Geschichte/Amidismus: Unterschied zwischen den Versionen
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=== ''Tariki'', die „andere Kraft“ === | === ''Tariki'', die „andere Kraft“ === |
Version vom 14. April 2021, 16:15 Uhr
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Der Buddhismus [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)] vom Reinen Land ist die be·deu·tendste Re·form·be·wegung des ja·pa·nischen Mittel·alters. Er besteht aus einer radikalen Ver·ein·fachung der religiösen Praxis und aus der Kon·zentration auf ein paar wenige Glaubens·inhalte. Im Zentrum steht der Glaube an Amida (Buddha Amitābha [Amitābha (skt.) अमिताभ „Unermesslicher Glanz“ (jap. Amida 阿弥陀)]) und sein Reines Land [jōdo (jap.) 浄土 Reines Land, buddhistisches Paradies; auch gokuraku, Sukhavati], eine Art Vor·stufe des Nirvana. Die Re·form·bewegung hat ihre Wurzeln im Tendai [Tendai-shū (jap.) 天台宗 Tendai-Schule, chin. Tiantai] Bud·dhis·mus und reicht bis Mitte der Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit zurück. Im Laufe der Kamakura [Kamakura (jap.) 鎌倉 Stadt im Süden der Kantō Ebene, Sitz des Minamoto Shōgunats 1185–1333 (= Kamakura-Zeit)]-Zeit schlossen sich ihre Anhänger, die sog. Amidisten, zu ver·schiedenen häretischen Sekten (also Sekten, die nicht als recht·gläubig aner·kannt werden) zusammen. Auch wenn diese Sekten alle ein wenig unter·schied·lich aus·ge·richtet sind, kon·zen·triert sich ihr Glaube jeweils auf die gleichen Haupt·texte und auf ähn·liche religiöse Praktiken. Sie zielen noch stärker, als dies im Mahayana [Mahāyāna (skt.) महायान „Großes Fahrzeug“, buddhistische Richtung (jap. daijō bukkyō 大乗)] Bud·dhis·mus zuvor der Fall war, auf Laien·gläubige ab, die im gewöhn·lichen Alltags·leben stehen und dennoch ein Ver·langen nach bud·dhis·tischer Erlösung ver·spüren. Diese Hin·wendung zu den Laien hat wohl auch in anderen Ländern zu Erfolgen des Reinen Land Glaubens geführt, doch hat sich daraus wohl nirgends eine so starke ge·sell·schaft·liche Kraft entwickelt wie im mittel·alter·lichen Japan.
Theorie und Praxis
Im Zentrum des Amida Glaubens stehen drei Sutren [sūtra (skt.) सूत्र „Faden“, Lehrrede des Buddha, kanonische Schrift (jap. kyō 経 oder kyōten 経典)], das Große Amitabha Sutra (jap. Muryōju-kyō [Muryōju-kyō (jap.) 無量寿経 Großes Amida Sutra]), das Kleine Amitabha Sutra (jap. Amida-kyō [Amida-kyō (jap.) 阿弥陀経 Kleines Amida Sutra; wichtiger Text des Jōdo Buddhismus]) und das sog. Meditations-Sutra (jap. Kanmuryōju-kyō [Kanmuryōju-kyō (jap.) 観無量寿経 Meditations Sutra (wtl. „Sutra der Meditation über [den Buddha] des unbegrenzten Lebens“), ein elementarer Text des Amidismus]), die teil·weise aus dem Indien des zweiten Jahr·hunderts unserer Zeit·rech·nung stammen. Im Kern geht es darin um Amida [Amida (jap.) 阿弥陀 Buddha Amitabha; Hauptbuddha der Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū bzw. Jōdo Shinshū)] (skt. Amitabha [Amitābha (skt.) अमिताभ „Unermesslicher Glanz“ (jap. Amida 阿弥陀)]), der vor un·zähligen Erd·zeit·altern ein Prinz war, der Welt ent·sagte und ver·schiedene Gelübde tat, für den Fall dass er einst die Buddha·schaft er·rei·chen würde (nicht zufällig ent·hält diese Erzählung Parallelen zur Biografie Buddha Shakyamunis [Shaka (jap.) 釈迦 Buddha Shakyamuni, der historische Buddha; auch Shaka Nyorai], aber Amida lebte nach bud·dhis·tischer Auf·fas·sung viel früher). Amida schwor, ein „Reines Land“ (skt. Sukhavati [Sukhāvatī (skt.) सुखावती „Reines Land“, buddhistisches Paradies (jap. jōdo 浄土)], jap. jōdo [jōdo (jap.) 浄土 Reines Land, buddhistisches Paradies; auch gokuraku, Sukhavati]) im Westen zu er·rich·ten und dorthin alle die·jenigen zu „erretten“, die an ihn glauben.
