Exzerpt:Kamiya 1998
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Glücksgötter und Unglücksgötter
Die Grundgestalt der Glücksgötter
Die Glücksgötter, die in der Gegenwart verbreitet sind, haben sich laut dem Historiker Kita Sadakichi (1871-1939) seit der Muromachi-Zeit herausgebildet. Ursprünglich war es die Aufgabe von Glücksgöttern, für Glück und Wohlstand bezüglich der Lebensmittelversorgung, der Verkehrs- bzw- Transportsicherheit und der Vermeidung von Katastrophen zu sorgen. Glücksgötter waren Götter der Landwirtschaft wie Ugajin 宇賀神 [1] oder Miketsukami 御食津神[2] sowie die Götter, die „Bergglück“ (yama no sachi, Jagdbeute) und „Meeresglück“ (umi no sachi, Fischfang)[3] bescherten.
Aber um das mit der Zeit auftretende Verlangen nach Reichtum, Ansehen, gutem Gehalt und Harmonie zu befriedigen, wurde der Glaube an die Glücksgötter zu einer komplexen Angelegenheit. Daikokujin 大黒神 und Ebisu-jin 夷神 wurden nun eifrig angebetet. Ab der Muromachi-Zeit sind weitere Glücksgötter hinzugekommen, die sich als die Sieben Glücksgötter etablierten.
Die Festlegung der Glücksgötter in Form der Sieben Glücksgötter Ebisu 恵比須, Daikoku-ten 大黒天, Bishamon-ten 毘沙門天, Daibenzaiten 大弁慰天, Hoteioshū 布袋和尚, Jurōjin 寿老人, Fukurokuju 福禄寿 erfolgte etwa in der zweiten Hälfte der Edo-Zeit 江戸時代(1603-1868). In der ersten Hälfte der Edo-Zeit lassen sich noch Varianten erkennen, etwa dass Jurōjin 寿老人 weggelassen wurde und mit Fukurokuju 福禄寿 als 'Betagter vom Südpol' in einer Person vereint war und dass Shōjō 猩々[4] (Gōrui Setsuyō, 11. Jahr Genroku, =1698) oder Kisshōten bzw. Kichijōten 吉祥天 hinzugezählt wurden.
Die Wahl der Zahl 'Sieben' für die Sieben Glücksgötter rührt einerseits von Orakeln gemäß den dem Buddhismus angehörenden 'sieben Übeln und sieben Glückseligkeiten' 七難七福 her. Andererseits stellt Kita die Überlegung an, ob die Zahl nicht von Bildern herrühren könnte, wo Glücksgötter nach Art der 'sieben Weisen aus dem Bambushain'[5] als scherzende Gruppe dargestellt wurden. Die in solchen Bildern dargestellten Sieben Glücksgötter besitzen ein humoristisches Aussehen, stehen für ein langes Leben und Glück bzw. Vermögen und nehmen eine friedliche, harmonische Gestalt bzw. jene von Betagten an.
Aus dem Chirizuka monogatari 塵塚物語[6] (1689) erfährt man vom Höhepunkt des Interesses an der gemeinsamen Anbetung der beiden Götter Daikoku und Ebisu folgendes:
Der Textabschnitt bezieht sich zwar wohl nur auf die Hauptstadt, berichtet aber jedenfalls von der lebhaften gemeinsamen Verehrung der beiden Götter Daikoku und Ebisu in der späten Muromachi-Zeit.
Ursprünglich wurde Daikokuten mit dem Buddhismus einhergehend eingeführt und wurde als Gott der Küche und der Speisen in den Tempeln angebetet. Ausgehend von dieser Rolle als Gott des Speissaals entwickelte er sich durch Vermischung mit Ōkuninushi 大国主 von einer, einen Geldbeutel in der Hand haltenden Figur zu einer pausbackigen, kleinwüchsigen, auf einem Strohsack sitzenden und einen kleinen Hammer haltenden Figur.
Im Falle von Ebisu gibt es zwar die Gottheit Ebisu des Nishinomiya Schreins 西宮[7], doch scheint sich [der Glücksgott] ebenfalls von der Form dieser Gottheit in Altertum und Mittelalter zu unterscheiden. [Die Schreinanlage von] Nishinomiya bestand aus einem Ebisu Schrein und einem Tarō Schrein, die entweder beide als die Gottheit Hiruko 蛭子神 oder als [die Izumo Gottheiten] Ōkuninushi no kami 大国主神 und [dessen Sohn] Kotoshironushi no kami 事代主神 angesehen wurden. Diese beiden Götter wurden [später] unter dem Namen Ebisu-Saburō als eine Gottheit zusammengefasst, und es wurde angenommen, dass es sich dabei auch um die Gottheit Hiruko handelt. Ausgehend von einer alten Legende, dass [dieser] „Saburō-dono“ auf Mihosaki in Izumo Fische angeln würde, wurde eine Götterstatue, die Fische in den Händen hielt, hergestellt und von Seeleuten und Fischern verehrt.
Die gemeinsame Verehrung dieser hinsichtlich Charakter und Herkunft unterschiedlichen Gottheiten Daikoku und Ebisu wird auch in dem Kyōgen-Stück Ebisu Daikoku behandelt. Darin geht es um einen Bewohner des Dorfes Ashiya 蘆屋[8], der Gelübde an den Dreigesichtigen Daikokuten von Berg Hiei 比叡山 und den Ebisu-Saburō von Nishinomiya richtet, eine Offenbarung hat, dass er diese Gottheiten an einem geeigneten Tag anrufen soll und daraufhin Gaben wie einen Angelhaken, einen Sack und einen kleinen Hammer erhält. Weiters werden auch in dem Stück 'Ebisu Bishamon' Personen dargestellt, die Ebisu-Saburō von Nishinomiya und Bishamonten beschwören um für ihre Töchter einen Bräutigam zu finden. Vor dem Hintergrund dieser Kyōgen-Stücke wird somit die Etablierung des Glaubens an Glück spendende Götter nachvollziehbar.
Im Übrigen besuchen die Sieben Glücksgötter, angeführt von Inari (mit Fuchsmaske), in Shirasawamura in Adachi-gun in Fukushima zum Kleinen Neujahr die Häuser und wandeln umher, während sie Strohseile (shimenawa しめ縄) flechten. Zu Beginn des Jahres sind die sieben Glücksgötter Besuchsgötter (raihōjin 来訪神 [9]), die jedem Haushalt Glück und Vermögen (fukutoku 福徳) darbringen. Diese Rolle der sieben Glücksgötter kann man klar als Götter sehen, die eine reiche Ernte bescheren.
