Alltag/Ahnenkult: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Eine bestimmte | + | Eine bestimmte Vor·stel·lung findet sich al·ler·dings sehr häufig in Ver·bindung mit japa·nischen Jen·seits·vor·stellungen. Man muss nach dem Tod aktiv dafür sorgen, dass die Toten den Weg ins Jen·seits finden und dort „befriedet“ werden. Geschieht dies nicht, kann es leicht sein, dass die Toten·seele ziellos im Dies·seits umher irrt und als Gespenst ({{g|obake}} bzw. {{g|yuurei}}) allerlei Unfrieden stiftet (s. Kap. Mythen, [[Mythen/Geister |Geister]]). Die weite Ver·brei·tung dieser Vor·stellung auch unter ansonsten voll·kommen rationell orientierten Menschen mag mit ein Grund dafür sein, dass den Ver·stor·benen im Alltag ver·hält·nismäßig viel Auf·merk·sam·keit zu teil wird. Darüber hinaus kann die Sorge um die Toten·seele eines nahen Verwandten aber natürlich auch Aus·druck echter Trauer·arbeit sein, die einem Menschen hilft, über den Ver·lust des Ehe·partners oder Eltern·teils hinweg·zukommen. Besonders ältere Menschen widmen sich aus diesen Gründen täglich der Pflege des bud·dhis·tischen Haus·altars. |
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-->Im Hausaltar stehen mehrere ''ihai''-Täfelchen, welche die Ver·storbenen, meist un·mittel·bare Vorfahren, re·prä·sen·tieren. Darüber hinaus können im oder neben dem Altar auch Fotos an die Ver·storbenen erinnern. Ihnen wird bei·spiels·weise bei jeder Mahl·zeit ein kleines Speise·opfer dargebracht, d.h. dass ein kleiner Teil der Mahl·zeit in eigenen Gefäßen vor den Altar gestellt wird. Auch werden mehrmals am Tag Räucher·stäbchen zu Ehren der Ahnen entzündet. Dabei voll·führt man ganz ähnliche Gesten wie beim [[Alltag/Omairi|Aufsuchen eines religiösen Gebäudes]] ({{g|omairi|''o-mairi''}}): Glocke läuten, Hände falten, verneigen, kurz innehalten. Die Speise·opfer werden meist nach einer gewissen Zeit selbst gegessen. | -->Im Hausaltar stehen mehrere ''ihai''-Täfelchen, welche die Ver·storbenen, meist un·mittel·bare Vorfahren, re·prä·sen·tieren. Darüber hinaus können im oder neben dem Altar auch Fotos an die Ver·storbenen erinnern. Ihnen wird bei·spiels·weise bei jeder Mahl·zeit ein kleines Speise·opfer dargebracht, d.h. dass ein kleiner Teil der Mahl·zeit in eigenen Gefäßen vor den Altar gestellt wird. Auch werden mehrmals am Tag Räucher·stäbchen zu Ehren der Ahnen entzündet. Dabei voll·führt man ganz ähnliche Gesten wie beim [[Alltag/Omairi|Aufsuchen eines religiösen Gebäudes]] ({{g|omairi|''o-mairi''}}): Glocke läuten, Hände falten, verneigen, kurz innehalten. Die Speise·opfer werden meist nach einer gewissen Zeit selbst gegessen. | ||
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Version vom 8. September 2020, 16:18 Uhr
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Der Toten- und Ah·nen·kult in Japan ist für Nicht-Japaner besonders ver·wir·rend, da die Toten an min·des·tens zwei Orten ver·ehrt werden. Üb·licher·weise natürlich am Fried·hof, darüber hinaus aber auch am bud·dhis·tischen Haus·altar (butsudan [butsudan (jap.) 仏壇 buddh. Hausaltar]). Auf dem Haus·altar sind die in den letzten Jahren oder Jahr·zehnten verstorbenen Ver·wandten durch so·ge·nannte ihai [ihai (jap.) 位牌 Ahnentäfelchen] präsent. Ihai sind schwarz·lackierte aufrecht stehende Holz·täfelchen, auf denen (zumeist in Gold) ein post·humer Name (kaimyō [kaimyō (jap.) 戒名 buddhistischer Totenname, posthumer Name eines Verstorbenen]) auf·ge·schrieben steht. Dieser Name wird dem Ver·stor·benen nach seinem Tod in einer bud·dhis·tischen Zeremonie ver·liehen.