Aus dem Reinen Land Amidas ent·wickelten sich Vor·stellungen, die stark an das Paradies der mono·theis·tischen Reli·gionen erinnern (s. dazu auch Jenseitsvorstellungen). Dieser (im Unterschied zum Nirvana [Nirvāṇa (skt.) निर्वाण „Erloschen, ausgelöscht“, Ort der Erlösung von allem Leid, absolutes Jenseits (jap. Nehan 涅槃)]) konkret fassbare Ort der Hoffnung war wahr·scheinlich ein ent·scheidender Faktor für die Breiten·wirkung des Amida-Glaubens. Die wichtigste Vor·aus·setzung, um ins Reine Land zu kommen ist der be·dingungs·lose „Glaube“ an Amida. Inner·halb des Amidismus existieren jedoch unter·schied·liche Auf·fassungen, worin sich der für die Er·rettung ins Reine Land not·wendige Glaube mani·festiert.
Nenbutsu
In Japan wurde vor allem die An·ru·fung von Amidas Namen als erfolg·ver·spre·chende Praxis ange·sehen, um ins Reine Land zu ge·langen. Man be·zeichnet diese Praxis als nenbutsu [nenbutsu (jap.) 念仏 Anrufung des Namens von Buddha Amida, Gebetsformel der Amida-Anhänger] (wtl. „Einge·denk·sein Buddhas“). Das nenbutsu äußert sich im Aus·sprechen der Formel namu amida butsu [namu amida butsu (jap.) 南無阿弥陀仏 in etwa: „Gelobt sei Buddha Amida“; Gebetsformel im Buddhismus des Reinen Landes] (in etwa: „Gelobt sei Buddha Amida“). Manche Rich·tun·gen des Amida Bud·dhis·mus setzten auf Quantität (tausend nenbutsu pro Tag), andere auf Qualität (ein nenbutsu, aber das im rich·tigen Glauben), es gab kollektive nenbutsu Gesänge und Tänze sowie das so·ge·nannte Toten·bett-nenbutsu, das für viele den ent·schei·denen Aus·schlag für die „Errettung“ im Jenseits darstellte.
Werk von Kōshō. 13. Jh. Rokuharamitsu-ji.
Werk von Kōshō. 13. Jh. Uncyclopedia, Wiki (jp.).
Einer der Pioniere des nenbutsu-Glaubens war der Heian-zeitliche Mönch Kūya [Kūya (jap.) 空也 Wanderprediger des 10. Jh.s], der das nenbutsu into·nierend durch die Lande zog und den ein·fachen Men·schen von der Gnade Amidas er·zählte. Er soll auch die Praxis des kollek·tiven nenbutsu-Tanzes ini·tiert haben und wurde zum Vorbild einer be·stimm·ten Form von ami·dis·tischen Wander·predigern, die sich später zur Ji-Sekte [Ji-shū (jap.) 時宗 Amida-Schulrichtung aus der Kamakura-Zeit, gegründet von Ippen] zusam·men·schlossen. Seine Hingebung an diese Form der Andacht inspirierte Künstler dazu, die sechs Silben des nenbutsu als einzelne Buddhas darzustellen, die dem Mund des heiligen Mannes entströmen.
