaku}}-Schule auf. Diese internen Querelen führten dazu, dass  sich der Staat zunehmend aus der Kampagne zurückzog. 1877 wurde das für die Kampagne zuständige Ministerium abgeschafft, während die Bewegung selbst großteils von Shintō-Priestern auf privater Basis fortgeführt wurde.
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Das anfängliche Scheitern des Staats·shintō ist auch am Schicksal der Insti·tutionen ab·zu·lesen, die zu seiner Verwirk·lichung vor·ge·sehen waren. In rascher Folge wurde aus dem ein „Götter Ministerium“ ({{Glossar:Jingishou}}), das sich 1872 im „Ministerium für religiöse An·gelegen·heiten“ ({{Glossar:Kyoubushou}}) auflöste. Zu diesem Zeit·punkt überwog in der Regierung die Ansicht, eine Misch·form aus Shintō, Konfu·zianis·mus und Bud·dhis·mus wäre wohl eher als Staats·religion geeignet denn Shintō allein. Im Gegen·satz zur tradi·tionellen ''kokugaku'' vertraute man nun nicht mehr auf eine spontane, intuitive Bejahung des Tennō, sondern be·mühte sich um eine ent·wickelte Moral·lehre in der Art des Konfu·zianis·mus. Es folgte eine staatlich unter·stützte Kampagne(), die dem Tennō zu größerer Be·deutung verhelfen und der „Moral des Volkes“ förderlich sein sollten. Doch auch diese Kam·pagne scheiterte bald an der Tatsache, dass man sich über ein paar banale mora·lische Grund·regeln hinaus auf keine nennens·werten Inhalte einigen konnte.
 
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===  Religiöse Freiheit in der Verfassung ===
 
===  Religiöse Freiheit in der Verfassung ===
  
Wie man aus den obigen Abschnitten erkennt,  wurde der Staats·shintō während der Meiji-Zeit keines·wegs immer konsequent voran·ge·trieben, sondern trat im Gegen·teil bald gegen·über anderen politischen Zielen in den Hinter·grund: Zunächst wurde das Militär·wesen und dann ein Rechts·system nach west·lichem Muster eingeführt. Dieses Rechts·system nahm mit der Verfas·sung von 1889 Gestalt an. Es orientierte sich im wesentlichen am Deutschen Kaiser·reich, welches ja in der Tat fast zeitgleich (1871) mit dem modernen japani·schen Staat entstanden war. Die japanische Ver·fassung sah eine konsti·tutio·nelle Monarchie vor und garan·tierte darüber hinaus — mit einigen Ein·schrän·kungen — „religiöse Freiheit“ (Artikel 28). Von den Ideen des Staats·shintō blieben in der Verfas·sung kaum mehr als zwei Sätze über: „Der japanische Staat wird für alle Zeiten un·unter·brochen vom Tennō regiert und be·herrscht“ (Artikel 1); und: „Die Person des Tennō ist heilig und un·ver·letzlich“ (Artikel 3). Die Verfas·sung ließ jedoch sowohl die gött·liche Her·kunft des Tennō als auch seine priester·lichen Auf·gaben uner·wähnt. Auch von einer Staats·religion ist in diesem grund·legenden juristi·schen Dokument nicht die Rede.
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Wie man aus den obigen Abschnitten erkennt,  wurde die Förderung des Shintō während der Meiji-Zeit keineswegs immer konsequent vorangetrieben, sondern trat im Gegenteil bald gegenüber anderen politischen Zielen in den Hintergrund: Zunächst wurde das Militärwesen und dann ein Rechtssystem nach westlichem Muster eingeführt. Dieses Rechtssystem nahm mit der Verfassung von 1889 Gestalt an. Es orientierte sich im wesentlichen am Deutschen Kaiserreich, welches ja in der Tat fast zeitgleich (1871) mit dem modernen japanischen Staat entstanden war. Die japanische Verfassung sah eine konstitutionelle Monarchie vor und garantierte darüber hinaus — mit einigen Einschränkungen — „religiöse Freiheit“ (Artikel 28). Von den Ideen des Staatsshintō blieben in der Verfassung kaum mehr als zwei Sätze über: „Der japanische Staat wird für alle Zeiten ununterbrochen vom Tennō regiert und beherrscht“ (Artikel 1); und: „Die Person des Tennō ist heilig und unverletzlich“ (Artikel 3). Die Verfassung ließ jedoch sowohl die göttliche Herkunft des Tennō als auch seine priesterlichen Aufgaben unerwähnt. Auch von einer Staatsreligion ist in diesem grundlegenden juristischen Dokument nicht die Rede.
  
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| Meiji_kenpo_happu.jpg
 
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| Meiji Tennō verkündet die neue Verfassung, 1889
 
| Meiji Tennō verkündet die neue Verfassung, 1889
 
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=== Tennōzentrismus ===
 
  
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=== Tennōzentrismus ===
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|Offizielles Portrait des Tennō <br>{{g|chiossoneedoardo|E. Chiossone}}, 1888
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Trotz aller Widersprüche und Divergenzen der frühen Meiji-Zeit herrschte in den maßgeblichen politischen und intellektuellen Kreisen  ein Grundkonsens, dass an der Institution des Tennō nicht zu rütteln sei. Der Tennō diente quasi als letzte Bastion, an der eine eigene, sowohl von China als auch vom Westen verschiedene, Identität festzumachen war. Der breiten Mehrheit der Bevölkerung war der Tennō dagegen zumindest am Anfang der Meiji-Zeit weitgehend unbekannt, da er während des gesamten japanischen Mittelalters und der frühen Neuzeit kaum politisch in Erscheinung getreten war. Es galt also zunächst, den Tennō zu einer allgemeinen Identifikationsfigur zu machen.  
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Nachdem die „Große Lehre“ diese Aufgabe nicht in erwünschtem Ausmaß erfüllte, wurde die Bekanntmachung des Tennō in erster Linie über zwei andere Schienen bewerkstelligt: einerseits über das allgemeine Erziehungswesen, andererseits über die Shintō-Schreine im ganzen Land. Dabei bediente man sich – von ein paar allgemeinen Phrasen abgesehen – eher ritueller als dogmatischer Mittel:
Dennoch herrschte innerhalb der maß·geblichen politischen und intellektu·ellen Kreise der Meiji-Zeit ein Grund·konsens, dass an der Institution des Tennō nicht zu rütteln sei. Der Tennō diente quasi als letzte Bastion, an der eine eigene, sowohl von China als auch vom Westen ver·schiedene, Identität fest·zu·machen war. Der breiten Mehrheit der Be·völke·rung war der Tennō dagegen zumindest am Anfang der Meiji-Zeit weitgehend unbekannt, da er während des gesam·ten japanischen Mittel·alters und der frühen Neuzeit kaum politisch in Er·scheinung getreten war. Es galt also zunächst, den Tennō zu einer all·ge·meinen Identifikations·figur zu machen. Diese Aufgabe wurde über zwei Schienen bewerkstelligt: einerseits über das all·ge·meine Erziehungs·wesen, andererseits über die Shintō-Schreine im ganzen Land. Dabei bediente man sich – von ein paar allge·meinen Phrasen abgesehen – eher ritueller als dogma·tischer Mittel:
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* In den Schul·höfen wurden kleine Schreine ({{glossar:houanden}}) errichtet, die die Portraits des Tennō und seiner Gemahlin sowie eine Abschrift des Kaiserlichen Erziehungs·erlasses aufbewahrten. Schulische Versammlungen, bei denen der Erlass verlesen wurde, fanden vor diesen Schreinen statt. Lehrer wie Schüler hatten sich täglich tief vor diesen Schreinen zu ver·neigen, als ob sie es mit einer Gott·heit zu tun hätten. Taten sie das nicht, so wurden sie im Allge·meinen der Schule verwiesen.
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* In den Schulhöfen wurden kleine Schreine ({{g|houanden}}) errichtet, die die Portraits des Tennō und seiner Gemahlin sowie eine Abschrift des Kaiserlichen Erziehungserlasses ({{g|kyouikuchokugo}}) aufbewahrten. Schulische Versammlungen, bei denen der Erlass verlesen wurde, fanden vor diesen Schreinen statt. Lehrer wie Schüler hatten sich täglich tief vor diesen Schreinen zu verneigen, als ob sie es mit einer Gottheit zu tun hätten. Taten sie das nicht, so wurden sie im Allgemeinen der Schule verwiesen.
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* Die allgemeinen Feiertage wurden landesweit neu geregelt. Höfische Riten, die einstmals nur vom Tennō selbst vollzogen wurden, sollten nun in allen Schreinen stattfinden. Dazu kamen neue Feiertage wie etwa der Jahrestag der Reichsgründung durch {{g|jinmutennou}}, welcher getreu den mythologischen Chroniken auf den 11. Februar 660 v.u.Z. datiert wurde.
|jinmu_yoshitoshi.jpg
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* Jeder Staatsbürger war dazu angehalten, an solchen Feiertagen einen Schrein aufzusuchen und dort dem Tennō seine Reverenz zu erweisen (auch wenn der Schrein selbst keiner Ahnengottheit des Tennō geweiht war). Die Schreinpriester wurden ihrerseits nur am Rande in die Verehrung des Tennō eingebunden und führten großteils ihre traditionellen Riten weiter fort. Nach dem Scheitern der Großen Lehre wurden sie sogar explizit dazu aufgefordert, sich aus theologischen und missionarischen Angelegenheiten heraus zu halten.
|Jinmu, der erste Tennō
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* Die Schreine wurden nach antikem Vorbild in ein landesweites hierarchisches Rangsystem eingegliedert, dem der {{g|isejinguu|Ise Schrein}} vorstand. Schreinpriester wurden nach und nach als Beamte angesehen, erbliches Priestertum wurde gesetzlich untersagt.
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*Die allgemeinen Feiertage wurden landes·weit neu geregelt. Höfische Riten, die einst·mals nur vom Tennō selbst voll·zogen wurden, sollten nun in allen Schreinen statt·finden. Dazu kamen neue Feier·tage wie etwa der Jahres·tag der Reichs·grün·dung durch {{glossar:jinmutennou}}, welcher getreu den mytho·logischen Chroniken auf den 11. Februar 660 v.u.Z. datiert wurde.
 
* Jeder Staats·bürger war dazu ange·halten, an solchen Feier·tagen einen Schrein auf·zu·suchen und dort dem Tennō seine Reverenz zu erwei·sen (auch wenn der Schrein selbst viel·leicht keiner Ahnen·gott·heit des Tennō geweiht war). Die Schrein·priester wurden ihrer·seits nur am Rande in die Vereh·rung des Tennō ein·ge·bunden und führten groß·teils ihre tradi·tionel·len Riten weiter fort. Sie waren interes·santer·weise explizit dazu auf·ge·fordert, sich aus theo·logischen und missio·narischen An·ge·legen·heiten heraus zu halten.
 
* Die Schreine wurden nach antikem Vorbild in ein landes·weites hier·archi·sches Rang·system ein·ge·gliedert, dem der {{g|isejinguu|Ise Schrein}} vor·stand. Schrein·priester wurden nach und nach als Beamte an·ge·sehen, erbliches Priester·tum wurde gesetz·lich untersagt.
 
  
In dieser Form erlangte der Staats·shintō im zwanzigsten Jahr·hundert zu·nächst nach dem Russo-Japanischen Krieg (1904–05) und dann in der frühen Shōwa-Zeit (ab 1925) — seine volle Entfaltung: Ein diffuser religiös-historisch legitimierter Nationalismus machte sich in der öffent·lichen Erziehung und im japani·schen Alltag breit und wurde zu einer Massen·be·we·gung, ähn·lich dem Faschis·mus in den mit Japan ver·bün·deten Nationen Deutsch·land und Italien. Es gab jedoch für diese Ideo·logie keine dem Faschismus analoge Selbst·bezeichnung. Der Begriff „Staats·shintō“ war in dieser Zeit bestenfalls ein akademischer Terminus.<ref>In den Schriften von Religions·wissen·schaftlern wie Inoue Tetsujirō und Katō Genchi findet sich vereinzelt die Bezeichnung  ''kokkateki shintō'' („staatlicher Shintō“, erst nach dem Zeiten Weltkrieg bürgerte sich ''kokka shintō'' („Staats·shintō“) ein. s. dazu Scheid 2013.</ref>
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In dieser Form erlangte der Staatsshintō im zwanzigsten Jahrhundert zunächst nach dem Russo-Japanischen Krieg (1904–05) und dann in der frühen {{g|shouwa}}-Zeit (ab 1925) — seine volle Entfaltung: Ein diffuser religiös-historisch legitimierter Nationalismus machte sich in der öffentlichen Erziehung und im japanischen Alltag breit und wurde zu einer Massenbewegung, ähnlich dem Faschismus in den mit Japan verbündeten Nationen Deutschland und Italien. Es gab jedoch für diese Ideologie keine dem Faschismus analoge Selbstbezeichnung. Der Begriff „Staatsshintō“ war in dieser Zeit bestenfalls ein akademischer Terminus.<ref>In den Schriften von Religionswissenschaftlern wie Inoue Tetsujirō und Katō Genchi findet sich vereinzelt die Bezeichnung  ''kokkateki shintō'' („staatlicher Shintō“, erst nach dem Zeiten Weltkrieg bürgerte sich ''kokka shintō'' („Staatsshintō“) ein. s. dazu {{zitiert|Scheid 2013}}.</ref>
  
 
===Die „nicht-religiöse Natur“ des Shintō===
 
===Die „nicht-religiöse Natur“ des Shintō===
  
Während der Tennō mehr und mehr in den Vorder·grund trat, verblasste die ursprüngliche Idee, Shintō zur Staats·religion zu erheben. Nicht nur die Schrein·priester, auch der Begriff „Shintō“ wurde ab dem In·kraft·treten der „Kaiser·lichen Ver·fas·sung“ (1889)  in den Hinter·grund gedrängt. Dies hängt zweifel·los damit zusam·men, dass die Ver·fassung selbst aus·drücklich „Freiheit des Glaubens“ garan·tierte. Hätte man nun offiziell von einem Staats·shintō, bzw. einer shintō·istischen Staats·religion gesprochen, so wäre diese un·weiger·lich mit der Verfas·sung in Konflikt ge·raten. Aus diesem Grund wurden alle staat·lich ver·ordneten Formen der Tennō-Verehrung nicht als „religiöse Hand·lungen“, sondern als „staats·bürgerl·iche Pflichten“ be·zeich·net, auch wenn sie im Rahmen von Schrein·riten statt·fanden. Inner·halb des vor·herr·schen·den poli·ti·schen Diskurses wurde die Tennō Vereh·rung als eine Art erwei·terter Familien·kult inter·pretiert, da beide, Tennō und Unter·tanen gött·lichen Ursprungs seien, der Tennō also eine Art Vater des ge·samten Volkes darstellte. Dieser Kult war der „nicht-religiöse“ Shintō, den jeder Japaner zu be·folgen hatte und dem auch alle Schreine neben ihren sonstigen traditio·nellen Zere·monien zu huldigen hatten. Damit war es möglich, einen Staats·kult mit religiösen Ver·ehrungs·mustern zu fördern, ohne dass dies im Wider·spruch zur ver·fas·sungs·mäßig garantierten Religions·freiheit stand.
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Während der Tennō mehr und mehr in den Vordergrund trat, verblasste die ursprüngliche Idee, Shintō zur Staatsreligion zu erheben. Nicht nur die Schreinpriester, auch der Begriff „Shintō“ wurde ab dem Inkrafttreten der „Kaiserlichen Verfassung“ (1889)  in den Hintergrund gedrängt. Dies hängt zweifellos damit zusammen, dass die Verfassung selbst ausdrücklich „Freiheit des Glaubens“ garantierte. Hätte man nun offiziell von einem Staatsshintō bzw. einer shintōistischen Staatsreligion gesprochen, so wäre diese unweigerlich mit der Verfassung in Konflikt geraten. Aus diesem Grund wurden alle staatlich verordneten Formen der Tennō-Verehrung nicht als „religiöse Handlungen“, sondern als „staatsbürgerliche Pflichten“ bezeichnet, auch wenn sie im Rahmen von Schreinriten stattfanden. Innerhalb des vorherrschenden politischen Diskurses wurde die Tennō-Verehrung als eine Art erweiterter Familienkult interpretiert, da beide, Tennō und Untertanen göttlichen Ursprungs seien, der Tennō also eine Art Vater des gesamten Volkes darstellte. Dieser Kult war der „nicht-religiöse“ Shintō, den jeder Japaner zu befolgen hatte und dem auch alle Schreine neben ihren sonstigen traditionellen Zeremonien zu huldigen hatten. Damit war es möglich, einen Staatskult mit religiösen Verehrungsmustern zu fördern, ohne dass dies im Widerspruch zur verfassungsmäßig garantierten Religionsfreiheit stand.
  
