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− | {{Styles}} | + | {{titel |
− | {{titel | Jenseitsvorstellungen}}
| + | | Jenseitsvorstellungen |
| + | }} |
| + | Was die gegenwärtige japanische Gesellschaft betrifft, ist es kaum möglich, verbindliche, von der gesamten Bevölkerung geteilte Auffassungen über das Jenseits in Kürze zusammenzufassen: Neben buddhistischen und volksreligiösen Vorstellungen mischen sich sowohl christliche Ideen als auch ''science fiction''-Motive in die Jenseitsbilder der modernen Japaner. So wie die Religion als Ganzes haben sich auch die Bilder des Jenseits privatisiert: Jeder hat seine eigene Vorstellung vom Leben nach dem Tod. |
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− | {{fl|W}}as die gegenwärtige japanische Ge·sell·schaft betrifft, ist es kaum möglich, ver·bindliche, von der gesamten Be·völkerung geteilte Auf·fassungen über das Jenseits in Kürze zusammenzufassen: Neben buddhistischen und volks·reli·giösen Vor·stellungen mischen sich sowohl christliche Ideen als auch science fiction Motive in die Jenseits·bilder der modernen Japaner. So wie die Religion als Ganzes haben sich auch die Bilder des Jenseits privatisiert: Jeder hat seine eigene Vorstellung vom Jenseits. | + | {{w500 | rh= auto |t=-160 |b= -20 |
| + | | zehn welten.jpg |
| + | | Schematische Darstellung der verschiedenen Bereiche von Jenseits und Diesseits |
| + | | ref= 1 |
| + | }} |
| + | Es gibt jedoch alteingesessene traditionelle Vorstellungen, die noch heute wirksam sind. Sie stellen ein unerschöpfliches Reservoir für die sogenannten [[Geschichte/Neue Religionen|Neuen Religionen]] dar und erhalten darüber hinaus in der Welt der Manga und Anime immer wieder neue Aktualität. |
| + | Diese traditionellen Jenseitsbilder sind überwiegend vom Buddhismus geprägt. Das hängt u.a. mit dem bereits erwähnten „arbeitsteiligen“ Verhältnis von {{g|bukkyou|Buddhismus }} und {{g|Shintou}} zusammen, nach dem die Götter des Shintō vorrangig für den Bereich des Diesseits und das unmittelbare Wohlergehen, die buddhistischen Heilsgestalten dagegen eher für den Tod und das Jenseits zuständig sind (s. Kap. Grundbegriffe, {{showTitel|Grundbegriffe/Shinto}}). |
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− | {{w500 | + | == Topographie des Jenseits == |
− | |jigokusoshi_emaki1.jpg | + | |
− | |Totenseelen auf der Reise ins Jenseits (späte Edo-Zeit) | + | In der Theorie gibt es im Buddhismus nur ein absolutes Jenseits — das {{s|Nirvana}}, das in der vollständigen Auslöschung alles Diesseitigen besteht. Alles andere, auch die Wege der Totenseelen von einer Wiedergeburt zur nächsten, gehört zum Diesseits ({{s|Samsara}} = Kreislauf der Wiedergeburten) und führt letztlich zu neuen, leidvollen Existenzen (s. Grundbegriffe, [[Grundbegriffe/Buddhismus | Buddhismus]]). Dieses dualistische Modell des Universums ist allerdings durch vielfältige Entwicklungsstufen angereichert worden, die zum Nirvana hinführen, aber dabei den Gegensatz zwischen Samsara und Nirvana bis zu einem gewissen Grade nivellieren. Zu den bekanntesten dieser Entwicklungsmodelle zählen die Zehn Welten und die Sechs Wege. |
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| + | === Die Zehn Welten === |
| + | {{floatright | sidebox=1 | t=-100 |lr=-50 |
| + | | kumano_sankei_mandara.jpg |
| + | |''Jukkai mandara'' |
| + | |sidepage= Jukkai mandara |
| + | }} |
| + | Die Zehn Welten ({{g|jukkai}}) repräsentieren die Hierarchie aller fühlenden Wesen auf dem Weg zur vollkommenen Buddhaschaft. |
| + | Die implizite Rangordnung in ihrer Aufzählung korrespondiert mit der Zunahme des Leidensdrucks innerhalb der jeweiligen Welten. |
| + | Die Zehn Welten teilen sich in vier Buddha-Welten, die dem Nirvana zugerechnet werden — die Buddhas und Bodhisattvas des „Großen Fahrzeugs“ ({{s|mahayana}}) sowie die Pratyeka-Buddhas und Buddha-Schüler als Repräsentanten des in China und Japan marginalisierten „Kleinen Fahrzeugs“ ({{s|hinayana}}) — und sechs Bereiche der Wiedergeburt, die zusammen das Samsara bzw. die Welt der Begierden ({{s|Kamadhatu}}) bilden. In der Abbildung am Anfang dieser Seite (die der Dogmatik des {{g|Tendaishuu|Tendai}} Buddhismus folgt) werden die Zehn Welten folgendermaßen eingeteilt: |
| + | {{shortlist| |
| + | # Buddhas |
| + | # Bodhisattvas |
| + | # {{s|pratyekabuddha|Pratyeka-Buddhas}} |
| + | # Buddha-Schüler (jap. ''shōmon'', skt. {{s|shravaka}}) |
| + | # Götter (jap. ''tenkai'' oder {{g|tenbu}}, skt. {{s|Deva}}) |
| + | # Menschen |
| + | # Kriegergeister (jap. {{g|ashura}}) |
| + | # Tiere (jap. {{g|chikushou}}) |
| + | # Hungergeister (jap. {{g|gaki}}) |
| + | # Hölle (jap. {{g|jigoku}}) |
| }} | | }} |
− | Es gibt jedoch alteingesessene traditionelle Vorstellungen, die noch heute wirksam sind. Sie stellen ein un·er·schöpf·liches Reservoir für die soge·nannten [[Geschichte:Neue Religionen|Neuen Religionen]] dar und erhalten darüber hinaus in der Welt der Manga und Anime immer wieder neue Aktualität.
| + | Eine detaillierte Ausschmückung dieses Weltenschemas wird auf der Themenseite {{showTitel|{{FULLPAGENAME}}/Jukkai mandara}} vorgestellt. |
− | Diese traditionellen Jenseitsbilder sind überwiegend vom Bud·dhis·mus geprägt. Das hängt u.a. mit dem bereits er·wähnten „arbeits·teiligen“ Ver·hältnis von Buddhismus und Shinto zu·sam·men, nach dem die Götter des Shinto vor·rangig für den Bereich des Dies·seits und das unmit·telbare Wohler·gehen, die buddhis·tischen Heils·gestal·ten dagegen eher für den Tod und das Jen·seits zuständig sind (s. Grundbegriffe, [[Grundbegriffe:Shinto | Shinto]]).