In Sendai ist folgendes Volkslied überliefert:
- Auf zehn und drei Schatzschiffen
- steigen die sieben Glücksgötter ein
- Hotei richtet den Mastbaum auf
- Fukuroku-jin zieht das Segel hoch
- Daikoku und Ebisu steuern das Ruder
- Vollgeladen mit Reis und Sake
- Richten sie die Segel-Taue
- Und nähern sich unserem Tor
So steigen die sieben Glücksgötter auf das Schatzschiff und bringen Reis, Sake und Schätze mit. Laut Kitagawa Morisadas Kinsei fūzokushi 近世風俗志 (1928) „breitet man in der Nacht am zweiten Tag des Neujahrs ein Bild des Schatzschiffes unter seinem Kopfpolster aus und schläft darauf. Heute geruht man bei Hof dafür ein Bild zu verwenden, auf dem ein Schiff gefüllt mit Reissäcken abgebildet ist, während jene, die [solche Bilder] an das Volk verkaufen, die Sieben Glücksgötter oder Muster aus Schätzen oder Ähnliches darstellen.“ (Anmerkungen ausgelassen) In diesem Sinne wird das Bewusstsein, dass die sieben Glücksgötter mit dem Schatzschiff zu Besuch kommen, widergespiegelt.
Man kann nicht sagen, dass die Götter des Glücks und Vermögens immer mit dem Meer zu tun haben [müssen]. Allerdings lässt sich annehmen, dass [in den Glücksgöttervorstellungen] eine Erklärung für von der See her Angeschwemmtes enthalten ist, dass also im Zuge des Fixierungsprozesses der sieben Glücksgötter im Volke, der Glaube an ein mit Reissäcken gefüllte Schatzschiff, das vom Meer her kommt, Gestalt annahm. Diesen Typus eines Besuchsgottes (raihōjin 来訪神) kann im Falle Ebisus beispielhaft wiederfinden. Im Genpei jōsuiki 源平盛衰記 [10] gibt es folgende Textstelle:
Weil Hiruko mit drei Jahren nicht gehen konnte, ließ man ihn auf das himmlische Felskampferholzboot (ama no ihakusu bune 天石櫲樟船[11]) steigen, stieß es in die Gefilde des Meeres (ōumi ga hara) hinaus und setzte ihn aus. Nachdem er aber in Settsu angeschwemmt wurde, wurde er zum Gott, der das Meer beherrscht, und nahm als Ebisu Saburō-dono Gestalt an. Er befindet sich in Nishinomiya.
Hiruko, das erste Kind des Götterpaares Izanagi und Izanami, wurde also als Gottheit verehrt, die ausgesetzt und angespült wurde. Dieser Glaube an einen angespülten Gott (hyōchakushin 漂着神) findet sich in allen Gegenden [Japans] und ist nicht allein auf die Gestalt des Ebisu Saburō beschränkt. Aber in viele Gegenden nennt man vom Meer Angeschwemmtes Ebisu. In Fukuura auf der Insel Oki werden Steine, die man beim Fischen aus dem Meer holt, „Ebisu-san“ genannt, zum Hausaltar gestellt und zu einem Gott gemacht, der eine reiche Fischjagd beschert. Außerdem wird das Bergen einer Wasserleiche (nagarebotoke 流れ仏) überall als o-Ebisu-san wo hirou, „Herrn Ebisu bergen“, bezeichnet. Soweit es den Ebisu-Glauben betrifft, kann die Grundform der Sieben Glücksgötter daher in angeschwemmten Göttern oder Besuchsgöttern gesehen werden.
Als einer der Sieben Glücksgöttern wurde Ebisu im Meer ausgesetzt und angeschwemmt. Ähnlich wie eine tabubehaftete Wasserleiche zu Ebisu gemacht wird, der reichen Fischfang beschert, ist auch Hiruko eine tabubehaftete, ausgestoßene Gottheit.
Auch über das Schatzschiff, auf das die sieben Glücksgötter gesetzt werden, lässt sich Gleiches sagen. Laut Origuchi Shinobu 折口信夫[12] wurde das Schatzschiff in der Muromachi-Zeit setsubun o-fune (節分御船 „Setsubun-Schiff“)[13] oder ähnlich genannt und diente dazu, Albträume auszusetzen. Erst in der frühen Neuzeit (Edo-Zeit) wurde es zum Schatzschiff, das den ersten Traum im Jahr bewahren soll. Origuchi nahm an, dass es ursprünglich etwas war, womit materielle und immaterielle "Dinge, die gefürchtet (畏るべき物 osorubekimono), tabuisiert (忌むべき物 imubekimono) und unrein (穢はしい物 kegarahashiimono) waren", gereinigt (harau 祓う) werden sollten. Er erklärte [also], dass aus einem Setsubun-Schiff, welches Albträume vertreibt, ein Schatzschiff wurde, welches Glück und Vermögen beschert.
Auch die ursprünglichen Gestalten der sieben Glücksgötter waren keine sanften, glückbringenden Götter. Vielmehr kann die Grundform der Glücksgötter in Unglücks-Göttern gefunden werden.
Vertreibung und Bewirtung von Unglücksgöttern
Im sechsten Monat des Jahres Bunkyū 2 (1862) gingen in der Stadt Edo die Masern (akamogasa/hashika) um. Besonders junge Menschen, die die Masern des Jahres Tenpō 7 (1836) nicht miterlebt hatten, waren betroffen. Da die Krankheit außerdem bei Frauen einen schwereren Verlauf nahm als bei Männern, kam es nicht selten vor, dass Frauen während ihrer Schwangerschaft starben. Am "Tausendtagebesuch" (sennichimairi 千日詣)[14] des Sensō-ji 浅草寺 am neunten und zehnten Tag des siebten Monats, oder auch am "Besuch des Enma" (enma-mairi 閻魔参り[15] am 16. Tag nahmen [daher] auch weniger Menschen als üblich teil. Ursprünglich war die Krankheit durch ein europäisches Schiff, dass im zweiten Monat in Nagasaki angelegt hatte, übertragen worden und erreichte über Kyōto und Ōsaka [schließlich] Edo.
