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Version vom 18. Juli 2015, 12:17 Uhr
Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Bauten.
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Japans berühmte Tempel und Schreine werden oft mit bestimmten, markanten Gebäuden asso·ziiert. Einige davon werden in diesem Kapitel näher vorgestellt. Man sollte aber nicht übersehen, dass die Begriffe „Tempel“ und „Schrein“ nicht nur einzelne Gebäude, sondern oft weit aus·ge·dehn·te Anlagen bezeichnen. Im Vergleich mit christ·lichen Kirchen lassen sich diese Anlagen mit dem alles um·fassen·den Kirchen·gebäude gleichsetzen, während die einzelnen Tempel- und Schrein·hallen eher den Altären entsprechen: Sie sind nur bedingt zu·gäng·lich und jeweils einzelnen Gott·heiten geweiht. Ebenso wie der Heilige des Haupt·altars einer (katholischen) Kirche ihre Iden·tität verleiht, wird auch in Japan meist eine Haupt·gott·heit bzw. ein Hauptbuddha in einem zentralen Heilig·tum verehrt, was aber die Verehrung anderer Gott·heiten keinesfalls ausschließt. In früherer Zeit war es sogar die Regel, dass
Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō
Der Begriff „kami“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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und Buddhas innerhalb derselben Anlage verehrt wurden und allenfalls die Haupthalle über die „Konfession“ der Anlage entschied. Obwohl sich dies mit Beginn der Moderne drastisch änderte (s. Staatsshintō), sind die Spuren dieser gemischt-religiösen Anlagen bis heute noch deutlich zu erkennen.
Nara-Zeit (8. Jh.), zerstört 1667, wiedererrichtet 1669. Ute (Blog), 2005.
Religiöse Topographie
Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Bauten. Was die Lage religi·öser Anlagen betrifft, gibt es einen wesentlichen Unterschied zu den Gottes·häusern mono·theis·tischer Reli·gio·nen: Sie befinden sich nämlich zumeist am Rand kommunaler Zentren, nicht in der Mitte. Zwar sind alle japani·schen Städte von zahl·reichen kleinen religiösen Gebäuden durchsetzt, doch wirklich große Gebäude und Anlagen finden sich in den urbanen Zentren kaum. Als Faust·regel lässt sich daher fest·halten, dass eine Anlage umso weiter am Rand liegt, je bedeutender sie ist. Oder anders ausgedrückt: Japanische Dörfer und Städte sind zumeist ring·förmig von religi·ösen Anlagen umgeben, die die Grenze zwischen Wildnis und Zivili·sation oder zwischen dem Innen und dem Außen der Gemeinde mar·kieren. Religiöse Anlagen sind inso·fern nicht der letzte innere Zu·fluchts·ort einer Gemeinde, sondern eher Außen·posten gegen (spirituelle) Bedro·hungen aus der „anderen Welt“, also der Welt der Dämonen und der Toten·geister, die häufig mit den Bergen asso·ziiert wird. Daher liegen Tempel und Schreine typi·scher·weise am Fuß eines Bergs oder eines Hügels, vor dem sich eine Ebene mit Feldern und Häusern — die Welt des säku·laren Alltags — erstreckt. Während die reli·gi·ösen Anlagen zu dieser Ebene hin durch Mauern oder Zäune klar ab·ge·grenzt sind, gehen sie gegen den Berg hin lang·sam in dichte un·durch·dring·liche Wälder über. Religiöse Anlagen bilden daher so etwas wie eine Membran zwischen Zivili·sation und Wildnis und beziehen einen Teil ihrer Bedeu·tung aus der ihnen zuge·sproche·nen Fähigkeit, die unbe·kann·ten Mächte der anderen Welt zu kontrol·lieren.
Diese reli·giöse Topo·graphie ist natürlich nicht überall kon·sequent auf·recht zu erhalten, schon gar nicht in Japans moder·nen Megacities. In den alten Haupt·städten Kyoto und Nara lässt sie sich jedoch noch heute klar erkennen. Auch in ent·le·ge·nen Berg·regio·nen sind die Wege, die auf die Gipfel führen, stets von reli·giösen Anlagen behütet.