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− | ==Die Sechs Bereiche der Wiedergeburt== | + | === Buddha-Welten und Reine Länder === |
| + | {{floatright | sidebox=1 |t=-50 |
| + | |amida_yamagoe_13jh.jpg |
| + | |Amidas Reines Land |
| + | |sidepage = Paradiese |
| + | }} |
| + | Eine Vorstellung, die nicht ganz in das obige Schema passen will (und auch nicht von allen buddhistischen Richtungen geteilt wird), besagt, dass einige Buddhas eigene Welten oder Reine Länder ({{g|joudo}}) besitzen, in die diejenigen, die fest an den jeweiligen Buddha glauben, hinübergeboren werden, selbst wenn ihr karmischer Schuldenstand noch nicht getilgt ist. Diese Idee hat in Japan zum Aufkommen des sogenannten [[Geschichte/Amidismus|Amidismus]] geführt, in dem das Reine Land des {{g|Amida}} Buddha als paradiesische Versprechung im Zentrum steht. Wiedergeburt im Reinen Land ist im Amidismus das wichtigsten Etappen-Ziel, denn von dort führt kein Weg zurück ins Samsara, das genaue Verhältnis zum Nirvana bleibt dabei diffus. Das im Westen gelegene Reine Land Amidas ist zwar die populärste Paradiesvorstellung innerhalb des japanischen Buddhismus, in der Theorie gibt es solche spirituellen Zufluchtsorte aber in allen Himmelsrichtungen. (Mehr dazu auf der Themenseite {{showTitel|{{FULLPAGENAME}}/Paradiese}}.) |
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− | Philosophisch gesehen gibt es im Buddhismus nur ein ab·solutes Jenseits — das {{skt:Nirvana}}, das in der voll·ständigen Aus·löschung alles Dies·seitigen besteht. Alles andere, auch die Wege der Toten·seelen von einer Wiedergeburt zur nächsten, gehört zum Dies·seits ({{skt:Samsara}} = Kreislauf der Wiedergeburten) und führt letzt·lich zu neuen, leid·vollen Existenzen (s. Grundbegriffe, [[Grundbegriffe:Buddhismus | Buddhismus]]). In der Praxis kennt jedoch auch der Bud·dhis·mus ein sichtbares, unmittelbar erfahrbares Diesseits und ein unsichtbares Jenseits, in dem sich Geister und Totenseelen aufhalten. Es gibt darüber hinaus ein Paradies ({{glossar:gokuraku}}), das die Vorstufe zum Nirvana darstellt, und es gibt eine Hölle ({{glossar:jigoku}}).
| + | == Die Sechs Wege == |
| + | {{w500 |rh= auto |t= -30 |
| + | | jigokusoshi_emaki1.jpg |
| + | | Totenseelen auf der Reise ins Jenseits (späte Edo-Zeit) |
| + | | hell= hell |
| + | | ref=1 |
| + | }} |
| + | Über die Existenz und die Unterschiede der oben erwähnten Buddha-Welten herrschen innerhalb der der verschieden Schulrichtungen des Buddhismus unterschiedliche Ansichten, die Bereiche der Wiedergeburt sind hingegen fix kanonisiert. Man spricht auch von den Sechs Wegen ({{g|rokudou}}). Hier gilt das Gesetz des {{s|Karma}}. Es regelt den Auf- und Abstieg innerhalb der Wiedergeburten, je nachdem, wieviel gutes oder schlechtes Karma man in vergangenen Leben angehäuft hat. Diese Existenzformen sind, wie oben bereits angeführt: |
| + | {{shortlist| |
| + | # Götter |
| + | # Menschen |
| + | # Kriegergeister |
| + | # Tiere |
| + | # Hungergeister |
| + | # Hölle |
| + | }} |
| + | Die einzelnen Existenzformen stammen aus dem indischen Buddhismus und reflektieren dort gängige religiöse Vorstellungen. Sie wurden in Ostasien zwar vollinhaltlich übernommen, haben sich in der religiösen Praxis aber in unterschiedlichem Maße eingeheimatet. In der Folge werden die einzelnen Bereiche kurz erläutert. |
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− | Das Gesetz des {{skt:Karma}} regelt genau genommen nur jenen Bereich des Samsara, den man die Welt der Begierden (skt. Kamadhatu) nennt. Dieser Bereich unterteilt sich weiter in die so·ge·nannten Sechs Wege ({{glossar:rokudou}}). Das sind sechs Existenz·formen, in die man hin·ein·geboren werden kann, je nachdem, ob man in ver·gangenen Leben gutes oder schlechtes Karma angehäuft hat. Diese Existenzformen sind:
| + | === Götter === |
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− | :# Götter (Devas), die im Buddhismus sterblich sind
| + | Mit dem karmischen Weg der Götter sind in erster Linie die indischen {{s|deva}}-Gottheiten gemeint, die auf vorbuddhistische Vorstellungen zurückgehen. Die prominentesten sind {{s|Brahma}} und {{s|Indra}} (jap. {{g|bonten}} und {{g|taishakuten}}), welche auf dem Weltenberg {{s|sumeru}} thronen. Dennoch erfahren auch sie Leid und sind (nach sehr langer Zeit) zum Tod verurteilt. |
− | :# Kriegergeister (jap. {{glossar:ashura|(a)shura}} von skt. ''asura'')
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− | :# Menschen
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− | :# Tiere
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− | :# Hungergeister (jap. {{glossar:gaki}}, skt. ''preta'')
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− | :# Hölle, die sich wiederum in acht Einzelhöllen unterteilt
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− | {{Sidebox| sidepage=Ashura|ashura2.jpg|w=140|caption=Ashura}} | + | Doch wie so oft existieren auch im Fall der Götter widersprüchliche Auslegungen. Indische ''devas'' werden nämlich auch als Manifestationen von Bodhisattvas angesehen und sind damit natürlich nicht mehr sterblich bzw. dem Karma-Gesetz unterworfen. Über diese Aspekte indischer Götter gibt die Seite {{showTitel|Ikonographie/Waechtergoetter}} (Kapitel Ikonographie) genauer Auskunft. Auch japanische {{g|kami}} wurden häufig als Manifestationen von Buddhas und Bodhisattvas angesehen (s. {{showTitel|Geschichte/honji suijaku}}) und existieren somit außerhalb der sechs Existenzformen. Insofern ist der Bereich „Götter“ als Teil der Sechs Wege in Japan etwas diffus und offen für verschiedenartige Interpretationen. |
− | Wie anhand der Sanskrittermini zu erkennen, stammen die Bereiche der Wiedergeburt aus dem indischen Buddhismus und reflektieren dort gängige religiöse Vor·stel·lungen. Diese haben sich in China und Japan unterschiedlich stark ein·ge·heimatet. Von den Krieger·geistern ist relativ wenig zu hören und zu sehen. Auch die Möglich·keit, als Gott wieder·geboren zu werden, existiert in erster Linie in der Theorie.
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− | Die Menschen erleben das Leid, das im Grunde alle sechs Existenzformen prägt, zwar intensiver als Götter und Kriegergeister, doch ist das Potential, aus dem Geburtenkreislauf auszutreten, in der Welt der Menschen höher. Insofern ist die Hierarchie zwischen den oberen drei Bereichen der Wiedergeburt auch nicht eindeutig zu bestimmen.
