Mythen/Verwandlungskuenstler/Tanuki: Unterschied zwischen den Versionen
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{{fl|T}}{{g|tanuki|''anuki''}} sind in Japan weit ver·brei·tete Tiere, die nach japanischer Auf·fas·sung ähn·liche magische Be·ga·bungen besitzen wie die Füchse. Wäh·rend die Füchse aber ele·gant und schlau oder gar heim·tückisch agie·ren, sind die ''tanuki'' eher derbe, drauf·gän·ge·rische Gesel·len. Füchse sind auch eher weiblich konnotiert, ''tanuki'' dagegen männ·li·ch. Eines ihrer Cha·rak·teristika sind denn auch ihre über·großen Hoden (natür·lich ein Glücks·sym·bol). | {{fl|T}}{{g|tanuki|''anuki''}} sind in Japan weit ver·brei·tete Tiere, die nach japanischer Auf·fas·sung ähn·liche magische Be·ga·bungen besitzen wie die Füchse. Wäh·rend die Füchse aber ele·gant und schlau oder gar heim·tückisch agie·ren, sind die ''tanuki'' eher derbe, drauf·gän·ge·rische Gesel·len. Füchse sind auch eher weiblich konnotiert, ''tanuki'' dagegen männ·li·ch. Eines ihrer Cha·rak·teristika sind denn auch ihre über·großen Hoden (natür·lich ein Glücks·sym·bol). | ||
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Version vom 14. Januar 2021, 15:30 Uhr
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Tanuki [tanuki (jap.) 狸 Tanuki; Marderhund] sind in Japan weit ver·brei·tete Tiere, die nach japanischer Auf·fas·sung ähn·liche magische Be·ga·bungen besitzen wie die Füchse. Wäh·rend die Füchse aber ele·gant und schlau oder gar heim·tückisch agie·ren, sind die tanuki eher derbe, drauf·gän·ge·rische Gesel·len. Füchse sind auch eher weiblich konnotiert, tanuki dagegen männ·li·ch. Eines ihrer Cha·rak·teristika sind denn auch ihre über·großen Hoden (natür·lich ein Glücks·sym·bol).
Ihr Stroh·hut kenn·zeich·net die tanuki als Reisende bzw. als Vaga·bunden. Manchmal sieht man über·le·bens·große tanuki-Figu·ren vor Restau·rants oder Geschäf·ten stehen. Meist haben sie eine Flasche Sake [Sake (jap.) 酒 Reiswein] in der Hand und ani·mie·ren, ähn·lich wie die Winkende Katze (maneki neko [maneki neko (jap.) 招き猫 winkende Katze, Winkekatze; Glücksbringer, besonders für geschäftlichen Erfolg]), zum Mittrin·ken. In der ande·ren Hand haben sie einen mysteriö·sen Zettel. Es ist ein Schuld·schein, den der tanuki im Aus·tausch für Sake aus·stellt, den er aller·dings nie bezahlt.
Diese niedlich-humor·volle Ikono·graphie des tanuki [tanuki (jap.) 狸 Tanuki; Marderhund] ist allerdings eine moderne Erfindung, die auf den Töpfer·meister Fujiwara Tetsuzō [Fujiwara Tetsuzō (jap.) 藤原銕造 1876–1966; Töpfermeister in Shigaraki] (1877–1967) zurück·gehen soll. Seine Werk·statt in Shigaraki, einem be·rühmten Zentrum für kerami·sches Kunst·hand·werk un·weit von Kyōto, stellt auch heute noch die meisten tanuki-Figuren her.
Kintama
Einem weit verbreiteten Glauben zufolge verfügen tanuki über eine besondere magische Kraft, die mit ihren besonders großen Hoden (kintama [kintama (jap.) 金玉 wtl. Goldbälle; Hoden]) zusammenhängt. Diese treten daher auf den meisten Abbildungen prominent in Erscheinung.