Die Identität des Verstorbenen
Allgemein bezeichnet man einen Ver·stor·benen als hotoke [hotoke (jap.) 仏 Buddha; umgangsspr. auch: Totenseele; andere Lesung: butsu; alte Schreibung: 佛], eigentlich eine ja·pa·nische Be·zeich·nung für Buddha [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)]. Wörtlich genommen bedeutet dies, dass ein Mensch nach seinem Ab·leben Buddha wird. Dies ist jedoch nicht im Ein·klang mit der eigent·lichen bud·dhis·tischen Lehre. Obwohl es inner·halb der bud·dhis·tischen Richtungen Japans dazu ver·schie·dene Auf·fas·sungen gibt, vertritt keine die Ansicht, dass man nach dem Tod au·to·matisch zu Buddha wird. Die Be·zeich·nung ist demnach als frommer Wunsch zu verstehen, in etwa: der Ver·storbene möge ein Buddha geworden sein. Natürlich wird dieser Wunsch nicht jedesmal bewusst geäußert, wenn von hotoke die Rede ist. Hotoke oder hotoke-sama ist schlicht der geläufige Aus·druck für „Ver·stor·bener“. Daneben exis·tieren die Begriffe reikon [reikon (jap.) 霊魂 Geist, Seele] (Seele, Geist), tama/tamashii [tamashii (jap.) 魂 Geist, Seele] (Seele, Geist) und andere mehr, die im Alltags·gebrauch fast unter·schieds·los verwendet werden. Mitunter kann ein Ver·storbener auch als kami [kami (jap.) 神 Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō] auf·gefasst werden.
Die mehr·deu·tigen Ben·en·nungen eines Ver·stor·benen enthalten bereits einen Hinweis darauf, dass es in Bezug auf Jen·seits- und Seelen·vor·stellungen selbst unter religiösen Menschen eine große Band·breite an Inter·pre·ta·tionen gibt. Ein ver·bind·liches, ein·heitliches Er·klä·rungs·muster ist dahinter kaum zu erkennen. Vor allem hin·sichtlich des In·einander·greifens von bud·dhis·tischem und shin·tō·is·tischem Jen·seits gibt es heute keine kanonische, d.h. offiziell von religiösen Ins·ti·tu·tionen vertretene Lehr·meinung mehr. Wer sich mit dem Thema näher befasst, muss sich daher darauf gefasst machen, immer wieder mit höchst wider·sprüch·lichen Dar·stel·lungs·weisen konfrontiert zu werden. (s. dazu auch Kap. Mythen, Jenseits.)
Eine bestimmte Vor·stel·lung findet sich al·ler·dings sehr häufig in Ver·bindung mit japa·nischen Jen·seits·vor·stellungen. Man muss nach dem Tod aktiv dafür sorgen, dass die Toten den Weg ins Jen·seits finden und dort „befriedet“ werden. Geschieht dies nicht, kann es leicht sein, dass die Toten·seele ziellos im Dies·seits umher irrt und als Gespenst (o-bake [o-bake (jap.) お化け Gespenst, Geist; wtl. „Verwandeltes“] bzw. yūrei [yūrei (jap.) 幽霊 Totengeist]) allerlei Unfrieden stiftet (s. Kap. Mythen, Geister). Die weite Ver·brei·tung dieser Vor·stellung auch unter ansonsten voll·kommen rationell orientierten Menschen mag mit ein Grund dafür sein, dass den Ver·stor·benen im Alltag ver·hält·nismäßig viel Auf·merk·sam·keit zu teil wird. Darüber hinaus kann die Sorge um die Toten·seele eines nahen Verwandten aber natürlich auch Aus·druck echter Trauer·arbeit sein, die einem Menschen hilft, über den Ver·lust des Ehe·partners oder Eltern·teils hinweg·zukommen. Besonders ältere Menschen widmen sich aus diesen Gründen täglich der Pflege des bud·dhis·tischen Haus·altars.
