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In jedem Fall geht die Auf·wer·tung der [[Bauten/Ise_Izumo | Ise Schreine]] mit einer Abwer·tung von Ōkuni·nushis Schrei·nen in Izumo und Miwa einher. Ōkuni·nushi findet jedoch auf dem Um·weg über den Bud·dhis·mus zu einer neuen Iden·tität, um sich schließ·lich erneut als Glücksgott Daikoku im religiö·sen Pantheon Japans zu behaup·ten. Zu·gleich scheint es, als ob er seine Rolle als Be·schüt·zer des poli·ti·schen Zentrums (Hüter des „Dämo·nen·tores“), die er unter Sujin erstmals über·tra·gen bekommt, auf stille, un·spek·taku·läre Weise auch in Kyōto und Edo wahr·nimmt. | In jedem Fall geht die Auf·wer·tung der [[Bauten/Ise_Izumo | Ise Schreine]] mit einer Abwer·tung von Ōkuni·nushis Schrei·nen in Izumo und Miwa einher. Ōkuni·nushi findet jedoch auf dem Um·weg über den Bud·dhis·mus zu einer neuen Iden·tität, um sich schließ·lich erneut als Glücksgott Daikoku im religiö·sen Pantheon Japans zu behaup·ten. Zu·gleich scheint es, als ob er seine Rolle als Be·schüt·zer des poli·ti·schen Zentrums (Hüter des „Dämo·nen·tores“), die er unter Sujin erstmals über·tra·gen bekommt, auf stille, un·spek·taku·läre Weise auch in Kyōto und Edo wahr·nimmt. | ||
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Version vom 20. September 2020, 14:59 Uhr
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Ōkuninushi [Ōkuninushi (jap.) 大国主 mythol. Gottheit; wtl. Großer Meister des Landes], wtl. der „Große Landes·herr“, ist eine der rätsel·haftes·ten und facet·ten·reichs·ten Gestal·ten des japa·nischen kami [kami (jap.) 神 Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō]-Pan·theons. Er taucht in den Mythen zu·nächst als legi·timer Nach·folger von Susanoo [Susanoo (jap.) 須佐之男/素戔男 mytholog. Gottheit; Trickster-Gott, Sturmgott, Mondgott; Bruder der Amaterasu] und Haupt·gott der „irdi·schen Götter“ auf. Damit stellt er das Gegen·stück zu den Nach·kommen von Susanoos Schwester Amaterasu [Amaterasu (jap.) 天照 Sonnengottheit; Ahnherrin des Tennō-Geschlechts; Hauptgottheit von Ise], der Haupt·gott·heit der „himm·lischen Götter“, dar. Obwohl er sich gemäß offizieller Lesart dem Herr·schafts·an·spruch der himm·lischen Götter kampf·los unter·wirft, bleibt er als eine Art Gegen·modell zum kaiser·lichen Ahnen·kult der Sonnen·gott·heit die gesamte japanische Religions·geschichte hindurch in Erinne·rung. Dabei kommt es aller·dings zu er·staun·lichen Ände·rungen in Funktion und Er·schei·nungs·bild dieses Gottes. Diese Ver·ände·rungen werden im fol·genden anhand der wichtig·sten Schreine, in denen er heute verehrt wird, über·blick·sartig dar·gestellt.
Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Museum of Fine Arts, Boston.
Name und Herkunft
Das erste Rätsel dieses Gottes stellen seine vielen Namen dar. Bereits in den frühen Chroniken (kiki [kiki (jap.) 記紀 Sammelbezeichnung für KojiKI und Nihon shoKI (ki, Bericht, ist jeweils mit einem leicht abweichenden Zeichen geschrieben)]) wird er mit einer Gott·heit namens Ōna·muchi oder Ōna·muji gleich·gesetzt, was wiederum nach einer geläufigen Auslegung als „Träger großer/ vie·ler Namen“ über·setzt werden kann. Anderen Inter·preta·tionen zufolge bedeutet Ōna·muchi nicht viel mehr als „Großer Herr“ oder aber „Gott des großen Lochs“ (ō-ana), was wiederum auf einen Vulkangott hindeuten könnte.1 Außerdem wird Ōkuni·nushi bereits in alten Texten mit Gott·heiten wie „Geist des Großen Landes“ (Ōkuni·tama), „Geist des Sicht·ba·ren Landes“ (Utsushi kunitama) oder als „Großer Herr der Dinge“ (Ōmono·nushi) identifiziert.2 Der Ein·fach·heit halber be·schrän·ke ich mich im Folgenden weit·gehend auf Ōkuninushi („Groß-Land-Herr“), was zumindest heute sein be·kann·tester Namen ist.
Ōkuninushi ist den Mythen zufolge ein Nach·komme des Susanoo [Susanoo (jap.) 須佐之男/素戔男 mytholog. Gottheit; Trickster-Gott, Sturmgott, Mondgott; Bruder der Amaterasu].3 Einige Episoden des Kojiki [Kojiki (jap.) 古事記 „Aufzeichnung alter Begebenheiten“; älteste jap. Chronik (712)], die von der Jugend des Ōkuninushi erzählen (s.u.), spielen in der Gegend von Izumo [Izumo (jap.) 出雲 alter Namen der Präfektur Shimane in West-Japan; auch kurz für Izumo Taisha] (heute Präfektur Shimane), sodass man dort auch den Ursprung der mytho·lo·gischen Gestalt vermuten könnte. Doch findet sich Ōkuninushi auch in regionalen Quellen (fudoki [fudoki (jap.) 風土記 Lokalchronik]), die ihn aus anderen Regionen, ja sogar aus dem koreanischen Fest·land herleiten. Was diese Gestalten in jedem Fall eint, ist ihre Funktion als mächtige „irdische“ Gott·heit (kuni-tsu-kami [kuni-tsu-kami (jap.) 国津神 Götter der Erde]). Ōkuninushi repräsentiert daher aus meiner Sicht eine pro·to·typische Lokal·gott·heit, die nicht der mytho·logi·schen Genea·logie des Tennō [Tennō (jap.) 天皇 jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels]-Hauses ent·stammt. Dieser Gott·heit verlieh man, wie im fol·genden gezeigt wird, in Izumo, Miwa und schließ·lich im Yamato-Mythos von der Herab·kunft des Himm·lischen Enkels spezi·fische Cha·rak·teris·tika. Es blieb aber nicht bei diesen mytho·logi·schen Rollen, Ōkuni·nushi ent·wickelte sich auch unter bud·dhis·tischem Einfluss bis in die Mo·derne hinein weiter.
Izumo Sagenkreis
Aufstieg zum „Herren des Landes“
20.Jh. Bildquelle: Jack Lin, Picasa 2006.
Der Name „Großer Landes·herr“ ist laut Kojiki eine Aus·zeich·nung, die sich Ōkuni·nushi erst nach einer Viel·zahl von Qualen und Prü·fun·gen durch Geschick, Glück und Grau·sam·keit erwirbt. Wir be·geg·nen dem noch ju·gend·lichen Gott, als er sich mit seinen 80 älte·ren Halb·brü·dern auf dem Weg von Izumo in die Nach·bar·pro·vinz Inaba [Inaba (jap.) 因幡 alte jap. Provinz in Zentraljapan] befin·det. Seine Brü·der wollen die Prin·zes·sin von Inaba freien und neh·men Ōkuni·nushi als Diener und Lauf·bur·schen mit. Unter·wegs heilt Ōkuni·nushi einen Ha·sen, wel·cher von See·un·ge·heu·ern (jap. wani [wani (jap.) 鰐 Meeresungeheuer; Krokodil; Hai] = Kroko·dil? Dra·chen?) sei·nes Pelzes beraubt worden ist. Der dank·bare Hase pro·phe·zeiht (bzw. bewirkt), dass die Prin·zessin Ōkuni·nushi zum Gatten er·wäh·len wird.4 Als die Prin·zes·sin tat·sächlich Ōkuni·nushi den Vorzug vor seinen Brüdern gibt, locken sie ihn zwei·mal in eine Falle, um ihn zu töten. Beide Male gelingt der An·schlag, doch beide Male wird Ōkuni·nushi mit Hilfe seiner Mutter und der Götter des Himmels wieder zum Leben erweckt.
