Essays/Regenmachen: Unterschied zwischen den Versionen
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So etwa auf einem Triptychon (''sanpuku tsui'' 三幅対) von Nishimura Shigenaga 西村重長 (1697?–1756), wo Komachi zusammen mit Izumi Shikibu und Sotōri-hime 衣通姫 als eine von drei weib·lichen Idolen dargestellt ist. | So etwa auf einem Triptychon (''sanpuku tsui'' 三幅対) von Nishimura Shigenaga 西村重長 (1697?–1756), wo Komachi zusammen mit Izumi Shikibu und Sotōri-hime 衣通姫 als eine von drei weib·lichen Idolen dargestellt ist. | ||
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− | In manchen Fällen kann man er·kennen, dass das erwähnte Regen·gedicht zur Gänze in das Segel des Schiffchens ein·ge·schrie·ben ist. Das Segel verkörpert also das Papier, auf dem das Gedicht an die Götter auf·ge·schrie·ben ist, während der Schiffs·rumpf als schwimm·taug·liches Opfer·tischchen fungiert. | + | In manchen Fällen kann man er·kennen, dass das erwähnte Regen·gedicht zur Gänze in das Segel des Schiffchens ein·ge·schrie·ben ist. Das Segel verkörpert also das Papier, auf dem das Gedicht an die Götter auf·ge·schrie·ben ist, während der Schiffs·rumpf als schwimm·taug·liches Opfer·tischchen fungiert. |
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| Ono no Komachi von Sukenobu, 1735 | | Ono no Komachi von Sukenobu, 1735 |
Version vom 21. August 2020, 21:07 Uhr
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Auf einer Klippe über dem Meer hat sich eine kleine Gruppe von Menschen versammelt. Alle Auf·merk·samkeit ist auf einen Mönch in rotem Gewand ge·richtet, der sich mit ge·schlos·senen Augen auf sein Gebet konzentriert. Heftiger Regen hat ein·gesetzt und ein Diener schützt den Betenden mit einem großen Schirm. Alle Um·steh·enden scheinen in großer Erregung. Der Regen legt sich wie ein Vorhang aus schwarzen Schnüren vor die dar·gestellte Szene. Ledig·lich das Gesicht des betenden Mönchs bleibt ausgespart – ein heller Ruhe·pol in·mitten der ent·fes·sel·ten Elemente.1
Werk von Utagawa Kuniyoshi (1797–1861). Edo-Zeit. The British Museum.
Der hier angesprochene Farb·holz·schnitt von Utagawa Kuniyoshi [Utagawa Kuniyoshi (jap.) 歌川国芳 1798–1861; Maler und Zeichner. Bekannter Verteter des ukiyo-e-Farbholzschnitts] stellt eine der legendären Wunder·taten des Mönchs Nichiren [Nichiren (jap.) 日蓮 1222–1282; Begründer des Nichiren Buddhismus] (1222–1282) dar: Nach einer langen Dürre·periode im Sommer 1271 gelang es Nichiren durch seine Gebete Regen zu erwirken. Kuniyoshis Holz·schnitt zeigt den Moment, als diese Gebete in Form eines plötz·lichen Wolken·bruchs Früchte tragen. Das Erstaunen der Gruppe um Nichiren ist umso größer, als zuvor bereits hoch·rangige Spezial·isten mit wesent·lich auf·wen·digeren rituellen Prozeduren versucht haben, die Dürre zu beenden. Nichiren genügen jedoch ein einfacher Opfer·tisch und eine Gebets·kette (juzu [juzu (jap.) 数珠 Buddhistische Gebetskette; skt. mala]), die er in den gefalteten Händen reibt. Sein Gebet besteht aus nichts anderem als der Anrufung des Lotos Sutras. Es ist, so suggerieren Bild und Legende, vor allem seinem auf·rich·tigen Glauben an diesen elementaren Text des Mahayana [Mahāyāna (skt.) महायान „Großes Fahrzeug“, buddhistische Richtung (jap. daijō bukkyō 大乗)]-Bud·dhis·mus zuzu·schreiben, dass die höheren Mächte, die für Regen ver·ant·wort·lich sind, Nichirens Bitten Gehör schenken.2
In über·blicks·artigen Dar·stel·lungen der japanischen Religion bleibt die Praxis des Rege·nmachens meist unerwähnt und erscheint daher leicht als ober·fläch·licher „Aber·glauben“. Forscht man aber ein wenig nach, so stellt sich bald heraus, dass Regen·riten nicht nur von Nichiren, sondern auch von zahl·reichen anderen nam·haf·ten Mönchen — häufig im Auftrag der höchsten staat·lichen Autor·itäten — durch·geführt wurden. In Zeiten der Dürre stellten sie oft das einzige Mittel dar, um wenigstens die Illusion zu erwecken, etwas gegen die Katas·trophe zu tun. Im vor·liegenden Essay möchte ich nicht nur die historische Entwicklung dieser Praxis in groben Zügen nach·zeichnen, sondern auch darauf eingehen, wie man sich die Effek·tivi·tät solcher Riten erklärte.