Tanuki können ihre Hoden sogar ver·größern und zu allerlei Werk·zeugen um·funk·tionieren. Dies inspirierte ukiyo-e [ukiyo-e (jap.) 浮世絵 „Bilder der fließenden Welt“, populäre Farbholzschnitte der Edo-Zeit]-Künstler der Edo-Zeit wie etwa Utagawa Kuniyoshi [Utagawa Kuniyoshi (jap.) 歌川国芳 1798–1861; Maler und Zeichner. Bekannter Verteter des ukiyo-e-Farbholzschnitts] oder Tsukioka Yoshitoshi [Tsukioka Yoshitoshi (jap.) 月岡芳年 1839–1892; Maler; ukiyo-e-Küstler] zu den unglaublichsten Phantasien:
Werk von Tsukioka Yoshitoshi (1839–1892). Meiji-Zeit, 1881. Museum of Fine Arts, Boston.
Werk von Utagawa Kuniyoshi (1798–1861). Edo-Zeit, 1843–44. Museum of Arts, Boston.
Vom Untier zum Glücksbringer
In alten Legen·den, etwa in der Ge·schich·ten-Samm·lung Konjaku monogatari [Konjaku monogatari (jap.) 今昔物語 „Geschichten aus alter und neuer Zeit“ (12. Jh.); umfangreiche Sammlung von Geschichten und Anekdoten, meist aus einem buddhistischen Kontext] aus der späten Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit, werden die tanuki haupt·säch·lich als böse yōkai [yōkai (jap.) 妖怪 Fabelwesen, Geisterwesen, Gespenster]-artige Untiere dar·ge·stellt. Einen tanuki zu er·legen stellt eine Helden·tat dar, da dieser mit über·na·tür·li·chen Kräften aus·ge·stat·tet ist.
Werk von Nabeta Gyokuei, Toriyama Sekien (Vorlage). Meiji-Zeit, 1881. Nichibunken, Kyōto.
Werk von Utagawa Kuniyoshi (1797–1861). Edo-Zeit, 1825–30. National Museum of Asian Art, Arthur M. Sackler Gallery.
Im Märchen Kachi-kachi yama [Kachi-kachi yama (jap.) かちかち山 wtl. Knisterknister-Berg; jap. Volksmärchen, in dem ein tanuki den Bösewicht abgibt], tritt ein tanuki auf, der eine Bauers·frau tötet, kocht und verzehrt. Er lässt sich jedoch von einem Hasen über·tölpeln, der die Untat mit aller·hand Tricks rächt. U.a. zündet er ein Bündel Holz an, das der tanuki transportiert, sodass sich dieser arg ver·brennt. Schließ·lich ertrinkt der tanuki, nachdem ihn der Hase dazu gebracht hat, in einem Boot aus Schlamm aufs Wasser hinaus zu rudern.
Werk von Torii Kiyonaga (1752–1815). Edo-Zeit, 1776. Museum of Fine Arts, Boston.
Werk von Utagawa Kunisada. Edo-Zeit, 1840. The British Museum.
Erst später ent·standen positivere tanuki-Bilder etwa in der be·kann·ten Legende vom Tee·kessel (Bunbuku chagama [Bunbuku chagama (jap.) 分福茶釜 Märchen über einen tanuki der die Gestalt eines Teekessels annimmt, um sich von seinem Retter aus Dank verkaufen zu lassen]), der eigent·lich ein ver·wan·delter tanuki ist. Der tanuki hat die Gestalt dieses Tee·kes·sels aus Dank·bar·keit oder Mit·leid für einen armen alten Mann an·ge·nommen, damit dieser den Kessel ver·kaufen kann. Er muss aber jedes·mal Qualen er·leiden, wenn der Kessel zum Tee·kochen ver·wendet wird. Das Bild des gut·mütigen, glücks·brin·gen·den tanuki scheint von dieser Ge·schichte ihren Aus·gangs·punkt zu nehmen.
Werk von Tsukioka Yoshitoshi (1839–1892). Meiji-Zeit. National Diet Library, Tōkyō.
Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Bildquelle: unbekannt.
Dass tanuki gerne tanzen und singen war schon in der Edo-Zeit bekannt und wurde in einem modernen Anime neuer·lich bekräftigt:
Werk von Utagawa Kuniyoshi (1798–1861). Edo-Zeit, 1846. Bildquelle: Ukiyoe-Karikaturen, Japanologie Wien.