Um seinen eifer·süch·tigen Brüdern zu ent·kommen, begibt sich Ōkuni·nushi in die Unter·welt (Ne no Kuni [Ne no Kuni (jap.) 根の国 wtl. Wurzelland, auch Ne no Katasukuni 根之堅州國; Unterwelt], wtl. „Wurzelland“), wo sein Vorfahre/ Vater Susanoo mittler·weile die Herr·schaft über·nommen hat. Doch damit haben seine Schwie·rig·keiten immer noch kein Ende. Wieder führt Ōkuni·nushis Sex·appeal zu einem Zwist mit einem männ·lichen Ver·wandten: diesmal geht es um Suseri-hime [Suseri-hime (jap.) 須勢理毘売 Tochter Susanoos, Ehefrau Ōkuninushis], ihrer·seits eine Tochter des Susanoo und damit Halb·schwester oder Cousine von Ōkuninushi. Die beiden verlieben sich, doch bevor sie unge·stört zu·sammen sein können, unter·wirft der eifer·süch·tige Susanoo seinen Nach·kommen einer Reihe von brutalen (Initiations-?)Auf·gaben, in denen sich dieser gegen Schlangen, Bienen und schließ·lich gegen einen Busch·brand be·haupten muss. All diese Aufgaben meistert Ōkuni·nushi dank Suseri-hime und einer Maus. Schluss·endlich muss Ōkuninushi Susanoo lausen, lullt ihn dabei in den Schlaf, stiehlt seine Waffen und flieht mit Suseri-hime aus der Unter·welt. Susanoo erwacht jedoch und ruft den Flüch·ten·den erst·mals mit dem Namen Ōkuninushi, „Großer Herr des Landes“. Offen·bar er·kennt er damit die Herr·schafts·an·sprüche an, die sich Ōkuni·nushi durch List und Tücke erwor·ben hat.
Schöpfungsakte
Zurück auf der Erde tötet Ōkuninushi zunächst seine Halb·brüder mit den Waffen des Susanoo, und zeugt dann mit den ver·schiedensten Prinzessinnen jede Menge von Kindern (180 laut Kojiki, 181 laut Nihon shoki). Schließ·lich bekommt er einen Gefährten zur Seite gestellt, einen winzigen Gott namens Sukunabikona [Sukunabikona (jap.) 少名毘古那 winzige Gottheit, Gefährte oder alter ego von Ōkuninushi, auch: Sukunahikona]5, laut einer Version ein verloren ge·glaubter Sohn des himmlischen Ahnen·gottes Takamimusubi [Takamimusubi (jap.) 高御産巣日神 einer der „drei Kami der Schöpfung“, Himmelsgottheit], laut einer anderen eine Art alter ego von Ōkuninushi selbst. Mit Sukunabikona führt Ōkuninushi das von Izanami [Izanami (jap.) 伊耶那美/伊奘冉 Göttermutter, Göttin der Unterwelt (mi hier weibliche Endung); Schwester und Frau des Izanagi] und Izanagi [Izanagi (jap.) 伊耶那岐/伊奘諾 Göttervater; auch Izanaki (ki hier männliche Endung); Bruder und Mann von Izanami] begonnene Werk der Welten·schöpfung zu Ende. Inwiefern die Welt nach Ōkuninushi anders aus·sieht als zuvor, wird nicht genau spezifiziert. Laut dem Izumo fudoki [Izumo fudoki (jap.) 出雲風土記 Lokalchronik von Izumo, 733], einer frag·mentarischen Lokal·chronik aus dem Jahr 733, ver·größert al·ler·dings ein Alias des Ōkuninushi die Provinz Izumo, indem er einen Teil des koreanischen König·reichs Silla mit Hilfe eines Seils über das Meer nach Japan zieht.6
Werk von Utagawa Kuniyoshi. Waseda University.
Heilkraft
Ein hervor·stechender Aspekt des Paares Ōkuninushi und Sukunabikona ist ihre Fähigkeit Krank·heiten zu heilen. Schon im Nihon shoki werden sie als Erfinder der Heil·kunst und des Abwehr·zaubers gegen schädliche Tiere dar·ge·stellt. In vielen Lokal·chroniken werden sie für die Ent·deckung der ältesten Heil·quellen Japans ver·ant·wortlich gemacht. In der Heian-Zeit wurde Ōkuninushi aus diesem Grund auch mit Yakushi Nyorai [Yakushi Nyorai (jap.) 薬師如来 Buddha der Medizin; skt. Bhaisajyaguru], dem Buddha [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)] der Medizin, identifiziert, bzw. von diesem als Gott der Heil·kunst über·schattet (Antoni 1982, S. 30–31).7 Wie wir noch sehen werden, tritt Ōkuninushi außer·dem als Ver·ur·sacher einer schreck·lichen Epidemie prominent in Er·schei·nung.
Mythologische Deutungen
Bis hier her folgt die Geschichte des Ōkuninushi einem Muster, das aus vielen Märchen bekannt ist: der Held, der jüngste einer Reihe von Geschwistern, wird zahl·reichen Gefahren und Demütigungen aus·ge·setzt, über·windet diese mit viel List und dank der Sympathie weib·licher Unter·stützer und triumphiert schluss·endlich über seine Peiniger. In der Art, wie er sich mehr durch Glück und Schläue als durch Stärke gegen seine Wider·sacher durch·setzt, kann er, ähnlich wie Susanoo, als Trickster-Figur angesehen werden.
Auch andere my·tho·lo·gische Deu·tungen sind möglich. Klaus Antoni (1982) deutet etwa die Geschichte des wieder·belebten „Weißen (= nackten) Hasen von Inaba“ als Mythos vom ab·nehmenden und zu·nehmenden Mond. Mir geht es aber an dieser Stelle vor allem um den Stellen·wert, den Ōkuninushi in den ver·schiedenen Schreinen, in denen er ver·ehrt wurde, zugesprochen bekam.
In Ōkuninushis komplizierten Familien·verhält·nissen deutet sich an, dass eine ur·sprüng·lich eigen·ständige Erzählung aus Izumo über die Figur des Susanoo mit der Yamato-Mythologie ver·bunden wurde. Susanoos Kampf mit der Schlange und Ōkuninushis Kampf gegen seine Brüder gehörten ur·sprüng·lich wahr·schein·lich ganz unter·schied·lichen Erzählungen an. Auch der Akt der Welten·schöpfung in Kooperation mit Sukunabikona passt weder mit den Welt·ent·stehungs·mythen von Izanagi und Izanami noch mit der Vor·geschichte des Ōkuninushi wirklich zusammen. Im übrigen ver·zichtet das Nihon shoki weit·gehend auf die Details dieser Geschichte. Die Episode der achtzig Brüder und des „Hasen von Inaba“ findet sich nur im Kojiki. Das Nihon shoki wiederum konzentriert sich mehr auf das Ende von Ōkuninushis Herr·schaft, in Japan als kuniyuzuri [kuniyuzuri (jap.) 国譲り wtl. Landübergabe, Inbesitznahme des Landes (Japan) durch die Nachfahren des Sonnengeschlechts] („Übergabe des Landes“) bekannt. Aus dieser Perspektive vertritt Ōkuninushi all jene bar·barischen „Götter der Erde“ (kuni-tsu-kami [kuni-tsu-kami (jap.) 国津神 Götter der Erde]), die durch die Her·ab·kunft des himmlischen Enkels einer höheren Ordnung zugeführt werden sollen.