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− | Tiere, Hungergeister und Höllenwesen sind hingegen als direkte Konsequenz der karmischen Bestrafung anzusehen und zwar in zunehmend negativer Form. Obwohl Hungergeister und Höllenwesen den Menschen nicht sichtbar sind, machte man sich in China und Japan sehr konkrete Vorstellungen von ihnen und widmete ihnen sowohl rituell als auch ikonographisch große Aufmerksamkeit. Ähnlich wie in den christlichen Höllendarstellungen galt dabei den Schrecken der Hölle das Hauptaugenmerk.
| + | === Menschen === |
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− | === Die Zehn Welten ===
| + | Als Mensch wiedergeboren zu werden ist insofern ein besonderes Privileg, als der Eintritt ins Nirvana von diesem „Weg“ aus leichter ist als von den fünf anderen Existenzformen. Wer allerdings gegen die Gebote des Buddhismus handelt, kann umso leichter auf einen der vier darunter liegenden Wege abrutschen. |
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− | Über den Sechs Wegen gibt es noch Vier Stufen der Buddha·schaft, sodass man das bud·dhis·tische Universum auch in Zehn Welten (jap. {{glossar:jikkai}}) unterteilt findet. Das folgende Bild, das dieses Universum zur Gänze repräsentiert, nennt sich daher auch Mandala der Zehn Welten (''Jikkai mandara'').
| + | === Kriegergeister === |
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− | {{w500|rh=600 | + | {{floatright | sidebox=1 |
− | |kumano_sankei_mandara.jpg | + | | Ashura.jpg |
− | |Die Zehn Welten (''Kumano kanshin jikkai mandara'') <br /> Hängerollbild, Edo-Zeit, 17. Jh. | + | | ''Ashura'' |
| + | | sidepage=Ashura |
| + | | rh= auto |
| }} | | }} |
− | Auf diesem Bild sind die positiveren Bereiche der Wiedergeburt, einschließlich {{glossar:Amida}}s Paradies, in der oberen Bildhälfte zu sehen, während die nega·ti·ven Be·reiche im unteren Teil zu finden sind. Die Welt der Menschen ist durch eine Lebenstreppe versinnbildlicht, die von der Geburt bis zum Tod reicht. In der Mitte des Bildes ist ein Totenritual dargestellt. Das Bild verdeutlicht somit den Einfluss, den buddhistische Rituale auf das Schicksal der Verstorbenen im Jenseits haben können. In der unteren Bildhälfte mischen sich die Welt der Krie·ger·geis·ter ({{glossar:ashura}}), der Gerichtshof Enmas (s.u.), die Welt der Tiere und der Hungergeister. Die Be·reiche der Hölle ({{glossar:jigoku}}) nehmen einen besonders prominenten Platz ein. Als kleinen Hoffnungsschimmer erkennt man unter allen grauenvollen Monstern aber auch den Bodhisattva {{glossar:jizou}} in der Vor·hölle der Kinder ({{glossar:sainokawara}}), denn zu Kin·dern hat dieser Bodhisattva ein be·son·deres Nahe·ver·hält·nis (s. [[Ikonographie:Jizo| Jizō]] im Kapitel „Ikono·graphie“). Links unten kann man ihn ein zweites mal erkennen, wie er zwei Verstorbene aus der Hölle hinaus geleitet.
| + | Von den Kriegergeistern (skt. {{s|asura}}, jap. {{g|ashura}}) ist in Japan relativ wenig zu hören und zu sehen. Auch hierbei handelt es sich um eine spezifisch indische Vorstellung, die sich in Japan nie nachhaltig etablieren konnte. Einige ikonographische Zeugnisse dieser ''ashura'' werden jedoch auf der Themenseite {{showTitel|{{FULLPAGENAME}}/Ashura}} kurz vorgestellt. |
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− | Ein interessantes Detail am Rande: Die einzelnen Welten in der obigen Ab·bil·dung sind mit {{glossar:torii}} mar·kiert, wie sie heute nur vor Shinto Schrei·nen zu finden sind. Die Torii markieren hier die Übergänge zwischen den Sechs Wegen.
| + | === Tiere === |
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− | ==Die buddhistische Totenwelt==
| + | Die Möglichkeit, als Tier wiedergeboren zu werden, stieß in Japan sehr rasch auf Verständnis. Schon im 9. Jh. entstand mit dem {{g|nihonryouiki}} ein didaktisches Werk, das in anekdotischer Form spezifische Vergehen mit spezifischen Existenzen als Tier verknüpfte. Wer z.B. das Eigentum von buddhistischen Tempeln stiehlt oder veruntreut, muss den Schaden im nächsten Leben als Rind wieder gutmachen. Auch gibt es einen karmischen Konnex zwischen Eifersucht und einer Wiedergeburt als Schlange (s. {{showTitel|Essays/Horrorklassiker}}). Obwohl die Existenz als Tier grundsätzlich als karmische „Strafe“ angesehen wird, gibt es auch andere, positive religiöse Konnotationen von Tieren, die auf anderen Seiten in diesem Kapitel genauer besprochen werden. Aus der Tatsache, dass Menschen als Tiere wiedergeboren werden können, leitet sich auch das buddhistische Tötungsverbot von Tieren ab (das in Japan allerdings nie konsequent eingehalten wurde). |
− | {{Float|left|style=margin-left:-2em|bild=enma_schreiber.gif}} | |
− | Im Augenblick des Todes gibt es nach gängigen buddhistischen Vor·stel·lungen zunächst zwei Möglich·keiten: Die erste besteht darin, direkt ins Nirvana oder in eine seiner Vorstufen, etwa das sogenannte Reine Land ein·zu·gehen und damit aus dem Zyklus der Wiedergeburten aus·zu·treten. Dieser Fall ist zwar eher un·wahr·schein·lich, die meisten Richtungen des japanischen Buddhismus erachten ihn aber prinzipiell für jeden, Mönch oder Laien, als möglich. (S. dazu [[Mythen:Paradiese | Paradiese]].)
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− | Die Mehrheit der Verstorbenen wird jedoch „wiedergeboren“, d.h. sie muss sich erneut den Leiden der irdischen Existenz aus·setzen. Zu·nächst muss aber geprüft werden in welchen Bereich der Wiedergeburt der Ver·storbene nun kommen soll. Dies wird von einem eigenen Gerichts·hof entschieden, der sich in einer Art Zwischenwelt innerhalb der Sechs Wege der Wiedergeburt befindet. Oberster Richter bzw. König dieser Unterwelt ist {{glossar:enma}} (skt. {{skt:Yama}}).