Werk von Takahata Isao. 1994. Wallpaper Abyss.
Selten aber doch entstehen in der Shigaraki-Werk·statt auch weib·liche tanuki, die ebenso lebens·froh sind wie ihre männ·lichen Partner:
Werk von Fujiwara Tetsuzō (Rian) (1876–1966). Frühes 20. Jh. tatami-antiques.com.
Reale Tanuki
Tanuki werden oft fälschlich als Dachse oder Waschbären (engl. raccoon) bezeichnet. Tanuki sind jedoch zoologisch gesehen nahe Verwandte der Hunde und zählen zur Art der Marder·hunde. Es sind scheue, nacht·aktive Wald·tiere, die v.a. im öst·lichen Sibirien, im nor·döst·lichen China, in Korea und in Japan be·heim·atet sind. Wie die Füchse oder Dachse sind sie Alles·fresser und leben in Erd·höhlen, ähneln den Dachsen aber insofern mehr als den Füchsen, als sie eher sammeln als gezielt jagen. Dies bedingt auch eine eher ge·mäch·liche Art der Fort·bewegung.
Das Fell des tanuki ist auch im Pelz·handel begehrt, wird dort jedoch zumeist als „Seefuchs“ bezeichnet. Seit tanuki bzw. Marder·hunde von Pelz·tier·züchtern in der Ukraine an·ge·siedelt wurden, breiten sie sich in ganz Ost·europa aus und sind sogar in Deutschland anzutreffen.1
Wikimedia Commons, 663highland, 2006.
Verweise
Verwandte Themen
- Verwandlungskünster (Hauptseite)
- Füchse (Sidepage)
- Komainu (Bilderseite)
Fußnoten
- ↑ Wikipedia, Marderhund
Bilder
- ^ Tanuki mit Sakeflasche und Schuldschein.
Subrime, flickr 2005. - ^ Tanuki als harmloser Säufer vor einem japanischen Souvenirladen. Einzig seine übergroßen Hoden (kintama) widersprechen dem niedlichen Bild, das diese Figur vermittelt.
20. Jh. skasuga, flickr 2005. - ^ Tanuki im Dress der Baseball-Mannschaft Hanshin Tigers
Bildquelle: H. Minagawa, über Internet Archive. - ^ Die meisten modernen tanuki entstammen dem Töpferei-Zentrum Shigaraki unweit von Kyōto.
akaitori, flickr 2005. - ^ Statue eines tanuki aus Stein
mumblemurmur, flickr 2005. - ^ Der „Marderhund“ tanuki hier in einem japanischen Vorgarten mit einem Schild „Irasshaimase!“ (Willkommen).
manganite, flickr 2006. - ^ Tanuki kämpfen mit ihren Hoden (kintama) gegen die Modernisierung der Meiji-Zeit. Der eingeschriebene Text lautet: „Asabu Hiroo-no-hara: senkintan erschrecken vor großen Hoden 千金丹 大きん玉に おどろく.“ Das Bild ist die Illustration eines Wortspiels: kintan ist ein Wunderheilmittel und senkintan 千金丹 waren um 1880 in Mode gekommene Arzneien aus Shikoku bzw. die sie feilbietenden Händler. Sie benutzten, wie auf dem Bild dargestellt, westlichen Schirme mit der Aufschrift „Senkintan“ als Markenzeichen. Da kintan aber auch als kintama („Goldbälle“ = Hoden) verstanden werden kann, fühlen sich die tanuki verständlicherweise herausgefordert und attackieren die fahrenden Händler mit ihren viel eindrucksvolleren „Goldbällen“. Die Szene basiert offenbar auf einer damals geläufigen Anekdote, die sich in Hiroo-no-hara in der Gegend des heutigen Shibuya, damals noch am Stadtrand Tōkyōs, abgespielt haben soll.
Werk von Tsukioka Yoshitoshi (1839–1892). Meiji-Zeit, 1881. Museum of Fine Arts, Boston. - ^ Hodenkranker tanuki mit Arzt und Pflegerin.