Ab der zweiten Hälfte des achten Monats stellte man in den einzelnen Stadtvierteln "Abwehrbambus" (imidake 斎竹)[16] an die Holztore und hängte Papierlaternen (hōtō no chōchin 奉燈の提灯) an die Vordächer. Durch Umzüge mit den mikoshi-Sänften 神輿 der regionalen Schutzgötter (chinju 鎮守) oder mit Löwentanzmasken (shishigashira 獅子頭)[17] versuchte man, die Götter um Gnade zu bitten und das Unglück zu vertreiben. Diejenigen, die die Masern geschickt hatten, waren yakubyōgami 疫病神 (Seuchengötter) oder yakujin 厄神 (Unglücksgötter), und die Feste für sie stellten einen Versuch dar, das Unheil zu verjagen. Je schwerer das Unheil zu vertreiben war, umso größer wurden die Festivitäten. Man verwendete Festwagen (dashi 車楽)[18], veranstaltete Tänze und nerimono 邌物[19] und durchquerte so die Straßen. Eine Zeremonie, die Unheil vertreiben sollte, findet man auch im „Chikanaga Kyōki“ 親長卿記, einem Tagebuch aus der Muromachi-Zeit[20]:
Sechsten Tag, achter Monat im Jahr Bunmei 3 (1471): Täglich gibt es an vielen Orten Umzüge (hayashimono), die man „Wegschicken der bösen Pockengötter“ nennt. Am siebenten Tag und heute gab es solche Umzüge im Stadtviertel, die vor Muromachi-dono und Kitanokôji-dono vorbei mussten. [...] Ich konnte sie nicht sehen. Es gab eine Reihe von Umzügen.
Es fanden also hayashimono 囃物[21] statt, die man das „Wegschicken der bösen Pockengötter“ nannte, und der Autor war eingeladen, sie anzusehen. Die Epidemie ging von böswilligen Gottheiten aus, und um diesen zu entkommen organisierte man Veranstaltungen, bei denen sie durch hayashimono besänftigt und fortgeschickt werden sollten. Die magische Kunst dieser Austreibung (chinsō 鎮送) war vom Altertum bis zum Mittelalter vor allem im goryō-e 御霊会 oder im Kult der Rachegeister (go-ryōshinkō 御霊信仰)[22] zur Geltung gekommen.
Auch innerhalb der jahreszeitlich Feste, die sich in der Bevölkerung eingebürgerten, kann man den Einfluss go-ryō Kults deutlich erkennen. In Kuji-gun, Kanasa-mura (Ibaraki-ken, Kuji-gun, Kanasagō-mura) werden am 10. Juli am Dorfrand Kriegerpuppen aus Stroh aufgestellt, die man osuke-ningyō nennt, und ein Fest wird veranstaltet. Aber auch beim Tennō-Fest am 15. Juni bastelt man Puppen aus Stroh, die man yakubyō yoke 疫病除け (Seuchenabwehr) nennt, und bringt sie bis zum Dorfrand hinaus. Weil man in den Bauch der Puppen Reisklße (dango 団子) oder andere Speisen füllt und sie dann hinausbringt, nennt man sie auch „Bauchpuppen“ (hara ningyō 腹人形). Hier handelt es sich nicht um konkrete Epidemien, vielmehr wird das Wegschicken der Puppen durchgeführt, weil es zu einer alljährlichen Tradition geworden ist. Doch der Punkt, den Bauch der Puppen mit dango und anderen Speisen zu füllen, stellt hier ein besonderes Charakteristikum dar. Es erklärt sich von selbst, dass das Essen, das in den Bauch gelegt wird, nichts anderes als eine Opfergabe an die yakubyōgami darstellt. Mit anderen Worten wird hier also eine ‚Bewirtung‘ (kyōō 饗応) der yakubyōgami durchgeführt.
Zeremonien, in denen yakubyōgami fortgeschickt oder bewirtet werden, wurden auch bei ärztlichen Behandlungen von Pocken in Bauerndörfern durchgeführt. In Chiba-ken, Inba-gun wurde etwa bis zum Jahr Meiji 10 ein Ritual abgehalten, das man hōsō hayashi 疱瘡囃, Pockenumzug, nannte. Wenn die Pocken umgingen, versammelten sich Frauen und Kinder in den Schreinen, trugen mandō-Laternen [23] auf ihren Schultern und schlugen tsuzumi-Trommeln 鼓, und zogen musizierend durch das nächtliche Dorf. Des weiteren gab es eine Pockengottheit namens Anba-sama, daher trug man die Maske des Anba no Ōsugi-sama 阿波の大杉様 und tanzte, mit Flöten und Trommeln musizierend, durch das ganze Dorf. So gibt es neben den [Bräuchen], bei denen magische Formeln zur Austreibung der Götter im Mittelpunkt stehen, auch diejenigen, bei denen die Bewirtung zentral ist. In Gunma-ken hängt man, nachdem die Schutzimpfungen erhalten wurden, rote shime 注連[24] an die Eingangstore der Häuser, und legt für die ersten ein bis zwei Wochen rote gohei 御幣[25] auf Tabletts mit rotem Reis (sekihan 赤飯)[26] und stellt diese bei den Tempeln und Schreinen oder am Wegrand auf. Man heftet auch gohei an Strohpferde, opfert sekihan und schickt sie dann weg, was man yu nagashi nennt. Obwohl eigentlich bereits durch die Schutzimpfung eine Heilung erreicht wird, ist diese magische Praxis nicht verschwunden.
In welcher Form hat man sich diese Seuchengötter und Unglücksgötter nun aber vorgestellt? Beim hōsō-matsuri 疱瘡祭 (Pockenfest) in Chiba-ken, Matsudo-shi, werden folgende Verse gesungen:
こんにちのもがみさま、 どっちのかたから参り着た、 |
Der Mogami-sama des heutigen Tages aus welcher Richtung ist er gekommen? |
Wie Miyata Nobori 宮田登 anmerkt, wird hier einem Gott, der aus der Ferne mit einem Boot kommt, Dankbarkeit in Form eines Festmahls erwiesen. Die Gestalt des Unglücksgottes wurde tatsächlich als ein Besucher aufgefasst, der vom Meer kommend in einem Boot erschienen ist. Auch wurden diese Unglücksgötter in vielen Fällen in menschlicher Gestalt dargestellt.