Tariki, die „andere Kraft“
So einfach die Doktrin des Amidismus klingen mag, ihre japanischen Ver·fechter gehörten nicht nur zu den ge·lehrtesten Mönchen ihrer Zeit, sie schufen auch eine theo·logisch fun·dierte Be·grün·dung ihrer Be·vor·zugung des nenbutsu. Diese Be·grün·dung steht mit der bereits er·wähnten Vor·stellung des Nieder·gangs, bzw. der „Endzeit des Gesetzes“ (mappō [mappō (jap.) 末法 Endzeit des Dharma]) in Zu·sammen·hang (s. Heian-Zeit). Dieser Nieder·gang be·dingt nach Ansicht der Amidisten, dass an·spruchs·volle Mittel zur Er·lan·gung der Er·leuch·tung, wie sie aus den Leb·zeiten des his·tori·schen Buddha berichtet werden (Meditation, Verständnis der Lehre, Askese, usw.), nicht mehr ziel·führend sind, da die Menschen ihnen nicht mehr ge·wachsen sind. Den spiri·tuell kraftlos ge·wordenen Menschen bliebe nur noch die Möglichkeit, auf das Mitleid Amidas zu ver·trauen. Die Er·leuch·tung aus eigenen Kräften er·reichen zu wollen, kritisierten die Amidisten als An·maßung. Im Zu·sammen·hang mit den früheren an·spruchs·vollen Methoden, die Er·leuchtung zu er·langen, sprechen die Amidisten von jiriki [jiriki (jap.) 自力 wtl. eigene Kraft; buddhistisches Konzept] (eigener Kraft). Jiriki ist aber in der Endzeit nicht mehr mög·lich. Statt·dessen ge·währt Amida tariki [tariki (jap.) 他力 andere Kraft (helfende Kraft Amidas)] (andere Kraft), d.h. Erlösung ohne vor·her·gehende voll·kommene Einsicht, und ohne be·sondere (meditative, asketische) Techniken oder Studien. Wer sich voll Ver·trauen auf die „andere Kraft“ Amidas ver·lässt, wird in seinem Reinen Land wieder·ge·boren, egal wie weit sein Lebens·weg auch von kon·ven·tio·nellen Moral·vor·stellungen ent·fernt ist.
Die Einschätzung des Menschen als fun·damen·tal unwissendes, zur Er·leuch·tung un·fähiges (=sündhaftes) Wesen und die Be·tonung der Gnade einer höheren Macht als einziger Hoffnung ist häufig mit der Theologie Martin Luthers [Luther, Martin (west.) 1483–1546; christlicher Priester und Theologe; bedeutendster Vertreter der protestantischen Reformation im deutschspr. Raum] ver·glichen worden. In beiden Fällen gab wahr·schein·lich die Kritik am über·trieben kom·pli·zierten Lehr·ge·bäude und am leeren Formalis·mus der etablierten religiösen Eliten den Ausschlag für die Suche nach einer einfachen, direkten Form der Frömmig·keit. In beiden Fällen führte diese Lehre nicht nur zu theo·logischen, sondern auch zu sozialen Re·form·be·we·gungen, die teils einen anderen Ver·lauf nahmen, als dies von ihren Gründern vorgesehen war.
Japanische Gründerväter
In Japan gab es neben dem Wan·der·prediger Kūya (s. oben) schon in der Heian-Zeit viele Mönche, die die Nen·nung von Amidas Namen (nenbutsu) als besonders erfolg·ver·spre·chende Übung prak·ti·zier·ten und Gleich·gesinnte um sich scharten. Doch erst der Tendai-Mönch Hōnen [Hōnen (jap.) 法然 1133–1212; Gründer der Jōdo-shū, der Schule vom Reinen Land] (1133–1212) schuf aus dieser Praxis eine eigene Schule, die Jōdo-shū [Jōdo-shū (jap.) 浄土宗 Schule des Amida-Buddhismus] (Bud·dhis·mus vom Reinen Land). Der Glaube an Amida und sein para·die·sisches Land im Westen existierte also, wie wir auch den zahl·reichen ikono·graphi·schen Dar·stel·lungen Amidas ent·nehmen können, bereits vor Hōnen und blieb auch nach der Ent·stehung der Jōdo-shū bud·dhis·tisches All·ge·mein·gut in Japan. Die Ami·disten im engeren Sinne unter·scheiden sich nur durch die Aus·schließ·lich·keit, mit der sie sich Amida zuwenden, von anderen japani·schen Buddhisten.