Dem entsprechend war von offizieller Seite ab Mitte der Meiji-Zeit weder von einer Staats·religion noch von einem Staats·shintō die Rede. Wenn Shintō explizit an·ge·sprochen wurde, dann als „Schrein Shintō“ ({{glossar:jinjashintou}}). Dieser Schrein Shintō wurde in Regie·rungs·texten als nicht-religiöser Staatskult definiert und als solcher einem religiösen „Sekten Shintō“ ({{glossar:shuuhashintou}}) gegen·über gestellt (s. dazu auch [[Grundbegriffe/Shinto | Einführung: Shintō]]). Somit steht „Schrein Shintō“ im Kontext der Vor·kriegs·zeit für das, was später als „Staats·shintō“ be·zeichnet wurde. „Staats·shintō“ als Begriff setzte sich erst durch, nachdem das staats·shintōisti·sche System durch die ameri·kanische ''Shintō Direktive'' (1945, s.u.) offiziell ab·ge·schafft worden war. Der Begriff „Staats·shintō“ wurde also erst rück·wirkend auf die Reli·gions·politik vor dem Zweiten Weltkrieg angewendet.
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Dementsprechend war von offizieller Seite ab Mitte der Meiji-Zeit weder von einer Staatsreligion noch von einem Staatsshintō die Rede. Wenn Shintō explizit angesprochen wurde, dann als „Schrein-Shintō“ ({{g|jinjashintou}}). Dieser Schrein-Shintō wurde in Regierungstexten als nicht-religiöser Staatskult definiert und als solcher einem religiösen „Sekten Shintō“ ({{g|shuuhashintou}}) gegenüber gestellt (s. dazu auch {{showTitel|Grundbegriffe/Shinto|anf=1}}). Somit steht „Schrein-Shintō“ im Kontext der Vorkriegszeit für das, was später als „Staatsshintō“ bezeichnet wurde. „Staatsshintō“ als Begriff setzte sich erst durch, nachdem das staatsshintōistische System durch die amerikanische ''Shintō Direktive'' (1945, s.u.) offiziell abgeschafft worden war. Der Begriff „Staatsshintō“ wurde also erst rückwirkend auf die Religionspolitik vor dem Zweiten Weltkrieg angewendet.
  
 
===''Kokutai''===
 
===''Kokutai''===
  
Aus dem bisher Gesagten lässt sich bereits erkennen, dass der Begriff „Shintō“ im System des Staats·shintō weit seltener zu finden ist, als man a priori ver·muten würde. Die Schlag·worte, unter denen sich der Kult um Staat und Tennō festigte, laute·ten eher „Nationale Moral“, bzw. „Volksmoral“ ({{Glossar:Kokumindoutoku}}) und „Nationaler Geist“/„Volksgeist“ ({{Glossar:Kokuminseishin}}). Der vielleicht wichtigste Begriff inner·halb der Ideologie des Staats·shintō ist jedoch das ominöse {{glossar:kokutai}}.
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Aus dem bisher Gesagten lässt sich bereits erkennen, dass der Begriff „Shintō“ im System des Staatsshintō weit seltener zu finden ist, als man ''a priori'' vermuten würde. Der Begriff „Restaurations-Shintō“ (''fukko shintō'') geriet bald in Verruf und bezeichnete nur noch eingefleischte Traditionalisten. Die Schlagworte, unter denen sich der Kult um Staat und Tennō festigte, lauteten hingegen „Nationale Moral“, bzw. „Volksmoral“ ({{g|Kokumindoutoku}}) und „Nationaler Geist“/„Volksgeist“ ({{g|Kokuminseishin}}). Der vielleicht wichtigste Begriff innerhalb der Ideologie des Staatsshintō ist jedoch das ominöse {{g|kokutai}}.
  
''Kokutai'', wtl. „Landeskörper“, könnte man un·vor·ein·ge·nommen mit „Staat“ oder „Staats·wesen“ über·setzen. Im Deutschen ruft eine derartige Über·setzung aber nicht den emotionalen Gehalt wach, der dem ''kokutai'' im Laufe der Zeit zu·ge·sprochen wurde. Insofern scheint Klaus Antonis Über·setzung „National·wesen“ treffender. Tat·säch·lich entzieht sich der Begriff aber einer Über·setzung, weil er in den ver·schie·densten Schriften der Vorkriegs·zeit eine Aura des Heiligen, Unan·tast·baren zu·ge·sprochen bekam, ohne dass je eine präzise Definition des Begriffs vor·ge·nommen worden wäre. Selbst juri·dische Texte sprachen von der Ver·letzung der Würde des ''kokutai'', ohne zu klären, was ''kokutai'' sei. Ähn·liches gilt auch für Texte, die sich explizit mit ''kokutai ''be·schäftigen, wie das berüchtigte ''Kokutai no hongi'' („Grund·prinzipien [unseres] National·wesens“) aus dem Jahr 1937. Ein ge·meinsames Motiv aller ''kokutai'' Diskurse liegt jedoch darin, dass die Heiligkeit des Tennō, die zu·gleich die Heilig·keit des Staates ist, aus dem ''kokutai ''ab·ge·leitet wurde, welches selbst nicht mehr hinter·fragt werden konnte. Das einzige Motiv, das sich in vielen (wenn auch nicht in allen) ''kokutai''-Beschreibungen immer wieder finden lässt, ist der Hinweis auf Japans „ungebrochene Folge dynastischer Herrschaft“, also die angeblich 2600 Jahre zurückreichende Dynastie des Tennō.
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''Kokutai'', wtl. „Landeskörper“, könnte man unvoreingenommen mit „Staat“ oder „Staatswesen“ übersetzen. Im Deutschen ruft eine derartige Übersetzung aber nicht den emotionalen Gehalt wach, der dem ''kokutai'' im Laufe der Zeit zugesprochen wurde. Insofern scheint Klaus Antonis Übersetzung „Nationalwesen“ treffender.<ref>S. vor allem {{zitiert|Antoni 1998}}.</ref>  Tatsächlich entzieht sich der Begriff aber einer Übersetzung, weil er in den verschiedensten Schriften eine Aura des Heiligen, Ewigen und Unantastbaren zugesprochen bekam, ohne dass je eine präzise Definition des Begriffs vorgenommen worden wäre. Selbst juridische Texte des frühen zwanzigsten Jahrhunderts sprachen von der Verletzung der Würde des ''kokutai'', ohne zu klären, was ''kokutai'' sei. Dies gilt selbst für Texte, die sich explizit mit ''kokutai ''beschäftigen, wie das berüchtigte {{g|Kokutainohongi}} („Grundprinzipien [unseres] Nationalwesens“) aus dem Jahr 1937. Ein gemeinsames Motiv aller ''kokutai''-Diskurse liegt also darin, dass die Heiligkeit des Tennō, die zugleich die Heiligkeit des Staates ist, aus dem ''kokutai'' abgeleitet wurde, welches selbst nicht mehr hinterfragt werden konnte. Das einzige Motiv, das sich in vielen (wenn auch nicht in allen) ''kokutai''-Beschreibungen immer wieder finden lässt, ist der Hinweis auf Japans „ungebrochene Folge dynastischer Herrschaft“, also die angeblich 2.600 Jahre zurückreichende Dynastie des Tennō.
  
 
=== Die Göttlichkeit des Tennō ===
 
=== Die Göttlichkeit des Tennō ===
  
{{Sidebox|sidepage=Kyoiku_chokugo|titel=zitat| chokugo.jpg|Erziehungserlass 1890}}
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Wo aber findet sich nun das berühmte Dogma, dass der Tennō selbst eine Gottheit in Menschen·gestalt ({{glossar:arahitogami}}) und seine Ab·stammung von der Sonnen·gott·heit ein histo·risches Faktum sei? Auch hier wird man in amtlichen oder halb-amtlichen Dokumenten kaum fündig. Eine wichtige Rolle spielte aber der [[Geschichte/Staatsshinto/Kyoiku_chokugo | „Kaiserliche Erziehungserlass“]] aus dem Jahr 1890. Dieser kurze Text, in dem der Tennō persönlich zu seinen Unter·tanen spricht,<!--
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Wo aber findet sich nun das berühmte Dogma, dass der Tennō selbst eine Gottheit in Menschengestalt ({{g|arahitogami}}) und seine Abstammung von der Sonnengottheit ein historisches Faktum sei? Auch hier wird man in amtlichen oder halb-amtlichen Dokumenten kaum fündig. Eine wichtige Rolle spielte aber der [[Geschichte/Staatsshinto/Kyoiku_chokugo | „Kaiserliche Erziehungserlass“]] ({{g|kyouikuchokugo}}) aus dem Jahr 1890. Dieser kurze Text, in dem der Tennō persönlich zu seinen Untertanen spricht,<!--
 
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Tatsächlich wurde der Erlass von einer Reihe von Intel·lektuellen unter Anleitung des Juristen Inoue Kowashi (1843–1895), einem der „Architekten“ der Meiji-Verfassung, formuliert (Doak 2012, S. 95–96).  
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Tatsächlich wurde der Erlass von einer Reihe von Intellektuellen unter Anleitung des Juristen Inoue Kowashi (1843–1895), einem der „Architekten“ der Meiji-Verfassung, formuliert ({{zitiert|Doak 2012}}, S. 95–96).  
 
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enthält neben einem all·ge·mein ge·haltenen Aufruf zu Tugend und Patrio·tismus („unver·brüch·liche Treue gegen den Herrscher und Liebe zu den Eltern“) mehr·mals den Hinweis auf die „kaiser·lichen Vorfahren“ sowie auf das „Gedeihen Unserer wie Himmel und Erde ewig dauernden Dynastie“ (eine Paraphrase des mytho·logi·schen [[Texte/Jinno_shotoki#Herrschaftsauftrag|Herr·schafts·auf·trags]] durch {{glossar:amaterasu}}). Der Text ver·weist damit indirekt auf die [[Mythen]] und die dort ge·schilderte göttliche Ab·stam·mung des Tennō Hauses, lässt es aber dahin·ge·stellt, in wie weit den dort ge·schil·derten Be·geb·nissen wörtlich Glauben zu schenken sei.
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enthält neben einem allgemein gehaltenen Aufruf zu Tugend und Patriotismus („unverbrüchliche Treue gegen den Herrscher und Liebe zu den Eltern“) mehrmals den Hinweis auf die „kaiserlichen Vorfahren“ sowie auf das „Gedeihen Unserer wie Himmel und Erde ewig dauernden Dynastie“. Dieser Ausdruck ist eine Paraphrase des mythologischen [[Denken/Jinno_shotoki#Herrschaftsauftrag|Herrschaftsauftrags]] durch {{g|amaterasu}}, wie er in den kaiserlichen [[Mythen]] zu finden ist. Der Text verweist damit indirekt auf die dort geschilderte göttliche Abstammung des Tennō Hauses, lässt es aber dahingestellt, inwieweit den dort geschilderten Begebnissen wörtlich Glauben zu schenken sei.
  
Nun wurde aber dieser Erziehungs·erlass in den Schulen zusammen mit den Portraits des kaiserlichen Paares gleich·sam religiös ver·ehrt und bei diversen An·lässen kollektiv rezitiert. Diese Ver·ehrung allein machte den Text gegen·über kritischen Ein·wänden immun und bot statt·dessen einen treff·lichen Anlass, die mytho·logi·schen Er·zäh·lungen vom Herrschafts·auftrag der Sonnen·gott·heit an ihren Enkel und die Er·oberung des ganzen Landes durch {{glossar:jinmutennou}} in den Schul·unterricht ein·fließen zu lassen. Es ist sicher kein Zufall, dass dieser Text gleich·zeitig mit dem Inkraft·treten der Ver·fas·sung und des Par·lamen·taris·mus (1890) ver·laut·bart wurde. Er stellte sozu·sagen das Gegen·gewicht zum neuen rechts·staat·lichen System dar, das hiermit in Kraft trat. Den Bürgern wurde mit dem Erzie·hung·serlass bewusst gemacht, dass sie sich gegen·über dem Tennō in einer sub·alter·nen Position befan·den, auf seine Gnade ange·wiesen waren, und dass diese Hierar·chie auch durch den Rechts·staat nicht in Zweifel gezogen werden konnte.<!--
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Nun wurde aber dieser Erziehungserlass in den Schulen zusammen mit den Portraits des kaiserlichen Paares gleichsam religiös verehrt und bei diversen Anlässen kollektiv rezitiert. Diese Verehrung allein machte den Text gegenüber kritischen Einwänden immun und bot stattdessen einen trefflichen Anlass, die mythologischen Erzählungen vom Herrschaftsauftrag der Sonnengottheit an ihren Enkel und die Eroberung des ganzen Landes durch {{g|jinmutennou}} in den Schulunterricht einfließen zu lassen. Es ist sicher kein Zufall, dass dieser Text gleichzeitig mit dem Inkrafttreten der Verfassung und des Parlamentarismus (1890) verlautbart wurde. Er stellte sozusagen das Gegengewicht zum neuen rechtsstaatlichen System der Verfassung dar. Den Bürgern wurde mit dem Erziehungserlass bewusst gemacht, dass sie sich gegenüber dem Tennō in einer subalternen Position befanden, auf seine Gnade angewiesen waren, und dass diese Hierarchie auch durch den Rechtsstaat nicht in Zweifel gezogen werden konnte.<!--
 
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Dazu äußerte sich etwa der Rechtsexperte Ariga Nagao (1860–1921) folgendermaßen: „When the Constitution was granted in 1889, it was feared by some that the idea of 'the rights of the people' would destroy the idea of loyalty and patriotism, and the famous Rescript of Education was the result, which looked at humanity entirely from the standpoint of intellect, and excluded all element of faith and mystery.“ (Ariga Nagao, 1908, nach Holtom 1922, S. 78.)  
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Dazu äußerte sich etwa der Rechtsexperte Ariga Nagao (1860–1921) folgendermaßen: „When the Constitution was granted in 1889, it was feared by some that the idea of 'the rights of the people' would destroy the idea of loyalty and patriotism, and the famous Rescript of Education was the result, which looked at humanity entirely from the standpoint of intellect, and excluded all element of faith and mystery.“ (Ariga Nagao, 1908, nach {{zitiert|Holtom 1922}}, S. 78.)  
 
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All dies schloss aber keines·wegs aus, dass während der Meiji-Zeit eifrig an einem modernen Uni·versi·täts·system gear·beitet wurde, wo u.a. ernst·zu·neh·mende histo·rische Forschung  zur Histori·zität der Mythen betrieben wurde. Selbst zum Shintō waren mit gewissen Einschränkungen unter·schied·liche Mei·nungen ge·stattet.<!--
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| Jinmu Tennō
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| Meiji Tennō, 1888
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All dies schloss aber keineswegs aus, dass während der Meiji-Zeit eifrig an einem modernen Universitätssystem gearbeitet wurde, wo u.a. ernstzunehmende historische Forschung  zur Historizität der Mythen betrieben wurde. Selbst zum Shintō waren mit gewissen Einschränkungen unterschiedliche Meinungen gestattet.<!--
 
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Ein berühmter Fall staats·shintōis·tischer Zensur ist der Fall des Historikers {{glossar:Kumekunitake}} (1839–1931). Als er 1891 einen Artikel mit dem Titel „Shintō, ein alter Brauch der Himmels·verehrung“ veröffentlichte, in dem er Shintō als historisches Relikt bezeichnete, wurde ihm im folgenden Jahr aufgrund von Protesten aus dem Lager der Shintō-Ideologen seine Professur an der Universität Tōkyō entzogen.
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Ein berühmter Fall staatsshintōistischer Zensur ist der Fall des Historikers {{gb|Kumekunitake}} (1839–1931). Als er 1891 einen Artikel mit dem Titel „Shintō, ein alter Brauch der Himmelsverehrung“ veröffentlichte, in dem er Shintō als reformbdürftiges Relikt bezeichnete, wurde ihm im folgenden Jahr aufgrund von Protesten aus dem Lager der Shintō-Ideologen seine Professur an der Universität Tōkyō entzogen.
 