Das mushi okuri 虫送り, ein Ritual, bei dem das Ungeziefer der Reispflanzen weggeschickt werden soll, ist [in Japan] überall verbreitet, aber in Westjapan stellt man auch eine Puppe namens Sanemori (斎藤実盛 Saitō Sanemori) her, die das Ungeziefer vertreibt. Yanagita Kunio 柳田国男 [29] behauptete, dass das Sanemori-okuri 実盛送り und der Ortsname Sanemoritsuka 実盛塚 aus der Zeremonie des mushiokuri entstammen, und dass sich dies daraus erklärt, dass die Schäden der Insekten als ein „Akt der Totengeister“ (Goryō no shoi 御霊の所為) galten. Er weist darauf hin, dass es die Seelen der Toten und die rachsüchtigen Geister sind, die den Menschen Unglück bringen, aber wenn man diese beruhigt, kann man das Unglück abwehren.
Der Glaube, dass man durch Feiern Unglück vermeiden kann, welches dem Fluch von Totengeistern entspringt, ist durch zahlreiche Beispiele vom Altertum bis zur Neuzeit [illustriert] und erörtert worden. Trotzdem wurden Unglücksbringer wie die Seuchengötter (yakubyōgami 疫病神), die Pockengötter (hōsōgami 疱瘡神) oder die Armutsgötter (binbōgami 貧乏神) aus Sicht der Neuzeit viel sanfter und friedlicher dargestellt als die Totengeister [des Altertums] wie Sugawara no Michizane 菅原道真 oder Ban Dainagon 伴大納言[30]. Von den Pockengöttern sind Geschichten überliefert, dass man ihren Schutz erhält, wenn man sie am letzten Tag des Jahres beherbergt. Sie wurden [daher] als völlig andere Wesen aufgefasst als die vormittelalterlichen zerstörerischen Gottheiten (araburu kami). Treten diese Unglücksgötter, die von einer anderen Qualität sind als der Glaube, dass man durch Feiern dem Unheil der Totengeister entfliehen kann, nicht erst ab der Frühen Neuzeit auf? Diese Frage möchte ich nun im Zusammenhang mit dem Wandel vom Unglücksgott zum Glücksgott näher untersuchen.
Berührungspunkte der Unglücks- und Glücksgötter
Obwohl sich Unglücks- und Glücksgötter sowie die Dinge, die sich mit sich bringen, widersprechen, werden beide als Besuchsgötter empfangen. Daher ist zu erwarten, dass es in den Zeremonien des Fortschickens und des Empfangens gemeinsame Aspekte gibt.
Aber laut Ōshima Tatehiko 大島建彥[31] gibt es noch weitere Hinweise, dass Unglücks- und Glücksgötter Wesen derselben Art sind. Nämlich die weit verbreitete Überlieferung, dass die Pockengötter, wenn man sie höflich bewirtet, Talismane und Ähnliches gegen Pocken verteilen. Man könnte auch sagen, dass sich ein Unglücksgott durch die Einladung in einen Glücksgott verwandelt. Könnte die Verwandlung eines Unglücksgottes in einen Glücksgott nicht genau dann erfolgen, wenn die Austreibungs- und Einladungszeremonien abgeschlossen sind? Hierzu möchte ich das Ōno-Sōjinsai 大野の送神祭 des Dorfes Tokigawa 都幾川村 ansehen, das im Bezirk Hiki 比企 der Präfektur Saitama liegt.
Ōno gehörte in der Frühen Neuzeit zum Landkreis Chichibu 秩父郡 und bildete ein eigenes Dorf. Das Sōjinsai wird als Fest des Ōno-Schreins durchgeführt. Der Ōno-Schrein hieß in der Edo-Zeit Kitatakiyama Myōken-gū 北滝山妙見宮 und wurde in der Meiji-Zeit in Mikeisha 身形社 umbenannt. Das Sōjinsai ist ein Fest, an dem alle aus Ōno teilnehmen und das am 8. April durchgeführt wird und es ist überliefert, dass es neu geschaffen wurde, um die Tenmei 天明-Hungersnot (1782-1788) mitsamt den auftretenden bösartigen Krankheiten zu verbannen.
Jedes Jahr am 7. April wird an jedem Haus grüner Bambus geschnitten, am Ackerland für das Fest gesammelt und damit Flaggen hergestellt. Auf die Flaggen schreibt man Schriftzeichen wie akuma sōjinsai 悪魔送神祭 (Fest der Dämonenaustreibung) oder chinshu gosairei 鎮守御祭礼 (Zeremonie des Schutzgottes). Am folgenden 8.4. werden die Flaggen dem Schrein dargebracht und ein Mikoshi gebaut. Der Mikoshi wird aus grünem Bambus und Papier gebaut und geschmückt. Durch den Oberpriester des Schreines werden der Mikoshi und seine Begleiter [rituell] gereinigt.[32] Dann startet man in Richtung des Grenzgottes, der sich an der Grenze zum Nachbardorf befindet. Unterwegs wird der Mikoshi an jeder Kreuzung einmal gegen den Uhrzeigersinn gedreht und durch den Oberpriester rituell gereinigt. Sobald die Parade beim Grenzgott ankommt, werden vom Oberpriester (und früher von asketischen Bergmönchen) norito 祝詞 (shintoistische Gebete) und Bannformeln intoniert. Danach durchstößt der Oberpriester den Mikoshi mit einem Schwert und der Mikoshi und die Fahnenmasten, die von jedem Haus bereit gestellt wurden, werden in einen Abgrund hineingeworfen.
Wenn dieses Ereignis beendet ist, sammeln die Leute aus dem Nachbardorf (früher Taira-mura 旧平村) die Fahnenstangen ein. Diese Fahnenstangen (aus grünem Bambus) werden dann als Bambus zur Seidenraupenzucht (kodana 蚕棚) verwendet. Wenn man diesen grünen Bambus, der bei diesem Sōjinsai verwendet wurde, benützt, sagt man, dass die Seidenraupen gut wachsen.
Während der Durchführung dieses sōjin Festes[33] wird auf dem Prozessionsweg "Ōkuruwa ōkuruwa hayari-gami maatsuruzo" ("Fortschicken, fortschicken, wir feiern die Hayarigami")[34] gerufen. Es wird überliefert, dass [dieser Spruch] zur Heilung von Epidemien gemacht wurde. Offensichtlich werden damit jene Dämonen und Unglücksgötter vertrieben (chinsô 鎮送), die die Epidemien mitbrachten. Allerdings, sobald die Zeremonie beim Grenzgott abgeschlossen ist, ändert sich der Charakter des vertriebenen Unglücksgottes (yakujin) und er wird zum Beschützern der Seidenraupenzucht.