Werk von Jōga. Kamakura-Zeit, 13.-14. Jh. Nara National Museum, Sasaki Shigeki, 2019.
Shinran [Shinran (jap.) 親鸞 1173–1262; Gründer der Jōdo Shin-Schule] (1173–1262), ein Schüler Hōnens, trieb die Kon·zep·tion des sün·digen Menschen, der lediglich durch Amidas „andere Kraft“ ins Reine Land eingeht, soweit, dass es bisweilen scheint, Sünder seien gerade·zu die prä·desti·nierten Subjekte der Wieder·geburt im Reinen Land. Er leugnete, dass die Ein·haltung der tradi·tionellen Mönchs·disziplin irgend·einen spiri·tuellen Vorteil brächte, und war der erste Mönch von Rang, der den bereits weit·gehend obsolet gewor·denen Zölibat öffent·lich zurück·wies und heiratete. Dies führte dazu, dass die sich auf Shinran zurück·führende Jōdo Shinshū [Jōdo Shinshū (jap.) 浄土真宗 Shin-Buddhismus, bzw. Jōdo Shin-Buddhismus; wtl. „Wahre Schule des Reinen Landes“] stets von seinen leib·lichen Nach·kommen angeführt wurde. In späterer Zeit ent·wickelte sich die Jōdo Shinshū zur zahlen·mäßig stärksten Richtung des japani·schen Bud·dhismus und ist dies bis heute ge·blieben. Das Zentrum der Jōdo Shinshū sind die beiden Tempel Nishi Hongan-ji [Nishi Hongan-ji (jap.) 西本願寺 Westlicher Hongan-Tempel in Kyōto; Haupttempel der Honganji-Linie des Jōdo-Shin Buddhismus; s.a. Östlicher Hongan-Tempel (Higashi Hongan-ji)] und Higashi Hongan-ji [Higashi Hongan-ji (jap.) 東本願寺 Östlicher Hongan-Tempel in Kyōto; Haupttempel der Ōtani-Linie des Jōdo-Shin Buddhismus; s.a. Westlicher Hongan-Tempel (Nishi Hongan-ji)] in Kyōto. Das Wort hongan [hongan (jap.) 本願 „Ureid“; zumeist Gelübde des Buddha Amida, alle Lebewesen zu retten], von dem sich diese Tempel·namen ableiten, be·zeichnet das Gelübde Amidas, auf das sich die Ami·disten berufen.
Die religionsgeschichtliche Bedeutung des Amidaglaubens
Obwohl Hōnen und Shinran heute als Gründer·väter von Jōdo-shū, bzw. Jōdo Shin-shū gelten, hat sich die Heraus·bildung dieser Rich·tungen histo·risch nicht mit einem Schlag ergeben. Hōnen und Shinran sind viel·mehr die wichtigsten Ver·treter einer ganzen Reihe von ja·pa·nischen Mönchen, die der bereits in der Heian-Zeit ein·setzenden Breiten·wirkung des Amida·glaubens einen theo·retischen Rahmen zu geben ver·suchten.
Schon Ende der Heian-Zeit wurde die soziale Spreng·kraft des radi·kalen Amidismus sichtbar. Indem er im Prinzip jedem er·mö·glichte, sich erleuchtet und damit über alle kon·ventio·nellen Wert·vor·stellungen er·haben zu fühlen, brachte er eine Reihe volks·tribun·artiger Führer hervor, die die breite Be·völke·rung gegen die eta·blierte geist·liche und welt·liche Ordnung auf·rührten. Radikale Amidisten wurden daher schon früh selbst inner·halb des sonst so toleranten Bud·dhis·mus mit den schärfsten Re·pres·sionen bedroht. Wer nicht bereit war, den Plura·lismus der etablierten Schulen zu teilen, dem wurde auch selbst keine Toleranz mehr zuteil (s. dazu Einführung, Buddhismus). Die radikalen Amidisten wurden im Mittel·alter kollektiv als Ikkō-shū [Ikkō-shū (jap.) 一向宗 Ikkō Sekte, eine Fraktion des Buddhismus vom Reinen Land ( Jōdo-shū)] („Schule der Einen Richtung“) bezeichnet, was ungefähr soviel wie „Fanatiker“, „Extremisten“ be·deutet haben muss und als ab·fällige Be·zeich·nung galt. Erst in späterer Zeit setzte sich die Be·zeich·nung Jōdo Shinshū für diese Richtung durch.