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Un·antast·bar blieb einzig und allein der Tennō selbst, so·dass auch die Frage, was man sich unter der Gött·lich·keit des Tennō vor·zu·stellen habe, kaum gestellt wurde.
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Unantastbar blieb einzig und allein der Tennō selbst, sodass auch die Frage, was man sich unter der Göttlichkeit des Tennō vorzustellen habe, kaum gestellt wurde.
  
 
== Shintōpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg ==
 
== Shintōpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg ==
  
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Nach der japanischen Niederlage im Zweiten Weltkrieg wurde der Staatsshintō unter amerikanischer Besatzung bereits 1945 erstmals offiziell so genannt und zugleich abgeschafft. In der sogenannten ''Shintō-Direktive'' der Amerikaner vom 15. Dezember 1945 heißt es:
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|Amerikanische Propaganda gegen den Staatsshinto
 
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Nach der japanischen Nieder·lage im Zweiten Weltkrieg wurde der Staats·shintō unter ameri·kani·scher Besatzung bereits 1945 offiziell ab·ge·schafft. In der soge·nannten ''Shintō-Direktive'' der Amerikaner vom 15. Dezember 1945 heißt es:
 
 
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Jede [Maßnahme zur] Trägerschaft, Förderung, Fortsetzung, Kontrolle oder Ver·breitung des Shintō ist Personen im öffentlichen Dienst [...] untersagt und mit sofortiger Wirkung einzustellen.  <ref>Ü. nach Hardacre 1989: 167</ref>
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Jede [Maßnahme zur] Trägerschaft, Förderung, Fortsetzung, Kontrolle oder Verbreitung des Shintō ist Personen im öffentlichen Dienst [...] untersagt und mit sofortiger Wirkung einzustellen.  <ref>Ü. nach Hardacre 1989: 167</ref>
 
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Am 1. Januar 1946 wandte sich der Tennō schließlich selbst — zweifellos auf Druck der Besat·zungs·mächte — an die Bevöl·kerung. In einer Rund·funk·an·sprache, die als „Proklamation des Mensch·seins“ (''Ningen sengen'') in die Geschichte einging, verkündete er:
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Am 1. Januar 1946 wandte sich der Tennō schließlich selbst — zweifellos auf Druck der Besatzungsmächte — an die Bevölkerung. In einer Rundfunkansprache, die als „Proklamation des Menschseins“ ({{g|Ningensengen}}) in die Geschichte einging, verkündete er:
 
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Die Bande zwischen Uns und Euch, dem Volk, sind seit jeher aus gegen·seiti·gem Vertrauen und liebe·vollem Respekt ge·flochten. Sie ent·standen nicht bloß aus Mythen und Legenden. Sie be·ruhen nicht auf dem Wahn, der Tennō sei ein Gott in Menschen·gestalt und das japanische Volk sei eine höher·wertige Rasse, vom Schicksal be·stimmt die Welt zu beherr·schen. <ref>Ü. nach Antoni 1998: 333. Dieser Ansprache war am 15. August 1945 die Kapitulations·erklärung des Tennō via Radio vorangegangen. Es war das erste Mal gewesen, dass die Stimme des Tennō in der Öffentlichkeit zu hören war.</ref>
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Die Bande zwischen Uns und Euch, dem Volk, sind seit jeher aus gegenseitigem Vertrauen und liebevollem Respekt geflochten. Sie entstanden nicht bloß aus Mythen und Legenden. Sie beruhen nicht auf dem Wahn, der Tennō sei ein Gott in Menschengestalt und das japanische Volk sei eine höherwertige Rasse, vom Schicksal bestimmt die Welt zu beherrschen. <ref>Ü. nach Antoni 1998: 333. Dieser Ansprache war am 15. August 1945 die Kapitulationserklärung des Tennō via Radio vorangegangen. Es war das erste Mal gewesen, dass die Stimme des Tennō in der Öffentlichkeit zu hören war.</ref>
 
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Damit wider·rief also der Tennō einerseits seine mythologisch begründete Göttlich·keit, nicht aber die grund·sätzliche Autorität, die ihm unter dem Staats·shintō zu·ge·sprochen wurde. Zweifellos ent·sprach auch dies dem Kalkül der Ameri·kaner, die sich ent·schlos·sen hatten, Japan mit Hilfe des Tennō zu reformieren.
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Damit widerrief also der Tennō einerseits seine mythologisch begründete Göttlichkeit, nicht aber die grundsätzliche Autorität, die ihm unter dem Staatsshintō zugesprochen wurde. Zweifellos entsprach auch dies dem Kalkül der Amerikaner, die sich entschlossen hatten, Japan mit Hilfe des Tennō zu reformieren.
  
Unter amerikanischer Besatzung wurde in der Folge die Trennung von Staat und Religion in der Ver·fassung ver·ankert, sämtliche Shintō-Schreine, inklusive des {{Glossar:Isejinguu | Ise Schreins}}, wurden als religiöse Körper·schaften definiert und jeglicher staat·lichen Förderung ent·zogen. Auch der Religions·unterricht in öffent·lichen Schulen wurde untersagt. Religion (und darunter fällt seit 1945 auch der Shintō) gilt seither in Japan als reine Privatsache.
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|Amerikanische Propaganda gegen den Staatsshinto
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Unter amerikanischer Besatzung wurde in der Folge die Trennung von Staat und Religion in der Verfassung verankert, sämtliche Shintō-Schreine, inklusive des {{g|Isejinguu | Ise Schreins}}, wurden als religiöse Körperschaften definiert und jeglicher staatlichen Förderung entzogen. Auch der Religionsunterricht in öffentlichen Schulen wurde untersagt. Religion (und darunter fällt seit 1945 auch der Shintō) gilt seither in Japan als reine Privatsache. In der Forschung setzte sich der amerikanische Missionar und Japanologe {{g|holtomclarence}} schon vor dem Krieg  kritisch mit dem Staatsshintō auseinander und trug entscheidend zur Etablierung dieses Begriffs bei.<ref>Holtom 1922, {{zitiert|Holtom 1963}}.</ref>
  
Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, blieb die Ideologie des Staats·shintō un·auf·ge·arbeitet. Einzelne Religions·historiker wie etwa Shimazono Susumu argu·men·tieren sogar, dass der Staats·shintō in der Person des Tennō, der ja nach wie vor auch religiöse Zere·monien voll·zieht, bis heute fort·besteht. Des weiteren ist nicht zu über·sehen, dass sich einzelne symbol·träch·tige Embleme des Staats·shintō, wie etwa der {{Glossar:Meijijinguu|Meiji Schrein}}  oder der {{Glossar:Yasukunijinja | Yasukuni Schrein}}, nach wie vor großer Beliebt·heit erfreuen. Auch wenn kritische Intellek·tuelle immer wieder Diskus·sionen über die Ab·schaffung aller Überbleibsel des Staats·shintō entfachen, bleibt die Grund·frage in der japani·schen Öffent·lichkeit un·ent·schieden: Muss man den Staats·shintō zur Gänze als Produkt eines über·wundenen oder zu über·windenden Ultra-Nationa·lismus ansehen oder ist er ein Ausdruck japa·nischer kultureller Identität, der zu einer gewissen Zeit lediglich ideo·logisch miss·braucht wurde?
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Dennoch blieb die Ideologie des Staatsshintō in der breiten Bevölkerung Japans unaufgearbeitet. Einzelne Religionshistoriker wie etwa {{g|Shimazonosusumu}} argumentieren sogar, dass der Staatsshintō in der Person des Tennō, der ja nach wie vor auch religiöse Zeremonien vollzieht, bis heute fortbesteht.<ref>{{zitiert|Shimazono 2010}}; s.a. {{zitiert|Fischer 2001}}.</ref> Des weiteren ist nicht zu übersehen, dass sich einzelne symbolträchtige Embleme des Staatsshintō, wie etwa der {{g|Meijijinguu|Meiji Schrein}}  oder der {{g|Yasukunijinja | Yasukuni Schrein}}, nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen. Auch wenn kritische Intellektuelle immer wieder Diskussionen über die Abschaffung aller Überbleibsel des Staatsshintō entfachen, bleibt die Grundfrage in der japanischen Öffentlichkeit unentschieden: Muss man den Staatsshintō zur Gänze als Produkt eines überwundenen oder zu überwindenden Ultra-Nationalismus ansehen oder ist er ein Ausdruck japanischer kultureller Identität, der zu einer gewissen Zeit lediglich ideologisch missbraucht wurde?
  
 
==Diskussionspunkte==
 
==Diskussionspunkte==
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| Yasukuni Schrein
 
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Abschließend sind im folgenden einige Schlagworte genannt, die bis heute zu regel·mäßigen Aus·ein·ander·setzungen rund um den Staats·shintō führen:
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Abschließend sind im folgenden einige Schlagworte genannt, die bis heute zu regelmäßigen Auseinandersetzungen rund um den Staatsshintō führen:
  
* {{glossar:yasukunijinja}}, Tōkyō. Sicherlich das umstrittenste Reiz·thema. Der Yasukuni Schrein, wtl. „Schrein des friedlichen Landes“, ist eine Art Helden·tempel, in dem die Seelen der für Japan ge·fallenen Soldaten als ''kami'' ver·ehrt werden. Er wurde Anfang der Meiji-Zeit errichtet und vom Staats·shintō be·sonders ge·fördert. Nach dem Krieg wurde er in den Status einer ge·wöhlichen staats·un·ab·hängigen Religions·ge·meinschaft ver·setzt, doch gibt es Be·strebungen, ihn wieder als Ort nationaler Feier·lich·keiten zu reaktivieren. Einige populistische Politiker statten dem Yasukuni Schrein daher immer wieder halb-offizielle Besuche ab, die kalkulierte Empörung seitens Chinas und Koreas und Applaus bei national gesinnten Wähler·schaften hervorrufen. (Mehr dazu auf der Sidepage [[Geschichte/Staatsshinto/Yasukuni | Yasukuni]].)
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* {{g|yasukunijinja}}, Tōkyō. Sicherlich das umstrittenste Reizthema. Der Yasukuni Schrein, wtl. „Schrein des friedlichen Landes“, ist eine Art Heldentempel, in dem die Seelen der für Japan gefallenen Soldaten als ''kami'' verehrt werden. Er wurde Anfang der Meiji-Zeit errichtet und vom Staatsshintō besonders gefördert. Nach dem Krieg wurde er in den Status einer gewöhlichen staatsunabhängigen Religionsgemeinschaft versetzt, doch gibt es Bestrebungen, ihn wieder als Ort nationaler Feierlichkeiten zu reaktivieren. Einige populistische Politiker statten dem Yasukuni Schrein daher immer wieder halb-offizielle Besuche ab, die kalkulierte Empörung seitens Chinas und Koreas und Applaus bei national gesinnten Wählerschaften hervorrufen. (Mehr dazu im Essay {{showTitel|Essays/Yasukuni}}.)
* {{glossar:kokutai}}, wtl. „Landeskörper“, „Nationalwesen“. Ein Begriff, durch den die nüchterne politische Struktur des Staates eine sakrale Aura erhalten sollte. Der bekannte Politologe Maruyama Masao wies darauf hin, dass die ''kokutai''-Ideologie in Japan ihre magische Bann·kraft gerade des·halb ent·faltete und noch immer be·sitzt, weil sie den Japanern kaum je bewusst ge·macht wurde: „Ein scharfes Be·wusst·sein davon, welche magische Macht diese mit dem Wort ''kokutai'' be·zeichnete nicht·religiöse Religion besaß, fehlt der Nach·kriegs·generation bereits, während es der älteren Generation, welche dieser Magie völlig verfallen war [...], von Anbeginn abging.“ (Maruyama 1988, S. 45)
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* {{g|kokutai}}, wtl. „Landeskörper“, „Nationalwesen“. Ein Begriff, durch den die nüchterne politische Struktur des Staates eine sakrale Aura erhalten sollte. Der bekannte Politologe {{g|maruyamamasao}} wies darauf hin, dass die ''kokutai''-Ideologie in Japan ihre magische Bannkraft gerade deshalb entfaltete und noch immer besitzt, weil sie den Japanern kaum je bewusst gemacht wurde: „Ein scharfes Bewusstsein davon, welche magische Macht diese mit dem Wort ''kokutai'' bezeichnete nichtreligiöse Religion besaß, fehlt der Nachkriegsgeneration bereits, während es der älteren Generation, welche dieser Magie völlig verfallen war [...], von Anbeginn abging.“ ({{zitiert|Maruyama 1988}}, S. 45)
* {{glossar:shinkoku}} („Götterland“): Ein mit ''kokutai'' verwandter Begriff, der die Einzig·artig·keit Japans auf die die Tat·sache zurück·führt, dass es das „Land der ''kami''“ sei. Dieser Begriff hat eine lange Tradition, die sich bis zu den An·griffen der Mongolen (13. Jh.) und darüber hinaus zurück ver·folgen lässt (s. [[Geschichte/Shinto_Mittelalter | Shintō im Mittelalter]]). Unter dem Staats·shintō hatte der Begriff große Konjunktur, ver·schwand in der Folge weit·gehend aus dem politischen Diskurs, tauchte aber in einer Parlaments·rede von Premier·minister Mori Yoshiro im Jahr 2000 wieder auf und ent·fachte eine neue Welle von Argu·menten gegen bzw. für die Wieder·erstarkung nationa·listischen Denkens in Japan.
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* {{g|shinkoku}} („Götterland“): Ein mit ''kokutai'' verwandter Begriff, der die Einzigartigkeit Japans auf die die Tatsache zurückführt, dass es das „Land der ''kami''“ sei. Dieser Begriff hat eine lange Tradition, die sich bis zu den Angriffen der Mongolen (13. Jh.) und darüber hinaus zurück verfolgen lässt (s. [[Geschichte/Shinto_Mittelalter | Shintō im Mittelalter]]). Unter dem Staatsshintō hatte der Begriff große Konjunktur, verschwand in der Folge weitgehend aus dem politischen Diskurs, tauchte aber in einer Parlamentsrede von Premierminister {{g|moriyoshirou}} im Jahr 2000 wieder auf und entfachte eine neue Welle von Argumenten gegen bzw. für die Wiedererstarkung nationalistischen Denkens in Japan.
* {{glossar:kannagaranomichi}} (wtl. „Weg des Gottseins“). ''Kannagara'' bedeutet ungefähr „eine Gottheit seiend“ und wird in einigen alten Texten auf den Tennō angewandt. Teil·weise taucht der Begriff auch als Lesung der Kanji-Zeichen von {{glossar:Shintou|''shintō''}} auf.<ref>
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* {{g|kannagaranomichi}} (wtl. „Weg des Gottseins“). ''Kannagara'' bedeutet ungefähr „eine Gottheit seiend“ und wird in einigen alten Texten auf den Tennō angewandt. Teilweise taucht der Begriff auch als Lesung der Kanji-Zeichen von {{g|Shintou|''shintō''}} auf.<ref>
Die klassische Text·stelle stammt aus dem {{glossar:Nihonshoki}} (720), welches wiederum ein kaiserliches Edikt aus dem Jahr 647 zitiert. Dieses Edikt enthält die der Sonnen·gottheit {{glossar:amaterasu}} in den Mund gelegte Worte: „Meine Kinder sollen in ihrer Eigenschaft als Götter (''kannagara'') [die Welt] regieren.“ In einer Glosse bemerkt das ''Nihon shoki'' dazu: „''Kanngara'' bedeutet dem Weg der Götter ({{glossar:Shintou|''shintō''}}) zu folgen oder den Weg der Götter in sich zu tragen“ (Aston 1972, II, S. 226).
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Die klassische Textstelle stammt aus dem {{gb|Nihonshoki}} (720), welches wiederum ein kaiserliches Edikt aus dem Jahr 647 zitiert. Dieses Edikt enthält die der Sonnengottheit Amaterasu in den Mund gelegten Worte: „Meine Kinder sollen in ihrer Eigenschaft als Götter (''kannagara'') [die Welt] regieren.“ In einer Glosse bemerkt das ''Nihon shoki'' dazu: „''Kanngara'' bedeutet dem Weg der Götter ({{gb|Shintou|''shintō''}}) zu folgen oder den Weg der Götter in sich zu tragen“ ({{zitiert|Aston 1972}}, II, S. 226).
</ref> In der Moderne bot der Be·griff reichlich Platz für alle möglichen mysti·fizie·renden Inter·pre·tationen, was „der Weg des Gottseins“ denn eigent·lich zu bedeuten habe.
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</ref> In der Moderne bot der Begriff reichlich Platz für alle möglichen mystifizierenden Interpretationen, was „der Weg des Gottseins“ denn eigentlich zu bedeuten habe.
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| Inthronisierungsfeier des Heisei Tennō  
 