Yamato-Mythos
Unterwerfung des Ōkuninushi
In der Logik kiki [kiki (jap.) 記紀 Sammelbezeichnung für KojiKI und Nihon shoKI (ki, Bericht, ist jeweils mit einem leicht abweichenden Zeichen geschrieben)] herrschen unter Ōkuninushi, trotz seiner schöp·fe·rischen Qualitäten, an·ar·chis·tische Zu·stände, die sich unter anderem da·durch äußern, dass Felsen, Bäume und Gräser sprechen können und un·unter·brochen durch·ein·ander·quasseln. Die „Befriedung“ dieser unbot·mäßigen Götter wird erst erreicht, als die himmlischen Götter (ama-tsu-kami [ama-tsu-kami (jap.) 天津神 Götter des Himmels; mytholog. Gottheiten]) Ōkuninushis Herr·schaft auf Erden über·nehmen.8
Ōkuninushis Ab·dan·kung ist Kojiki und Nihon shoki zufolge das Ergebnis diplomatischer Ver·hand·lungen: Zwei Ab·ge·sandte des Himmels 9 erscheinen an den Gestaden von Izumo, stellen ihre Schwerter aufrecht auf die Wellen·kämme und nehmen darauf Platz. Durch diese Demonstration ihrer über·legenen Fähigkeiten überzeugen sie Ōkuninushi und seinen Sohn und Thronfolger Kotoshiro-nushi [Kotoshiro-nushi (jap.) 事代主 mythol. Gottheit; Sohn und Thronfolger des Ōkuninushi; in etwa „Meister des Wortwissens“], dass es wohl das Klügste wäre, das Feld kampf·los zu räumen. Zuvor handelt Ōkuninushi aber noch die Er·richtung eines Palastes für sich aus, dessen Giebelhölzer (nach der Version des Kojiki) bis zum Himmel emporreichen. In diesen Palast, an dessen Stelle sich heute der Großschrein von Izumo [Izumo Taisha (jap.) 出雲大社 Großschrein von Izumo (Präfektur Shimane)] be·findet, will er sich zurück·ziehen, um von nun an die „ver·borgenen Dinge“ zu leiten. Auch heißt es, dass er sich auf die „nicht hundert, sondern achtzig ge·wundenen Pfade“ (momo tarazu yaso kumade) begeben wird, möglicher·weise eine Metapher für die Unter·welt. Damit verlässt Ōkuninushi zu·nächst einmal die Bühne der Geschichte. Ein paar auf·müpfige irdische Götter aus seinem Gefolge, u.a. die vor·lauten Steine und Bäume, werden noch schnell un·schäd·lich gemacht, dann steht dem triumphalen Ein·zug von Amaterasus Enkel Ninigi [Ninigi (jap.) 瓊瓊杵 mytholog. Gottheit, Enkel Amaterasus] nichts mehr im Wege.
Yamato und Izumo
Der my·tho·lo·gische Gegen·satz von „irdischen“ und „himmlischen“ Gott·heiten kann als Metapher für unter·schiedliche Herr·schafts·gebiete aufgefasst werden. Yamato [Yamato (jap.) 大和/倭 Kernland der Tennō-Dynastie in Zentraljapan (Präfektur Nara); archaischer Name für Japan], das Kern·land der Tennō-Dynastie, wird dem·nach von den himmlischen Göttern (ama-tsu-kami) be·herrscht, die anderen Territorien, allen voran Izumo, von den irdischen Göttern (kuni-tsu-kami). Die Schilderung von Ōkuninushis Ab·dankung re·präsentiert somit den Prozess, im Zuge dessen sich die ver·schie·denen Lokal·reiche der Ober·ho·heit Yamatos unter·warfen. Obwohl diese Ereignisse teil·weise hinter rätsel·haften Bildern und Aus·drücken ver·schleiert werden, fällt auf, dass Gewalt·aspekte dabei soweit als möglich her·unter ge·spielt werden. Ōkuninushi „zieht sich zurück“, ein himmlischer Gott 10 tritt in seinen „Dienst“, was aber wohl bedeutet, dass er als eine Art Regent die Herrschaft über Izumo über·nimmt. Neuere arch·äo·logische Forschungen setzen diese Ent·wicklung relativ spät, nämlich erst im siebenten und achten Jahr·hun·dert an (Piggott 1989). Tat·säch·lich dürfte die Ent·wick·lung weit·gehend friedlich ver·laufen sein. Offen·bar brachte erst die Union mit Yamato interne Rivalitäten in Izumo zum Er·liegen und sicherte so den Yamato-treuen Lokal·herrn eine größere Autorität über Izumo, wenn auch um den Preis, dass sie die Hegemonie Yamatos anerkannten.
Die neuen Lokal·herren, die laut den Chroniken durch die „himmlischen Götter“ (= Yamato) ein·ge·setzt wurden, sind im übrigen die Ahnen der späteren Priester von Izumo, die ihr Amt bis heute erblich weiter·geben. Sie schmücken sich mit der Amts·bezeichnung kokuzō, ein Titel, der ur·sprüng·lich kuni no miyatsuko [kuni no miyatsuko (jap.) 国造 frühzeitlicher japanischer Titel, Provinzverwalter; spätere Lesung: kokuzō] aus·ge·sprochen wurde und soviel wie „Gouverneur“ bedeutete. Dass dieses Priester·geschlecht sich tat·säch·lich aus einer frühen weltlichen Dynastie, nämlich dem Klan der Ou, ent·wickelte, gilt heute als historisch gesichert. Erst langsam wurde aus dem Palast von Izumo ein Schrein und aus den Landes·herren ein aus·schließ·lich auf religiöse Aufgaben beschränktes Priester·geschlecht. Diese Dynastie, die im Mittelalter den Namen Senge [Senge (jap.) 千家 Priestergeschlecht des Großschreins von Izumo] angenommen hat, ist somit historisch wie mythologisch mindestens ebenso alt wie die Tennō-Dynastie (der gegen·wärtige Ober·priester ist das 84. Ober·haupt der Familie seit ihrer mythologischen Gründung). Obwohl ur·sprüng·lich von Yamato ein·ge·setzt, gilt ihr religiöser Dienst den „irdischen Göttern“ und Ōkuninushi. Auf diese Weise ist bis heute die Erinnerung an ein kami-Pantheon lebendig, das nicht von den Vor·fahren des Tennō regiert wurde. Nach „offizieller“ Lesart ist der Komplex Izumo-Ōkuninushi-Senge dem Komplex Ise-Amaterasu-Tennō hier·archisch unter·geordnet. Dass diese offizielle Lesart aber selbst erst das Produkt einer wechsel·haften Geschichte ist, die bis in historische Zeiten (also die Zeit der Ab·fassung der frühesten Schrift·quellen) hin·ein·reicht, zeigt die folgende Geschichte des Miwa Schreins.
Miwa Sagenkreis
Ōkuninushis Zweitwohnsitz
Als mächtige Gott·heit außerhalb des ursprünglichen Herr·schafts·gebietes von Yamato blieb Ōkuni·nushi wohl auch nach der Anne·xion Izumos ein Faktor der Unsicher·heit für den frühen japa·nischen Staat. Dies würde jeden·falls erklä·ren, warum man sich offen·bar schon früh be·mühte, Ōkuni·nushi eine Ver·ehrungs·stätte in Yamato zu er·rich·ten, näm·lich den Schrein von (Ō)Miwa [Ōmiwa Jinja (jap.) 大神神社 Ōmiwa Schrein, auch Miwa Schrein, nahe Nara; einer der ältesten Schreine Japans]. Es ist dies das erste expli·zit für religiöse Zwecke vor·be·hal·tene Ge·bäude, das in den mytho-his·tori·schen Chroni·ken Kojiki und Nihon shoki erwähnt wird (im Fall von Izumo bleibt offen, ob es sich um einen Palast für einen leben·den Herr·scher oder um ein Ge·bäude für eine un·sicht·bare Gott·heit han·delt). Inso·fern lässt sich argu·men·tie·ren, der Schrein von Miwa, der noch heute exis·tiert und sich süd·lich der alten Haupt·stadt Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō] be·fin·det, stelle den ältes·ten Schrein Japans dar. 11
Sujins religiöse Reformen
Die Chroniken verorten die Gründung des Miwa Schreins in der Regierungs·zeit Sujins [Sujin Tennō (jap.) 崇神天皇 97–30 v.u.Z. (mythol. Regierungszeit); 10. japanischer Kaiser], des 10. Tennō (mythol. Regie·rungszeit 97–30 v.u.Z.), die von heu·ti·gen His·tori·kern in der Zeit um 300 u.Z. an·ge·sie·delt wird (Kidder 2007). Sujins Herr·schaft ist an·fäng·lich von einer schreck·lichen Epide·mie geprägt, welche die Hälfte der Be·völ·ke·rung hin·weg·rafft. Sujin ver·mutet die Ursache dieser Epide·mie in der Krän·kung einer Gott·heit und unter·nimmt alle erdenk·lichen Ver·suche um her·aus·zu·be·kom·men, um welche Gott·heit es sich han·delt. Schließ·lich offen·bart sich ihm Ōmononushi [Ōmononushi (jap.) 大物主 Gottheit des Schreins von [Ō]Miwa] (also Ōkuninushi unter einem seiner Zweit·na·men, s.o.) im Traum und ver·spricht, dass die Epide·mie ein Ende haben werde, wenn der Tennō seinen Nach·kom·men, einen ge·wis·sen Ōtataneko [Ōtataneko (jap.) 大田田根子 Hohepriester und Ahnherr der Priester von Miwa] an seinen Hof riefe, um den Kult für Ōmono·nushi zu über·neh·men. Besag·ter Ōtata·neko wird in einer Nach·bar·pro·vinz tat·säch·lich gefunden. Als er in der Resi·denz des Tennō den Dienst für die Gott·heit auf·nimmt, endet die Epide·mie wie vor·her·gesagt.