Kamakura-Zeit. Bildquelle: Makura no sōshi, (Blog), über Internet Archive.
Hōnen und Shinran standen den politischen Aus·wir·kungen ihres Glaubens offen·bar ambi·valent gegen·über. Sie betonten immer wieder, dass der Glaube an Amidas „andere Kraft“ (tariki) nicht zum Hoch·mut führen dürfe, dass man auch denen, die jiriki prakti·zierten, Respekt zollen müsse. Sie mahnten also ihre An·hänger zur Mäßigung. Wie weit diese Mah·nungen bloße Lippen·be·kennt·nisse aus Furcht vor Re·pres·sionen waren, ist schwer zu sagen. Jeden·falls waren beide, Hōnen und Shinran, selbst Opfer von Ver·fol·gungen und mussten zeit·weilig ins Exil. Viele ihrer Anhänger wurden wegen ihres Glaubens hingerichtet.
Es gab also auf der einen Seite Theoretiker wie Hōnen und Shinran, die sich bemühten, dem Amidismus im Rahmen des etablierten Bud·dhis·mus (= die Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō] Schulen, sowie Tendai und Shingon Buddhismus) einen Platz zu schaffen, und auf der anderen Seite Agitatoren, für die der Amidis·mus eher eine politische Be·freiungs·ideo·logie darstellte. In dieser Kategorie von Amidisten fanden sich aus·ge·beutete Bauern und der niedere Land·adel zu·sammen, um gegen die Zwänge der feudalen Adels·gesell·schaft zu revoltieren. Besonders die Muromachi [Muromachi (jap.) 室町 Stadtteil in Kyōto; Sitz des Ashikaga Shōgunats 1336–1573 (= Muromachi-Zeit)]-Zeit ist geprägt von den so·ge·nannten ikkō ikki [ikkō ikki (jap.) 一向一揆 Aufstände der Ikkō Anhänger; 15. und 16. Jh.] (Ikkō Aufständen), die von einer zu·nehmend organisierten religiösen An·hänger·schaft getragen waren. Die Stärke dieser späteren Jōdo Shinshū lag darin, dass sie imstande war, in Laien ein religiös motiviertes Ge·mein·schafts·gefühl zu ent·wickeln und sie straff zu orga·ni·sieren. Ihre ökonomische Basis bezog sie aus einer Art all·gemeiner Kirchen·steuer, im Gegen·satz zum Pacht·wesen der etablierten Klöster. Es war eine „grassroot-organization“ mit teil·weise egalitären Grund·sätzen, in der kaum ein Unter·schied zwischen Laien und Klerus existierte.
Frühe Edo-Zeit, 1611. Bildquelle: unbekannt.