| Inthronisierungsfeier des Heisei Tennō  
 
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Schließlich gibt es eine fort·dauernde Diskussion über die Kriegs·ver·antwortung des Tennō, sowie seine Rolle im modernen Staat. Im Gegen·satz zum Staats·shintō wurde das Kaisertum ja nicht voll·kommen abgeschafft, es wurde ihm lediglich jede politische Ent·scheidungs·gewalt entzogen. Im religiösen Bereich, etwa im Zu·sammen·hang mit dem {{glossar:isejinguu|Ise Schrein}}, hält der Tennō aber bis heute gewisse rituelle Aufgaben inne. Darüber hinaus hat er selbst in der inter·natio·nalen Politik nach wie vor eine keines·wegs unbe·deu·tende reprä·sen·tative Funktion als „Symbol des Staates“, die sogar in der Verfassung ver·ankert ist. Daher erregte die Tatsache, dass Kaiser Hirohito ({{Glossar:Shouwatennou}}) un·ge·achtet seiner Rolle als Staats·ober·haupt vor dem Zweiten Weltkrieg sein Tennō-Amt auch nach dem Krieg bis zu seinem Tod be·kleidete, sowohl außer·halb Japans als auch bei einigen japani·schen Intel·lektuellen heftige Kritik.
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Schließlich gibt es eine fortdauernde Diskussion über die Kriegsverantwortung des Tennō, sowie seine Rolle im modernen Staat. Im Gegensatz zum Staatsshintō wurde das Kaisertum ja nicht vollkommen abgeschafft, es wurde ihm lediglich jede politische Entscheidungsgewalt entzogen. Im religiösen Bereich, etwa im Zusammenhang mit dem {{g|isejinguu|Ise Schrein}}, hält der Tennō aber bis heute gewisse rituelle Aufgaben inne. Darüber hinaus hat er selbst in der internationalen Politik nach wie vor eine keineswegs unbedeutende repräsentative Funktion als „Symbol des Staates“, die sogar in der Verfassung verankert ist. Daher erregte die Tatsache, dass Kaiser Hirohito ({{g|Shouwatennou}}) ungeachtet seiner Rolle als Staatsoberhaupt vor dem Zweiten Weltkrieg sein Tennō-Amt auch nach dem Krieg bis zu seinem Tod bekleidete, sowohl außerhalb Japans als auch bei einigen japanischen Intellektuellen heftige Kritik.
 
 
 
{{Verweise
 
{{Verweise
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|thisway=Geschichte/Neue Religionen
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{{Literatur:Antoni_2002}}
 
{{Literatur: Doak 2012}}
 
{{Literatur:Hardacre_1991}}
 
{{Literatur:Fischer_2001}}
 
{{Literatur: Wachutka 2013}}
 
 
 
Ältere Werke:
 
{{Literatur:Holtom_1922}} (sehr informativ!)
 
{{Literatur:Holtom_1963}}
 
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Primärquellen:
 
{{Literatur:Aston_1972}}
 
 
 
 
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* [http://www.law.keio.ac.jp/%7Ehagiwara/kokutai.html „Kokutai-Ideologie“], Hagiwara Yoshihisa (dt.)<br/>Ein Artikel des japanischen Philosophen Hagiwara Yoshihisa, erschienen in K. Slamun (Hg.), ''Aufklärungsperspektiven'', J.C.B. Mohr, 1989.
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* [http://www.law.keio.ac.jp/%7Ehagiwara/kokutai.html Kokutai-Ideologie] (de.)<br/>Artikel des japanischen Philosophen Hagiwara Yoshihisa, erschienen in K. Slamun (Hg.), ''Aufklärungsperspektiven'', J.C.B. Mohr, 1989.
* [http://www.uni-marburg.de/fb03/ivk/mjr/pdfs/2002/articles/kleine2002.pdf Religion im Dienste einer ethnisch-nationalen Identitätskonstruktion]: Erörtert am Beispiel der ‚Deutschen Christen‘ und des japanischen Shinto.“, Christoph Kleine<br/>Artikel des Japanologen und Religionswissenschaftlers Christoph Kleine, erschienen im Online Journal ''[http://www.uni-marburg.de/fb03/ivk/mjr Marburg Journal of Religion]'' 7/1, 2002.
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* [http://www.uni-marburg.de/fb03/ivk/mjr/pdfs/2002/articles/kleine2002.pdf Religion im Dienste einer ethnisch-nationalen Identitätskonstruktion]: Erörtert am Beispiel der ‚Deutschen Christen‘ und des japanischen Shinto.<br/>Artikel des Japanologen und Religionswissenschaftlers Christoph Kleine, erschienen im Online Journal ''[http://www.uni-marburg.de/fb03/ivk/mjr Marburg Journal of Religion]'' 7/1, 2002.
* [http://web.archive.org/web/20091027013136/http://geocities.com/gatoesmuchogor/ Yasukuni Jinja] (en.)<br/>Einige Fakten zu diesem kontroversen Thema. [Über [http://www.archive.org/ Internet Archive], 2010/8]
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* [http://web.archive.org/web/20091027013136/http://geocities.com/gatoesmuchogor/ Yasukuni Jinja] (en.)<br/>Einige Fakten zu diesem kontroversen Thema. [Über ''Internet Archive'', 2010/8]
 
* [http://www.kunaicho.go.jp/eindex.html Imperial Household Agency Homepage] (en., jap.)<br/>Zur Orientierung über die heutigen Funktionen des Tennō.
 
* [http://www.kunaicho.go.jp/eindex.html Imperial Household Agency Homepage] (en., jap.)<br/>Zur Orientierung über die heutigen Funktionen des Tennō.
 
* [http://www.kunaicho.go.jp/ryobo/index.html Tennō no misasagi] (jap.)<br/>Ein Überblick über sämtliche Grabstätten historischer Tennō - viele davon eigentlich Denkmäler aus der Zeit des Staatsshinto (Teil der oben genannten Website).
 
* [http://www.kunaicho.go.jp/ryobo/index.html Tennō no misasagi] (jap.)<br/>Ein Überblick über sämtliche Grabstätten historischer Tennō - viele davon eigentlich Denkmäler aus der Zeit des Staatsshinto (Teil der oben genannten Website).
* [http://www.fas.harvard.edu/~rijs/crrp/index.html Constitutional Revision Research Project],  Harvard University (en.)<br/>Dieses Projekt widmet sich der aktuellen Debatte über eine Änderung der jap. Verfassung, enthält aber auch zahlreiche Dokumente und Links zur Geschichte der japanischen Verfassung.
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* [https://projects.iq.harvard.edu/crrp/home Constitutional Revision Research Project],  Harvard University (en.)<br/>Dieses Projekt widmet sich der aktuellen Debatte über eine Änderung der jap. Verfassung, enthält aber auch zahlreiche Dokumente und Links zur Geschichte der japanischen Verfassung.
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Aktuelle Version vom 16. März 2024, 16:49 Uhr

Staatsshintō

Staatsshintō (kokka shintō [kokka shintō (jap.) 国家神道 Staatsshintō, staatliche Ideologie der Moderne vor dem 2. WK]) ist ein umstrittener Begriff, da sich insbesondere in Japan viele Experten uneinig sind, ob es überhaupt je so etwas wie Staatsshintō gab, und wenn ja, wann er begann. Manche sehen darin auch eine unzulässige Bezeichnung für den japanischen Nationalismus der Zwischenkriegszeit, der erst im Nachhinein von den westlichen Siegermächten auf eine shintōistische Ideologie reduziert wurde. Ich selbst finde den Begriff Staatsshintō zwar durchaus berechtigt, sehe aber auch die damit verbundenen Probleme und Ambivalenzen. Diese sollen anhand eines geschichtlichen Überblicks auf dieser Seite thematisiert werden.

Tenno chikanobu1878 gr.jpg
1 Meiji Tennō mit Gemahlin und göttlichen kaiserlichen Ahnen
Meiji Tennō und seine Gemahlin umgeben von ihren kaiserlichen Ahnen:
Mitte: Die Urgötter Kuni no Tokotachi, Izanami und Izanagi, davor Kaiser Meiji und Kaiserin Shōken;
Rechts: Die Ahnengötter Amaterasu, Ninigi und Jinmu Tennō sowie die nahen Vorfahren Meijis, Kōmei (Tennō 121, r. 1846–1867) und Go-Sakuramachi (Tennō 117, r. 1762–1771, eigentlich eine Kaiserin!)
Links: Die mythologischen Ahnengötter Hiko Hohodemi und Hikonagisa Takeugaya Fukiaezu, sowie Go-Momozono (Tennō 118, r. 1771–1779), Kōkaku (Tennō 119, r. 1780–1817) und Ninkō (Tennō 120, r. 1817–1846).
Werk von Toyohara Chikanobu (1838–1912). Meiji-Zeit, 1878. Artelino.

Die Meiji-„Restauration“

Der Staatsshintō wäre ohne die Errichtung eines japanischen Nationalstaats nach westlichem Muster nicht denkbar. Diese Entwicklung begann mit der sogenannten Meiji-Restauration (Meiji Ishin [Meiji Ishin (jap.) 明治維新 Meiji Restauration, wtl. Meiji-Erneuerung, umfasst den politischen Umsturz 1867–68 und die nachfolgende Konsolidierung Japans als moderner Nationalstaat]), die jedoch zunächst ganz andere Ziele hatte als die „Verwestlichung“ Japans. Der politische Umbruch zwischen 1867 und 68 wird genau deshalb als „Restauration“ bezeichnet, weil er von dem Ideal getragen war, zu den politischen Verhältnissen des alten Japan, also zu einer zentralistischen Monarchie rund um den Tennō [Tennō (jap.) 天皇 jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels] zurückzukehren. Nach Jahrhunderten der Bedeutungslosigkeit sollte der kaiserliche Hof, angeführt vom jungen Meiji Tennō [Meiji Tennō (jap.) 明治天皇 1852–1912; 122. japanischer Kaiser (r. 1867–1912); Namensgeber und politische Symbolfigur der Meiji-Zeit; Eigenname: Mutsuhito], wieder ins Zentrum der politischen Macht gerückt werden.

Im Hintergrund der Forderung nach einer neuen politischen Autorität stand u.a. die Bedrohung durch westliche Mächte, die spätestens im Jahr 1853 in Gestalt der „Schwarzen Schiffe“ (kurobune [kurobune (jap.) 黒舟 „Schwarze Schiffe“; volkstümliche Bezeichnung für die amerikanischen Kanonenboote, die 1853 die Öffnung Japans erzwangen]) des amerikanischen Admirals Matthew Perry [Perry, Matthew (west.) 1794–1858; amerikanischer Admiral (Commodore), der 1853–1854 die Öffnung der japanischen Häfen für amerikanische Schiffe erwirkte] für die gesamte japanische Öffentlichkeit sichtbar wurde (s. Aufbruch in eine neue Ära: Bakumatsu-Zeit, 1853–1867). Eine effektive Maßnahme gegen diese Bedrohung wurde immer weniger vom Shōgun [Shōgun (jap.) 将軍 Shōgun; Titel der Militärherrscher aus dem Kriegeradel (bushi, Samurai)] und immer mehr vom Tennō erwartet. Ein bekannter Slogan aus den letzten Jahren der Edo [Edo (jap.) 江戸 Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);]-Zeit, der diese Erwartungshaltung charakterisiert, lautete: „Ehre dem Tennō, fort mit den Barbaren“ (sonnō jōi [sonnō jōi (jap.) 尊王攘夷 „Ehrt den Kaiser, verjagt die Barbaren“; anti-westlicher Slogan des 19. Jh.s (Zitat aus den Frühling- und Herbstannalen des Konfuzius)]). Dieses politische Ziel wollten die Meiji-Reformer anfangs durch eine Wieder-Vereinigung von Shintō-Ritus und politischer Gewalt erreichen. Das ideologische System, das sich um diese politische Zielsetzung herausbildete, lässt sich heute als Staatsshintō bezeichnen, obwohl dieser Begriff in der Meiji-Zeit selbst nicht in Gebrauch war.

Tradition und Moderne

Die Ideen des Staatsshintō wurden u.a. von der „Nationalen Schule“ (kokugaku [kokugaku (jap.) 国学 „Lehre des Landes“, Nationale Schule, Nativismus; in der Edo-Zeit entstandene Gelehrtentradition, die ihren Fokus auf das nationale Erbe Japans richtete]) und der Mito-Schule (Mito-gaku [Mito-gaku (jap.) 水戸学 Mito-Schule; konfuzianisch und Tennō-loyalistisch ausgerichtete Gelehrtentradition der Edo-Zeit mit Zentrum in Mito (heute Teil von Ibaraki-ken, nw. von Tōkyō)]) formuliert. In beiden Fällen handelt es sich um intellektuelle Strömungen, die sich im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts zunehmend politisiert hatten und den Umsturz der feudalen Verhältnisse unter dem Tokugawa [Tokugawa (jap.) 徳川 Kriegerdynastie, die während der Edo- oder Tokugawa-Zeit (1603–1867) das Amt des Militärmachthabers (Shōgun) inne hatte.] Shōgunat ideologisch vorbereiteten. Die Gelehrten dieser Schulen erachteten das klassische Altertum als eine Art goldenes Zeitalter, in dem sowohl der Tennō als auch die kami [kami (jap.) Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō] von allen Japanern als naturgegebene Autoritäten anerkannt wurden, ohne dass explizite Gesetze oder Glaubenslehren von Nöten gewesen wären. Diese selbstverständliche Anerkennung einer religiös-politischen Ordnung wurde als die Essenz des Shintō [Shintō (jap.) 神道 Shintō; wtl. Weg der Götter, Weg der kami], des Weges der kami, angesehen. Aus Sicht der kokugaku implizierte Shintō somit die Idee eines sakralen Königtums. Diese Idee wurde u.a. durch das Schlagwort saisei itchi [saisei itchi (jap.) 祭政一致 Einheit von Ritus und Verwaltung bzw. von Religion und Staat], die Einheit von Religion/Ritus und Staat/Verwaltung, ausgedrückt. Die damit verbundene Shintō-Richtung bezeichnete sich selbst oft als fukko shintō [fukko shintō (jap.) 復古神道 „Restauration des antiken Shintō“; Restaurations-Shintō], ein Begriff, der der Einfachheit halber meist als „Restaurations-Shintō“ übersetzt wird, sich aber auch als Absichtserklärung — „den Shintō des Altertums wieder errichten“ — oder als Leit-Ideologie — „wiedererrichteter Shintō“ — verstehen lässt.

Die Utopien, die Japan Mitte des neunzehnten Jahrhunderts veränderten, waren also primär auf die Vergangenheit gerichtet. Auch die siegreichen Reformer der Meiji-Zeit standen zunächst in dieser Tradition. Die Meiji-Restauration unterschied sich in diesem Punkt von den bürgerlichen Revolutionen, die Europa zu dieser Zeit bewegten, wurden diese doch im Namen einer wie immer gearteten „Freiheit“ durchgeführt. In Japan, wo eine äußere Bedrohung den Anlass zur Veränderung lieferte, stand anstelle dieser Freiheit Nostalgie.