| + | === Hungergeister === |
| | | |
− | === Enma, Richter der Unterwelt === | + | {{floatright | sidebox=1 |
− | <!--{{Sidebox| w=140|top=-30
| + | | Gakizoshi_notdurft_a_tnm.jpg |
− | | enma_o.jpg | + | | Hungergeister |
− | | König Enma | + | | sidepage=Hungergeister |
| + | | l= -350 | r= -250 |
| + | | top=-300 |
| + | |rh= auto |
| + | | hell= hell |
| }} | | }} |
− | -->{{Sidebox| w= 280| left= -70| top= -40 | + | Unterhalb der Tiere gibt es die leidvolle Existenz als Hungergeist, die sich im japanischen Altertum und Mittelalter ebenfalls nachhaltig etablierte. Diese Form der Wiedergeburt resultiert aus übermäßiger Gier, also einer sehr allgemeinen menschlichen Eigenschaft. Da die Chance, zu einem Hungergeist zu werden, als sehr groß erachtet wurde, kam es in China und Japan zu einer Verbindung von Ahnenkult und Besänftigung der Hungergeister, deren Reste heute noch in Form des {{g|Bon}}-Festes fortdauern. Mehr dazu auf der Themenseite {{showTitel|{{FULLPAGENAME}}/Hungergeister}}. |
− | | sidepage= Enma | + | |
| + | === Höllen === |
| + | |
| + | {{floatright | sidebox=1 |
| + | |sidepage=Hoellen |
| + | |Jigokusoshi_chinoike.jpg |
| + | |lr= -50 |
| + | |Höllenbilder |
| + | }} |
| + | Die Hölle ({{g|jigoku}}, wtl. „Erdkerker“) mit ihren zahllosen, nach spezifischen Foltern unterteilten Abteilungen, stellt die schlimmste karmische Strafe dar. Die religiösen Phantasien von Buddhisten, Christen und anderen Religionen sind in diesem Punkt überraschend ähnlich, das einzige Spezifikum der buddhistischen Hölle besteht darin, dass auch sie nur ein Übergangsstadium im Kreislauf der Wiedergeburt darstellt. Doch die Länge einer Existenz in der Hölle umfasst mehrere Erdzeitalter und gleicht daher nach menschlichen Maßstäben einer Ewigkeit. Mehr dazu auf der Themenseite {{showTitel|{{FULLPAGENAME}}/Hoellen}}. |
| + | |
| + | == Der Gerichtshof der Toten == |
| + | Alle Verstorbenen, die nicht ins Nirvana bzw. in ein Reines Land eingehen, werden in einem der Sechs Wege „wiedergeboren“. Nach dem Tod muss daher zunächst geprüft werden, welche dieser Existenzformen dem Karma des Verstorbenen entspricht. Dies wird von einem eigenen Gerichtshof entschieden, der sich in einer Art Zwischenwelt innerhalb der Sechs Wege der Wiedergeburt befindet. |
| + | {{w500 |max=1 | rh= auto |t= -30 |lr=-10| b=-10 |
| + | |rokudo_kuniyoshi.jpg |
| + | |Totengericht des Enma von Utagawa Kuniyoshi, späte Edo-Zeit |
| + | |ref=1 |
| + | }} |
| + | === Enma und die Zehn Könige der Totenwelt === |
| + | {{floatright | sidebox=1 |
| + | | sidepage= Totengericht |
| | enmaten_tnm.jpg | | | enmaten_tnm.jpg |
| | Enma, Richter und Wächter | | | Enma, Richter und Wächter |
| + | | rh= auto |
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| + | | top= -20 |
| }} | | }} |
− | {{glossar:enma}}, der zumeist von diversen furcht·ein·flößenden Schergen assistiert wird, repräsentiert, wenn man so will, den Gesetzes- und Polizei·apparat im buddhistischen Universum. Er besitzt einen Spiegel, der ihm über die Taten des „Angeklagten“ Aus·kunft gibt, oder er befragt zwei Geister, die jeden Sterblichen auf seinem Lebens·weg begleiten und Protokolle seiner guten und schlechten Taten an·legen. Enma ist nicht böse, aber er ist streng. Versucht man, ihn mit den buddhistischen Grund-Dogmen zu erklären, so könnte man in ihm die un·er·bittliche Konsequenz des {{skt:Karma}} erblicken. | + | König bzw. Oberster Richter des Totengerichts ist {{g|enma}} (skt. {{s|Yama}}), eine furchteinflößende Erscheinung. Enma ist zwar nicht böse, aber äußerst streng. Versucht man, ihn mit den buddhistischen Grund-Dogmen zu erklären, so könnte man in ihm die unerbittliche Konsequenz des {{s|Karma}} erblicken. Zugleich wird er aber auch als Manifestation von Bodhisattva {{g|jizou}} angesehen, welcher seinerseits angebetet wird, wenn es um Dinge wie Seelenheil und gute Wiedergeburt geht (s. {{showTitel|Ikonographie/Jizo}}). Jizō ist also der eigentliche Chef der Totenwelt und nimmt dort üblicherweise die Gestalt eines strengen Richters an, kann aber auch in seiner milden Bodhisattva-Erscheinung eingreifen, um beispielsweise arme Sünder aus der Hölle zu erretten. |
− | {{w500 | |
− | | enma gericht1.jpg | |
− | | Gerichtshof des Enma | |
− | }} | |
− | Enmas Ikonographie stammt aus China, obwohl die Figur selbst indische Wurzeln hat. In Japan lässt sich über die Jahrhunderte eine gewisse Tendenz erkennen, Enma immer stärker zu dämonisieren. Sein strafender Aspekt wird dadurch ver·stärkt, dass er die Gesichtszüge indischer [[Ikonographie:Wächtergötter | Wächtergötter]] bekommt, doch richtet sich sein Zorn nicht gegen äußere Feinde des Buddhismus, sondern gegen gewöhnliche Sterbliche, die vom Pfad buddhistischer Tugenden abgewichen sind.
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− | === Die Zehn Könige ===
| + | Enmas Gerichtshof wurde mit der Zeit immer vielfältiger ausgestaltet. In China entstand die Vorstellung von Zehn Königen bzw. Richtern, unter denen Enma lediglich so etwas wie ein ''primus inter pares'' ist. Die Gerichthöfe korrespondieren mit den Gedenkfeiern, welche die Hinterbliebenen für die Toten abhalten und bei denen Opfer für Enma und die anderen Könige dazu beitragen sollen, das Karma der Verstorbenen zu verbessern. (Mehr dazu auf der Themenseite {{showTitel|{{FULLPAGENAME}}/Totengericht}}.) |
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− | {{floatleft| rahmen_h= 280
| + | === Datsueba === |
− | | 10kings_dunhuang.jpg
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− | | Totengericht (China)
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− | }}
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− | Einer etwas anderen Vorstellung zufolge ist Enma lediglich einer von Zehn Königen bzw. Richtern, die jeweils über einen eigenen Gerichtshof des Totenreichs herrschen und vor denen die Verstorbenen der Reihe nach Rede und Antwort stehen müssen.
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− | Die Einzelheiten der Zehn Richterkönige sind in China entwickelt worden, und auch auf japanischen Ab·bildungen tragen die Richter meist ein chinesisches Gewand und eine cha·rak·teris·tische Kappe mit zwei seitwärts abstehenden „Ohren“, die sie als Angehörige des chinesischen Beamtenapparates charakterisiert.
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− | Die Abbildung links zeigt ein Detail aus dem chinesi·schen „{{skt:Sutra}} der Zehn Könige“, in dem der Ge·richts·hof im bud·dhis·tischen Jen·seits in vielen Ein·zel·hei·ten gemäß der Tang-zeit·lichen chine·si·schen Rechts·praxis dar·ge·stellt wird. Das Bild ent·stammt einer Schrift·rolle aus dem zehnten Jahr·hundert, die in den Höh·len·tem·peln von {{glossar:Dunhuang}} ge·funden wurde.