Ōtataneko gilt als der Ahnherr der Priester von Miwa (ein weiteres ural·tes Pries·ter·ge·schlecht). Es war also zu Sujins Zeiten not·wen·dig, für die neu·artige Gott·heit einen männ·lichen Priester aus einer Nach·bar·pro·vinz einzu·bür·gern. Ōmono·nushi alias Ōkuni·nushi wurde aber auch von einer Yamato-Pries·terin betreut, einer Tante des Tennō, die diesem als eine Art Priester-Shamanin zur Seite stand. Laut den Chroni·ken wird diese Pries·terin mit Ōkuni·nushi „ver·hei·ra·tet“. (Man erin·nere sich an die sagen·hafte sexuelle Potenz dieses Gottes.) Die Ehe ver·läuft anfangs glück·lich, doch leidet die Pries·terin darun·ter, dass sie ihren Gatten unter Tags nicht sehen kann. Auf ihr Flehen ver·spricht Ōkuni·nushi, sich ihr in seiner wahren Gestalt zu offen·ba·ren, wenn sie ver·spricht, nicht zu er·schrecken. Sie willigt ein, worauf er sie an·weist, am näch·sten Morgen ihr Kamm·kästchen zu öffnen. Sie tut wie ihr geheißen und findet in ihrem Kamm·kästchen „eine hübsche weiße Schlange“, deren Anblick sie zu einem un·will·kür·lichen Schrei des Entset·zens nötigt. Ōkuni·nushi nimmt da·rauf·hin menschliche Gestalt an und ver·kün·det, dass er sich infolge dieser Beschä·mung auf den Berg Mimoro zurück·zie·hen wird.12 Die Prin·zes·sin aber begeht Selbst·mord, indem sie sich ihre Vagina mit Ess·stäbchen durch·bohrt. 13 Sie erhält da·rauf·hin ein mäch·tiges Hügel·grab namens Hashihaka [Hashihaka (jap.) 箸墓 wtl. Essstäbchen-Grab; Hügelgrab aus dem 4. Jh. nahe Berg Miwa] (das „Essstäbchen-Grab“), das heute noch in der Nähe von Berg Mimuro [Mimuro (jap.) 三室 anderer Name für Berg Miwa in der heutigen Präfektur Nara] (= Berg Miwa) exis·tiert. Dem Gott Ōmono-(bzw. Ōkuni-)nushi aber wird am Fuße dieses Berges besag·ter Schrein von Miwa er·rich·tet.
Ōkuninushis Sitz in Miwa ist damit nach my·tho·lo·gischen Maßstäben älter als die erste Ver·eh·rungs·stätte für Amaterasu. Erst eine Gene·ra·tion später, unter Suinin Tennō [Suinin Tennō (jap.) 垂仁天皇 11. kaiserl. Herrscher Japans, leg. Regiergungszeit 29 v.–70 n.u.Z.], wird die kai·ser·liche Prin·zes·sin Yamato-hime [Yamato-hime (jap.) 倭姫(倭比売) Mytholog. Priesterin der Amaterasu, Tochter von Suinin Tennō] damit beauf·tragt, einen per·ma·nen·ten Wohn·sitz (Schrein) für Amaterasu aus·fin·dig zu machen und findet schließ·lich einen geeigne·ten Platz in Ise. Suinin hat (laut Kojiki) auch einen Sohn, der auf·grund eines Fluches des Gottes von Izumo stumm ist. Erst als dieser Sohn nach Izumo pilgert, wird der Fluch von ihm genom·men und er spricht von einem Moment zum ande·ren. Als Dank lässt Suinin den heuti·gen Izumo Schrein für den Gott von Izumo errich·ten. Dieser Über·lie·fer·ung zu·folge gab es also vor Suinin weder in Ise noch in Izumo einen Schrein.
Hierogamie
Zwischen dem Ende von Ōkuninushis irdischer Herr·schaft mit dem Zentrum in Izumo und der Errich·tung eines Schreins für ihn, alias Ōmono·nushi, in Miwa liegen laut mytholo·gi·scher Chro·nik drei·zehn Herr·schaft·perio·den von Nach·kom·men der Amaterasu: am Anfang steht Ninigi, der „himm·lische Enkel“, auf den vier Gene·ra·tio·nen später Jinmu [Jinmu Tennō (jap.) 神武天皇 wtl. „göttlicher Krieger“; gemäß den japanischen Mythen der erste menschliche Herrscher (Tennō) Japans; eigentlicher Name: Kami Yamato Iware-hiko no Sumera Mikoto 神日本磐余彦天皇 (Nihon shoki)], der erste „mensch·liche Herr·scher“, und wei·tere Tennō folgen. Ōkuni·nushi/Ōmono·nushi treibt sich in dieser Zeit·spanne offen·bar in unsicht·ba·rer Form weiter auf Erden umher und zeugt ge·le·gent·lich immer noch Nach·kom·men. So zählt auch die Haupt·frau des Jinmu Tennō, also die „erste Kai·se·rin“ Japans, zu den Töchtern Ōkuninushis. Ōkuni·nushi soll ihre Mutter laut Kojiki in Form eines roten Pfeils ge·schwän·gert haben und zwar als diese in einem Bach ihren Darm ent·leerte. Auch die Mutter des Ōtata·neko (des ersten Miwa-Pries·ters) soll dem Kojiki zufolge näch·tens von einem Unbe·kann·ten geschwän·gert worden sein, der schließ·lich als der Gott von Miwa iden·tifi·ziert wird (Philippi 1969, ch. 66). Wir begeg·nen also in den Legen·den des Ōkuni·nushi mehr·fach dem Motiv der Hieroga·mie, also der Heirat zwischen Gott·heit (in der phal·li·schen Gestalt eines Pfeils oder einer Schlange) und Pries·terin. Viele japa·nische Volks·kund·ler erblicken in dieser Hieroga·mie eine Form des frühen weib·lichen Shama·nis·mus in Japan.
Sake
Die Identität des „Großen Herren der Dinge/Geister“ (Ōmononushi) von Miwa und des „Großen Lan·des·her·ren“ (Ōkuni·nushi) von Izumo erscheint aufgrund wider·sprüch·licher Berichte in Kojiki und Nihon shoki mitun·ter frag·lich und wird, wie oben erwähnt, bis·wei·len in Zwei·fel gezo·gen (obwohl sie von den heu·ti·gen Schrei·nen durchaus aner·kannt wird). Wie Klaus Antoni gezeigt hat, gibt es jedoch noch ein wei·te·res Binde·glied zwi·schen Izumo und Miwa, näm·lich die Pro·duk·tion von alkoho·li·schen Geträn·ken (Sake [Sake (jap.) 酒 Reiswein]). Heute wird vor allem Miwa [Miwa (jap.) 三輪 Ort im südl. Nara-Becken; wtl. „drei Ringe“; Kurzbez. für den Ōmiwa Jinja] (neben den Schrei·nen Matsunoo [Matsunoo Taisha (jap.) 松尾大社 Matsunoo Schrein (auch: Matsuo Schrein), Kyōto; Hauptgottheiten: Ōyamakui und Nakatsushima-hime] und Umeno·miwa) mit Sake asso·ziiert und stellt eine Art Schutz·schrein der japa·ni·schen Sake-Brauer dar. Das Wort miwa [miwa (jap.) 神酒 altertümliche Bezeichnung für Sake, der den Göttern geopfert wird] selbst ist — mit ande·ren Zeichen als der Schrein geschrie·ben — laut Klaus Antoni (1988, S. 76) eine respekt·volle alter·tüm·liche Be·zeich·nung für Alko·hol. Gleich·zei·tig macht Antoni darauf auf·merk·sam, dass die frü·heste Erwäh·nung von Sake in den Mythen in der Izumo-Mythe von Susanoos Kampf mit der Schlange zu finden ist: Susanoo macht die Schlange mit Hilfe von Sake betrun·ken, und kann sie dadurch ge·fahr·los töten. Für Antoni ist daher der „Heilige Trank“ ein wei·teres Indiz für die Ver·bin·dung zwi·schen Miwa und Izumo.