Solch eine Umwertung lässt sich auch beim Pockengott und anderen betrachten. Allerdings behält die Gottheit im Falle des sōjin matsuri den Charakter eines Unglücksgottes bei, bis die Dorfgrenze überschritten, [die Gottheit] mit dem Schwert durchstochen und den Abhang hinunter gestoßen worden ist.[35]
Im Gegensatz dazu findet sich in der vierten Rolle von Ihara Saikakus 井原 西鶴[36] Nihon eitaigura 日本永代蔵[37] im Abschnitt Inoru shirushi no kami no orishiki 祈る印の神の折敷 (etwa "kami Gebetszeichen von Holztabletten") die Erzählung von jemandem, der den Armutsgott (binbōgami 貧乏神) anbetet und dafür Glück erhält. Diese Geschichte hat insofern einen anderen Charakter [als das vorhergehende Beispiel], als hier der Armutsgott den Reichtum verteilt. Die beiden Eheleute einer Färberei (namens arme Prachtglocke) beklagen ihre Armut mit den Worten "Jeder auf der Welt betet die Götter und Buddhas des Reichtums und Ansehens an, das macht einer dem anderen nach (人のならはせなり). Wir aber wollen den unbeliebten binbōgami verehren."[38] Sie fertigen eine komische Strohpuppe mit hässlicher Gestalt an, stellen sie neben dem matsugazari 松飾り [39] auf und behandeln sie von Neujahr bis zum 7. Tag äußerst gastfreundlich. Der binbōgami erscheint ihnen darauf im Traum und erklärt, er sei zum ersten Mal so verehrt worden, daher wolle er die Armut ihres Hauses zu einer anderen, reicheren Familie weitergegeben. Und [wirklich] bringt er ihnen Wohlstand.
Das bedeutet, dass man mithilfe des Armutsgottes reich werden kann, wenn man ihn verehrt. Man könnte natürlich sagen, der Armutsgott wird besänftigt, doch hinsichtlich der ausbleibenden Vertreibung haben wir es hier doch mit einer sehr literarischen Struktur zu tun, die typisch für eine der Kaufmannsschicht entstammenden Schriftsteller wie Ihara Saikaku ist. Andererseits nimmt der binbōgami die Bürde der Armut auf sich und verlässt schlussendlich das Haus. Hier lässt sich also doch eine Parallele zur Vertreibung der Unglücks oder Seuchengötter (yakujin ya ekigami 厄神や疫神) erkennen.
Diese Verwandlung von Unglücks- und Seuchengöttern in Glücksgötter unterscheidet sich von den Matsuri, welche den Fluch der Kami besänftigen sollten, wie wir sie in Altertum und Mittelalter finden. Durch ihre Besänftigung werden keine Extreme wie Verwünschungen beschwichtigt, sondern der Charakter [des kami] selbst durchläuft eine Transformation. Ihara Saikakus frühmoderner binbōgami erteilt Wohlstand, weil er als Gottheit verehrt wird. Hier haben wir es mit einem kami-Konzept zu tun, das sich von der Welt der Hass erfüllten Rachegeister aus Altertum und Mittelalter abgespalten hat. Allein aus Sicht des sōjin matsuri her betrachtet, ist es schwierig zu behauten, dass der Seuchengott dieses Matsuri eine Abwendung vom Totengeisterglauben darstellt. Aber die Tatsache, dass der grüne Bambus, der den Seuchengott repräsentiert, für die Seidenraupenzucht verwendet wird, weist über die einfache Vertreibung eines Rachegeists hinaus. Das kami-Konzept in dieser Art von Volksglauben lässt sich auch bei den vorher erwähnten mushiokuri Zeremonien wiederfinden.
Die Vermischung von yakujin und Glücksgöttern
Wie man am sōjin matsuri von Ōno sehen kann, wurden die Unglücksgötter in Glücksgötter verwandelt, was im Fall der Armutsgötter noch einfacher durchgeführt werden konnte. Solche Veränderungen der Charakteristika von kami scheinen auch bei Exorzismen (yakubarai 厄払い) zum Ausdruck zu kommen. Laut Berichten aus Tsushima 対馬 in der Präfektur Nagasaki, wird gehen [die Exorzisten] am Abend des setsubun 節分 Festes[40] (toshitori 年取り) umher und rufen "oyakko haraimashō" お厄払いましょう ("Lasst uns die bösen Geister vertreiben!"). Mit "haraōbai" 払おうばい werden sie [von den Leuten] herbeigerufen und singen dann gegen eine kleine Belohnung folgendes Lied:
Wie sehr es auch immer glückverheißend sei, glückverheißend sei
Wenn man von einem glücklichen Ereignis erzählen will:
Der Kranich zehntausend Jahre alt, die Schildkröte zehntausend Jahre alt
Der Neumond im Osten achttausend Jahre alt
Urashima Tarō[41] neuntausend Jahre alt
Die Alte Gondō hundertsechs Jahre alt
Daisuke von Miura hundertsieben Jahre alt
Der Herr des Hauses hundertacht Jahre alt
In allen Ecken und Winkeln diese Dämonenketzerei
Das Böse wird auf den Rücken geladen
Auch wenn man zuerst an das westliche Meer denkt
So wendet man sich dem östlichen Meer zu
Das Austreiben der bösen Geister erfüllt die Aufgabe, das Unglück von Haus zu Haus einzusammeln und dieses in die Weite des Meeres wegtreiben zu lassen. Dass die Vertreibung des Unheils in Richtung eines Meeres im Osten erfolgt, müsste mit einmal mit der Gottheit von Kashima oder mit der Idee einer anderen Welt in der östlichen Richtung des Meeres vergleichend [untersuchen]. Übrigens bedeutete das Austreiben der bösen Geister auch das Eintreten von Glück. Folgendes findet sich in dem gleichen Unheil austreibenden Lied:
In der Tat heute Nacht
Zu Beginn des Jahres, Schiffe bauen
Das Schiff aus Silber, die Ruder aus Gold
Masten aus Silber aufrichten
Segel aus Damast und Brokat aufziehen
Kanenaru sebuguchi oshikamasu [Lautmalerei]
Leine und Seile aus Gold
Auf dem Aussichtsturm des Hecks eine Kiefer gepflanzt
Auf dem Heck Daikoku, auf dem Bug Ebisu
Im Inneren die zwölf Schutzgottheiten (funadama-sama) des Schiffes
Im Sturm der Kiefer grollt das Segel
In die Schatzbucht einlaufend
Von der Schatzbucht weg
Tausend, zehntausend Ryō[42] verschiffend
In das Gästezimmer des Hauses hineinlaufend
Ewigwährender Erfolg und Wohlstand im Haus
Das Austreiben der bösen Geister kündigt also das Eintreten von Glück und den Besuch der Glücksgötter an. Aus dem Lied wird klar, dass das Schiff in die Schatzbucht fährt und von dort Schatz mit sich bringt. Wenn man betrachtet, dass der Besuch des Schiffs von hoher See Glück mit sich bringt, dass es Unglück auf sich lädt und damit in das östliche Meer hinausfährt, kann man sagen, dass das Austreiben von bösen Geistern gleichzetig zwei Rollen erfüllt: nämlich das Unglück wegzutragen und vom Meer Glück mitzubringen. Diese Glücksbringer werden als Ebisu, Daikoku und funadama 船霊 (Schutzgottheiten des Schiffs) gedacht. Auch im nächsten Lied nehmen Ebisu und Daikoku diese Rolle ein.