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− | === Datsueba ===
| + | {{floatleft |
− | {{sidebox| w= 140| rahmen_h= 180 | |
| | datsueba_gofukuji.jpg | | | datsueba_gofukuji.jpg |
− | | Datsueba | + | | Datsueba |
| + | | rh= 320 |
| + | | ref=1 |
| }} | | }} |
− | Eine weitere Gestalt, die über das Schicksal der Totenseele ent·scheidet, ist die {{glossar:datsueba}}, die „Alte, die den Toten das Gewand aus·zieht“. Sie sitzt am Ufer der „Drei Furten“ (Sanzu), die auf dem Weg zur Totenwelt über·schritten werden müssen. Wenn die Toten diese Furten durch·schritten haben, zieht sie ihnen ihre nassen Kleider aus und hängt sie neben sich an einen Baum, der als eine Art Waage fungiert. Je tiefer die Äste durch das Gewand der Toten herab·gebogen werden, umso schwerer die Sünden und umso schreck·licher die Foltern, die den Verstorbenen erwarten. | + | Eine weitere Gestalt, die über das Schicksal der Totenseele entscheidet, ist die {{g|datsueba}}, die „Alte, die den Toten das Gewand auszieht“. Sie sitzt am Ufer des Flusses der Drei Furten ({{g|Sanzunokawa}}), der auf dem Weg zum Totengericht überquert werden muss. Wenn die Toten durch den Fluss gewatet sind, zieht sie ihnen ihre nassen Kleider aus und hängt sie neben sich an einen Baum, der als eine Art Waage fungiert. Je tiefer die Äste durch das Gewand der Toten herabgebogen werden, umso schwerer die Sünden und umso schrecklicher die Foltern, die den Verstorbenen erwarten. |
| | | |
− | Die Vorstellung der Datsueba dürfte in Japan entstanden sein. Sie findet sich jeden·falls nicht in chinesischen Unter·welt·dar·stel·lungen, während sie in Japan ab der Kamakura-Zeit ein gängiges Motiv des Jenseits·glaubens darstellt. | + | Die Vorstellung der Datsueba dürfte in Japan entstanden sein. Sie findet sich jedenfalls nicht in chinesischen Unterweltdarstellungen. In Japan stellt die Datsueba hingegen ab der {{g|Kamakura}}-Zeit ein weibliches Gegenstück zu Enma dar. |
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| ==Außerbuddhistische Vorstellungen== | | ==Außerbuddhistische Vorstellungen== |
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− | Neben buddhistischen Vorstellungen findet sich in japanischen Geschichten und Legenden auch die taoistische Insel der Un·sterb·lich·keit, die irgendwo weit draußen auf dem Meer zu finden sein soll. Dieser Glaube hat in vielen volks·religiösen Bräuchen Ein·gang gefunden. Auch das Schatz·schiff der [[Ikonographie:Glücksgötter | Sieben Glücksgötter]] und der Palast des [[Mythen:Drachen/Drachenbilder | Drachenkönigs]] stehen wohl irgendwie mit diesem über·seeischen Paradies in Verbindung. | + | Neben buddhistischen Vorstellungen findet sich in japanischen Geschichten und Legenden auch die daoistische Insel der Unsterblichkeit, die irgendwo weit draußen auf dem Meer zu finden sein soll. Dieser Glaube hat in vielen volksreligiösen Bräuchen Eingang gefunden. Auch das Schatzschiff der [[Ikonographie/Gluecksgoetter | Sieben Glücksgötter]] ({{g|shichifukujin}}) und der Palast des [[Mythen/Imaginaere Tiere/Drachenbilder | Drachenkönigs]] stehen wohl irgendwie mit diesem überseeischen Paradies in Verbindung. |
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− | In den alten Mythen begegnen wir vor allem dem Schattenreich {{glossar:yomi}}, das {{Glossar:Izanami}} nach ihrem Tod be·herrscht. Ähnlich wie bei den Griechen und Römern gibt es im ja·pa·nischen Mythos zwar die strahlende Welt der Götter, doch ist diese den ge·wöhn·lichen Sterblichen un·zu·gäng·lich. Inwieweit im vorbuddhistischen Japan auch positive Jenseits·vor·stel·lungen vorhanden waren, wurde schon inner·halb der [[Geschichte:Kokugaku | Kokugaku-Schule]] im ach·zehnten und neun·zehnten Jahr·hundert heftig diskutiert. {{glossar:motoorinorinaga}} (1730–1801) wies darauf·hin, dass die Mythen nur ein pessimistisches Jenseits kennen. Dem·gegen·über suchte {{Glossar:Hirataatsutane}} (1776–1843) nach positiven Jenseitsbildern im Volks·glauben und vertrat die Ansicht, dass diese den ursprünglichen Shinto wider·spiegeln würden. Heute neigen viele Gelehrte eher zu Norinagas Auf·fassung und sehen in Atsutanes Position einen pro·pa·gan·dis·tischen Versuch, den Shinto gegenüber dem Buddhismus auf·zu·werten. Wahrscheinlich gab es aber auch hier, ebenso wie in anderen Bereichen, starke regionale Unter·schiede innerhalb der vor·bud·dhis·tischen Religion.
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− | {{Linkbox|ue=Literatur und Links|text=
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− | {{Literatur:Formanek_Lafleur_2004}} [Siehe insbesondere die ikonographischen Beschreibungen der Hölle.]
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− | * [http://kikyo.nichibun.ac.jp/emakimono/ Emakimono database], International Research Center for Japanese Studies (Nichibunken) - Kyoto (jap.)<br/>Sehr attraktiv gestaltete Website, auf der mehrere Edo-zeitliche Bildrollen (''emaki'') zu Themen wie Jenseits oder Gespenster vollständig zu betrachten sind. Leider keine genauen bibliographischen Angaben. | + | In den alten Mythen begegnen wir vor allem dem Schattenreich {{g|yomi}}, das {{g|Izanami}} nach ihrem Tod beherrscht. Ähnlich wie bei den Griechen und Römern gibt es im japanischen Mythos zwar die strahlende Welt der Götter, doch ist diese den gewöhnlichen Sterblichen unzugänglich. Inwieweit im vorbuddhistischen Japan auch positive Jenseitsvorstellungen vorhanden waren, wurde schon innerhalb der {{g|Kokugaku}}-Schule im achzehnten und neunzehnten Jahrhundert heftig diskutiert. {{g|motoorinorinaga}} (1730–1801) wies daraufhin, dass die Mythen nur ein pessimistisches Jenseits kennen. Demgegenüber suchte {{g|Hirataatsutane}} (1776–1843) nach positiven Jenseitsbildern im Volksglauben und vertrat die Ansicht, dass diese den ursprünglichen Shintō widerspiegeln würden. Heute neigen viele Gelehrte eher zu Norinagas Auffassung und sehen in Atsutanes Position einen propagandistischen Versuch, den Shintō gegenüber dem Buddhismus aufzuwerten. Wahrscheinlich gab es aber auch hier, ebenso wie in anderen Bereichen, starke regionale Unterschiede innerhalb der vorbuddhistischen Religion. |
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| + | * [http://kikyo.nichibun.ac.jp/emakimono/ Emakimono database], International Research Center for Japanese Studies (Nichibunken) - Kyoto (jap.)<br/>Sehr attraktiv gestaltete Website, auf der mehrere Edo-zeitliche Bildrollen ({{gb|emaki}}) zu Themen wie Jenseits oder Gespenster vollständig zu betrachten sind. Leider keine genauen bibliographischen Angaben. |
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Was die gegenwärtige japanische Gesellschaft betrifft, ist es kaum möglich, verbindliche, von der gesamten Bevölkerung geteilte Auffassungen über das Jenseits in Kürze zusammenzufassen: Neben buddhistischen und volksreligiösen Vorstellungen mischen sich sowohl christliche Ideen als auch science fiction-Motive in die Jenseitsbilder der modernen Japaner. So wie die Religion als Ganzes haben sich auch die Bilder des Jenseits privatisiert: Jeder hat seine eigene Vorstellung vom Leben nach dem Tod.
Es gibt jedoch alteingesessene traditionelle Vorstellungen, die noch heute wirksam sind. Sie stellen ein unerschöpfliches Reservoir für die sogenannten Neuen Religionen dar und erhalten darüber hinaus in der Welt der Manga und Anime immer wieder neue Aktualität.
Diese traditionellen Jenseitsbilder sind überwiegend vom Buddhismus geprägt. Das hängt u.a. mit dem bereits erwähnten „arbeitsteiligen“ Verhältnis von Buddhismus [bukkyō (jap.) 仏教 Lehre des Buddha, Buddhismus] und Shintō [Shintō (jap.) 神道 Shintō; wtl. Weg der Götter, Weg der kami] zusammen, nach dem die Götter des Shintō vorrangig für den Bereich des Diesseits und das unmittelbare Wohlergehen, die buddhistischen Heilsgestalten dagegen eher für den Tod und das Jenseits zuständig sind (s. Kap. Grundbegriffe, Shintō: Versuch einer Begriffsbestimmung).