Werk von Utagawa Kuniyoshi (1798–1861). Edo-Zeit, 1843–44. Museum of Arts, Boston. - ^ Tanuki und Mond
Werk von Nabeta Gyokuei, Toriyama Sekien (Vorlage). Meiji-Zeit, 1881. Nichibunken, Kyōto. - ^ Der jugendliche Takeda Shingen (1521–1573; Kindheitsnamen: Katsuchiyomaru), einer der berühmtesten japanischen Feldherren, erprobt seine Kräfte in einem Kampf mit einem feindseligen tanuki.
Werk von Utagawa Kuniyoshi (1797–1861). Edo-Zeit, 1825–30. National Museum of Asian Art, Arthur M. Sackler Gallery.
- ^ Zwei Szenen aus dem Märchen Kachi-kachi yama, in dem ein Hase einen tanuki übertölpelt. Detail aus einem neunteiligen Set von Märchenillustrationen.
Werk von Torii Kiyonaga (1752–1815). Edo-Zeit, 1776. Museum of Fine Arts, Boston. - ^ Szene aus dem Märchen Kachi-kachi yama, von Kabuki-Schauspielern dargestellt. Ein Hase rächt die Untat eines tanuki, indem er das Bündel Holz, das der tanuki trägt, anzündet. Das Märchen wurde 1840 im Kabuki-Theater auf die Bühne gebracht. Die Szene wird hier mit dem Element „Feuer“ aus der Lehre der Fünf Wandlungsphasen (gogyō) assoziiert.
Werk von Utagawa Kunisada. Edo-Zeit, 1840. The British Museum. - ^ Illustration einer berühmten tanuki-Legende von Tsukioka Yoshitoshi.
Werk von Tsukioka Yoshitoshi (1839–1892). Meiji-Zeit. National Diet Library, Tōkyō. - ^ Tanuki mit Teekessel. Illustration zum Märchen Bunbuku chagama.
Werk von Katsushika Hokusai (1760–1849). Edo-Zeit. Bildquelle: unbekannt. - ^ Tanuki in Gestalt von sechs unsterblichen Dichtern der Heian-Zeit
Werk von Utagawa Kuniyoshi (1798–1861). Edo-Zeit, 1846. Bildquelle: Ukiyoe-Karikaturen, Japanologie Wien. - ^ Tanuki im Anime-Film Die Schlacht der Tanuki in der Ära Heisei (Heisei tanuki gassen ponpoko).
Werk von Takahata Isao. 1994. Wallpaper Abyss. - ^ Shigaraki-Keramik einer weiblichen tanuki in lasziv-entspannter Pose.
Werk von Fujiwara Tetsuzō (Rian) (1876–1966). Frühes 20. Jh. tatami-antiques.com. - ^ Originale tanuki, sie werden auch als „Marderhunde“ bezeichnet.
Wikimedia Commons, 663highland, 2006. - ^ Schlafloser tanuki während der Winterruhe.
Mother Nature Network, Stanislav Duben, 2014.
Glossar
- Bunbuku chagama 分福茶釜 ^ Märchen über einen tanuki der die Gestalt eines Teekessels annimmt, um sich von seinem Retter aus Dank verkaufen zu lassen
- Fujiwara Tetsuzō 藤原銕造 ^ 1876–1966; Töpfermeister in Shigaraki
- Kachi-kachi yama かちかち山 ^ wtl. Knisterknister-Berg; jap. Volksmärchen, in dem ein tanuki den Bösewicht abgibt
- Konjaku monogatari 今昔物語 ^ „Geschichten aus alter und neuer Zeit“ (12. Jh.); umfangreiche Sammlung von Geschichten und Anekdoten, meist aus einem buddhistischen Kontext
- maneki neko 招き猫 ^ winkende Katze, Winkekatze; Glücksbringer, besonders für geschäftlichen Erfolg
- Shigaraki-chō 信楽町 ^ Kleinstadt in der Nähe von Kyōto, bekannt für keramisches Kunsthandwerk
- Utagawa Kuniyoshi 歌川国芳 ^ 1798–1861; Maler und Zeichner. Bekannter Verteter des ukiyo-e-Farbholzschnitts