Obwohl sowohl Hōnen als auch Shinran stets bestritten, eigene bud·dhis·tische Richtungen be·gründen zu wollen, bildeten sich Schüler·gruppen heraus, die ihre Lehren weiter·tradierten, Tempel gründeten und so die Konturen einer eigenen bud·dhis·tischen Richtung schufen. Rennyo [Rennyo (jap.) 蓮如 1415–1499; Mönch der Jōdo Shin-Schule] (1415-99), einem direkten Nachfahren Shinrans, gelang es schließ·lich, sich und seinen Familien·tempel Hongan-ji [Hongan-ji (jap.) 本願寺 Tempel in Kyōto; Haupttempel der Jōdo Shinshū; seit der Aufspaltung dieser Richtung im 17. Jh. gibt es eigentlich zwei, einen östlichen (Higashi Hongan-ji, Ōtani-ha) und einen westlichen (Nishi Hongan-ji, Honganji-ha)] als spirituelles und politisches Zentrum der Ikkō-shū zu etablieren. Dank der orga·ni·sato·rischen Stärke der Amidisten, kon·trol·lierten Rennyos Nach·folger im sech·zehnten Jahr·hundert ganze Land·striche und ver·wandelten Teile des politisch zer·splitterten Japan tat·sächlich in so etwas wie einen bud·dhis·tischen Gottes·staat. Die Ikkō-Bewegung schreckte auch keines·wegs vor Waffen·gewalt zurück, im Gegen·teil sie konnte es auch auf milit·ärischem Gebiet mit fast jedem Regional·fürst (Daimyō [Daimyō (jap.) 大名 Territorialfürst, Titel des Kriegeradels]) auf·nehmen. Erst Oda Nobunaga [Oda Nobunaga (jap.) 織田信長 1534–1582, Kriegsfürst, Reichseiniger] und Toyotomi Hideyoshi [Toyotomi Hideyoshi (jap.) 豊臣秀吉 1537–1598, Feldherr, militärischer Machthaber; bekannt als der zweite von drei Reichseinigern am Ende der „Zeit der kämpfenden Länder“ (Sengoku Jidai)], die mit bis dahin un·gesehener Bruta·lität gegen religiöse Insti·tutionen vorgingen, be·rei·teten der politischen Herr·schaft der Ikkō-shū ein Ende (siehe Reichseinigung). Unter Tokugawa Ieyasu [Tokugawa Ieyasu (jap.) 徳川家康 1543–1616; Begründer des Tokugawa Shogunats; Reichseiniger] wurde die mittler·weile moderat gewordene Sekte unter der Be·zeich·nung Jōdo Shinshū als offizielle bud·dhis·tische Richtung an·er·kannt, doch sorgte Ieyasu dafür, dass sie sich in zwei rivalisierende Gruppen (Nishi Hongan-ji und Higashi Hongan-ji) auf·spaltete und damit jeden Rest ihres rebellischen Potentials verlor. Ieyasu selbst gehörte im übrigen der sich auf Hōnen be·rufenden Jōdo-shū an, die in jeder Hinsicht moderater und mehr dem traditionellen Bud·dhis·mus ver·pflichtet war, als Shinrans Gefolge. Wie Ieyasu ge·hörten auch die meisten anderen Krieger·familien des Spät·mittel·alters und der Frühen Neu·zeit der Jōdo-shū (und nicht dem Zen-Buddhismus) an.
Es gab im übrigen innerhalb des Amidismus noch weitere Spiel·arten. Die Anhänger Ippens [Ippen (jap.) 1239–1289; Amida-Mönch und Gründer der Ji-shū] bildeten die Ji-shū [Ji-shū (jap.) 時宗 Amida-Schulrichtung aus der Kamakura-Zeit, gegründet von Ippen], die be·sonders unter Künstlern und Schau·stellern be·liebt war und der wahr·scheinlich auch die frühen Nō-Schauspieler angehörten. (Darauf deuten u.a. Namen wie Kan-ami, Ze-ami und On-ami hin; -ami steht für „Amida“.) Auch scheint das Ideal des Toten·bett-nenbutsu auch außer·halb amidistischer Sekten Gel·tung gehabt zu haben. Eine kursorische Lektüre von mittel·alterlichen Krieger·epen wie z.B. dem Heike monogatari [Heike monogatari (jap.) 平家物語 „Geschichte der Heike [= Taira]“; mittelalterliches Kriegerepos] zeigt, dass praktisch jeder fromme Laie im japanischen Mittelalter das nenbutsu zu seinen religiösen Praxis·formen zählte. Insbesondere Frauen scheinen sich von dieser Form des Bud·dhis·mus an·ge·sprochen gefühlt zu haben.