Topographie des Jenseits
In der Theorie gibt es im Buddhismus nur ein absolutes Jenseits — das Nirvana [Nirvāṇa (skt.) निर्वाण „Erloschen, ausgelöscht“, Ort der Erlösung von allem Leid, absolutes Jenseits (jap. Nehan 涅槃)], das in der vollständigen Auslöschung alles Diesseitigen besteht. Alles andere, auch die Wege der Totenseelen von einer Wiedergeburt zur nächsten, gehört zum Diesseits (Samsara [Saṃsāra (skt.) संसार „Beständiger Fluss“, Kreislauf der Wiedergeburten, Diesseits (jap. Rinne 輪廻)] = Kreislauf der Wiedergeburten) und führt letztlich zu neuen, leidvollen Existenzen (s. Grundbegriffe, Buddhismus). Dieses dualistische Modell des Universums ist allerdings durch vielfältige Entwicklungsstufen angereichert worden, die zum Nirvana hinführen, aber dabei den Gegensatz zwischen Samsara und Nirvana bis zu einem gewissen Grade nivellieren. Zu den bekanntesten dieser Entwicklungsmodelle zählen die Zehn Welten und die Sechs Wege.
Die Zehn Welten
Die Zehn Welten (jukkai [jukkai (jap.) 十界 Zehn Welten des buddhistischen Jenseits; auch jikkai ausgesprochen]) repräsentieren die Hierarchie aller fühlenden Wesen auf dem Weg zur vollkommenen Buddhaschaft.
Die implizite Rangordnung in ihrer Aufzählung korrespondiert mit der Zunahme des Leidensdrucks innerhalb der jeweiligen Welten.
Die Zehn Welten teilen sich in vier Buddha-Welten, die dem Nirvana zugerechnet werden — die Buddhas und Bodhisattvas des „Großen Fahrzeugs“ (Mahayana [Mahāyāna (skt.) महायान „Großes Fahrzeug“, buddhistische Richtung (jap. daijō bukkyō 大乗)]) sowie die Pratyeka-Buddhas und Buddha-Schüler als Repräsentanten des in China und Japan marginalisierten „Kleinen Fahrzeugs“ (Hinayana [Hīnayāna (skt.) हीनयान „Kleines Fahrzeug“, buddhistische Richtung (jap. Shōjō 小乗)]) — und sechs Bereiche der Wiedergeburt, die zusammen das Samsara bzw. die Welt der Begierden (Kamadhatu [Kāmadhātu (skt.) कामधातु „Welt der Begierden“, Bereich der Wiedergeburten (Samsara) im buddhistischen Modell des Universums]) bilden. In der Abbildung am Anfang dieser Seite (die der Dogmatik des Tendai [Tendai-shū (jap.) 天台宗 Tendai-Schule, chin. Tiantai] Buddhismus folgt) werden die Zehn Welten folgendermaßen eingeteilt:
- Buddhas
- Bodhisattvas
- Pratyeka-Buddhas [pratyeka buddha (skt.) प्रत्येकबुद्ध „Einzel-Buddha“, Buddha, der für sich selbst zur Erleuchtung gelangt, ohne zu lehren (jap. enkaku 縁覚)]
- Buddha-Schüler (jap. shōmon, skt. shravaka [śrāvaka (skt.) „Hörender“, direkter Schüler des Buddha (jap. shōmon 声聞)])
- Götter (jap. tenkai oder tenbu [tenbu (jap.) 天部 Gruppe der indischen bzw. aus Indien übernommene Gottheiten im japanischen Buddhismus (skt. deva)], skt. deva [deva (skt.) देव „Gottheit“, oberste Klasse indischer Götter (jap. -ten 天 oder tenbu 天部)])
- Menschen
- Kriegergeister (jap. ashura [ashura (jap.) 阿修羅 kämpfende Geister, eine von sechs Formen der Wiedergeburt; skt. asura; auch shura])
- Tiere (jap. chikushō [chikushō (jap.) 畜生 Welt der Tiere (im Schema der Wiedergeburten); in der heutigen Umgangssprache häufig verwendeter Fluch („Verdammt!“, „Scheiße!“)])
- Hungergeister (jap. gaki [gaki (jap.) 餓鬼 Hungergeist; skt. preta])
- Hölle (jap. jigoku [jigoku (jap.) 地獄 wtl. „[unter]irdischer Kerker“, buddhistische Hölle])
Eine detaillierte Ausschmückung dieses Weltenschemas wird auf der Themenseite Mandala der Zehn Welten vorgestellt.
Buddha-Welten und Reine Länder
Eine Vorstellung, die nicht ganz in das obige Schema passen will (und auch nicht von allen buddhistischen Richtungen geteilt wird), besagt, dass einige Buddhas eigene Welten oder Reine Länder (jōdo [jōdo (jap.) 浄土 Reines Land, buddhistisches Paradies; auch gokuraku, Sukhavati]) besitzen, in die diejenigen, die fest an den jeweiligen Buddha glauben, hinübergeboren werden, selbst wenn ihr karmischer Schuldenstand noch nicht getilgt ist. Diese Idee hat in Japan zum Aufkommen des sogenannten Amidismus geführt, in dem das Reine Land des Amida [Amida (jap.) 阿弥陀 Buddha Amitabha; Hauptbuddha der Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū bzw. Jōdo Shinshū)] Buddha als paradiesische Versprechung im Zentrum steht. Wiedergeburt im Reinen Land ist im Amidismus das wichtigsten Etappen-Ziel, denn von dort führt kein Weg zurück ins Samsara, das genaue Verhältnis zum Nirvana bleibt dabei diffus. Das im Westen gelegene Reine Land Amidas ist zwar die populärste Paradiesvorstellung innerhalb des japanischen Buddhismus, in der Theorie gibt es solche spirituellen Zufluchtsorte aber in allen Himmelsrichtungen. (Mehr dazu auf der Themenseite Paradiese und Reine Länder.)
Die Sechs Wege
Über die Existenz und die Unterschiede der oben erwähnten Buddha-Welten herrschen innerhalb der der verschieden Schulrichtungen des Buddhismus unterschiedliche Ansichten, die Bereiche der Wiedergeburt sind hingegen fix kanonisiert. Man spricht auch von den Sechs Wegen (rokudō [rokudō (jap.) 六道 wtl. die Sechs Wege = Bereiche der Wiedergeburt]). Hier gilt das Gesetz des Karma [Karma (skt.) कर्म „Tat“, auch „konsequente Folge“; moralische Bilanz der gesetzten Handlungen (jap. gō 業)]. Es regelt den Auf- und Abstieg innerhalb der Wiedergeburten, je nachdem, wieviel gutes oder schlechtes Karma man in vergangenen Leben angehäuft hat. Diese Existenzformen sind, wie oben bereits angeführt:
- Götter
- Menschen
- Kriegergeister
- Tiere
- Hungergeister
- Hölle
Die einzelnen Existenzformen stammen aus dem indischen Buddhismus und reflektieren dort gängige religiöse Vorstellungen. Sie wurden in Ostasien zwar vollinhaltlich übernommen, haben sich in der religiösen Praxis aber in unterschiedlichem Maße eingeheimatet. In der Folge werden die einzelnen Bereiche kurz erläutert.