Berg Miwa und die Schlange
Die Gott·heit von Miwa wurde in späterer Zeit meist schlicht als Miwa Daimyōjin (Große Gott·heit von Miwa) be·zeich·net. Als shintai [shintai (jap.) 神体 heiliges Objekt eines Shintō-Schreins; wtl. „Gottkörper“] (Wohnort der Gott·heit, Vereh·rungsge·genstand) des Miwa Schreins gilt bis heute der Berg, in den sich der be·schämte Ōkuni·nushi zurück ge·zo·gen haben soll. Darü·ber hinaus wird die Gott·heit sowohl in den Mythen als auch in heu·ti·gen Schrein·le·gen·den und Riten als reale Schlange gedacht. Offen·bar gibt es tat·säch·lich beson·ders viele Schlan·gen auf und rund um den Berg, die auch heute noch regel·mäßig zu bestimm·ten rituel·len An·läs·sen mit rohen Eiern ver·kös·tigt werden. Sie gelten dabei als die Gott·heit selbst.
Ōkuninushi als Daikoku
Ōkuninushi, Hie und Daikoku
Zu Izumo und Miwa trat in späterer Zeit eine weitere Kult·stätte des Ōkuni·nushi am Biwa See, öst·lich von Kyōto hinzu. Es han·delt sich um den Hie [Hie Taisha (jap.) 日吉大社 Schutzschrein des Tendai-Tempelkomplexes von Berg Hiei bei Kyōto; auch bekannt als Hiyoshi Taisha oder Sannō Schrein] (=Hiyoshi) Schrein, dessen ur·sprüng·liche Gott·heit Ōyamakui [Ōyamakui (jap.) 大山咋神 mythologische Berggottheit, in den Schreinen Hie Taisha (Hiyoshi) und Matsunoo Taisha verehrt; wtl. „Großer Berg-Pfahl“] bereits im Kojiki flüch·tig er·wähnt wird.14 Ōkuni·nushi (hier: Ōna·muji) gesellte sich wahr·schein·lich unter Tenji Tennō [Tenji Tennō (jap.) 天智天皇 626–672; 38. Kaiser Japans; (r. 661–672); Eigenname: Naka-no-Ōe] (r. 661–671) zu dieser Gott·heit hinzu. Tenji er·rich·tete näm·lich seinen Palast am Süd·ufer des Biwa Sees. Es wird an·ge·nom·men, dass er bei dieser Gele·gen·heit den Gott von Miwa als Schutz·gott der Tennō-Resi·denz aus der Yamato-Region mit·brachte und im Hie Schrein ein·setzte.
Über hundert Jahre danach, im Jahr 788, gründete Saichō [Saichō (jap.) 最澄 767–822; Gründer des Tendai-Buddhismus; auch bekannt als Dengyō Daishi] (767–822), der spä·tere Begrün·der des Tendai [Tendai-shū (jap.) 天台宗 Tendai-Schule, chin. Tiantai] Bud·dhis·mus, auf dem Berg hinter dem Hie Schrein einen Tempel namens Enryaku-ji [Enryaku-ji (jap.) 延暦寺 Haupttempel des Hiei Klosterbergs]. Für Saichō war der Ort von be·son·de·rer Bedeu·tung, denn er wurde hier gebo·ren, und zwar erst nach·dem sein Vater lange und inbrüns·tig zu den Göttern des Hie Schreins ge·betet hatte. Darüber hinaus war aber wohl weder der Berg, der von Saichō (in Ablei·tung des Schrein-Namens) Hiei ge·nannt wurde, noch der Schrein selbst über·re·gio·nal bekannt. Auch Saichō war zu·nächst nicht mehr als ein eigen·wil·liger Asket, der sich mit einer Hand·voll Gleich·ge·sinn·ter zwölf Jahre lang in die Ein·sam·keit seines Hei·mat·ber·ges zurück·zog. Im Jahr 794 wurde die gesamte Region jedoch erneut zum poli·ti·schen Zentrum des Landes, als Kanmu Tennō [Kanmu Tennō (jap.) 桓武天皇 737–806; 50. japanischer Tennō; (r. 781–806); verantwortlich für Verlegung der Hauptstadt nach Heian (Kyōto)] im Fluss·becken süd·wes·tlich von Berg Hiei seine neue Haupt·stadt Heian-kyō [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)] errich·ten ließ: das heutige Kyōto. Aus Sicht dieser neuen Haupt·stadt war Saichōs Kloster nicht nur die nächste bud·dhis·tische Institu·tion, es befand sich noch dazu im Nord·osten und bewachte somit das „Dämonentor“ (kimon [kimon (jap.) 鬼門 „Dämonentor“, Nord-Osten; nach alter Vorstellung die Richtung, aus der die Dämonen kommen]), aus dem den chine·si·schen und japa·ni·schen Geo·man·ti·kern zufolge alle unheil·vol·len Einflüsse kommen. Damit erhielt Saichō plötz·lich die ganze Auf·merk·sam·keit des Kai·sers: er stieg rasch zu den höch·sten buddhis·ti·schen Ämtern auf, wurde im Jahr 804 nach China entsandt und kam von dort mit den Wei·hen der Tiantai (= Tendai [Tendai-shū (jap.) 天台宗 Tendai-Schule, chin. Tiantai]) Schule wieder. Der Klos·ter·berg Hiei ent·wickelte sich unter Saichōs Nach·fol·gern mehr und mehr zur mäch·tigsten bud·dhis·ti·schen Institu·tion des Landes.
Mit dem expandie·renden Kloster wuchs auch der Schrein zu einem riesigen Komplex von Ein·zel·schrei·nen heran. Neben Ōyama·kui und Ōkuni·nushi ge·sell·ten sich weitere fünf Haupt·gott·hei·ten hinzu, die der Buddhis·mus aus China und Indien mit·ge·bracht hatte. Gemäß dem Vor·bild des Tientai Klos·ters in China, stülpte Saichō außer·dem eine Art Super-Gott·heit über alle in dem Schrein·komplex vor·han·de·nen Ein·zel·göt·ter und nannte sie Sannō [Sannō (jap.) 山王 Wtl. „Bergkönig“; Schutzgott des Tendai-Klosters auf Berg Hiei], „König des Ber·ges“. Die beiden loka·len Gott·heiten Ōyamakui und Ōkuni·nushi fun·gie·ren jedoch bis heute als Stamm-Schreine (hongū) des Komple·xes. Indi·rekt über·nahm so der Gott von Izumo/Miwa ein wei·te·res Mal die Schutz·funk·tion für die japa·nische Haupt·stadt, auch wenn seine Rolle im Hie-Sannō Schrein·komplex kaum noch etwas mit Ōkuninushi in Izumo gemein hatte.
Saichōs Daikoku
Heian-Zeit. Shinbutsu imasu Ōmi.
Die Verbin·dungen zwischen Ōkuninushi und dem Bud·dhis·mus gehen aber noch weiter. Eine Legende weiß zu be·rich·ten, dass Saichō, als er noch un·schlüs·sig war, welchen ein·hei·mi·schen Gott er als Beschüt·zer seines Klos·ters aus·wählen sollte, die Pro·vinz Yamato be·reiste und so nach Miwa kam. Nach·dem er zu Miwa Daimyōjin (Ōkuni·nushi) ge·be·tet hatte, offen·barte sich ihm dieser „in der Gestalt des Daikoku Tenshin“ und wil·ligte ein, ihn zu be·glei·ten. Er gab ihm auch ein Stück Holz, aus dem Saichō das erste Ab·bild des Daikoku [Daikoku (jap.) 大黒 Gott des Reichtums und Stellvertreter der Sieben Glücksgötter (Shichi Fukujin); skt. Mahakala = „Großer Schwarzer“; auch Daikoku-ten] her·stellte.15 Saichō wäre dem·nach der Urhe·ber des popu·lä·ren Glücks·got·tes Daikoku und seiner Identi·fizie·rung mit Ōkuni·nushi. Die Sta·tue soll im übri·gen heute noch exis·tie·ren, ist aber nicht im Hie Schrein, son·dern in der Daikoku Halle auf Berg Hiei auf·gestellt. Diese Halle diente dem Klos·ter ehe·mals als Ver·wal·tungsge·bäude (mandokoro [mandokoro (jap.) 政所 Verwaltungsgebäude; später wurde der Name für die Verwaltungsabteilung des Shōgunats entlehnt]).