Regenbitte und Regenabwehr
Vorlage:Sidebox3 Grund·sätz·lich gibt es zwei komplementäre Wetter·riten, nämlich die Bitte um Regen (amagoi [amagoi (jap.) 雨乞い Regenmachen durch rituelles Gebet und Zauber; Regenbitte; s.a. shōu, kiu], kiu [kiu (jap.) 祈雨 Regenbitte; Ritus, um Regen zu erwirken; s.a. amagoi, shōu] oder shōu [shōu (jap.) 請雨 Regenbitte; Ritus, um Regen zu erwirken; s.a. amagoi, kiu]) und ihr Gegen·stück, die Bitte um Sonnen·schein (hiyorigoi [hiyorigoi (jap.) 日和乞い Gebet oder Ritus zum Erwirken von Sonnenschein], himaneki [himaneki (jap.) 日招き wtl. Einladen der Sonne; Gebet um Sonnenschein] oder shiu [shiu (jap.) 止雨 Regenabwehr; Gebet oder Ritus, um Regen zu beenden; s.a. himaneki, hiyorigoi]). Das Regen·bitten ist dabei in Kunst und Literatur — und auch im vor·liegenden Essay — prominenter vertreten als die Regen·abwehr, wohl aus dem einfachen Grund, weil bei der Bitte um Regen der Erfolg mit dem plötz·lichen Einsetzen von Nieder·schlag besser im Gedächtnis behalten wird. Umgekehrt ist aber die Bitte um Sonnen·schein auch heute noch fester Be·stand·teil jeder japanischen Kind·heit, und zwar in Gestalt des Schön·wetter-Mönch·leins (teruteru bōzu [teruteru bōzu (jap.) 照る照る坊主 wtl. Schönwetter Mönchlein; Puppe, die Schönwetter bringen soll]), einer einfachen Puppe aus weißem Stoff, bestehend aus Kopf und Körper, die jedes Kind selbst her·stellen kann und ans Fenster hängt, wenn es sich für den nächsten Tag schönes Wetter wünscht. Auch gibt es den Aus·druck „Regen·mensch“ (ame no hito [ame no hito (jap.) 雨の人 „Regenmensch“; jemand, der immer Schlechtwetter mitbringt]) für Mit·schüler oder Freunde, die immer schlechtes Wetter mit·bringen, wenn sie an einem Ausflug teilnehmen, und auch das Gegen·teil, „Schön·wetter·mensch“ (hare no hito [hare no hito (jap.) 晴れの人 „Schönwettermensch“; jemand, der immer Schönwetter mitbringt]). Diese spiel·erischen Kinder·bräuche stehen in engem Ver·hält·nis zu alten Riten, die bis heute Teil des traditionellen land·wirt·schaft·lichen Brauchtums geblieben sind. Es gab darüber hinaus aber auch staat·lich organisierte Wetter·riten, die heute voll·kommen verschwunden sind oder sich bis zur Un·kennt·lich·keit in den Wetter·bericht der öffent·lichen Medien trans·formiert haben.
Regenriten in der Frühzeit
Schlangengötter
Außer·gewöhn·liche Wetter·er·eig·nisse wurden in alter Zeit zumeist Wasser·gott·heiten zu·ge·schrieben, die man sich als schlangen·artige Wesen vorstellte. Eine ungefähre Vor·stel·lung solcher Schlangen·gott·heiten lässt sich bereits in den frühesten Legenden gewinnen, in denen lokale, meist namenlose kami [kami (jap.) 神 Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō]-Gott·heiten eine Rolle spielen.
Die Lokalchronik Hitachi fudoki [Hitachi fudoki (jap.) 常陸風土記 „Aufzeichnungen von Luft und Erde aus Hitachi“; auch Hitachi no kuni fudoki, 713; Chronik kultureller Bräuche der historischen Provinz Hitachi 常陸, heutige Präf. Ibaraki], die Anfang des achten Jahr·hun·derts verfasst wurde, berichtet von einem Provinz·verwalter aus der Haupt·stadt namens Matachi, der die Provinz Hitachi im sechsten Jahr·hun·dert für die Land·wirt·schaft erschließt. Als er nahe einer Bezirks·garnison eine schilf·bewachsene Ebene trocken legen lässt, um Reis·felder anzulegen, erscheinen die Götter des Tals (yatsu no kami [yatsu no kami (jap.) 夜刀の神 wtl. Götter des Tals; gehörnte Schlangengötter in der Regionalchronik Hitachi fudoki]) als gehörnte Schlangen, um sich gegen die Ur·bar·machung ihres Territoriums zur Wehr zu setzen. Während die Ein·heim·ischen vor diesen Schlangen fliehen, setzt sich Matachi zur Wehr.