Götter
Mit dem karmischen Weg der Götter sind in erster Linie die indischen deva [deva (skt.) देव „Gottheit“, oberste Klasse indischer Götter (jap. -ten 天 oder tenbu 天部)]-Gottheiten gemeint, die auf vorbuddhistische Vorstellungen zurückgehen. Die prominentesten sind Brahma [Brahmā (skt.) ब्रह्मा einer der drei hinduistischen Hauptgottheiten, auch Brahman; davon abgeleitet: Brahmanen (Priester) (jap. Bonten 梵天)] und Indra [Indra (skt.) इन्द्र hohe indische Gottheit, vergleichbar mit Zeus/Jupiter (jap. Taishaku-ten 帝釋天)] (jap. Bonten [Bonten (jap.) 梵天 Skt. Brahma; als indische deva-Gottheit und oberster Gott der Brahmanen wurde er auch in den Buddhismus integriert] und Taishaku-ten [Taishaku-ten (jap.) 帝釈天 Skt. Indra, eine der wichtigsten Gottheiten (deva) der indischen Mythologie. In Japan meist mit Brahma (jap. Bonten) in einem Atemzug genannt]), welche auf dem Weltenberg Sumeru [Sumeru (skt.) सुमेरु Weltenberg des indisch-buddhistischen Universums, üblicherweise sanduhrförmig dargestellt; auch: Meru (jap. Shumisen 須弥山)] thronen. Dennoch erfahren auch sie Leid und sind (nach sehr langer Zeit) zum Tod verurteilt.
Doch wie so oft existieren auch im Fall der Götter widersprüchliche Auslegungen. Indische devas werden nämlich auch als Manifestationen von Bodhisattvas angesehen und sind damit natürlich nicht mehr sterblich bzw. dem Karma-Gesetz unterworfen. Über diese Aspekte indischer Götter gibt die Seite Wächtergötter und andere gestrenge Herren (Kapitel Ikonographie) genauer Auskunft. Auch japanische kami [kami (jap.) 神 Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō] wurden häufig als Manifestationen von Buddhas und Bodhisattvas angesehen (s. Honji suijaku: Die Angleichung von Buddhas und kami) und existieren somit außerhalb der sechs Existenzformen. Insofern ist der Bereich „Götter“ als Teil der Sechs Wege in Japan etwas diffus und offen für verschiedenartige Interpretationen.
Menschen
Als Mensch wiedergeboren zu werden ist insofern ein besonderes Privileg, als der Eintritt ins Nirvana von diesem „Weg“ aus leichter ist als von den fünf anderen Existenzformen. Wer allerdings gegen die Gebote des Buddhismus handelt, kann umso leichter auf einen der vier darunter liegenden Wege abrutschen.
Kriegergeister
Von den Kriegergeistern (skt. asura [asura (skt.) असुर kämpfende Geister, eine von sechs Formen der Wiedergeburt (jap. ashura 阿修羅)], jap. ashura [ashura (jap.) 阿修羅 kämpfende Geister, eine von sechs Formen der Wiedergeburt; skt. asura; auch shura]) ist in Japan relativ wenig zu hören und zu sehen. Auch hierbei handelt es sich um eine spezifisch indische Vorstellung, die sich in Japan nie nachhaltig etablieren konnte. Einige ikonographische Zeugnisse dieser ashura werden jedoch auf der Themenseite Ashura, kriegerische Geister kurz vorgestellt.
Tiere
Die Möglichkeit, als Tier wiedergeboren zu werden, stieß in Japan sehr rasch auf Verständnis. Schon im 9. Jh. entstand mit dem Nihon ryōiki [Nihon ryōiki (jap.) 日本霊異記 „Wundersame Begebenheiten aus Japan“; buddhistische Legendensammlung von Kyōkai (Anfang 9. Jh.)] ein didaktisches Werk, das in anekdotischer Form spezifische Vergehen mit spezifischen Existenzen als Tier verknüpfte. Wer z.B. das Eigentum von buddhistischen Tempeln stiehlt oder veruntreut, muss den Schaden im nächsten Leben als Rind wieder gutmachen. Auch gibt es einen karmischen Konnex zwischen Eifersucht und einer Wiedergeburt als Schlange (s. Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit). Obwohl die Existenz als Tier grundsätzlich als karmische „Strafe“ angesehen wird, gibt es auch andere, positive religiöse Konnotationen von Tieren, die auf anderen Seiten in diesem Kapitel genauer besprochen werden. Aus der Tatsache, dass Menschen als Tiere wiedergeboren werden können, leitet sich auch das buddhistische Tötungsverbot von Tieren ab (das in Japan allerdings nie konsequent eingehalten wurde).
Hungergeister
Unterhalb der Tiere gibt es die leidvolle Existenz als Hungergeist, die sich im japanischen Altertum und Mittelalter ebenfalls nachhaltig etablierte. Diese Form der Wiedergeburt resultiert aus übermäßiger Gier, also einer sehr allgemeinen menschlichen Eigenschaft. Da die Chance, zu einem Hungergeist zu werden, als sehr groß erachtet wurde, kam es in China und Japan zu einer Verbindung von Ahnenkult und Besänftigung der Hungergeister, deren Reste heute noch in Form des Bon [Bon (jap.) 盆 Bon-Fest (Ahnenfest); in der Alltagssprache meist O-bon]-Festes fortdauern. Mehr dazu auf der Themenseite Hungergeister.
Höllen
Die Hölle (jigoku [jigoku (jap.) 地獄 wtl. „[unter]irdischer Kerker“, buddhistische Hölle], wtl. „Erdkerker“) mit ihren zahllosen, nach spezifischen Foltern unterteilten Abteilungen, stellt die schlimmste karmische Strafe dar. Die religiösen Phantasien von Buddhisten, Christen und anderen Religionen sind in diesem Punkt überraschend ähnlich, das einzige Spezifikum der buddhistischen Hölle besteht darin, dass auch sie nur ein Übergangsstadium im Kreislauf der Wiedergeburt darstellt. Doch die Länge einer Existenz in der Hölle umfasst mehrere Erdzeitalter und gleicht daher nach menschlichen Maßstäben einer Ewigkeit. Mehr dazu auf der Themenseite Höllen und Höllenbilder.
Der Gerichtshof der Toten
Alle Verstorbenen, die nicht ins Nirvana bzw. in ein Reines Land eingehen, werden in einem der Sechs Wege „wiedergeboren“. Nach dem Tod muss daher zunächst geprüft werden, welche dieser Existenzformen dem Karma des Verstorbenen entspricht. Dies wird von einem eigenen Gerichtshof entschieden, der sich in einer Art Zwischenwelt innerhalb der Sechs Wege der Wiedergeburt befindet.
Enma und die Zehn Könige der Totenwelt
König bzw. Oberster Richter des Totengerichts ist Enma [Enma (jap.) 閻魔 skt. Yama; König oder Richter der Unterwelt; auch Enra; meist als Enma-ten oder Enma-ō angesprochen] (skt. Yama [Yama (skt.) यमराज Gottheit der Unterwelt und des Todes (jap. Enma 閻魔)]), eine furchteinflößende Erscheinung. Enma ist zwar nicht böse, aber äußerst streng. Versucht man, ihn mit den buddhistischen Grund-Dogmen zu erklären, so könnte man in ihm die unerbittliche Konsequenz des Karma [Karma (skt.) कर्म „Tat“, auch „konsequente Folge“; moralische Bilanz der gesetzten Handlungen (jap. gō 業)] erblicken. Zugleich wird er aber auch als Manifestation von Bodhisattva Jizō [Jizō (jap.) 地蔵 wtl. Schatzhaus/Mutterleib der Erde; skr. Kṣitigarbha; populäre Bodhisattva Figur] angesehen, welcher seinerseits angebetet wird, wenn es um Dinge wie Seelenheil und gute Wiedergeburt geht (s. Jizō Bosatsu). Jizō ist also der eigentliche Chef der Totenwelt und nimmt dort üblicherweise die Gestalt eines strengen Richters an, kann aber auch in seiner milden Bodhisattva-Erscheinung eingreifen, um beispielsweise arme Sünder aus der Hölle zu erretten.