Butsudan — der Hausaltar
Bernhard Scheid, 2004.
Bernhard Scheid, 2004.
Über fünfzig Prozent aller Haushalte in Japan besitzen einen bud·dhis·tischen Hausaltar (butsudan [butsudan (jap.) 仏壇 buddh. Hausaltar]).1 Im Hausaltar stehen mehrere ihai-Täfelchen, welche die Ver·storbenen, meist un·mittel·bare Vorfahren, re·prä·sen·tieren. Darüber hinaus können im oder neben dem Altar auch Fotos an die Ver·storbenen erinnern. Ihnen wird bei·spiels·weise bei jeder Mahl·zeit ein kleines Speise·opfer dargebracht, d.h. dass ein kleiner Teil der Mahl·zeit in eigenen Gefäßen vor den Altar gestellt wird. Auch werden mehrmals am Tag Räucher·stäbchen zu Ehren der Ahnen entzündet. Dabei voll·führt man ganz ähnliche Gesten wie beim Aufsuchen eines religiösen Gebäudes (o-mairi [o-mairi (jap.) お参り/お詣り Schrein- oder Tempelbesuch; auch Grabbesuch; auch sankei, sanpai]): Glocke läuten, Hände falten, verneigen, kurz innehalten. Die Speise·opfer werden meist nach einer gewissen Zeit selbst gegessen.
Vorlage:Sidebox3 Jede bud·dhis·tische Richtung hat eigene Vor·schriften für die Aus·stattung und die Be·handlung des Haus·altars ent·wickelt. Während Shingon-shū [Shingon-shū (jap.) 真言宗 Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan] etwa vorsieht, die ihai eine Stufe tiefer als die wich·tigsten Buddhas und Heiligen zu posit·ion·ieren, ordnet die größte bud·dhis·tische Glaubens·gemeinde in Japan, die Jōdo Shinshū [Jōdo Shinshū (jap.) 浄土真宗 Shin-Buddhismus, bzw. Jōdo Shin-Buddhismus; wtl. „Wahre Schule des Reinen Landes“] an, dass im Haus·altar aus·schließ·lich Bud·dha·statuen stehen, während die Ahnen·täfelchen daneben auf·gestellt werden sollen.
Alles in allem ist der butsudan jedoch Bühne einer sehr privaten Reli·giosi·tät. Die per·sönlichen und familiären Auf·fas·sungen, wie er aus·zusehen hat und wie man die Ahnen pflegt, sind daher oft stärker als die konfes·sionelle Bindung. Auch die meisten Jōdo Shinshū Anhänger stellen, glaube ich, ihre ihai in den Haus·altar. Auf·grund meiner per·sönlichen Er·fahrung würde ich außerdem behaupten, dass viele JapanerInnen erst durch die Sorge um die Ver·stor·benen im Haus·altar zur Religion hingeführt werden.
Verweise
Verwandte Themen
Fußnoten
- ↑ Laut Ian Reader ist die Zahl der Hausaltäre im Sinken begriffen. 1981 besaßen 63% aller Haushalte einen butsudan, 1995 59% und 2004 56%. Ähnliche Ab·wärts·trends gibt es auch bei shintōistischen kamidana, deren Ver·breitung gleich·blei·bend leicht unter der des butsudan liegt (Reader 2012, S. 21–22).
Internetquellen
Literatur
Bilder
- ^ Ein relativ kleiner buddhistischer Hausaltar (butsudan) in einem städtischen Haushalt.
Bernhard Scheid, 2004.
- ^ Ein relativ kleiner buddhistischer Hausaltar (butsudan) in einem städtischen Haushalt.
Bernhard Scheid, 2004.
Glossar
- Jōdo Shinshū 浄土真宗 ^ Shin-Buddhismus, bzw. Jōdo Shin-Buddhismus; wtl. „Wahre Schule des Reinen Landes“
- Shingon-shū 真言宗 ^ Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan
- [[Glossar:Shisha|]] () ^