Trotz dieser unterschiedlichen Ausgangsbedingungen führten die politischen Veränderungen in Europa und Japan gleichermaßen zur Besinnung auf nationale Werte. Obwohl dies eigentlich nationale Divergenzen begünstigen sollte, bewegten sich Japan und die westlichen Staaten hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Entwicklung weiter aufeinander zu. Dies wird auch aus dem „Fünf-Artikel-Eid“ von 1868 deutlich, der den Minimal-Konsens des neuen Regimes im Jahr 1868 formulierte und besiegelte. Aus diesem Dokument spricht einerseits das Vorhaben, neue Bevölkerungsschichten an politischen Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen, andererseits sollen „die Unsitten der Vergangenheit“ überwunden und Wissen aus aller Welt nutzbar gemacht werden. Dies markiert die ideologische Umkehr von einer rein traditionalistischen Verteidigung „alter Werte“ zu einem pragmatischen Umgang mit globalen Trends.

Ein wichtiger Motor dieser konvergenten Veränderungen war die sogenannte „industrielle Revolution“. Diese entstand zwar in Europa, wurde aber von Japan mit nur geringfügiger Verspätung aufgenommen und mitgetragen. Nach dem erwähnten Kontakt mit den Kanonenbooten des Admirals Perry [Perry, Matthew (west.) 1794–1858; amerikanischer Admiral (Commodore), der 1853–1854 die Öffnung der japanischen Häfen für amerikanische Schiffe erwirkte] (1853/54) bildete sich in Japan langsam ein allgemeiner Konsens, dass ein zu großer technischer Rückstand gegenüber den westlichen Mächten früher oder später zur Kolonialisierung führen würde. Daher begann die technische Aufrüstung des Militärs mit westlichen Waffen (v.a. mit Kriegsschiffen) bereits vor 1868, was schließlich die entsprechende Umgestaltung der politisch-gesellschaftlichen Struktur des Landes unumgänglich machte. Ab der Meiji-Zeit beobachtete die politische Elite auch alle anderen Innovationen der westlichen Staaten sehr genau, ließ sich von westlichen Experten beraten und führte sie – zumeist mit leichten Modifikationen – auch im eigenen Lande ein. Ein Sinnbild für diesen Geist der Modernisierung ist die sogenannte „Iwakura-Mission“ (Iwakura Shisetsudan [Iwakura Shisetsudan (jap.) 岩倉使節団 Iwakura-Mission; diplomatische Delegation unter Führung von Iwakura Tomomi, die im Rahmen einer Weltreise von 1871 bis 1873 Amerika sowie mehrere Länder Europas besuchte]), die unter Führung des Staatsmannes Iwakura Tomomi [Iwakura Tomomi (jap.) 岩倉具視 1825–1883; Staatsmann der Meiji-Zeit; Leiter der Iwakura Mission Iwakura Shisetsudan, 1871–1873)] ab 1871 zwei Jahre lang die westliche Welt bereiste und neben politischen Verhandlungen vor allem die technischen Innovationen der führenden Industrienationen inspizierte. Die durch die Iwakura-Mission ein weiteres Mal angeheizte Modernisierungswelle Japans führte notgedrungen zu einem Widerspruch zwischen den Idealen der „Restauration“ und der gesellschaftlichen Wirklichkeit.

Das doppelte Gesicht des Tennō

Der junge Meiji Tennō [Meiji Tennō (jap.) 明治天皇 1852–1912; 122. japanischer Kaiser (r. 1867–1912); Namensgeber und politische Symbolfigur der Meiji-Zeit; Eigenname: Mutsuhito], der eher zufällig zugleich mit der Sieg der Tennō-Loyalisten an die Macht kam,1 wurde nicht nur zum wichtigsten Emblem der Meiji-zeitlichen Erneuerung, sondern erhielt auch — den unterschiedlichen Triebkräften der Restauration entsprechend — ein doppeltes Gesicht: Neben seinen sakral anmutenden traditionellen Amtsroben trat er in einer vollkommen neuen Gestalt auf, nämlich in Militäruniform nach westlichem Muster.

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Kaiser Meiji (1852–1912) im 5. Jahr seiner Regierung mit eben erst 20 Jahren.
Werk von Uchida Kuichi. Meiji-Zeit, 1872. Bildquelle: Flickr, Claude Estébe.
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Die neuartige Militäruniform und der westlichen Stuhl scheinen für den jungen Kaiser Meiji noch ungewohnt gewesen zu sein.
Werk von Uchida Kuichi (1844–1875). 1873. Bildquelle: T Flickr, Claude Estèbe.
Meiji Tennō, 1872 und 1873

Dieses doppelte Erscheinungsbild des Meiji Tennō spiegelt nicht nur die Zerrissenheit des damaligen Japan zwischen Traditionalismus und Moderne, es trägt auch die Paradoxe in sich, die sich in der Idee eines staatstragenden Shintō offenbaren. Dieser sollte die Ideologie für eine Entwicklung bereit stellen, die eben nicht in erster Linie die Vergangenheit wach rief, sondern von politischer Zentralisierung, verwaltungstechnischer und militärischer Rationalisierung, sowie von technologischer Erneuerung, kurz von der Modernisierung nach westlichem Muster geprägt war. Dennoch bediente sich diese Modernisierung, wo es möglich war, eines rituellen Gepräges, das der japanischen Antike entnommen war. Diesen Zwiespalt versuchte man mit dem Schlagwort „Japanischer Geist — westliche Technik“ (wakon yōsai [wakon yōsai (jap.) 和魂洋才 „Japanischer Geist, westliche Technik“; politischer Slogan der bakumatsu- und Meiji-Zeit]) zu überbrücken.2 Man meinte also, zwar äußerlich dem westlichen Vorbild zu folgen, innerlich aber sich selbst treu zu bleiben. Tatsächlich regierte in der Meiji-Zeit jedoch ein schrankenloser Pragmatismus, der im Grunde nur von einem Ziel bestimmt war: in machtpolitischer Hinsicht mit den europäischen Mächten und Amerika gleichzuziehen. Ob dies nun durch Rückbesinnung auf alte Werte oder durch Übernahme neuer Institutionen und Techniken zu erreichen wäre, unterlag den momentanen Schwankungen der tagespolitischen Situation.

Shintō als Staatsreligion?

Trennung von Shintō und Buddhismus

Eine Staatsreligion zu haben erschien zunächst gerade aus der pragmatischen Orientierung an Europa unabdingbar. Die meisten japanischen Beobachter der europäischen Verhältnisse machten nämlich das Christentum dafür verantwortlich, dass der Staat hier das Volk besser im Griff habe als in Japan. Die Meiji-Reformer suchten also nach einer vergleichbaren religiös-ideologischen Macht im eigenen Land. Da der Buddhismus durch seine Verbindung mit dem überkommenen Tokugawa-Regime dafür nicht in Betracht kam, entschied man sich für Shintō und Tennō-Kult. Es war jedoch unübersehbar, dass der Shintō erst einmal neu gestaltet — um nicht zu sagen neu erfunden — werden musste, damit er eine dem Christentum vergleichbare Rolle übernehmen konnte. Er musste z.B. erst einmal säuberlich vom Buddhismus getrennt werden. Einer der ersten Erlasse der neuen Meiji-Regierung im Jahr 1868 ordnete daher die „Trennung von kami und Buddhas“ (shinbutsu bunri [shinbutsu bunri (jap.) 神仏分離 Trennung von kami und Buddhas; religionspolitische Maßnahme zur Entflechtung von buddh. Tempeln und Shintō-Schreinen; vereinzelt in der Edo-Zeit, vor allem aber für die frühe Meiji-Zeit (1868–1873) charakteristisch]) an. Dies markierte einen Bruch mit der seit dem Altertum allgemeingültigen Auffassung, dass japanische kami im Grunde nur besondere Erscheinungsformen buddhistischer Wesen seien (s. honji suijaku). Dieser Bruch realisierte sich in der Praxis durch Maßnahmen wie die Abschaffung buddhistischer Titel für die kami, die Umbenennung und Umwidmung von Shintō-Schreinen sowie die Zerstörung buddhistischer Statuen, vor allem wenn diese in Shintō-Schreinen verehrt worden waren. Es kam überdies landesweit zu anti-buddhistischen Ausschreitungen, beispielsweise Tempelplünderungen, die von bestehenden Ressentiments gegenüber den Privilegien des buddhistischen Klerus in der Edo-Zeit (s. Das terauke-System: Inquisition unter buddhistischen Vorzeichen) angeheizt wurden.

Die neuen Maßnahmen trafen aber nicht nur buddhistische Mönche, sondern auch viele Schreinpriester, da die meisten von ihnen ja gemeinsam mit den Mönchen in „Tempel-Schrein-Komplexen“ (jingūji [jingūji (jap.) 神宮寺 an einen Schrein angeschlossener Tempel, Tempel-Schrein Komplex]) tätig gewesen waren. Ohne den institutionellen Schutz und das liturgische Knowhow buddhistischer Tempel fehlte vielen Schreinpriestern schlicht die Existenzgrundlage. Am härtesten traf die verordnete Trennung von Buddhismus und Shintō allerdings religiöse Mischformen wie den Kult der yamabushi [yamabushi (jap.) 山伏 Bergasket, wtl. der in den Bergen schläft; Praktikant des Shugendō], der keiner der beiden Religionen eindeutig zugeordnet werden konnte und daher zu Gänze verboten wurde.

Die „Verbreitung der Großen Lehre“

Während das Kräfteverhältnis von Tempeln und Schreinen ungewiss blieb, übten westliche Mächte Druck auf die Meiji-Regierung aus, den Edo-zeitlichen Bann gegen das Christentum aufzuheben und der christlichen Missionierung neue Entfaltungsmöglichkeiten zu geben. Diesen Forderungen wurde bereits 1873 statt gegeben, doch konnte diese Liberalisierung die schwelende Ängste vor einer christlichen Überfremdung, die schon unter den Tokugawa entstanden waren, nicht tilgen. Man suchte also nach indirekten Methoden, um den Gefahren einer Christianisierung Japans vorzubeugen.

In dieser Situation entstand die Idee, eine neue Staatsreligion zu formulieren. Diese Staatsreligion wurde schlicht die „Große Lehre“ (taikyō [taikyō (jap.) 大教 wtl. große Lehre; Staatsideologie der frühen Meiji-Zeit]) genannt und sollte im Rahmen der 1870 begründeten „Bewegung zur Verbreitung der Großen Lehre“ (taikyō senpu undō [taikyō senpu undō (jap.) 大教宣布運動 Kampagne des Großen Lernens oder auch Große Indoktrinierungs-Kampagne, 1870–1884; staatl. Initiative der frühen Meiji-Zeit zur Verbreitung der Ideale des Tennō-Loyalismus]) verbreitet werden. Sie wurde zunächst vom 1869 revitalisierten „Götteramt“ (Jingi-kan [Jingi-kan (jap.) 神祇官 Götteramt, wtl. Amt für Götter des Himmels und der Erde]) koordiniert und ging von den Ideologen des Restaurations-Shintō aus.3 Doch schon bald stellte sich heraus, dass man ganz ohne Buddhismus nicht über die nötige Masse von qualifiziertem pädagogischen Personal verfügte, um die Bevölkerung auf religiös-ideologischem Gebiet beeinflussen zu können.

Bereits 1872 erfolgte eine Art Neugründung der Kampagne. Die verantwortliche staatliche Institution, das Shintō-dominierte Götteramt (bzw. sein Nachfolger, das „Götter-Ministerium“), wurde aus diesem Anlass aufgelöst und ging in das Ministerium für doktrinäre Angelegenheiten (Kyōbu-shō [Kyōbu-shō (jap.) 教部省 Ministerium für religiöse Angelegenheiten, 1872–1877]) über, welches explizit auch Buddhisten und Konfuzianer in die Lehrtätigkeit einbezog. Die Basis der Kampagne bildeten offizielle Instruktoren (kyōdōshoku [kyōdōshoku (jap.) 教導職 „nationale Evangelisten“; Missionare oder Instruktoren der Verbreitung der Großen Lehre]), deren Zahl Mitte der 70er Jahre bereits auf über 10.000 anstieg. Sie setzten sich aus Shintō-Priestern, buddhistischen Mönchen, aber auch weltlichen Pädagogen zusammen.4

Zu diesem Zeitpunkt überwog in der Regierung die Ansicht, eine Mischform aus Shintō, Konfuzianismus und Buddhismus wäre wohl eher als Staatsreligion geeignet denn Shintō allein. Im Gegensatz zur traditionellen kokugaku vertraute man nun nicht mehr auf eine spontane, intuitive Bejahung des Tennō seitens der Bevölkerung, sondern bemühte sich um eine entwickelte Morallehre in der Art des Konfuzianismus. Die meisten Führer der Restauration waren im übrigen keineswegs gläubige Shintōisten. Sie neigten vor allem dem Konfuzianismus zu und sahen im Shintō lediglich ein demagogisches Instrument zur Stärkung des Tennōismus in weniger gebildeten Bevölkerungsschichten. In Übereinstimmung mit den inklusivistischen Vorstellungen einer japanischen Staatsreligion oder Staatsdoktrin wurden 1872 die sogenannten „Drei Prinzipien der Großen Lehre“ (sanjō no kyōsoku [sanjō no kyōsoku (jap.) 三条の教則 die drei elementaren Prinzipien oder Lehrsätze der „Großen Lehre“ (taikyō), also der Staatsideologie der frühen Meiji-Zeit, die 1872 erlassen wurden; auch sanjō no kyōken]) formuliert, die bewusst sehr offen und allgemein gehalten waren. Sie lauteten:

  1. Ehre die Götter, liebe dein Land
  2. Wisse um die Prinzipien des Himmels und den Weg des Menschen
  3. Ehre den Kaiser und gehorche dem kaiserlichen Hof (= Regierung)

Diese Prinzipien wurden um immer detailliertere Zusätze ergänzt, die u.a. die Steuerpflicht, die Schulpflicht, den Militärdienst und die Umstellung auf den westlichen Kalender erklärten.5 Es ging also um die Erziehung der Bevölkerung zu modernen Staatsbürgern bei gleichzeitiger Stärkung traditioneller religiöser Vorstellungen. Zugleich schuf der Staat mit der Rolle der Instruktoren auch ein Instrument, um religiöse Professionisten staatlich zu kontrollieren. Doch hatte die Meiji-Regierung für Aufgaben dieser Art kein Geld, sodass die Instruktoren im Zuge der Kampagne selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen mussten. Für Buddhisten, die nach wie vor in ein etabliertes System von Spenden eingebunden waren, war dies ein geringeres Problem als für Shintō-Priester, die diese Tradition erst neu aufbauen mussten. Das einzige offizielle Privileg der Instruktoren war, dass sie ab 1874 vom Militärdienst befreit waren.6

Ein weiteres Problem lag in der Führungsebene der Kampagne, wo sich Buddhisten und Anti-Buddhisten zunehmend feindlich gegenüber standen. 1875 verlagerte sich das Zentrum der Bewegung immer stärker nach Ise [Ise (jap.) 伊勢 vormoderne Provinz Ise (heute Präfektur Mie); Stadt Ise; Kurzbezeichnung für die Schreinanlage von Ise Ise Jingū], was zu einer Betonung der shintōistischen Aspekte und schließlich zu einem demonstrativen Austritt der Buddhisten führte. Die „Shintōisten“ spalteten sich aber bald erneut in verschiedene Gruppierungen der kokugaku [kokugaku (jap.) 国学 „Lehre des Landes“, Nationale Schule, Nativismus; in der Edo-Zeit entstandene Gelehrtentradition, die ihren Fokus auf das nationale Erbe Japans richtete]-Schule auf. Diese internen Querelen führten dazu, dass sich der Staat zunehmend aus der Kampagne zurückzog. 1877 wurde das für die Kampagne zuständige Ministerium abgeschafft, während die Bewegung selbst großteils von Shintō-Priestern auf privater Basis fortgeführt wurde.