Vergängliche Materialien, beständige Struktur
Die tradi·tionelle japanische Architektur arbeitet fast ausschließlich mit Holz. Dies liegt nicht zuletzt an der bestän·digen Bedrohung durch Erd·beben in Japan. Gegen·über Stein·bauten haben Holz·häuser den Vorteil, dass sie leichter und bieg·samer sind und im Fall der Zer·störung schneller wieder auf·gebaut werden können. Aller·dings fallen sie umso leichter einem Brand zum Opfer. Diese Grund·vor·aus·set·zungen haben be·stimmte archi·tektoni·sche Muster her·vor·ge·bracht, die sich ganz beson·ders in den religi·ösen Bau·werken Japans erhal·ten haben.
Die tradi·tio·nelle Architektur nimmt die Tatsache bewusst in Kauf, dass sie nicht für die Ewig·keit bestimmt ist. Statt dessen werden Gebäude immer wieder nach einem einmal be·währten Muster neu aufgebaut. Es ist außer·dem ver·hältnis·mäßig einfach, Gebäude aus·einander·zu·nehmen und an anderer Stelle wieder aufzu·bauen. Auch lassen sich einzelne schad·hafte Hölzer ohne große Schwie·rig·keiten durch neue erset·zen, wenn der Schaden nicht allzu groß ist.
In manchen Fällen, etwa im Fall der Schrein·anlage von
vormoderne Provinz Ise (heute Präfektur Mie); Stadt Ise; Kurzbezeichnung für die Schreinanlage von Ise Ise Jingū
Der Begriff „Ise“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
, reißt man dennoch sämt·liche Gebäude alle zwanzig Jahre ab, um sie nach exakt dem gleichen Muster, aber mit neuen Hölzern wieder auf·zu·bauen. Heute geschieht dies vor allem aus rituellen Gründen, in alter Zeit, als Bauholz in un·limi·tierter Menge zur Ver·fü·gung stand, gab es aber auch die durch·aus rationale Erwä·gung, auf diese Weise dem natür·lichen Verfall zuvor·zu·kommen.
Interessanterweise hat diese Bereitschaft, die Ver·gäng·lich·keit mit in die Architektur einzu·beziehen, dazu geführt, dass sich die Grund·struktur der tradi·tionellen Bau·kunst seit der japani·schen Klassik (Nara- und Heian-Zeit) kaum nennes·wert verändert hat. Sobald man durch Versuch und Irrtum die effek·tivste Methode gefunden hatte, um einen be·stimm·ten Ge·bäude·typ herzu·stellen, behielt man ihn bei. Dies ist im Fall bud·dhis·tischer Pagoden ganz besonders auffällig: Sie ent·wickel·ten sich aus einem chinesi·schen Urtyp, der in China schon längst nicht mehr existiert, in Japan aber bis heute fast unver·ändert weiter tradiert wird.
Im übrigen sind einige Bauten aus älterster Zeit vor dem Unbill der Natur verschont geblie·ben. In der Gegend um die alte Haupt·stadt Nara stammen einige Holz·bauten aus dem achten Jahr·hundert und zählen damit zu den ältesten Holz·bau·werken der Welt, etwa der buddhis·tische Tempel
Tempel in Ikaruga bei Nara, gegr. 607; wtl. „Tempel des prosperierenden [Buddha]-Gesetzes“
Der Begriff „Hōryū-ji“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede religiöser Gebäude
Frühe Edo-Zeit, 17. Jh. Ron Reznick, 2004 (mit freundlicher Genehmigung).