Akune mon shinshō
Wenn man sich den Hausherrn hier gut ansieht
Ob Ebisu, ob Daikoku, es sind die Glücksgötter
Nächstes Jahr drei Speicher voll, übernächstes Jahr vier Speicher voll
Auch Geld und Gold werden überquellen
Dieses Lied wird von Kindern aus Tsutsumura 豆酸村 am Abend des letzten Tages im Jahr herumgehend gesungen und in Izuhara[43] wird am Silvesterabend herumziehend 'Akune monshin shiyō' gesungen. Dieses Fest scheint dem obenerwähnten Austreiben der bösen Geister gleichzukommen und das Verständnis zu teilen, dass Ebisu und Daikoku Glücksgötter sind. Weiters wird in den beiden als Festlieder angesehenen Liedern 'Satemo Migotona' 「さても見事な」 und 'Kisaragi Yama' 「きさらぎ山」 folgendes gesungen:
Ach, das wunderschöne Schiff von Tsushima
Auf dem Heck Daikoku, auf dem Bug Ebisu (Auslassung des Schlussteils [gemäß Kamiya])
Aus dem Holz des Kampferbaums vom Kisaragi Berg
Fünf Rückenbretter aus dem Brett ziehen
Der Schiffs-Korpus, die erhabenen Gottheiten des Kasuga Schreins
Der Schiffsbug, die Gottheiten von Kumano
Das Schiff gebaut, heute Morgen zum ersten Mal eingesetzt
Die schwimmende Gestalt der Möwe auf hoher See
Im Rumpf die zwölf Schutzgottheiten des Schiffs
Auf dem Bug Ebisu als Lotse
Auf dem Heck Meister Daikoku
Es existiert also das Bewusstsein einer Verbindung zwischen Ebisu und Daikoku mit dem Meer und weiters wird das Bringen von Schätzen und Glück in den Liedern besungen. Überdies werden das Glück und das Wesen der Glücksgötter auch anhand des Erntedank-Festes i no ko buri 亥[44] の子ぶり[45], das vor allem in Westjapan[46] gefeiert wird, offenkundig: Zu Beginn des Monats Oktober nach dem Mondkalender, am Tag des Wildschweins, ziehen die Kinder von Haus zu Haus in jeden Garten und versammeln sich um eine spezielle Konstruktion, die sie an Schnüren haltend leicht in die Luft werfen. Für die Konstruktion wird ein Stein oder Kiefernholz ringsum mit Schlingpflanzen-Schnüren befestigt. Dabei singen die Kinder folgendes Lied:
Lasst uns feiern, lasst uns feiern
Das Erntedank-Fest
Wenn man sich den Hausherrn hier gut ansieht
Nächstes Jahr drei Speicher voll, übernächstes Jahr vier Speicher voll
Geldstücke erhalten, Gold einnehmen
Yassa uri yassa uriyo [Lautmalerei]
Ob Ebisu, ob Daikoku, es sind die Glücksgötter
Das Erntedank-Fest
Morgen Abend nasaraja naraja [Lautmalerei]
In der Nacht des nächsten Jahres werde ich eine gute Braut finden
Einen schlechten Bräutigam werde ich nicht nehmen
Für Wohlstand, für Erfolg
Die Glücksgötter Ebisu und Daikoku werden als Beispiel herangezogen.
In diesen Volksliedern und Bräuchen bestätigt sich, dass die, die das Unglücks vertreiben, aus religiöser Sicht identisch sind mit jenen, das Glück mit sich bringen. Zum Zeitpunkt der Unglücksaustreibung wird auch das Kommen von Glücksgöttern besungen. Jene, die die Rolle von Glücksbringern übernehmen, sind nichts anderes als Besucher der einen oder anderen Art.
Die Vermittler von Glück und Unglück
Auch die Bräuche und Sitten der Unglücksaustreiber (yakubarai 厄払) der Edo Zeit nahmen derartige Formen an. In Kitagawa Morisadas Kinsei fūzokushi 近世風俗志 heißt es:
Unglückaustreiber: in Kyoto und Osaka kommen sie nur in der Nacht des Setsubun (also des Wechsels der Jahreszeiten); auch in Edo früher nur zu Setsubun, seit dem ersten Jahr der Bunka Ära (1804) kommen sie jedoch vom letzten Tag des Jahres bis zum sechsten des ersten Monats und am 14. des gleichen Monats. In Osaka erhalten sie tsuina追儺 Bohnen[47] gemäß der Jahreszahl sowie ein Geldstück in weißes Papier gewickelt. In Edo werden 12 Geldstücke eingewickelt. Ferner sagt man in Kyoto und Osaka Sätze wie „やくはらいましょう“ (Lasst uns die bösen Geister vertreiben) während man in Edo die Zeichen „おんやく, おんやく“ auf die Papierstücke schreibt. Die Texte der Unglücksaustreiber sind in den drei Großstädten ähnlich, ändern sich allerdings von Jahr zu Jahr: „Oh, wie wunderbar, wie wunderbar! Blickt man von der Sorihashi Brücke des berühmten Sumiyoshi Schreins Richtung Westen, erblickt man das Schiff der Sieben Glücksgötter. Ebisu hält eine Angelrute als Zeichen für ewiges Leben. Die Meerbrasse, die er durch die Angelschnur fängt, an der Gold und Silber befestigt sind, ist eine Hime Kodai (Chelidoperca hirundinacea). Durch diesen glückverheißenden Umstand werden alle Dämonen in der Japanischen Inlandsee vertrieben.“ (Auslassung Schlussteil)
Schaukünstler (yûgei 遊芸), die die bösen Geister in der Nacht des Setsubun vertrieben und Glück mit sich brachten, gingen also von Haus zu Haus. In Kikuchi Kiichirōs „Eihon fūzoku ōrai“ heißt es:
(Auslassungen Anfang) werden bei der Feier heute Abend glückverheißende Rituale durchgeführt. Unter anderem werden von drei Theaterschauspielern glückbringende Sachen rezitiert. Die japanische Inlandsee gehört gewiss dazu, welche als unglücksvertreibend angesehen wird und das östliche Meer als Ort des unglücksvertreibenden Exorzismus ablöst. (Auslassungen Schlussteil)
Ähnlich wie bei den oben erwähnten Unglücksvertreibern von Tsushima achtete man darauf, dass die bösen Geister ins östliche Meer, nicht ins westliche Meer fortgespült wurden.