Der Umstand, dass Daikoku nicht im Hie Schrein selbst, sondern im bud·dhis·ti·schen Klos·ter·komplex verehrt wurde, sowie die Tat·sache, dass die früheste Quelle dieser Legende, das Miwa Daimyōjin engi (Chro·nik vom Ur·sprung des Miwa Daimyōjin), erst lange Zeit nach Saichō (1318) ver·fasst wurde, lassen Zwei·fel an einer tat·säch·lichen Iden·tifi·ka·tion von Ōkuni·nushi und Daikoku zu Leb·zei·ten Saichōs auf·kom·men. Es steht jedoch fest, dass Daikoku zu·nächst als Gott·heit der Tem·pel·küche inner·halb bud·dhis·ti·scher Klös·ter an Be·deu·tung gewann und im Zuge dessen irgend·wann einmal auch mit Ōkuni·nushi in Ver·bin·dung gebracht wurde. Über die weite·ren Ver·zwei·gun·gen der Gestalt des Daikoku und seine Ver·bin·dun·gen zu der esote·ri·schen Gott·heit Mahakala [Mahākāla (skt.) महाकाल „Großer Schwarzer“, esoterische Gottheit (jap. Makakara 摩訶迦羅 oder Daikoku 大黒)] ist auf der Spezial·seite „Daikoku“ Genaue·res nachzulesen.
Ōkuninushi als Daikoku im Kanda Schrein
20. Jh. Bildquelle: Ikeada Katsumi, 2014, über Internet Archive.
Der Kanda Schrein [Kanda Jinja (jap.) 神田神社 Kanda Schrein, einer der bekanntesten Schreine in Tōkyō] in Tōkyō war in der Edo [Edo (jap.) 江戸 Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);]-Zeit der wahr·schein·lich popu·lärste Schrein von Edo, das damals das poli·tische Zentrum des Landes und mit etwa einer Million Ein·woh·nern eine der be·völ·ke·rungs·reich·sten Metropo·len welt·weit war. Der Schrein ver·dankte seine Be·liebt·heit vor allem seinem spek·taku·lären matsuri [matsuri (jap.) 祭 religiöses (Volks-)Fest], das heute noch eines der größ·ten religiö·sen Events in Tōkyō darstellt. Laut Schrein·legende geht die Grün·dung des Schreins auf das Jahr 730 zurück, als Emigran·ten aus Izumo in der damals noch länd·lichen Kantō-Region einen Zweig·schrein für ihren Ahnen·gott Ōkuni·nushi er·rich·te·ten. Zu über·regio·na·ler Bedeu·tung gelangte der Schrein, als im Jahr 1309 der zür·nende Rache·geist des Taira no Masakado [Taira no Masakado (jap.) 平将門 Heian-zeitlicher Rebel, ?–940] (?–940) einen Sitz in diesem Schrein erhielt und dadurch fried·lich gestimmt wurde.16 Taira no Masakado war ein Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-zeit·licher Rebell der Kantō-Region gewe·sen, dessen Unge·hor·sam gegen·über der Zentral·re·gie·rung ge·walt·sam nieder·ge·schla·gen wurde. Obwohl in den offi·ziel·len Geschichts·quel·len nega·tiv dar·gestellt, galt er in der Kantō-Region doch auch als Held und Vor·reiter der späte·ren Samu·rai Herr·schaft. Dem ent·sprechend wurde der Schrein auch von den in der Kantō-Region ansäs·si·gen Samurai wohl·wol·lend gefördert.
1590 verlegte der „Reichseiniger“ Tokugawa Ieyasu [Tokugawa Ieyasu (jap.) 徳川家康 1543–1616; Begründer des Tokugawa Shogunats; Reichseiniger] (1543–1616) seine Residenz nach Edo, ein anfangs un·be·deu·ten·des Fischer·dorf in der Gegend des Kanda Schreins. 1616 ließ Ieyasus Sohn, Shōgun Toku·gawa Hide·tada, den Kanda Schrein in den Nord·osten der neu errich·teten Burg von Edo (heute der Kai·ser·pa·last in Tōkyō) ver·legen. Ob Hide·tada damit bewusst einem ge·schicht·lichen Vor·bild folgte, ist mir nicht bekannt, auf jeden Fall kam Ōkuni·nushi so ein wei·te·res Mal in die Lage, das „Dämo·nen·tor“ einer Haupt·stadt zu bewachen. Die beiden kami, Ōkuni·nushi und Masa·kado, wurden in Edo vor allem unter dem gemein·sa·men Namen Kanda Myōjin [Kanda Myōjin (jap.) 神田明神 Generelle Bezeichnung für die Gottheiten des Kanda Schreins in Tōkyō bzw. Bezeichnung für den Schrein selbst] verehrt. Auf popu·lä·rer Ebene wurde Ōkuni·nushi jedoch auch in Gestalt des Glücks·got·tes Daikoku wahr·ge·nom·men. Kanda Myōjin war also in gewis·ser Weise auch Daikoku und ist es bis heute geblieben.
Als aus Edo Tōkyō wurde und die Burg der Tokugawa Shōgune [Shōgun (jap.) 将軍 Shōgun; Titel der Militärherrscher aus dem Kriegeradel (bushi, Samurai)] in den neuen Pa·last des Meiji Tennō [Meiji Tennō (jap.) 明治天皇 1852–1912; 122. japanischer Kaiser (r. 1867–1912); Namensgeber und politische Symbolfigur der Meiji-Zeit; Eigenname: Mutsuhito] umfunk·tio·niert wurde (1868), war der einstige Rebell Taira no Masa·kado keine oppor·tune Gott·heit mehr. Er wurde kur·zer·hand aus dem Kanda Schrein entfernt und durch die Gott·heit Sukunabikona [Sukunabikona (jap.) 少名毘古那 winzige Gottheit, Gefährte oder alter ego von Ōkuninushi, auch: Sukunahikona], Okuni·nushis alter ego aus der Izumo Legende, ersetzt. Da Suku·nabikona aber der All·ge·mein·heit nicht bekannt war, erhielt er das Aus·sehen des Ebisu [Ebisu (jap.) 恵比寿 Glücksgott der Händler und Fischer; andere Schreibung: 夷 oder 戎; Grundbedeutung wahrscheinlich „Fremder“ oder „Barbar“], der im Ensemble der sieben Glücks·göt·ter zu·meist Hand in Hand mit Daikoku auftritt. Heute ist Taira no Masa·kado reha·bili·tiert und der Kanda Schrein be·her·bergt somit drei Gott·hei·ten: Ōkuni·nushi, Sukunabikona und Taira no Masa·kado. Nach außen hin sicht·bar ist jedoch vor allem Daikoku, dem eine große Statue errich·tet wurde (s. Abb.) und der im Kanda Schrein als „Gott der guten [Ehe-]Be·zie·hun·gen“ (enmusubi no kami [enmusubi no kami (jap.) 縁結びの神 wtl. „Gottheit, die Verbindungen knüpft“; Gottheit für Verliebte, japanischer Amor]) apo·stro·phiert wird, um mög·lichst viele hei·rats·wil·lige Paare anzu·locken. 17
An dieser Stelle sei nur noch angemerkt, dass Daikoku und Ebisu auch in ande·ren Schrei·nen gemein·sam auf·tre·ten, wobei Ebisu mitun·ter auch auf Kotoshiro·nushi, den Sohn und Thron·fol·ger Ōkuni·nushis aus der Epi·sode seiner Ab·dan·kung zurück·ge·führt wird. Es ist durchaus wahr·schein·lich, dass es sich auch in diesen Fällen um „invented traditions“ aus der Meiji-Zeit handelt, dass also zu·sam·men mit dem Tennō mytholo·gische Götter für die Schrein·kulte der Meiji-Zeit reak·ti·viert wurden, auch wenn sie ur·sprüng·lich gar nichts mit ihren neuen Schrein-Wohn·orten zu tun hatten.
Zusammenfassung
Die Viel·zahl von Er·scheinungs·formen des Ōkuninushi sind in der japani·schen Reli·gions·ge·schichte keines·wegs ein·zigar·tig, Ōkuni·nushi kann viel·mehr als beispiel·haft für die Flexibi·li·tät japa·ni·scher kami-Iden·ti·tä·ten angese·hen werden. Was ihn darü·ber hinaus aber beson·ders inte·res·sant macht, ist die Tat·sache, dass er immer wieder — wenn auch unter ver·schie·de·nen Bezeich·nun·gen — an der Schwelle großer politisch-religiö·ser Ein·schnitte auf·taucht, um als Schutz·gott des poli·ti·schen Zentrums zu fun·gieren.
