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Aktuelle Version vom 8. Mai 2023, 11:52 Uhr
Ein Shintō-Schrein dient der Verehrung einer einheimischen Gottheit (kami [kami (jap.) 神 Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō]). Das Wort „Schrein“, jap. jinja [jinja (jap.) 神社 Shintō-Schrein; rel. Gebäude für einheimische Gottheiten (kami)], wurde gewählt, um Verehrungsstätten für kami von buddhistischen „Tempeln“, jap. tera [tera (jap.) 寺 buddhistischer Tempel; das Wort leitet sich von einem koreanischen Begriff her, der ehemals in etwa tyər ausgesprochen wurde], zu unterscheiden. Im engeren Sinn bezieht sich „Schrein“ auf ein einzelnes Gebäude, meist bezeichnet der Begriff aber eine „Schreinanlage“, in der eine Vielzahl religiöser Gebäude zu finden sind.
Wikimedia Commons, 663highland, 2014.
Vokabel
- jinja [jinja (jap.) 神社 Shintō-Schrein; rel. Gebäude für einheimische Gottheiten (kami)], yashiro [yashiro (jap.) 社 Shintō-Schrein, andere Lesung: -sha], miya [miya (jap.) 宮 Shintō-Schrein, andere Lesung: gū], -sha [-sha (jap.) 社 Shintō-Schrein, Kurzform von jinja; andere Lesung: yashiro; andere Zeichenbedeutungen: „Gesellschaft“; „Firma“], -gū [-gū (jap.) 宮 Shintō-Schrein, andere Lesung: miya] — Shintō Schrein
- jingū [jingū (jap.) 神宮 „Götterpalast“; Ahnenschrein des Kaiserhauses, meist Ise Jingū] — kaiserl. Ahnenschrein (meist Ise)
- taisha [taisha (jap.) 大社 Shintō-Schrein, wtl. Großschrein] — Großschrein
- shintai [shintai (jap.) 神体 heiliges Objekt eines Shintō-Schreins; wtl. „Gottkörper“] — „Gott-Körper“, Schreinheiligtum
- torii [torii (jap.) 鳥居 Torii, Schreintor; wtl. „Vogelsitz“; s. dazu Torii: Markenzeichen der kami] — Schreintor
- shimenawa [shimenawa (jap.) 注連縄 shintōistisches „Götter-Seil“; geschlagene Taue aus Reisstroh.] — Götterseil
- honden [honden (jap.) 本殿 Hauptgebäude eines Schreins] — Haupthalle
- haiden [haiden (jap.) 拝殿 Zeremonienhalle eines Schreins] — Zeremonienhalle
Shintai
Im Regelfall dient ein Schrein dazu, einen heiligen Gegenstand aufzubewahren. Diesen Gegenstand nennt man shintai [shintai (jap.) 神体 heiliges Objekt eines Shintō-Schreins; wtl. „Gottkörper“], wtl. „Gott-Körper“. Die häufigsten shintai sind Spiegel oder Schwerter, es kann sich aber auch, wie im Buddhismus, um Statuen handeln (s. dazu Kapitel Ikonographie, Die Ikonographie der kami). Das shintai gilt als Sitz der Schreingottheit, man sagt auch, dass es von einer Gottheit „bewohnt“ wird. Bei der Gründung eines neuen Schreins muss die entsprechende Gottheit zunächst „eingeladen“ werden, im shintai wohnhaft zu werden. Ein Schreingebäude ist also in erster Linie ein Speicher oder ein Schatzhaus zum Schutz des shintai. Es dient nicht als Ort religiöser Versammlungen oder Messen. Verglichen mit dem Christentum entspricht ein Schreingebäude daher eher einem Altar oder einem Tabernakel als einer Kirche. Dies gilt im übrigen auch für buddhistische Tempel in Japan, deren Hauptgebäude ebenfalls als Schatzhäuser dienen. Im Gegensatz zu buddhistischen Heiligtümern (honzon [honzon (jap.) 本尊 Hauptheiligtum eines Tempels]) werden die shintai aber niemals hergezeigt. Lediglich bei großen Schreinfesten (matsuri [matsuri (jap.) 祭 religiöses (Volks-)Fest]) werden sie, durch einen tragbaren Schrein vor Blicken geschützt, in einer Prozession umhergeführt.