Die Riten zur Vertreibung böser Geister wurden auch von Kindern, zumeist aber von Priestern niedrigen Ranges durchgeführt. Es waren religiöse Schausteller yugyōsha 遊行者, die Tänze wie banzai 万歳 (Banzai-Tänze), torioi 鳥追 (Vogelverscheuchen), daikoku-mai 大黒舞い (Daikoku Tänze) oder harugoma 春駒 (Frühlingsfohlen)[48] aufführten und damit einen Teil ihres Einkommens bestritten. Das Tango no kuni hôsanryô fûzoku monjô gotae berichtet, wie am letzten Tag des Jahres sogenannte sekisoro 節季候 von Haus zu Haus gingen:
[...][49] Der Gesang (hayashi 囃子) der Sekisoro lautet: [...][50] Der Fisch-Speicher von Hiruko, der Geld-Speicher von Bishamon, der Gold-Speicher von Fudô, der Sake-Speicher von Shōjō, die Quellen gedeihen und vesiegen nicht, die Wellen versiegen nicht, so oft man betet, wie wunderbar!
Derartige jahreszeitliche Unglücks-Austreibungen waren laut "Überlegungen über den Pöbel" (Senja-kô 賎者考, von Motoori Uchitô 本居内遠, 1847)[51] Schaukünste der Unterschicht. Die in Daikoku-mai und Ebisu-mai enthaltenen Glaubensvorstellungen (shinkô 信仰) wurden also durch Schausteller verbreitet, die sich von Outcasts (sanjomin 散所民) herleiteten.
In der Realitiät stehen Glück und Unglück in Opposition zu einander. Sie können im Grunde nicht gleichzeitig existieren. Wenn das Unglück von den Schaustellern fortgebracht wird, scheint damit das Glück einzutreten. Allerdings ist die Beziehung zwischen Unglück und Glück nicht einfach ein dualer Gegensatz, ist doch in jedem Unglück auch Glück, in jedem Glück auch Unglück enthalten. Unglücksgötter werden eingeladen, bewirtet und verschwinden schließlich in die Ferne des Meeres. Von diesem Meer aus kommen die Glücksgötter zu Besuch. Das Meer wird zu einem Ort der Wandlung von Unglück in Glück. Durch das Wasser und das Salz wird wohl die Unreinheit (kegare) beseitigt. Diese Fähigkeit der Umwandlung wurde auch den religiösen Schaustellern zugesprochen, die selbst die Unreinheit verkörperten, aber gleichzeitig das Glück mit sich bringen.
Wurden sie nicht gerade deshalb für minderwertig gehalten, weil sie das Unglück auf sich nahmen und fortbrachten? Allerdings bedingte die Existenz dieser Schausteller, dass das Unglück vertreiben und das Glück bringen als das gleiche angesehen wurde. Sie stellten daher die Voraussetzung dar, damit der Wandel von einem Gott des Unglücks zu einem Glücksgott überhaupt gedanklich fassbar war. Es ist daher wohl ihrem Einfluss zu verdanken, dass sich die Glücksgötter in Form von Besuchsgöttern, die das Glück mitbringen, im allgemeinen Bewusstsein festsetzten.
Verweise
Anmerkungen
- ↑ Mit Benzai-ten assoziierte Gottheit der Ernte und des Wohlstands in Schlangenform
- ↑ Mythologische Gottheit der Speisen
- ↑ Vgl. Bergglück und Meerglück.
- ↑ legendäres, menschenähnliches chinesisches Ungeheuer, das Alkohol liebt
- ↑ aus der chinesischen Mythologie
- ↑ Eine Sammlung von 65 Geschichten in sechs Büchern. Hauptsächlich geht es um historisch berühmte Persönlichkeiten wie Kaiser, Priester, Krieger und Berg-Asketen. Das Vorwort der Sammlung stammt aus dem Jahr 1689, womit sich das Werk in die Tokugawa-Zeit einordnen lässt. Der Autor bzw. Herausgeber des Werks bleibt unbekannt. Die Sammlung enthält außerdem 32 Illustrationen. (Quelle: https://scholarspace.manoa.hawaii.edu/bitstream/handle/10125/614/Chirizuka%20Monogatari.pdf?sequence=1)
- ↑ Schrein in der heute gleichnamigen Stadt in der Präfektur Hyōgo
- ↑ Stadt in der Präfektur Hyōgo
- ↑ Raihōjin, oder auch marebito genannt, sind Fremde mit magischen Fähigkeiten, die zu bestimmten Zeiten im Jahr auf Besuch zu den Menschen kommen und von diesen willkommen geheißen werden (Foster 2013:308-309)
- ↑ Auch Genpei seisuiki; „Chroniken über den Aufstieg und Fall der Clans Minamoto und Taira“; Variante des Heike monogatari 平家物語 aus der mittleren Kamakura-Zeit
- ↑ auch: ama no iwakusubune 天の磐樟船: Ein Boot, das aus dem Kampferbaum gefertigt ist
- ↑ japanischer Literaturwissenschaftler und Schriftsteller (1887-1953)
- ↑ Setsubun bezeichnet seit der Edo-Zeit den Vorabend des Frühlingsbeginns um den 3. oder 4. Februar. Dabei werden bis heute unterschiedliche Rituale durchgeführt
- ↑ Ritus, bei dem 1000 Tage lang Schreine besucht werden. In der Edo-Zeit handelte es sich um einen speziellen Tag, an dem man stellvertretend für die 1000 Tage einen Schreinbesuch machte. In Edo wurde es am zehnten Tag des siebten Monats, in Kyōto am 24. Tag des sechsten Monats gefeiert.