Enmas Gerichtshof wurde mit der Zeit immer vielfältiger ausgestaltet. In China entstand die Vorstellung von Zehn Königen bzw. Richtern, unter denen Enma lediglich so etwas wie ein primus inter pares ist. Die Gerichthöfe korrespondieren mit den Gedenkfeiern, welche die Hinterbliebenen für die Toten abhalten und bei denen Opfer für Enma und die anderen Könige dazu beitragen sollen, das Karma der Verstorbenen zu verbessern. (Mehr dazu auf der Themenseite König Enma und sein Totengericht.)
Datsueba
Eine weitere Gestalt, die über das Schicksal der Totenseele entscheidet, ist die Datsueba [Datsueba (jap.) 奪衣婆 wtl. die Alte, die die Kleider wegnimmt; Dämonin des Totenreichs], die „Alte, die den Toten das Gewand auszieht“. Sie sitzt am Ufer des Flusses der Drei Furten (Sanzu no Kawa [Sanzu no Kawa (jap.) 三途の川 wtl. Fluss der Drei Furten; Fluss zwischen den Welten der Lebenden und der Toten]), der auf dem Weg zum Totengericht überquert werden muss. Wenn die Toten durch den Fluss gewatet sind, zieht sie ihnen ihre nassen Kleider aus und hängt sie neben sich an einen Baum, der als eine Art Waage fungiert. Je tiefer die Äste durch das Gewand der Toten herabgebogen werden, umso schwerer die Sünden und umso schrecklicher die Foltern, die den Verstorbenen erwarten.
Die Vorstellung der Datsueba dürfte in Japan entstanden sein. Sie findet sich jedenfalls nicht in chinesischen Unterweltdarstellungen. In Japan stellt die Datsueba hingegen ab der Kamakura [Kamakura (jap.) 鎌倉 Stadt im Süden der Kantō Ebene, Sitz des Minamoto Shōgunats 1185–1333 (= Kamakura-Zeit)]-Zeit ein weibliches Gegenstück zu Enma dar.
Außerbuddhistische Vorstellungen
Neben buddhistischen Vorstellungen findet sich in japanischen Geschichten und Legenden auch die daoistische Insel der Unsterblichkeit, die irgendwo weit draußen auf dem Meer zu finden sein soll. Dieser Glaube hat in vielen volksreligiösen Bräuchen Eingang gefunden. Auch das Schatzschiff der Sieben Glücksgötter (Shichi Fukujin [Shichi Fukujin (jap.) 七福神 Sieben Glücksgötter; populäres Ensemble von Glücksgöttern verschiedener Herkunft]) und der Palast des Drachenkönigs stehen wohl irgendwie mit diesem überseeischen Paradies in Verbindung.
In den alten Mythen begegnen wir vor allem dem Schattenreich Yomi [Yomi (jap.) 黄泉 mytholog. Unterwelt; geschrieben mit den Zeichen „Gelbe Quellen“, eine chinesische Bezeichnung für die Unterwelt], das Izanami [Izanami (jap.) 伊耶那美/伊奘冉 Göttermutter, Göttin der Unterwelt (mi hier weibliche Endung); Schwester und Frau des Izanagi] nach ihrem Tod beherrscht. Ähnlich wie bei den Griechen und Römern gibt es im japanischen Mythos zwar die strahlende Welt der Götter, doch ist diese den gewöhnlichen Sterblichen unzugänglich. Inwieweit im vorbuddhistischen Japan auch positive Jenseitsvorstellungen vorhanden waren, wurde schon innerhalb der kokugaku [kokugaku (jap.) 国学 „Lehre des Landes“, Nationale Schule, Nativismus; in der Edo-Zeit entstandene Gelehrtentradition, die ihren Fokus auf das nationale Erbe Japans richtete]-Schule im achzehnten und neunzehnten Jahrhundert heftig diskutiert. Motoori Norinaga [Motoori Norinaga (jap.) 本居宣長 1730–1801; Shintō-Gelehrter der „nationalen Schule“ (kokugaku)] (1730–1801) wies daraufhin, dass die Mythen nur ein pessimistisches Jenseits kennen. Demgegenüber suchte Hirata Atsutane [Hirata Atsutane (jap.) 平田篤胤 1776–1843; kokugaku-Gelehrter] (1776–1843) nach positiven Jenseitsbildern im Volksglauben und vertrat die Ansicht, dass diese den ursprünglichen Shintō widerspiegeln würden. Heute neigen viele Gelehrte eher zu Norinagas Auffassung und sehen in Atsutanes Position einen propagandistischen Versuch, den Shintō gegenüber dem Buddhismus aufzuwerten. Wahrscheinlich gab es aber auch hier, ebenso wie in anderen Bereichen, starke regionale Unterschiede innerhalb der vorbuddhistischen Religion.
Verweise
Verwandte Themen
Internetquellen
Siehe auch Internetquellen
- Emakimono database, International Research Center for Japanese Studies (Nichibunken) - Kyoto (jap.)
Sehr attraktiv gestaltete Website, auf der mehrere Edo-zeitliche Bildrollen (emaki) zu Themen wie Jenseits oder Gespenster vollständig zu betrachten sind. Leider keine genauen bibliographischen Angaben.
Letzte Überprüfung der Linkadressen: Jul. 2020
Literatur
Siehe auch Literaturliste
Susanne Formanek, William LaFleur (Hg.), Practicing the Afterlife: Perspectives from Japan. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2004.
Siehe insbesondere die ikonographischen Beschreibungen der Hölle.
Bilder
Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite
- ^ Die Zehn Stufen der Existenz nach japanisch-buddhistischen Vorstellungen. Nach der Reihenfolge und Terminologie des Tendai Buddhismus sind dies:
1) Hölle (jigoku),
2) Hungergeister (gaki),
3) Tiere (chikushō),
4) Kriegergeister (shūra),
5) Menschen (ninkai),
6) [Deva]-Götter (tenkai; hier: tenjo, „Himmelsfrauen“),
7) [Buddha]-Schüler (shōmon, skt. shravaka),
8) Pratyeka-Buddhas (enkaku),
9) Bodhisattvas (bosatsu),
10 Buddhas (butsu).
Die ersten sechs werden als die sechs Bereiche der Wiedergeburt (rokudō) bezeichnet, die oberen vier sind die erstrebenswerten Bereiche, welche aus dem Kreislauf der Wiedergeburten hinausführen.
Die Zehn Welten sind kreisförmig um ein Zentrum mit dem Schriftzeichen für „Herz“ (auch „Seele“ oder „Bewusstsein“) angeordnet, aus dem sie, wie der Bildtitel besagt, „entstehen“.
Edo-Zeit, ca. 19. Jh. Völkerkundemuseum der Universität Zürich.
- ^ Zwei Totenseelen auf dem Weg in Jenseits, am Kreuzungspunkt der Sechs Wege (rokudō).
Edo-Zeit. Emakimono database, Nichibunken.
- ^ König Enma, der Richer der Totenwelt, umgeben von den sechs Bereichen der Wiedergeburt (rokudō). Besondere Aufmerksamkeit gilt der Hölle (jigoku) mit ihren verschiedenen Unterabteilungen, die zwei Drittel des Bildes einnehmen. Im Hintergrund rechts der Fluss der Unterwelt an dessen Ufer verstorbene Kinder von Jizō errettet werden, dahinter als ferne Hoffnung Paläste, die wohl das Reine Land (jōdo, gokuraku) repräsentieren.
Werk von Utagawa Kuniyoshi. Edo-Zeit, vor 1841. The British Museum. - ^ Darstellung der „Alten, die die Kleider auszieht“ Datsueba.
Muromachi-Zeit. Gofuku-ji, via Web Archive.
Glossar
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