Schreinanlage
Im Allgemeinen kann man die Bedeutung eines Schreins eher an der Größe seines Areals als an der Größe des eigentlichen Hauptgebäudes messen. Die meisten wirklich einflussreichen Schreine sind von einer weitläufigen parkähnlichen Anlage umgeben, in der neben der Hauptgottheit auch eine Vielzahl von Nebengottheiten verehrt werden. Man erkennt diese Anlagen oft auch an dem dichten Wald, der sie umgibt. Es ist nämlich tabu, die Bäume innerhalb eines Schreinareals zu fällen.
Diese größeren Schreinanlagen sind zumeist am Fuß eines Hügels oder an einem sanft ansteigenden Hang gelegen. Daraus ergibt sich auf natürliche Weise eine Trennung in einen tiefer gelegenen Eingangsbereich und einen erhöhten inneren Bereich. Der Eingangsbereich dient eher profanen Zwecken, etwa dem Verkauf von Glücksbringern. Der innere Bereich wird in vielen Fällen von einem niederen Zaun (tamagaki [tamagaki (jap.) 玉垣 Zaun einer Schreinanlage, wtl. „Juwelenzaun“]) umgrenzt und beherbergt die Gebäude für religiöse Zwecke — Haupthalle (honden [honden (jap.) 本殿 Hauptgebäude eines Schreins]), Zeremonienhalle (haiden [haiden (jap.) 拝殿 Zeremonienhalle eines Schreins]), und Zweigschreine. Die Haupthalle ist mitunter durch einen weiteren Zaun geschützt, sodass man sie nur aus einer gewissen Distanz wahrnehmen kann. Manchmal ist der Hauptschrein sogar zur Gänze den Blicken der profanen Besucher entzogen.
Größere Schreine verehren typischerweise ein Ensemble aus zwei, drei oder mehr Gottheiten in ihrer Haupthalle, was sich auch manchmal auch in Form mehrerer gleichrangiger Haupthallen ausdrückt. In jeder größeren Anlagen gibt es darüber hinaus Seiten- oder Sub-Schreine (massha [massha (jap.) 末社 Subschrein oder Nebenschrein innerhalb einer größeren Anlage; oft Miniaturschreine]), die wiederum anderen Gottheiten gewidmet sind. Ebenso geläufig waren in früherer Zeit Seiten-Tempel, also buddhistische Hallen, die jedoch im 19. Jahrhundert aus den meisten Schreinen entfernt wurden.
Die Mehrzahl der Schreine besitzt allerdings lediglich ein einziges kleines Gebäude ohne weitläufige Anlage. Insbesondere Schreine für die Fuchsgottheit Inari [Inari (jap.) 稲荷 Reisgottheit, häufig von Fuchswächtern (myōbu) bewacht] sind mitunter so kein, dass man unwillkürlich an ein Puppen- oder Vogelhaus erinnert wird. Diese Miniaturschreine werden als hokora [hokora (jap.) 祠 Miniaturschrein (innerhalb einer Schreinanlage oder am Wegrand)] bezeichnet und lassen sich am ehesten mit den im süddeutsch-österreichischen Raum verbreiteten „Marterl“ („Bildstock“) vergleichen.
Torii
Für den Laien ist oft nicht leicht zu erkennen, ob ein religiöses Gebäude für eine shintōistische Gottheit bestimmt ist oder für eine buddhistische. Es gibt aber bestimmte Erkennungsmerkmale, die auf einen Schrein hinweisen. Das markanteste Kennzeichen eines Schreins ist das torii [torii (jap.) 鳥居 Torii, Schreintor; wtl. „Vogelsitz“; s. dazu Torii: Markenzeichen der kami], das Shintō-Tor, das vor jedem Schrein steht. Die Bilder am Seitenanfang zeigen einige torii-Varianten. In jedem Fall bleibt die Grundform, zwei Querbalken auf zwei Pfosten, dieselbe. Torii sind im Allgemeinen nicht vor buddhistischen Bauwerken zu finden. Diese „Regel“ hat sich allerdings erst in der jüngeren japanischen Religionsgeschichte zweifelsfrei durchgesetzt. Auf der Spezialseite „Torii: Markenzeichen der kami“ sind auch Beispiele von nicht-shintōistischen torii, sowie von „Verwandten“ der torii außerhalb Japans angeführt.