- ↑ Sowohl zu Neujahr, als auch am 16. Tag des siebten Monats besuchte man Tempel, die der Gottheit Enma gewidmet sind.
- ↑ Bambus, der zur Verehrung einer Gottheit und zur Abwehr vor Verunreinigungen in einer viereckigen Form aufgestellt wird. Zwischen den Spitzen, wo der Bambus noch Blätter trägt, werden Schnüre gespannt, an denen shide 四手 (eingeschnittenes Papier für religiöse Zwecke) befestigt wird.
- ↑ Löwenmasken aus Holz, die üblicherweise beim shishimai 獅子舞, einem Tanz, getragen werden.
- ↑ Ein Festwagen, der, mit Blumen, Puppen und anderen Dekorationen geschmückt, zu Festen gezogen oder auch auf der Schulter getragen wird.
- ↑ Festumzüge in Städten, bei denen die oben erwähnten dashi oft Verwendung finden.
- ↑ Tagebuch des Hofadeligen Kanroji (Fujiwara) Chikanaga 甘露寺親長 (1424-1500). Es beginnt am zweiten Tag des neunten Monats im Jahr Bunmei 2 (26. 9. 1470) und endet im achten Monat des Jahres Meiō 7 (1499). Wichtige Quelle des Ōnin-Kriegs (1467-1477) und seiner Folgen, die sengoku Zeit, die den Tiefpunkt der Stadtentwicklung Kyotos darstellte.
- ↑ Ein belebtes Fest, bei dem laut mit Flöten, Trommeln und Gesang musiziert und gefeiert wird.
- ↑ Ab der Heian-Zeit fürchtete man den Zorn Verstorbener Seelen. Der Begriff goryō shinkō beschreibt den Glauben daran, dass durch diesen Zorn Seuchen oder Unheil hervorgerufen wurden, und goryō-e stellt ein Ritual dar, das die Seelen der Verstorbenen besänftigen sollte.
- ↑ 万灯, viereckige Laternen, die meist bei Schreinfesten Verwendung finden.
- ↑ Ein heiliges Seil, das vom Betreten bestimmter Orte abhalten soll. Normalerweise spannt man es vor Orte, an denen sich Gottheiten aufhalten sollen.
- ↑ geweihte, eingeschnittene und gefaltete Papierstreifen.
- ↑ mit roten Bohnen (azuki 小豆) gekochter Reis
- ↑ Beide Ortsnamen lassen sich mit "rot" (akai) assoziieren.
- ↑ ähnlich wie gohei
- ↑ Yanagita Kunio war ein japanischer Ethnologe und Autor, der von 1875 bis 1962 lebte. Er gilt in Japan als "Vater der Ethnologie".
- ↑ Tomo no Yoshio 伴 善男, ein Oberstaatsrat in der Heian-Zeit, wurde auch Ban Dainagon genannt.
- ↑ Ōshima Tatehiko wurde 1932 geboren, ist ein japanischer Volkskundler und Universitätsprofessor im Ruhestand.
- ↑ Harae; die Reinigung wird durch das Schwenken eines mit Papier und Bast behängten Stocks erwirkt.
- ↑ Datei:送神祭 - 大野神社.avi, 大野の送神祭 Internetseite
- ↑ オークルワ オークルワ厄病神(はやり神)マーツルゾ; vielleicht 送るわ 送るわ 厄病神 祭る/祀るぞ. Bei hayari-kami handelt es sich um Plagegeister.
- ↑ Der Satz ist aus meiner Sicht etwas redundant und kann daher gekürzt werden. B.S.
- ↑ 1642 - 1693; Schriftsteller und Poet aus Ōsaka. Wikipedia.jp
- ↑ Ukiyo-zōshi aus dem Jahr 1688 mit insgesamt 6 Rollen und 30 Kapiteln.
- ↑ den Originalsatz verstehe ich nicht ganz, allerdings habe ich auf NHK eine jap. Erklärung dazu gefunden: scene 07
- ↑ Kiefernschmuck an der Haustüre zum Neujahrstag
- ↑ Vorfrühlingsanfang, meist am 03. oder 04. Februar.
- ↑ Märchengestalt; wird von einer Wasserschildkröte zum Palast des Drachenkönigs unters Meer gebracht, nachdem für ihn drei Jahre vergangen sind, kehrt er ins Heimatdorf zurück; dort sind inzwischen Jahrzehnte vergangen und es ist kaum noch etwas wieder zuerkennen; als er eine mitgebrachte Schachtel öffnet, wird Urashima Tarō zum alten Mann. (Quelle: wadoku.de http://wadoku.de/search/%E6%B5%A6%E5%B3%B6%E5%A4%AA%E9%83%8E)
- ↑ alte japanische Münzen
- ↑ Stadt in Kyūshū, die im Jahr 2004 in die Stadt Nagasaki eingegliedert wurde
- ↑ das Zeichen i 亥 bedeutet Wildschwein; hier erscheint es im Zusammenhang mit dem Tag des Wildschweins
- ↑ Datei:亥の子祭り・周防大島外入.avi, Datei:亥の子まつり - 囃子歌.avi
- ↑ beispielsweise in den Präfekturen Yamaguchi 山口県, Mie 三重県, Kyōto 京都府, Hiroshima 広島県 oder Ehime 愛媛県
- ↑ Bohnen zum vertreiben der Oni.
- ↑ Tanz in einer Art Pferdekostüm
- ↑ Noch zu übersetzen: 一、此日、番非人の者、節季候と申、両人頭に笠の輪へ裏白をさし、扇子にて子を取り、何か目出度よふ成事を申、家毎相廻り候に付、少々宛米差遣し申候旨、町年寄共申出候。
- ↑ Noch zu übersetzen: さんやア御座れや(せき候)たい〈 大裏の、きさきの、まねひは、青山、穂長を、いうりゆたかに、飾りて、どんどと踊れば、躍に、徳あり、願ふに福とや、御家は、繁昌、祝ふて、扨又、是より、御家の、御家敷、申さは、八丁四方の、御蔵の、中にも、すっしり、建たる、米蔵、
- ↑ Enthalten in 日本庶民生活史料集成14、部落. 三一書房, 1971.