Die Geschichte von Ōkuninushis Ab·dan·kung zugunsten des „himm·lischen Enkels“ ist zweifel·los die heute bekann·teste Epi·sode in der Bio·graphie dieses Gottes, min·dest ebenso inte·res·sant ist aber die Grün·dung des Miwa Schreins, die in vieler Hin·sicht als die Grund·stein·le·gung einer völlig neu·artigen Form von Reli·gion erscheint. Der Tennō, der zu·nächst den Kult für seine gött·lichen Ahnen in eigener Person leitet, fühlt sich ange·sichts einer landes·wei·ten Kata·strophe schul·dig und ver·un·sichert, weil er die Ursache des Unglücks in einer Fehl·hand·lung bei der Aus·übung seiner religiö·sen Pflich·ten sieht. Er über·ant·wor·tet die Götter (= seine Pries·ter·rolle) bestimm·ten Spe·zia·listen und ver·lagert ihren „Wohnort“ an sepa·rate Orte außer·halb des kai·ser·lichen Palastes. Auf diese Weise entste·hen die ersten Schreine. Manche For·scher erken·nen in dieser Epi·sode auch den Über·gang von einer weib·lich domi·nier·ten reli·gö·sen Praxis zu einer männ·lich-patri·archali·schen (Elwood 1990). Zwar spielt auch in dieser Epi·sode eine Shama·nen-Pries·terin — eine Tante des Sujin, die mehr·fach als enge Bera·te·rin auftritt — eine wich·tige Rolle, doch ihre Hieroga·mie mit Ōkuni·nushi schei·tert. Letzt·lich gelingt es nur dem männ·lichen Pries·ter aus dem Ge·schlecht Ōkuni·nushis, die leicht er·reg·bare Gott·heit zu be·schwich·ti·gen und damit den Katastro·phen ein Ende zu bereiten.
Interessant ist in diesem Zusammen·hang auch die hier nur am Rande erwähnte „Aus·lage·rung“ Amaterasus in das weitab der Yamato-Region gele·gene Ise. Unter den fol·gen·den Tennō bleibt die mäch·tige „irdische Gott·heit“ Ōkuni·nushi wich·ti·ger als die „himm·lische Gott·heit“ Amaterasu. J. E. Kidder mut·maßt, dass Amaterasu erst unter Tenmu Tennō [Tenmu Tennō (jap.) 天武天皇 631?–686; 40. japanischer Kaiser; (r. 673–686)] (r. 672–86) und die auf ihn fol·gende Kai·se·rin Jitō Tennō [Jitō Tennō (jap.) 持統天皇 645–703, r. 686–697; 41. japanische Kaiserin] (r. 690–97) ihr klas·si·sches Profil als wich·tigste Ahnen·gott·heit der kai·ser·lichen Dynastie erhält. 18 Wäh·rend die „Kapi·tel des Göt·ter·zeit·alters“ von Kojiki (712) und Nihon shoki (720) dieser neuen Bedeu·tung Amaterasus ent·sprechend aus·gestal·tet werden, verab·säu·men es die Chroni·ken, auch die zeit·lich nähe·ren Kapi·tel der neuen Ideo·lo·gie anzu·glei·chen und offen·ba·ren somit eine Dis·kon·ti·nui·tät in der Vereh·rung der Son·nen·gott·heit (Kidder 2007).
In jedem Fall geht die Auf·wer·tung der Ise Schreine mit einer Abwer·tung von Ōkuni·nushis Schrei·nen in Izumo und Miwa einher. Ōkuni·nushi findet jedoch auf dem Um·weg über den Bud·dhis·mus zu einer neuen Iden·tität, um sich schließ·lich erneut als Glücksgott Daikoku im religiö·sen Pantheon Japans zu behaup·ten. Zu·gleich scheint es, als ob er seine Rolle als Be·schüt·zer des poli·ti·schen Zentrums (Hüter des „Dämo·nen·tores“), die er unter Sujin erstmals über·tra·gen bekommt, auf stille, un·spek·taku·läre Weise auch in Kyōto und Edo wahr·nimmt.
Verweise
Fußnoten
- ↑ Vovin 2018, S. 86
- ↑ Mono, „Ding“, in Ōmono·nushi könnte auch auch die Be·deu·tun·gen „Person“, „Wesen“, „Geist“ be·sitzen (→ mono no ke, bake-mono „Gespenst“).
- ↑ Laut der Haupt·variante des Nihon shoki sein Sohn, laut Kojiki und den Neben·varianten des Nihon shoki ein Nach·fahre des Susanoo in der fünften oder sechsten Generation.
- ↑ Diese Geschichte hat sich als Märchen ver·selb·ständigt und ist heute in Japan die be·kann·teste Erzäh·lung von Ōkuninushi.
- ↑ suku = "klein", biko/hiko = "Prinz"
- ↑ Diese Tat wird genau genommen einem Gott namens Omizunu zu·ge·schrieben.
- ↑ Auch von den Gelehrten der kokugaku, die sich im 18. und 19. Jahr·hun·dert der Exegese japanischer Mythen widmeten, wird die Heil·kraft des Götter·paares aus Izumo besonders her·vor·gehoben.
- ↑ Noch in den Gebets·texten (norito) der Engishiki (10. Jh.) wird dieser Um·stand mehr·fach betont: „They silenced to the last leaf/The rocks and stumps of the trees/ Which had been able to speak...“ (Philippi 1990, S. 41, 45, 69.)
- ↑ Es handelt sich um die „Schwert·gott·heiten“ Takemikazuchi und Futsunushi, die in jener mytho·logischen Episode ent·stehen, als Götter·vater Izanagi das Feuer·kind, an welchem die Götter·mutter stirbt, in Stücke schlägt. Takemikazuchi und Futsunushi sind dem·nach das Produkt von Izanagis Schwert und dem „Blut“ des Feuers. Sie wurden später als Haupt·gott·heiten der mächtigen Adels·familie Fujiwara in deren Ahnen·schrein Kasuga Taisha installiert.
- ↑ Ame no Hohi. Dieser Gott ent·stammt ur·sprüng·lich einem eigen·tüm·lichen Wett·streit zwischen Amaterasu und Susanoo, bei dem Amaterasu Susanoos Schwert und Susanoo Amaterasus Edel·steine zer·kaute. Ame-no-Hohi ent·stand zusammen mit vier weiteren Brüdern aus den zer·kauten Edel·steinen. Der älteste Bruder ist der Vater des Ninigi. Ame-no-Hohi ist also ein Onkel des neuen Macht·habers auf Erden.
- ↑ In einer der oben der erwähn·ten Sukunabikona Episo·den des Nihon shoki wird Miwa als „Wohnort“ des Sukunabikona bereits vor dem Izumo Schrein genannt.
- ↑ Dieses be·kannte Motiv findet sich im japa·ni·schen Mythos mehr·fach (s. z.B. Izanagi und Izanami oder Hiko-Hohodemi und die Drachen·prin·zes·sin Toyo·tama-hime), wobei stets „Scham“ für die Ent·frem·dung der Lie·ben·den ver·ant·wort·lich gemacht wird.
- ↑ Eine nüch·terne Inter·pre·ta·tion könnte hier eine miss·lun·gene Ab·trei·bung erken·nen, doch findet man dieses Motiv auch im „Zeital·ter der Götter“: Als Susanoo das ge·häu·tete Pferd in die Webe·halle der Amaterasu wirft, erschrickt laut einer Version eine Webe·rin, sticht sich die Spin·del in die Scham und stirbt daran.
- ↑ Philippi 1969, S. 47.
- ↑ Iyanaga 2002, S. 547–48.