Religiöse Freiheit in der Verfassung

Wie man aus den obigen Abschnitten erkennt, wurde die Förderung des Shintō während der Meiji-Zeit keineswegs immer konsequent vorangetrieben, sondern trat im Gegenteil bald gegenüber anderen politischen Zielen in den Hintergrund: Zunächst wurde das Militärwesen und dann ein Rechtssystem nach westlichem Muster eingeführt. Dieses Rechtssystem nahm mit der Verfassung von 1889 Gestalt an. Es orientierte sich im wesentlichen am Deutschen Kaiserreich, welches ja in der Tat fast zeitgleich (1871) mit dem modernen japanischen Staat entstanden war. Die japanische Verfassung sah eine konstitutionelle Monarchie vor und garantierte darüber hinaus — mit einigen Einschränkungen — „religiöse Freiheit“ (Artikel 28). Von den Ideen des Staatsshintō blieben in der Verfassung kaum mehr als zwei Sätze über: „Der japanische Staat wird für alle Zeiten ununterbrochen vom Tennō regiert und beherrscht“ (Artikel 1); und: „Die Person des Tennō ist heilig und unverletzlich“ (Artikel 3). Die Verfassung ließ jedoch sowohl die göttliche Herkunft des Tennō als auch seine priesterlichen Aufgaben unerwähnt. Auch von einer Staatsreligion ist in diesem grundlegenden juristischen Dokument nicht die Rede.

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4 Meiji Tennō verkündet die neue Verfassung, 1889
Kaiser Meiji (re.) verkündet die Verfassung, 1889. (S.a. Bild:meiji_constitution_1889.jpg.)
Werk von Hashimoto Chikanobu (1838–1912). Meiji-Zeit, 1889. Museum of Fine Arts, Boston.

Tennōzentrismus

Trotz aller Widersprüche und Divergenzen der frühen Meiji-Zeit herrschte in den maßgeblichen politischen und intellektuellen Kreisen ein Grundkonsens, dass an der Institution des Tennō nicht zu rütteln sei. Der Tennō diente quasi als letzte Bastion, an der eine eigene, sowohl von China als auch vom Westen verschiedene, Identität festzumachen war. Der breiten Mehrheit der Bevölkerung war der Tennō dagegen zumindest am Anfang der Meiji-Zeit weitgehend unbekannt, da er während des gesamten japanischen Mittelalters und der frühen Neuzeit kaum politisch in Erscheinung getreten war. Es galt also zunächst, den Tennō zu einer allgemeinen Identifikationsfigur zu machen.

Nachdem die „Große Lehre“ diese Aufgabe nicht in erwünschtem Ausmaß erfüllte, wurde die Bekanntmachung des Tennō in erster Linie über zwei andere Schienen bewerkstelligt: einerseits über das allgemeine Erziehungswesen, andererseits über die Shintō-Schreine im ganzen Land. Dabei bediente man sich – von ein paar allgemeinen Phrasen abgesehen – eher ritueller als dogmatischer Mittel:

  • In den Schulhöfen wurden kleine Schreine (hōanden [hōanden (jap.) 奉安殿 Schreine zur Aufbewahrung des kaiserlichen Portraits (1880er Jahre bis 1945); meist in Schulhöfen]) errichtet, die die Portraits des Tennō und seiner Gemahlin sowie eine Abschrift des Kaiserlichen Erziehungserlasses (Kyōiku chokugo [Kyōiku chokugo (jap.) 教育勅語 Kaiserlicher Erziehungserlass; erlassen am 30. Oktober 1890 durch Meiji Tennō]) aufbewahrten. Schulische Versammlungen, bei denen der Erlass verlesen wurde, fanden vor diesen Schreinen statt. Lehrer wie Schüler hatten sich täglich tief vor diesen Schreinen zu verneigen, als ob sie es mit einer Gottheit zu tun hätten. Taten sie das nicht, so wurden sie im Allgemeinen der Schule verwiesen.
  • Die allgemeinen Feiertage wurden landesweit neu geregelt. Höfische Riten, die einstmals nur vom Tennō selbst vollzogen wurden, sollten nun in allen Schreinen stattfinden. Dazu kamen neue Feiertage wie etwa der Jahrestag der Reichsgründung durch Jinmu Tennō [Jinmu Tennō (jap.) 神武天皇 wtl. „göttlicher Krieger“; gemäß den japanischen Mythen der erste menschliche Herrscher (Tennō) Japans; eigentlicher Name: Kami Yamato Iware-hiko no Sumera Mikoto 神日本磐余彦天皇 (Nihon shoki)], welcher getreu den mythologischen Chroniken auf den 11. Februar 660 v.u.Z. datiert wurde.
  • Jeder Staatsbürger war dazu angehalten, an solchen Feiertagen einen Schrein aufzusuchen und dort dem Tennō seine Reverenz zu erweisen (auch wenn der Schrein selbst keiner Ahnengottheit des Tennō geweiht war). Die Schreinpriester wurden ihrerseits nur am Rande in die Verehrung des Tennō eingebunden und führten großteils ihre traditionellen Riten weiter fort. Nach dem Scheitern der Großen Lehre wurden sie sogar explizit dazu aufgefordert, sich aus theologischen und missionarischen Angelegenheiten heraus zu halten.
  • Die Schreine wurden nach antikem Vorbild in ein landesweites hierarchisches Rangsystem eingegliedert, dem der Ise Schrein [Ise Jingū (jap.) 伊勢神宮 kaiserlicher Ahnenschrein (wtl. Götterpalast) von Ise, Präfektur Mie, bestehend aus den Anlagen Gekū und Naikū] vorstand. Schreinpriester wurden nach und nach als Beamte angesehen, erbliches Priestertum wurde gesetzlich untersagt.

In dieser Form erlangte der Staatsshintō im zwanzigsten Jahrhundert — zunächst nach dem Russo-Japanischen Krieg (1904–05) und dann in der frühen Shōwa [Shōwa (jap.) 昭和 Regierungszeit des Tennō Hirohito (1926–1989)]-Zeit (ab 1925) — seine volle Entfaltung: Ein diffuser religiös-historisch legitimierter Nationalismus machte sich in der öffentlichen Erziehung und im japanischen Alltag breit und wurde zu einer Massenbewegung, ähnlich dem Faschismus in den mit Japan verbündeten Nationen Deutschland und Italien. Es gab jedoch für diese Ideologie keine dem Faschismus analoge Selbstbezeichnung. Der Begriff „Staatsshintō“ war in dieser Zeit bestenfalls ein akademischer Terminus.7

Die „nicht-religiöse Natur“ des Shintō

Während der Tennō mehr und mehr in den Vordergrund trat, verblasste die ursprüngliche Idee, Shintō zur Staatsreligion zu erheben. Nicht nur die Schreinpriester, auch der Begriff „Shintō“ wurde ab dem Inkrafttreten der „Kaiserlichen Verfassung“ (1889) in den Hintergrund gedrängt. Dies hängt zweifellos damit zusammen, dass die Verfassung selbst ausdrücklich „Freiheit des Glaubens“ garantierte. Hätte man nun offiziell von einem Staatsshintō bzw. einer shintōistischen Staatsreligion gesprochen, so wäre diese unweigerlich mit der Verfassung in Konflikt geraten. Aus diesem Grund wurden alle staatlich verordneten Formen der Tennō-Verehrung nicht als „religiöse Handlungen“, sondern als „staatsbürgerliche Pflichten“ bezeichnet, auch wenn sie im Rahmen von Schreinriten stattfanden. Innerhalb des vorherrschenden politischen Diskurses wurde die Tennō-Verehrung als eine Art erweiterter Familienkult interpretiert, da beide, Tennō und Untertanen göttlichen Ursprungs seien, der Tennō also eine Art Vater des gesamten Volkes darstellte. Dieser Kult war der „nicht-religiöse“ Shintō, den jeder Japaner zu befolgen hatte und dem auch alle Schreine neben ihren sonstigen traditionellen Zeremonien zu huldigen hatten. Damit war es möglich, einen Staatskult mit religiösen Verehrungsmustern zu fördern, ohne dass dies im Widerspruch zur verfassungsmäßig garantierten Religionsfreiheit stand.

Dementsprechend war von offizieller Seite ab Mitte der Meiji-Zeit weder von einer Staatsreligion noch von einem Staatsshintō die Rede. Wenn Shintō explizit angesprochen wurde, dann als „Schrein-Shintō“ (jinja shintō [jinja shintō (jap.) 神社神道 Schreinshintō; im Ggs. zu „Sektenshintō“ (kyōha shintō), ...]). Dieser Schrein-Shintō wurde in Regierungstexten als nicht-religiöser Staatskult definiert und als solcher einem religiösen „Sekten Shintō“ (shūha shintō [shūha shintō (jap.) 宗派神道 Sektenshintō, s.a. kyōha shintō]) gegenüber gestellt (s. dazu auch „Shintō: Versuch einer Begriffsbestimmung“). Somit steht „Schrein-Shintō“ im Kontext der Vorkriegszeit für das, was später als „Staatsshintō“ bezeichnet wurde. „Staatsshintō“ als Begriff setzte sich erst durch, nachdem das staatsshintōistische System durch die amerikanische Shintō Direktive (1945, s.u.) offiziell abgeschafft worden war. Der Begriff „Staatsshintō“ wurde also erst rückwirkend auf die Religionspolitik vor dem Zweiten Weltkrieg angewendet.

Kokutai

Aus dem bisher Gesagten lässt sich bereits erkennen, dass der Begriff „Shintō“ im System des Staatsshintō weit seltener zu finden ist, als man a priori vermuten würde. Der Begriff „Restaurations-Shintō“ (fukko shintō) geriet bald in Verruf und bezeichnete nur noch eingefleischte Traditionalisten. Die Schlagworte, unter denen sich der Kult um Staat und Tennō festigte, lauteten hingegen „Nationale Moral“, bzw. „Volksmoral“ (kokumin dōtoku [kokumin dōtoku (jap.) 国民道徳 „Nationale Moral“, „Volksmoral“; Schlagwort der nationalistischen Propaganda der Zwischenkriegszeit]) und „Nationaler Geist“/„Volksgeist“ (kokumin seishin [kokumin seishin (jap.) 国民精神 „Nationaler Geist“, „Volksgeist“; Schlagwort der nationalistischen Propaganda der Zwischenkriegszeit]). Der vielleicht wichtigste Begriff innerhalb der Ideologie des Staatsshintō ist jedoch das ominöse kokutai [kokutai (jap.) 国体 Nationalwesen, wtl. „Landeskörper“].

Kokutai, wtl. „Landeskörper“, könnte man unvoreingenommen mit „Staat“ oder „Staatswesen“ übersetzen. Im Deutschen ruft eine derartige Übersetzung aber nicht den emotionalen Gehalt wach, der dem kokutai im Laufe der Zeit zugesprochen wurde. Insofern scheint Klaus Antonis Übersetzung „Nationalwesen“ treffender.8 Tatsächlich entzieht sich der Begriff aber einer Übersetzung, weil er in den verschiedensten Schriften eine Aura des Heiligen, Ewigen und Unantastbaren zugesprochen bekam, ohne dass je eine präzise Definition des Begriffs vorgenommen worden wäre. Selbst juridische Texte des frühen zwanzigsten Jahrhunderts sprachen von der Verletzung der Würde des kokutai, ohne zu klären, was kokutai sei. Dies gilt selbst für Texte, die sich explizit mit kokutai beschäftigen, wie das berüchtigte Kokutai no hongi [Kokutai no hongi (jap.) 国体の本義 Ein Lehrbuch, welches 1937 vom japanischen Bildungsministerium veröffentlicht wurde; wtl. „Grundsätzliche Prinzipien des Japanischen kokutai] („Grundprinzipien [unseres] Nationalwesens“) aus dem Jahr 1937. Ein gemeinsames Motiv aller kokutai-Diskurse liegt also darin, dass die Heiligkeit des Tennō, die zugleich die Heiligkeit des Staates ist, aus dem kokutai abgeleitet wurde, welches selbst nicht mehr hinterfragt werden konnte. Das einzige Motiv, das sich in vielen (wenn auch nicht in allen) kokutai-Beschreibungen immer wieder finden lässt, ist der Hinweis auf Japans „ungebrochene Folge dynastischer Herrschaft“, also die angeblich 2.600 Jahre zurückreichende Dynastie des Tennō.

Die Göttlichkeit des Tennō

Wo aber findet sich nun das berühmte Dogma, dass der Tennō selbst eine Gottheit in Menschengestalt (arahitogami [arahitogami (jap.) 現人神 (der Tennō als) Gottheit in menschlicher Gestalt]) und seine Abstammung von der Sonnengottheit ein historisches Faktum sei? Auch hier wird man in amtlichen oder halb-amtlichen Dokumenten kaum fündig. Eine wichtige Rolle spielte aber der „Kaiserliche Erziehungserlass“ (Kyōiku chokugo [Kyōiku chokugo (jap.) 教育勅語 Kaiserlicher Erziehungserlass; erlassen am 30. Oktober 1890 durch Meiji Tennō]) aus dem Jahr 1890. Dieser kurze Text, in dem der Tennō persönlich zu seinen Untertanen spricht,9 enthält neben einem allgemein gehaltenen Aufruf zu Tugend und Patriotismus („unverbrüchliche Treue gegen den Herrscher und Liebe zu den Eltern“) mehrmals den Hinweis auf die „kaiserlichen Vorfahren“ sowie auf das „Gedeihen Unserer wie Himmel und Erde ewig dauernden Dynastie“. Dieser Ausdruck ist eine Paraphrase des mythologischen Herrschaftsauftrags durch Amaterasu [Amaterasu (jap.) 天照 Sonnengottheit; Ahnherrin des Tennō-Geschlechts; Hauptgottheit von Ise], wie er in den kaiserlichen Mythen zu finden ist. Der Text verweist damit indirekt auf die dort geschilderte göttliche Abstammung des Tennō Hauses, lässt es aber dahingestellt, inwieweit den dort geschilderten Begebnissen wörtlich Glauben zu schenken sei.

Nun wurde aber dieser Erziehungserlass in den Schulen zusammen mit den Portraits des kaiserlichen Paares gleichsam religiös verehrt und bei diversen Anlässen kollektiv rezitiert. Diese Verehrung allein machte den Text gegenüber kritischen Einwänden immun und bot stattdessen einen trefflichen Anlass, die mythologischen Erzählungen vom Herrschaftsauftrag der Sonnengottheit an ihren Enkel und die Eroberung des ganzen Landes durch Jinmu Tennō [Jinmu Tennō (jap.) 神武天皇 wtl. „göttlicher Krieger“; gemäß den japanischen Mythen der erste menschliche Herrscher (Tennō) Japans; eigentlicher Name: Kami Yamato Iware-hiko no Sumera Mikoto 神日本磐余彦天皇 (Nihon shoki)] in den Schulunterricht einfließen zu lassen. Es ist sicher kein Zufall, dass dieser Text gleichzeitig mit dem Inkrafttreten der Verfassung und des Parlamentarismus (1890) verlautbart wurde. Er stellte sozusagen das Gegengewicht zum neuen rechtsstaatlichen System der Verfassung dar. Den Bürgern wurde mit dem Erziehungserlass bewusst gemacht, dass sie sich gegenüber dem Tennō in einer subalternen Position befanden, auf seine Gnade angewiesen waren, und dass diese Hierarchie auch durch den Rechtsstaat nicht in Zweifel gezogen werden konnte.10

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5 Jinmu Tennō
Die hier dargestellte Szene ist dem Nihon shoki entnommen. Dort heißt es, dass eine Schlacht gegen Ende von Jinmus Eroberungsfeldzug zugunsten dieses ersten Kaisers entschieden wurde, als sich ein goldener Raubvogel (kinshi, eine Art Milan oder Weihe, jap. tobi) auf Jinmus Bogen niederließ und die Feinde derart blendete, dass sie unfähig waren, Widerstand zu leisten. Diese Episode wurde in der Meiji-Zeit zum Anlass genommen, den höchsten militärischen Orden nach diesem goldenen Milan zu benennen. 1873 wurde außerdem im Gedenken an Jinmu ein Reichsgründungstag (Kigensetsu) als neuer nationaler Feiertag (11. Februar) festgesetzt. Tsukioka Yoshitoshis Jinmu zeigt gewisse Ähnlichkeiten mit dem damaligen Kaiser Meiji. Zweifellos versuchte der Künstler im Einklang mit dem Geist seiner Zeit, eine Beziehung zwischen dieser heldenhaften Vorzeit und dem neuen Regime unter Meiji Tennō herzustellen.
Werk von Tsukioka Yoshitoshi (1839–1892). Meiji-Zeit, Feb. 1880. Wikimedia Commons.
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6 Meiji Tennō, 1888
Im Gegensatz zu früheren Portraits handelt es sich um keine Photographie, sondern um eine sogenannte Conté-Zeichnung des Meiji Tennō. Edoardo Chiossone war auch für das Design Meiji-zeitlicher Banknoten und anderer offizieller Bildmedien verantwortlich.
Werk von Edoardo Chiossone. Meiji-Zeit, 1888. Wikimedia Commons.