Verweise
Internetquellen
- Jōdo-shū
Sehr ausführliche und informative Homepage der japanischen Jōdo-shū auf Englisch. Enthält auch ein kleines japanisch-englisches Wörterbuch von wichtigen Jōdo Begriffen. - Amida Net – A Compehensive Website of Shin Buddhism, Hisao Inagaki (Zuio)
Mit Erläuterungen und Übersetzungen von Primärquellen ins Englische, einem Glossar buddhistischer Termini, etc.
Bilder
- ^ Kūya (903-72), ein Wanderprediger und Amida-Verehrer des 10.Jhs., beim Intonieren des nenbutsu, das sich in Form von sechs Buddha-Statuen manifestiert. Der Bildhauer stammt aus der Kei-Schule und war ein Sohn des berühmten Unkei.
Werk von Kōshō. 13. Jh. Rokuharamitsu-ji. - ^ Die sechs Zeichen des nenbutsu (Na-mu-A-mi-da-butsu) verwandeln sich in Kūyas Mund zu einzelnen Buddhas.
Werk von Kōshō. 13. Jh. Uncyclopedia, Wiki (jp.). - ^ Portrait des Mönchs Hōnen (1133–1212), des Begründers der Jōdo-shū.
Werk von Fujiwara no Takanobu (1142–1205). Kamakura-Zeit. Bildquelle: Unbekannt.
- ^ Der Ordensgründer Shinran (1173–1262) trägt hier ein schwarzes kesa, eine Gebetskette und eine zum Schal gefalteten Mönchskapuze (mōsu).
Werk von Jōga. Kamakura-Zeit, 13.-14. Jh. Nara National Museum, Sasaki Shigeki, 2019. - ^ Hōnen spricht zu einer gemischten Zuhörerschaft aus niederrangigen Mönchen und Nonnen, sowie Männern und Frauen in Alltagsgewand. Er geht dabei ganz offensichtlich auf deren individuelle Fragen ein.
Kamakura-Zeit. Bildquelle: Makura no sōshi, (Blog), über Internet Archive. - ^ Portrait des Mönchs Rennyo, eines Pioniers der Jōdo Shinshū.
Frühe Edo-Zeit, 1611. Bildquelle: unbekannt.
Glossar
- Higashi Hongan-ji 東本願寺 ^ Östlicher Hongan-Tempel in Kyōto; Haupttempel der Ōtani-Linie des Jōdo-Shin Buddhismus; s.a. Westlicher Hongan-Tempel (Nishi Hongan-ji)
- Hongan-ji 本願寺 ^ Tempel in Kyōto; Haupttempel der Jōdo Shinshū; seit der Aufspaltung dieser Richtung im 17. Jh. gibt es eigentlich zwei, einen östlichen (Higashi Hongan-ji, Ōtani-ha) und einen westlichen (Nishi Hongan-ji, Honganji-ha)
- Jōdo Shinshū 浄土真宗 ^ Shin-Buddhismus, bzw. Jōdo Shin-Buddhismus; wtl. „Wahre Schule des Reinen Landes“
- Kanmuryōju-kyō 観無量寿経 ^ Meditations Sutra (wtl. „Sutra der Meditation über [den Buddha] des unbegrenzten Lebens“), ein elementarer Text des Amidismus
- Luther, Martin (west.) ^ 1483–1546; christlicher Priester und Theologe; bedeutendster Vertreter der protestantischen Reformation im deutschspr. Raum
- Muryōju-kyō 無量寿経 ^ Großes Amida Sutra
- namu amida butsu 南無阿弥陀仏 ^ in etwa: „Gelobt sei Buddha Amida“; Gebetsformel im Buddhismus des Reinen Landes
- Nishi Hongan-ji 西本願寺 ^ Westlicher Hongan-Tempel in Kyōto; Haupttempel der Honganji-Linie des Jōdo-Shin Buddhismus; s.a. Östlicher Hongan-Tempel (Higashi Hongan-ji)
- Oda Nobunaga 織田信長 ^ 1534–1582, Kriegsfürst, Reichseiniger
- Toyotomi Hideyoshi 豊臣秀吉 ^ 1537–1598, Feldherr, militärischer Machthaber; bekannt als der zweite von drei Reichseinigern am Ende der „Zeit der kämpfenden Länder“ (Sengoku Jidai)