- ↑ Der Kanda Schrein kam bereits kurz nach Masakado's Tod mit diesem in Berührung, da der Kopf des Ent·haupte·ten in der Nähe des Schreins beigesetzt wurde. Zur Er·rich·tung einer eigenen Schrein·halle kam es aller·dings erst, nachdem eine Epidemie in den Jahren 1303–1306 dem Toten·geist Masakados zu·geschrie·ben wurde. Als diese sich endlich legte, wurde der Kanda Schrein renoviert und um eine Schrein·halle für Masakado erweitert. (Shintō jiten 1994, S. 627)
- ↑ Die Rolle eines „Gottes der guten Bezie·hun·gen“, die an·ge·sichts der vielen Hei·ra·ten des Ōkuni·nushi eigent·lich als zwei·fel·haf·tes Omen für eine gute Ehe angese·hen werden muss, hat Ōkuni·nushi/ Daikoku im übri·gen auch im Jishu Schrein in Kyōto, wo er als Gott der Ver·lieb·ten verehrt wird. (s. Abb. oben)
- ↑ Die Instal·lie·rung der klas·sische Hofaris·tokra·tie inklu·sive der Errich·tung einer per·ma·nen·ten Haupt·stadt und der Abfas·sung einer kai·ser·lichen Chro·nik/Mytholo·gie wird heute als Werk der sog. Tenmu Dynastie angese·hen, die von Tenmu Tennō 672 begon·nen und von Kanmu Tennō (r. 781–806), einem Nach·fah·ren von Tenmus Bruder Tenji, abge·löst wurde. S. dazu Ooms 2008.
Literatur
Informationen zum Kanda Schrein.
Bilder
- ^ Ōkuninushi heilt den Hasen von Inaba, dem Meeresungeheuer (wani) das Fell abgezogen haben. Hokusai interpretiert Ōkuninushi als Daikoku und die wani als Krokodile.
Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Museum of Fine Arts, Boston. - ^ Diese Skulptur aus dem 20. Jh. befindet sich im Jishu Schrein, wo Ōkuninushi als Gott der Verliebten gefeiert wird.
20.Jh. Bildquelle: Jack Lin, Picasa 2006. - ^ Ōkuninushi und Sukuna Bikona.
Werk von Utagawa Kuniyoshi. Waseda University. - ^ Darstellung der mythologischen Gottheit Ōkuninushi.
Werk von Utagawa Kuniyoshi. Waseda University. - ^ Inasa.jpg
- ^ Der Berg Miwa gilt als der „Gottleib“ (shintai) des Ōmiwa Schreins. Davor steht das große torii, das heute den Zugang zum Schrein markiert.
Bildquelle: unbekannt. - ^ Shime-torii vor der Zeremonienhalle des Miwa Jinja.
Horohoro, 2004. - ^ Dies ist die angeblich älteste Darstellung des japanischen Daikoku aus einem Tendai-Tempel in der Umgebung von Saichōs Klosterberg Hiei. Die Rüstung und vor allem die langen Ohren offenbaren einen starken Einfluss der buddhistischen Ikonographie. Dennoch verleihen die Mütze und die gedrungene Statur diesem Daikoku eine gewisse Bodenständigkeit. Die Figur ist ein ichiboku-zukuri, d.h. sie ist aus einem einzigen Holzblock herausgearbeitet.
Das Motiv einer Figur, die im sogenannten „halben Lotossitz“ auf einem Felsen sitzt, erinnert an Kannon oder Benzai-ten, die dann jeweils auf ihrer eigenen Insel dargestellt sind. Im Falle Daikokus ist das Motiv jedoch äußerst selten und praktisch nur auf Tendai-Tempel beschränkt. (Iyanaga 2002, S. 300.)
Heian-Zeit. Shinbutsu imasu Ōmi. - ^ Rezente Skulptur des Daikoku auf dem Gelände des Kanda Schreins.
20. Jh. Bildquelle: Ikeada Katsumi, 2014, über Internet Archive.
Glossar
- ama-tsu-kami 天津神 ^ Götter des Himmels; mytholog. Gottheiten
- Antoni, Klaus (west.) ^ 1953–; deutscher Japanologe und Kulturwissenschaftler an der Universität Tübingen
- Daikoku 大黒 ^ Gott des Reichtums und Stellvertreter der Sieben Glücksgötter (Shichi Fukujin); skt. Mahakala = „Großer Schwarzer“; auch Daikoku-ten
- enmusubi no kami 縁結びの神 ^ wtl. „Gottheit, die Verbindungen knüpft“; Gottheit für Verliebte, japanischer Amor
- Hie Taisha 日吉大社 ^ Schutzschrein des Tendai-Tempelkomplexes von Berg Hiei bei Kyōto; auch bekannt als Hiyoshi Taisha oder Sannō Schrein
- Inasa 伊那佐 ^ Strand in der Bucht von Izumo; Ort des Aufeinandertreffens zwischen der mythologischen Gottheit Ōkuninushi und Gottheiten aus anderen Sphären
- Izumo fudoki 出雲風土記 ^ Lokalchronik von Izumo, 733
- Jinmu Tennō 神武天皇 ^ wtl. „göttlicher Krieger“; gemäß den japanischen Mythen der erste menschliche Herrscher (Tennō) Japans; eigentlicher Name: Kami Yamato Iware-hiko no Sumera Mikoto 神日本磐余彦天皇 (Nihon shoki)
- Jitō Tennō 持統天皇 ^ 645–703, r. 686–697; 41. japanische Kaiserin
- Kanda Jinja 神田神社 ^ Kanda Schrein, einer der bekanntesten Schreine in Tōkyō
- Kanda Myōjin 神田明神 ^ Generelle Bezeichnung für die Gottheiten des Kanda Schreins in Tōkyō bzw. Bezeichnung für den Schrein selbst
- Kanmu Tennō 桓武天皇 ^ 737–806; 50. japanischer Tennō; (r. 781–806); verantwortlich für Verlegung der Hauptstadt nach Heian (Kyōto)
- Kidder, Jonathan Edward (west.) ^ 1922–2014; Japanologe und Archäologe an der International Christian University, Tōkyō
- kiki 記紀 ^ Sammelbezeichnung für KojiKI und Nihon shoKI (ki, Bericht, ist jeweils mit einem leicht abweichenden Zeichen geschrieben)
- Kotoshiro-nushi 事代主 ^ mythol. Gottheit; Sohn und Thronfolger des Ōkuninushi; in etwa „Meister des Wortwissens“
- kuni no miyatsuko 国造 ^ frühzeitlicher japanischer Titel, Provinzverwalter; spätere Lesung: kokuzō
- kuni-tsu-kami 国津神 ^ Götter der Erde
- kuniyuzuri 国譲り ^ wtl. Landübergabe, Inbesitznahme des Landes (Japan) durch die Nachfahren des Sonnengeschlechts
- Matsunoo Taisha 松尾大社 ^ Matsunoo Schrein (auch: Matsuo Schrein), Kyōto; Hauptgottheiten: Ōyamakui und Nakatsushima-hime
- Meiji Tennō 明治天皇 ^ 1852–1912; 122. japanischer Kaiser (r. 1867–1912); Namensgeber und politische Symbolfigur der Meiji-Zeit; Eigenname: Mutsuhito
- momo tarazu yaso kumade 百足らず八十隈路 ^ wtl. „nicht hundert, sondern achtzig gewundenen Pfade“; Metapher für die Unterwelt
- Ne no Kuni 根の国 ^ wtl. Wurzelland, auch Ne no Katasukuni 根之堅州國; Unterwelt
- Ōkuninushi 大国主 ^ mythol. Gottheit; wtl. Großer Meister des Landes
- Ōyamakui 大山咋神 ^ mythologische Berggottheit, in den Schreinen Hie Taisha (Hiyoshi) und Matsunoo Taisha verehrt; wtl. „Großer Berg-Pfahl“
- Suinin Tennō 垂仁天皇 ^ 11. kaiserl. Herrscher Japans, leg. Regiergungszeit 29 v.–70 n.u.Z.
- Sujin Tennō 崇神天皇 ^ 97–30 v.u.Z. (mythol. Regierungszeit); 10. japanischer Kaiser
- Taira no Masakado 平将門 ^ Heian-zeitlicher Rebel, ?–940
- Takamimusubi 高御産巣日神 ^ einer der „drei Kami der Schöpfung“, Himmelsgottheit
- Tenji Tennō 天智天皇 ^ 626–672; 38. Kaiser Japans; (r. 661–672); Eigenname: Naka-no-Ōe
- Tenmu Tennō 天武天皇 ^ 631?–686; 40. japanischer Kaiser; (r. 673–686)
- Yakushi Nyorai 薬師如来 ^ Buddha der Medizin; skt. Bhaisajyaguru
- Yamato Totohi Momoso-hime 倭迹迹日百襲姫命 ^ mythol. Priesterin des Ōmiwa Jinja; Gemahlin des Gottes Ōmononushi; auch Yamato Toto-hime