All dies schloss aber keineswegs aus, dass während der Meiji-Zeit eifrig an einem modernen Universitätssystem gearbeitet wurde, wo u.a. ernstzunehmende historische Forschung zur Historizität der Mythen betrieben wurde. Selbst zum Shintō waren mit gewissen Einschränkungen unterschiedliche Meinungen gestattet.11 Unantastbar blieb einzig und allein der Tennō selbst, sodass auch die Frage, was man sich unter der Göttlichkeit des Tennō vorzustellen habe, kaum gestellt wurde.

Shintōpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach der japanischen Niederlage im Zweiten Weltkrieg wurde der Staatsshintō unter amerikanischer Besatzung bereits 1945 erstmals offiziell so genannt und zugleich abgeschafft. In der sogenannten Shintō-Direktive der Amerikaner vom 15. Dezember 1945 heißt es:

Jede [Maßnahme zur] Trägerschaft, Förderung, Fortsetzung, Kontrolle oder Verbreitung des Shintō ist Personen im öffentlichen Dienst [...] untersagt und mit sofortiger Wirkung einzustellen. 12

Am 1. Januar 1946 wandte sich der Tennō schließlich selbst — zweifellos auf Druck der Besatzungsmächte — an die Bevölkerung. In einer Rundfunkansprache, die als „Proklamation des Menschseins“ (Ningen sengen [Ningen sengen (jap.) 人間宣言 wtl. Proklamation des Menschseins; Bezeichnung für die erste Rundfunkrede des Shōwa Tennō nach dem 2. Weltkrieg, am 1. 1. 1946, in der dieser bekräftigte, kein Gott, sondern ein normaler Mensch zu sein.]) in die Geschichte einging, verkündete er:

Die Bande zwischen Uns und Euch, dem Volk, sind seit jeher aus gegenseitigem Vertrauen und liebevollem Respekt geflochten. Sie entstanden nicht bloß aus Mythen und Legenden. Sie beruhen nicht auf dem Wahn, der Tennō sei ein Gott in Menschengestalt und das japanische Volk sei eine höherwertige Rasse, vom Schicksal bestimmt die Welt zu beherrschen. 13

Damit widerrief also der Tennō einerseits seine mythologisch begründete Göttlichkeit, nicht aber die grundsätzliche Autorität, die ihm unter dem Staatsshintō zugesprochen wurde. Zweifellos entsprach auch dies dem Kalkül der Amerikaner, die sich entschlossen hatten, Japan mit Hilfe des Tennō zu reformieren.

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7 Amerikanische Propaganda gegen den Staatsshinto
Plakat mit den wichtigsten Reformen zur Abschaffung des Staatsshintō im Sinne der Shintō Direktive (1946) durch die (amerikanische) Führung der Alliierten Kräfte (SCAP). Das Bild kontrastiert einen Shintō Priester, der als Marionette von Militär und Kapital dargestellt wird, mit einer friedlichen Menschenmenge in einem Schrein (Nikkō). Hinter einem zerbombten Haus ist als Symbol der Toleranz gegen fremde Religionen ein Kreuz zu sehen.
Nach 1945. Bildquelle: The Objective Standard, über Internet Archive.

Unter amerikanischer Besatzung wurde in der Folge die Trennung von Staat und Religion in der Verfassung verankert, sämtliche Shintō-Schreine, inklusive des Ise Schreins [Ise Jingū (jap.) 伊勢神宮 kaiserlicher Ahnenschrein (wtl. Götterpalast) von Ise, Präfektur Mie, bestehend aus den Anlagen Gekū und Naikū], wurden als religiöse Körperschaften definiert und jeglicher staatlichen Förderung entzogen. Auch der Religionsunterricht in öffentlichen Schulen wurde untersagt. Religion (und darunter fällt seit 1945 auch der Shintō) gilt seither in Japan als reine Privatsache. In der Forschung setzte sich der amerikanische Missionar und Japanologe Daniel Clarence Holtom [Holtom, Daniel Clarence (west.) 1884–1962; christlicher Missionar, Theologe und Japanologe mit besonderem Schwerpunkt auf Shintō] schon vor dem Krieg kritisch mit dem Staatsshintō auseinander und trug entscheidend zur Etablierung dieses Begriffs bei.14

Dennoch blieb die Ideologie des Staatsshintō in der breiten Bevölkerung Japans unaufgearbeitet. Einzelne Religionshistoriker wie etwa Shimazono Susumu [Shimazono Susumu (jap.) 島薗進 1948–; japanischer Religionshistoriker, lehrte an der Universität Tōkyō] argumentieren sogar, dass der Staatsshintō in der Person des Tennō, der ja nach wie vor auch religiöse Zeremonien vollzieht, bis heute fortbesteht.15 Des weiteren ist nicht zu übersehen, dass sich einzelne symbolträchtige Embleme des Staatsshintō, wie etwa der Meiji Schrein [Meiji Jingū (jap.) 明治神宮 Schrein des Meiji Tennō in Tōkyō, err. 1920] oder der Yasukuni Schrein [Yasukuni Jinja (jap.) 靖国神社 Yasukuni Schrein, Tōkyō; Schrein zum Gedenken an Kriegsgefallene], nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen. Auch wenn kritische Intellektuelle immer wieder Diskussionen über die Abschaffung aller Überbleibsel des Staatsshintō entfachen, bleibt die Grundfrage in der japanischen Öffentlichkeit unentschieden: Muss man den Staatsshintō zur Gänze als Produkt eines überwundenen oder zu überwindenden Ultra-Nationalismus ansehen oder ist er ein Ausdruck japanischer kultureller Identität, der zu einer gewissen Zeit lediglich ideologisch missbraucht wurde?

Diskussionspunkte

Abschließend sind im folgenden einige Schlagworte genannt, die bis heute zu regelmäßigen Auseinandersetzungen rund um den Staatsshintō führen:

  • Yasukuni Jinja [Yasukuni Jinja (jap.) 靖国神社 Yasukuni Schrein, Tōkyō; Schrein zum Gedenken an Kriegsgefallene], Tōkyō. Sicherlich das umstrittenste Reizthema. Der Yasukuni Schrein, wtl. „Schrein des friedlichen Landes“, ist eine Art Heldentempel, in dem die Seelen der für Japan gefallenen Soldaten als kami verehrt werden. Er wurde Anfang der Meiji-Zeit errichtet und vom Staatsshintō besonders gefördert. Nach dem Krieg wurde er in den Status einer gewöhlichen staatsunabhängigen Religionsgemeinschaft versetzt, doch gibt es Bestrebungen, ihn wieder als Ort nationaler Feierlichkeiten zu reaktivieren. Einige populistische Politiker statten dem Yasukuni Schrein daher immer wieder halb-offizielle Besuche ab, die kalkulierte Empörung seitens Chinas und Koreas und Applaus bei national gesinnten Wählerschaften hervorrufen. (Mehr dazu im Essay Yasukuni: Der Schrein des ‚friedlichen Landes‘.)
  • kokutai [kokutai (jap.) 国体 Nationalwesen, wtl. „Landeskörper“], wtl. „Landeskörper“, „Nationalwesen“. Ein Begriff, durch den die nüchterne politische Struktur des Staates eine sakrale Aura erhalten sollte. Der bekannte Politologe Maruyama Masao [Maruyama Masao (jap.) 丸山眞男 1914–1996; jap. Politikwissenschaftler und Historiker] wies darauf hin, dass die kokutai-Ideologie in Japan ihre magische Bannkraft gerade deshalb entfaltete und noch immer besitzt, weil sie den Japanern kaum je bewusst gemacht wurde: „Ein scharfes Bewusstsein davon, welche magische Macht diese mit dem Wort kokutai bezeichnete nichtreligiöse Religion besaß, fehlt der Nachkriegsgeneration bereits, während es der älteren Generation, welche dieser Magie völlig verfallen war [...], von Anbeginn abging.“ (Maruyama 1988, S. 45)
  • shinkoku [shinkoku (jap.) 神国 wtl. „Götterland“] („Götterland“): Ein mit kokutai verwandter Begriff, der die Einzigartigkeit Japans auf die die Tatsache zurückführt, dass es das „Land der kami“ sei. Dieser Begriff hat eine lange Tradition, die sich bis zu den Angriffen der Mongolen (13. Jh.) und darüber hinaus zurück verfolgen lässt (s. Shintō im Mittelalter). Unter dem Staatsshintō hatte der Begriff große Konjunktur, verschwand in der Folge weitgehend aus dem politischen Diskurs, tauchte aber in einer Parlamentsrede von Premierminister Mori Yoshirō [Mori Yoshirō (jap.) 森喜朗 1937–; konservativer japanischer Politiker und Premierminister, 2000–2001] im Jahr 2000 wieder auf und entfachte eine neue Welle von Argumenten gegen bzw. für die Wiedererstarkung nationalistischen Denkens in Japan.
  • kannagara no michi [kannagara no michi (jap.) 随神の道 Alternativer Ausdruck für Shintō] (wtl. „Weg des Gottseins“). Kannagara bedeutet ungefähr „eine Gottheit seiend“ und wird in einigen alten Texten auf den Tennō angewandt. Teilweise taucht der Begriff auch als Lesung der Kanji-Zeichen von shintō [Shintō (jap.) 神道 Shintō; wtl. Weg der Götter, Weg der kami] auf.16 In der Moderne bot der Begriff reichlich Platz für alle möglichen mystifizierenden Interpretationen, was „der Weg des Gottseins“ denn eigentlich zu bedeuten habe.
Heiseitenno.jpg
8 Inthronisierungsfeier des Heisei Tennō
Das daijōsai, eigentlich eine Erntedankfeier anlässlich seiner Inthronisierung, ist die wichtigste Feier nach altem religiösem Muster, die ein Tennō begeht. Daneben vollzieht der Tennō aber noch einige Dutzend weitere shintoistische Riten pro Jahr.
Heisei-Zeit, 1990. Shintō Online Network Association, über Internet Archive.

Schließlich gibt es eine fortdauernde Diskussion über die Kriegsverantwortung des Tennō, sowie seine Rolle im modernen Staat. Im Gegensatz zum Staatsshintō wurde das Kaisertum ja nicht vollkommen abgeschafft, es wurde ihm lediglich jede politische Entscheidungsgewalt entzogen. Im religiösen Bereich, etwa im Zusammenhang mit dem Ise Schrein [Ise Jingū (jap.) 伊勢神宮 kaiserlicher Ahnenschrein (wtl. Götterpalast) von Ise, Präfektur Mie, bestehend aus den Anlagen Gekū und Naikū], hält der Tennō aber bis heute gewisse rituelle Aufgaben inne. Darüber hinaus hat er selbst in der internationalen Politik nach wie vor eine keineswegs unbedeutende repräsentative Funktion als „Symbol des Staates“, die sogar in der Verfassung verankert ist. Daher erregte die Tatsache, dass Kaiser Hirohito (Shōwa Tennō [Shōwa Tennō (jap.) 昭和天皇 1901–1989; 124. Kaiser Japans; (r. 1926–1989); Eigenname: Hirohito.]) ungeachtet seiner Rolle als Staatsoberhaupt vor dem Zweiten Weltkrieg sein Tennō-Amt auch nach dem Krieg bis zu seinem Tod bekleidete, sowohl außerhalb Japans als auch bei einigen japanischen Intellektuellen heftige Kritik.

Verweise

Verwandte Themen

Fußnoten

  1. Schon Meiji's Vater, Kōmei Tennō hatte sich aktiv am Niedergang des Shōgunats beteiligt, indem er ohne Rücksprache weitreichende Befehle erteilte, die wieder zurückgenommen werden mussten. Er starb allerdings aus nicht ganz geklärten Umständen im Jahr 1867, im Alter von 36 Jahren.
  2. Interessanterweise handelt es sich dabei um die Abwandlung eines Schlagwortes, das auf den Heian-zeitlichen Gelehrten Sugawara no Michizane zurückgehen soll: wakon kansai 和魂漢才, „japanischer Geist, chinesische Technik“ (Wachutka 2013, S. 48).
  3. Kleinen 2002.
  4. Hardacre 1991, S. 45.
  5. 1873 wurden zwei Gruppen von Zusätzen erlassen, nämlich elf Punkte eher shintoistisch-theologischer Natur, die u.a. Fragen des Jenseits berührten, und 17 Punkte, die sich der diesseitigen staatlichen Ordnung aus eher konfuzianischer Perspektive widmeten (Zhong 2016, p. 154; für eine wtl. Übersetzung ins Deutsche s. Lokowandt 1978, S. 148).
  6. Zhong 2016, S. 152.
  7. In den Schriften von Religionswissenschaftlern wie Inoue Tetsujirō und Katō Genchi findet sich vereinzelt die Bezeichnung kokkateki shintō („staatlicher Shintō“, erst nach dem Zeiten Weltkrieg bürgerte sich kokka shintō („Staatsshintō“) ein. s. dazu Scheid 2013.
  8. S. vor allem Antoni 1998.
  9. Tatsächlich wurde der Erlass von einer Reihe von Intellektuellen unter Anleitung des Juristen Inoue Kowashi (1843–1895), einem der „Architekten“ der Meiji-Verfassung, formuliert (Doak 2012, S. 95–96).
  10. Dazu äußerte sich etwa der Rechtsexperte Ariga Nagao (1860–1921) folgendermaßen: „When the Constitution was granted in 1889, it was feared by some that the idea of 'the rights of the people' would destroy the idea of loyalty and patriotism, and the famous Rescript of Education was the result, which looked at humanity entirely from the standpoint of intellect, and excluded all element of faith and mystery.“ (Ariga Nagao, 1908, nach Holtom 1922, S. 78.)
  11. Ein berühmter Fall staatsshintōistischer Zensur ist der Fall des Historikers Kume Kunitake (1839–1931). Als er 1891 einen Artikel mit dem Titel „Shintō, ein alter Brauch der Himmelsverehrung“ veröffentlichte, in dem er Shintō als reformbdürftiges Relikt bezeichnete, wurde ihm im folgenden Jahr aufgrund von Protesten aus dem Lager der Shintō-Ideologen seine Professur an der Universität Tōkyō entzogen.
  12. Ü. nach Hardacre 1989: 167
  13. Ü. nach Antoni 1998: 333. Dieser Ansprache war am 15. August 1945 die Kapitulationserklärung des Tennō via Radio vorangegangen. Es war das erste Mal gewesen, dass die Stimme des Tennō in der Öffentlichkeit zu hören war.
  14. Holtom 1922, Holtom 1963.
  15. Shimazono 2010; s.a. Fischer 2001.
  16. Die klassische Textstelle stammt aus dem Nihon shoki (720), welches wiederum ein kaiserliches Edikt aus dem Jahr 647 zitiert. Dieses Edikt enthält die der Sonnengottheit Amaterasu in den Mund gelegten Worte: „Meine Kinder sollen in ihrer Eigenschaft als Götter (kannagara) [die Welt] regieren.“ In einer Glosse bemerkt das Nihon shoki dazu: „Kanngara bedeutet dem Weg der Götter (shintō) zu folgen oder den Weg der Götter in sich zu tragen“ (Aston 1972, II, S. 226).