Sowohl die Tempel des Bud·dhis·mus als auch die Schreine des Shintō widmen die größ·te archi·tekto·nische Sorgfalt dem Dach. Die Dächer von Tempeln und Schrei·nen ziehen daher mit ihren ele·ganten Schwüngen und raf·finier·ten Kon·struk·tionen sofort alle Blicke auf sich. Was da·runter ist, beschränkt sich zumeist auf eine stabile Kon·struktion von Balken, die oft nur durch ein·fache Bretter·wände oder gar Papier·schiebe·türen ver·bunden sind. Die Wände haben daher so gut wie gar keine tragende Funktion. Die meisten traditio·nellen Gebäude sind eben·erdig oder einstöckig. Auch die Böden sind aus Holz und lagern nicht direkt auf der Erde, son·dern schwe·ben auf stützen·den Pfählen. Dies schützt die Gebäude vor Feuch·tig·keit und un·er·wünsch·ten Schäd·lingen.
Tempel und Schreine unter·scheiden sich unter·ein·ander oft nur in Details, die dem Laien zunächst nicht ins Auge fallen. Auch funktionell ähneln sich die Gebäude des Shintō und des japanischen Buddhismus: Die Haupt·gebäude dienen im Wesent·lichen der Auf·bewah·rung von Heilig·tümern und nicht der Versamm·lung von Gläubigen. Religiöse Massen·ver·an·stal·tungen im Stil christ·licher Messen finden weder im Shintō noch im Bud·dhis·mus mit ähnlicher Regel·mäßig·keit statt wie in christ·lichen Ländern. Wenn viele Leute an einer reli·giösen Feier beteiligt sind, nimmt das Ganze rasch einen bunten Festcharakter an und wird im Freien abgehalten.
Um Shintō Schreine und buddhistische Tempel auseinander zu halten, bedarf es der Kennt·nis ganz bestimmter Merkmale: Schreine sind in der ersten Linie anhand von
Torii, Schreintor; wtl. „Vogelsitz“; s. dazu Torii: Markenzeichen der kami
Der Begriff „torii“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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zu identi·fizieren, Pagoden oder Tore mit Wächter·figuren (
Wächterfigur, Torwächter
Der Begriff „niō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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) sind ein Hinweis, dass es sich wahr·schein·lich (wenn auch nicht sicher) um einen bud·dhisti·schen Tempel handelt. Weitere Einzel·heiten dazu werden auf den folgen·den Seiten besprochen. Die Listen berühm·ter Tempel und Schreine in diesem Kapitel bieten weiteres An·schau·ungs·material, erheben aller·dings keinen An·spruch auf Voll·stän·digkeit.
Verweise
Internetquellen
- Asian Historical Architecture, Timothy M. Ciccone (Hg.)
Umfangreiche architekturhistorische Dokumentation, mit relativ vielen Beispielen aus Japan. - JAANUS - Japanese Architecture and Art Net Users System, Mary N. Parent (Hg.)
Ca. 8000 Einträge zur traditionellen japanischen Baukunst. - Tempel und Schreine Kyotos, Google Maps. Zusammengestellt vom Autor dieses Webprojekts zur Verdeutlichung des Stadtpalns von 1710 (s. Abb. oben).
Bilder
- ^ Die Nigatsu-dō (Seitengebäude des Tōdaiji) liegt auf einem Hang oberhalb der Halle des Großen Buddha. Im Zweiten Monat (Nigatsu) fand hier jährlich ein berühmtes Fest statt, daher der Namen (heute wird das Fest im März abgehalten).
Nara-Zeit (8. Jh.), zerstört 1667, wiedererrichtet 1669. Ute (Blog), 2005. - ^ Pagodendach.jpg
- ^ Detail der Dachkonstruktionen des Tōshō-gū Schreins, Nikkō. Im Vordergrund steht das „chinesische Tor“. Das Dach dahinter gehört zur Haupthalle. In diesem Architekturstil aus der frühen Edo-Zeit gibt es zwischen buddhistischen Tempeln und shintōistischen Schreinen kaum einen erkennbaren Unterschied.
Frühe Edo-Zeit, 17. Jh. Ron Reznick, 2004 (mit freundlicher Genehmigung).
Glossar