Abgesehen von den torii gibt es in größeren Schreinanlagen noch andere Kennzeichen religiöser Orte, etwa Laternen (tōrō [tōrō (jap.) 灯篭 Laterne, meist Stein oder Metall]) (s. dazu das Beispiel des Kasuga Schreins) oder Löwenhunde (komainu [komainu (jap.) 狛犬 wtl. „Korea-Hund“, auch „Löwenhund“; Wächterfigur vor religiösen Gebäuden]). Die meisten dieser Objekte stammen aus China und kamen mit dem Buddhismus nach Japan. Sie sind heute sowohl vor buddhistischen Tempeln als auch vor Shintō-Schreinen zu finden.
Götterseile und Zickzackpapier
Das vielleicht archaischste Merkmal des Shintō ist das shimenawa [shimenawa (jap.) 注連縄 shintōistisches „Götter-Seil“; geschlagene Taue aus Reisstroh.] („Götterseil“), das aus einfachem Stroh geflochten wird. Es symbolisiert die Anwesenheit eines Gottes oder einer göttlichen Kraft und ist häufig an der Front von Schreingebäuden oder an torii zu finden. Aber auch außerhalb von Schreinen stößt man immer wieder auf eindrucksvolle Bäume (shinboku [shinboku (jap.) 神木 Heiliger Baum]) oder Felsen, die durch ein Götterseil als Ort der kami gekennzeichnet sind. Shimenawa können sehr einfach oder kunstvoll geflochten sein. Oft sind sie mit Zickzack-Papierstreifen (shide [shide (jap.) 四手 Papierstreifen in Zickzackform, rituelles Emblem des Shintō]) versehen, die ebenfalls als ein Kennzeichen für den kami geweihte Objekte fungieren. Shide können auch an Stäben angebracht werden. Sie werden dann als gohei [gohei (jap.) 御幣 Papieropfergabe, Zickzack-Papier] bezeichnet und dienen als eine Art Opfergabe für die kami.
Zahlen
Laut offizieller Statistik gibt es in Japan 80- bis 90.000 Schreingemeinden, eine Zahl, die in etwa der Anzahl der in der Öffentlichkeit sichtbaren Schreinanlagen entsprechen dürfte (s. Grundbegriffe). Auf die Bevölkerung herunter gebrochen, bedeutet das etwa ein Schrein für knapp 1.500 Einwohner. Diese Zahl ist von einer vergleichbaren Größenordnung wie die Kirchen in Wien, wo eine Kirche auf ca. 2.000 Einwohner kommt.1 Rechnet man allerdings die beinahe ebenso hohe Zahl von buddhistischen Tempeln sowie christliche Einrichtungen hinzu, so muss man feststellen, dass die Anzahl religiöser Gebäude in Japan doch bedeutend höher ist als in Mitteleuropa.
Verweise
Verwandte Themen
Auf den folgenden Seiten werden einige repräsentative Schreine sowie weitere Bestandteile der Schreinarchitektur beschrieben. Shintō-Priester, die in allen größeren Schreinen zu finden sind, werden im Kapitel „Alltag und Praxis“ vorgestellt. Im Kapitel „Ikonographie“ erfährt man mehr über die Schreingottheiten, im Kapitel „Mythen“ sind die wichtigsten Göttermythen zusammengefasst. Allgemeines zum Thema Shintō findet sich im Kapitel „Grundbegriffe“.
Fußnoten
Literatur
Bilder
- ^ Schutzschrein des Tempels Chion-in, des Haupttempels der Jōdo-shū. Der Name bedeutet wtl. Gott des Nassen Haars, die Gottheit selbst soll ein Fuchs sein, der aber nicht identisch ist mit Inari; die Schreinanlage befindet sich im hinteren Teil der Tempelanlage. Trotz dieser spezifischen Details kann die Schreinanlage selbst als typisch für heutige Schreine angesehen werden.
Wikimedia Commons, 663highland, 2014. - ^ Das berühmte torii von Itsukushima bei Ebbe.
Meiji-Zeit, 1875. Miguel Michán, flickr, 2009.
Glossar