Internetquellen

Siehe auch Internetquellen


Letzte Überprüfung der Linkadressen: Jul. 2020

Literatur

Siehe auch Literaturliste

Klaus Antoni, Shintō und die Konzeption des japanischen Staatswesens (kokutai). Leiden: Brill, 1998.
William George Aston (Ü.), Nihongi: Chronicles of Japan from the Earliest Times to A.D. 697. Rutland, Vt: Tuttle, 1972. (Online.) [Erste Ausgabe: London 1896.]
Kevin Doak, A History of Nationalism in Modern Japan: Placing the People. Leiden, Boston: Brill, 2012.
Peter Fischer, „Versuche einer Wiederbelebung von Staatsreligion im heutigen Japan unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklungsgeschichte des Staats-Shintō“. In: Peter Schalk (Hg.), Zwischen Säkularismus und Hierokratie. Uppsala: Acta Universitatis Upsaliensis, 2001, 209–247.
Helen Hardacre, Shinto and the State, 1868–1988. Princeton: Princeton University Press, 1991.
Daniel Clarence Holtom, The Political Philosophy of Modern Shintō: A Study of the State Religion of Japan.
Dissertation, University of Chicago, 1922. [Transactions of the Asiatic Society of Japan 49: part 2 (1922).]
Daniel Clarence Holtom, Modern Japan and Shinto Nationalism: A Study of Present-Day Trends in Japanese Religions. New York: Paragon Book Reprint, 1963. [3. erw. Auflage; 1. Auflage 1943.]
Peter Kleinen, „Shinto und Christentum: Streiflichter des Aufeinandertreffens zweier Religionen in der Meiji-Zeit“. In: Beiträge zur Japanforschung. Festgabe für Peter Pantzer zu seinem sechzigsten Geburtstag. Bonn: Bier'sche Verlagsanstalt, 2002.
Ernst Lokowandt, Die rechtliche Entwicklung des Staats-Shintō in der ersten Hälfte der Meiji-Zeit, 1868–1890. Wiesbaden: Harrassowitz, 1978.
Maruyama Masao, Denken in Japan. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1988. [Herausgegeben und aus dem Japanischen von Wolfgang Schamoni und Wolfgang Seifert. Jap. Originalausgabe Nihon no shisō, 1957.]
Bernhard Scheid, „Introduction: Shinto Studies and the Nonreligious-Shrine Doctrine“. In: Bernhard Scheid, Kate Wildman Nakai (Hg.), Kami Ways in Nationalist Territory: Shinto Studies in Prewar Japan and the West. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2013, 1–21.
Shimazono Susumu 島薗進, Kokka shintō to Nihonjin 国家神道と日本人. Tōkyō: Iwanami Shoten, 2010.
Michael Wachutka, Kokugaku in Meiji-period Japan: The Modern Transformation of ‘National Learning’ and the Formation of Scholarly Societies. Leiden, Boston: Global Oriental, 2013.
Yijiang Zhong, The Origin of Modern Shinto in Japan: The Vanquished Gods of Izumo. London: Bloomsbury, 2016. [Bloomsbury Shinto Studies.]

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    Tenno chikanobu1878 gr.jpg
    Meiji Tennō und seine Gemahlin umgeben von ihren kaiserlichen Ahnen:
    Mitte: Die Urgötter Kuni no Tokotachi, Izanami und Izanagi, davor Kaiser Meiji und Kaiserin Shōken;
    Rechts: Die Ahnengötter Amaterasu, Ninigi und Jinmu Tennō sowie die nahen Vorfahren Meijis, Kōmei (Tennō 121, r. 1846–1867) und Go-Sakuramachi (Tennō 117, r. 1762–1771, eigentlich eine Kaiserin!)
    Links: Die mythologischen Ahnengötter Hiko Hohodemi und Hikonagisa Takeugaya Fukiaezu, sowie Go-Momozono (Tennō 118, r. 1771–1779), Kōkaku (Tennō 119, r. 1780–1817) und Ninkō (Tennō 120, r. 1817–1846).
    Werk von Toyohara Chikanobu (1838–1912). Meiji-Zeit, 1878. Artelino.
  2. ^ 
    Meiji tenno2.jpg
    Kaiser Meiji (1852–1912) im 5. Jahr seiner Regierung mit eben erst 20 Jahren.
    Werk von Uchida Kuichi. Meiji-Zeit, 1872. Bildquelle: Flickr, Claude Estébe.
  3. ^ 
    Meijitenno1872.jpg
    Die neuartige Militäruniform und der westlichen Stuhl scheinen für den jungen Kaiser Meiji noch ungewohnt gewesen zu sein.
    Werk von Uchida Kuichi (1844–1875). 1873. Bildquelle: T Flickr, Claude Estèbe.
  4. ^ 
    Meiji kenpo happu.jpg
    Kaiser Meiji (re.) verkündet die Verfassung, 1889. (S.a. Bild:meiji_constitution_1889.jpg.)
    Werk von Hashimoto Chikanobu (1838–1912). Meiji-Zeit, 1889. Museum of Fine Arts, Boston.
  1. ^ 
    Jinmu yoshitoshi.jpg
    Die hier dargestellte Szene ist dem Nihon shoki entnommen. Dort heißt es, dass eine Schlacht gegen Ende von Jinmus Eroberungsfeldzug zugunsten dieses ersten Kaisers entschieden wurde, als sich ein goldener Raubvogel (kinshi, eine Art Milan oder Weihe, jap. tobi) auf Jinmus Bogen niederließ und die Feinde derart blendete, dass sie unfähig waren, Widerstand zu leisten. Diese Episode wurde in der Meiji-Zeit zum Anlass genommen, den höchsten militärischen Orden nach diesem goldenen Milan zu benennen. 1873 wurde außerdem im Gedenken an Jinmu ein Reichsgründungstag (Kigensetsu) als neuer nationaler Feiertag (11. Februar) festgesetzt.

    Tsukioka Yoshitoshis Jinmu zeigt gewisse Ähnlichkeiten mit dem damaligen Kaiser Meiji. Zweifellos versuchte der Künstler im Einklang mit dem Geist seiner Zeit, eine Beziehung zwischen dieser heldenhaften Vorzeit und dem neuen Regime unter Meiji Tennō herzustellen.
    Werk von Tsukioka Yoshitoshi (1839–1892). Meiji-Zeit, Feb. 1880. Wikimedia Commons.

  2. ^ 
    Meiji chiossone.jpg
    Im Gegensatz zu früheren Portraits handelt es sich um keine Photographie, sondern um eine sogenannte Conté-Zeichnung des Meiji Tennō. Edoardo Chiossone war auch für das Design Meiji-zeitlicher Banknoten und anderer offizieller Bildmedien verantwortlich.
    Werk von Edoardo Chiossone. Meiji-Zeit, 1888. Wikimedia Commons.
  3. ^ 
    Scap shinto.jpg
    Plakat mit den wichtigsten Reformen zur Abschaffung des Staatsshintō im Sinne der Shintō Direktive (1946) durch die (amerikanische) Führung der Alliierten Kräfte (SCAP). Das Bild kontrastiert einen Shintō Priester, der als Marionette von Militär und Kapital dargestellt wird, mit einer friedlichen Menschenmenge in einem Schrein (Nikkō). Hinter einem zerbombten Haus ist als Symbol der Toleranz gegen fremde Religionen ein Kreuz zu sehen.
    Nach 1945. Bildquelle: The Objective Standard, über Internet Archive.
  4. ^ 
    Heiseitenno.jpg
    Das daijōsai, eigentlich eine Erntedankfeier anlässlich seiner Inthronisierung, ist die wichtigste Feier nach altem religiösem Muster, die ein Tennō begeht. Daneben vollzieht der Tennō aber noch einige Dutzend weitere shintoistische Riten pro Jahr.
    Heisei-Zeit, 1990. Shintō Online Network Association, über Internet Archive.

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • Amaterasu 天照 ^ Sonnengottheit; Ahnherrin des Tennō-Geschlechts; Hauptgottheit von Ise
  • arahitogami 現人神 ^ (der Tennō als) Gottheit in menschlicher Gestalt
  • Edo 江戸 ^ Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
  • fukko shintō 復古神道 ^ „Restauration des antiken Shintō“; Restaurations-Shintō
  • Holtom, Daniel Clarence (west.) ^ 1884–1962; christlicher Missionar, Theologe und Japanologe mit besonderem Schwerpunkt auf Shintō
  • hōanden 奉安殿 ^ Schreine zur Aufbewahrung des kaiserlichen Portraits (1880er Jahre bis 1945); meist in Schulhöfen
  • Ise 伊勢 ^ vormoderne Provinz Ise (heute Präfektur Mie); Stadt Ise; Kurzbezeichnung für die Schreinanlage von Ise Ise Jingū
  • Ise Jingū 伊勢神宮 ^ kaiserlicher Ahnenschrein (wtl. Götterpalast) von Ise, Präfektur Mie, bestehend aus den Anlagen Gekū und Naikū
  • Iwakura Shisetsudan 岩倉使節団 ^ Iwakura-Mission; diplomatische Delegation unter Führung von Iwakura Tomomi, die im Rahmen einer Weltreise von 1871 bis 1873 Amerika sowie mehrere Länder Europas besuchte
  • Iwakura Tomomi 岩倉具視 ^ 1825–1883; Staatsmann der Meiji-Zeit; Leiter der Iwakura Mission Iwakura Shisetsudan, 1871–1873)
  • Jingi-kan 神祇官 ^ Götteramt, wtl. Amt für Götter des Himmels und der Erde
  • jingūji 神宮寺 ^ an einen Schrein angeschlossener Tempel, Tempel-Schrein Komplex
  • jinja shintō 神社神道 ^ Schreinshintō; im Ggs. zu „Sektenshintō“ (kyōha shintō), ...
  • Jinmu Tennō 神武天皇 ^ wtl. „göttlicher Krieger“; gemäß den japanischen Mythen der erste menschliche Herrscher (Tennō) Japans; eigentlicher Name: Kami Yamato Iware-hiko no Sumera Mikoto 神日本磐余彦天皇 (Nihon shoki)
  • kami^ Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō
  • kannagara no michi 随神の道 ^ Alternativer Ausdruck für Shintō
  • kokka shintō 国家神道 ^ Staatsshintō, staatliche Ideologie der Moderne vor dem 2. WK
  • kokugaku 国学 ^ „Lehre des Landes“, Nationale Schule, Nativismus; in der Edo-Zeit entstandene Gelehrtentradition, die ihren Fokus auf das nationale Erbe Japans richtete
  • kokumin dōtoku 国民道徳 ^ „Nationale Moral“, „Volksmoral“; Schlagwort der nationalistischen Propaganda der Zwischenkriegszeit
  • kokumin seishin 国民精神 ^ „Nationaler Geist“, „Volksgeist“; Schlagwort der nationalistischen Propaganda der Zwischenkriegszeit
  • kokutai 国体 ^ Nationalwesen, wtl. „Landeskörper“
  • Kokutai no hongi 国体の本義 ^ Ein Lehrbuch, welches 1937 vom japanischen Bildungsministerium veröffentlicht wurde; wtl. „Grundsätzliche Prinzipien des Japanischen kokutai
  • kurobune 黒舟 ^ „Schwarze Schiffe“; volkstümliche Bezeichnung für die amerikanischen Kanonenboote, die 1853 die Öffnung Japans erzwangen
  • Kyōbu-shō 教部省 ^ Ministerium für religiöse Angelegenheiten, 1872–1877
  • kyōdōshoku 教導職 ^ „nationale Evangelisten“; Missionare oder Instruktoren der Verbreitung der Großen Lehre
  • Kyōiku chokugo 教育勅語 ^ Kaiserlicher Erziehungserlass; erlassen am 30. Oktober 1890 durch Meiji Tennō
  • Maruyama Masao 丸山眞男 ^ 1914–1996; jap. Politikwissenschaftler und Historiker
  • Meiji Ishin 明治維新 ^ Meiji Restauration, wtl. Meiji-Erneuerung, umfasst den politischen Umsturz 1867–68 und die nachfolgende Konsolidierung Japans als moderner Nationalstaat
  • Meiji Jingū 明治神宮 ^ Schrein des Meiji Tennō in Tōkyō, err. 1920
  • Meiji Tennō 明治天皇 ^ 1852–1912; 122. japanischer Kaiser (r. 1867–1912); Namensgeber und politische Symbolfigur der Meiji-Zeit; Eigenname: Mutsuhito
  • Mito-gaku 水戸学 ^ Mito-Schule; konfuzianisch und Tennō-loyalistisch ausgerichtete Gelehrtentradition der Edo-Zeit mit Zentrum in Mito (heute Teil von Ibaraki-ken, nw. von Tōkyō)
  • Mori Yoshirō 森喜朗 ^ 1937–; konservativer japanischer Politiker und Premierminister, 2000–2001
  • Ningen sengen 人間宣言 ^ wtl. Proklamation des Menschseins; Bezeichnung für die erste Rundfunkrede des Shōwa Tennō nach dem 2. Weltkrieg, am 1. 1. 1946, in der dieser bekräftigte, kein Gott, sondern ein normaler Mensch zu sein.
  • Perry, Matthew (west.) ^ 1794–1858; amerikanischer Admiral (Commodore), der 1853–1854 die Öffnung der japanischen Häfen für amerikanische Schiffe erwirkte
  • saisei itchi 祭政一致 ^ Einheit von Ritus und Verwaltung bzw. von Religion und Staat
  • sanjō no kyōsoku 三条の教則 ^ die drei elementaren Prinzipien oder Lehrsätze der „Großen Lehre“ (taikyō), also der Staatsideologie der frühen Meiji-Zeit, die 1872 erlassen wurden; auch sanjō no kyōken
  • Shimazono Susumu 島薗進 ^ 1948–; japanischer Religionshistoriker, lehrte an der Universität Tōkyō
  • shinbutsu bunri 神仏分離 ^ Trennung von kami und Buddhas; religionspolitische Maßnahme zur Entflechtung von buddh. Tempeln und Shintō-Schreinen; vereinzelt in der Edo-Zeit, vor allem aber für die frühe Meiji-Zeit (1868–1873) charakteristisch
  • shinkoku 神国 ^ wtl. „Götterland“
  • Shintō 神道 ^ Shintō; wtl. Weg der Götter, Weg der kami
  • Shōgun 将軍 ^ Shōgun; Titel der Militärherrscher aus dem Kriegeradel (bushi, Samurai)
  • Shōwa 昭和 ^ Regierungszeit des Tennō Hirohito (1926–1989)
  • Shōwa Tennō 昭和天皇 ^ 1901–1989; 124. Kaiser Japans; (r. 1926–1989); Eigenname: Hirohito.
  • shūha shintō 宗派神道 ^ Sektenshintō, s.a. kyōha shintō
  • sonnō jōi 尊王攘夷 ^ „Ehrt den Kaiser, verjagt die Barbaren“; anti-westlicher Slogan des 19. Jh.s (Zitat aus den Frühling- und Herbstannalen des Konfuzius)
  • taikyō 大教 ^ wtl. große Lehre; Staatsideologie der frühen Meiji-Zeit
  • taikyō senpu undō 大教宣布運動 ^ Kampagne des Großen Lernens oder auch Große Indoktrinierungs-Kampagne, 1870–1884; staatl. Initiative der frühen Meiji-Zeit zur Verbreitung der Ideale des Tennō-Loyalismus
  • Tennō 天皇 ^ jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels
  • Tokugawa 徳川 ^ Kriegerdynastie, die während der Edo- oder Tokugawa-Zeit (1603–1867) das Amt des Militärmachthabers (Shōgun) inne hatte.
  • wakon yōsai 和魂洋才 ^ „Japanischer Geist, westliche Technik“; politischer Slogan der bakumatsu- und Meiji-Zeit
  • yamabushi 山伏 ^ Bergasket, wtl. der in den Bergen schläft; Praktikant des Shugendō
  • Yasukuni Jinja 靖国神社 ^ Yasukuni Schrein, Tōkyō; Schrein zum Gedenken an Kriegsgefallene