Erzürnt legte Matachi seine Rüstung an, nahm seine Helle·barde und tötete mehrere yatsu no kami. Der Rest zog sich zum Fuß eines Berges zurück. Dort schlug Matachi einen Pfosten in den Be·wäs·ser·ungs·graben, um sein Territorium zu markieren. Zu den yatsu no kami sagte er, dass den Göttern das Gebiet oberhalb dieser Grenze gehöre, während das Gebiet darunter für den Reis·anbau seiner Leute bestimmt sei. „Über·schreitet diese Grenze nicht und hegt keinen Groll, denn ich werde euch einen Schrein er·rich·ten und dort das Priester·amt voll·ziehen. Meine Nach·kommen werden euch ehr·er·bietig Opfer·gaben dar·bringen.“ Er er·rich·tete daraufhin einen Schrein und die Verehrung der yatsu no kami setzte sich von Generation zu Generation fort.3
Das Nihon ryōiki [Nihon ryōiki (jap.) 日本霊異記 „Wundersame Begebenheiten aus Japan“; buddhistische Legendensammlung von Kyōkai (Anfang 9. Jh.)], eine Quelle aus dem frühen neunten Jahr·hun·dert, berichtet von einem Bauern, der sich mit einem Donner·gott kon·fron·tiert sieht, als er bei Regen auf seinem Feld arbeitet. Der Donner·gott hat die Gestalt eines menschlichen Kindes. Als der Bauer Anstalten macht, das Donner-Kind zu erschlagen, bittet es um Mitleid und verspricht Belohnung. Einige Zeit später wird dem Bauern ein Sohn geboren, der bei der Geburt eine Schlange auf dem Kopf trägt. Später wird dieser Sohn unglaublich stark, tritt in die Dienste des Hofes und begründet eine adelige Dynastie.4
Schon in diesen frühen Legenden begegnet uns die Vor·stel·lung, dass lokale Gott·heiten eine Schlangenform haben oder annehmen können. Im Nihon ryōiki handelt es sich um einen Donner- (oder Regen- oder Wasser-) Gott, dessen Gestalt offenbar zwischen Mensch und Schlange changiert. Im Hitachi fudoki sind es Schlangen, die als „Götter des Tals“, in dem ein Nass·feld angelegt wird, wohl ebenfalls mit dem Wasser in Ver·bindung stehen. Darüber hinaus offen·bart sich in beiden genannten Legenden ein zweck·ratio·nales Ver·hält·nis zwischen Menschen und kami: Lokale Götter und Menschen befinden sich auf Augen·höhe. Sie haben zwar unter·schied·liche Interessen und Fähig·keiten, können aber auch von·ein·ander profitieren. Es kommt zum Tausch, der jedoch in Form von Opfer·gaben immer wieder neu aus·ge·handelt werden muss. Im Hitachi fudoki markiert ein Schrein den Ort, wo sich dieser Tausch vollzieht.
Mythologische Wettergottheiten
In den japanischen Mythen treten Gewitter·götter verschiedener Art in diversen unter·geordneten, meist anonymen Gestalten auf.5 Es existiert allerdings auch ein prominenter Gott, der unter anderem als Regen- oder Sturm·gott bezeichnet worden ist, nämlich Susanoo [Susanoo (jap.) 須佐之男/素戔男 mytholog. Gottheit; Trickster-Gott, Sturmgott, Mondgott; Bruder der Amaterasu]. Zu seinen bekanntesten Helden·taten zählt sein Sieg über die acht·köpfige Schlange Yamata no Orochi [Yamata no Orochi (jap.) 八岐大蛇 Mythologische Schlange (Drache) mit acht Köpfen; wtl. „achtfach gegabelte Schlange“; wird von Susanoo besiegt], in der wir analog zum bereits Gesagten, eine besonders be·droh·liche Wasser·gott·heit erblicken können.
Bildquelle: Sunatchi no ibento nisshi, (Kagura-Blog), 2016.
Dieser Kampf zählt zu den be·lieb·testen Sujets, die als Tanz- und Gesangs·dar·bietung (kagura [kagura (jap.) 神楽 rituelle Tänze und Gesänge]) in diversen länd·lichen Schrein·tradi·tionen bis heute zur Auf·führung kommen. Volks·kundler haben aus der Analyse dieser rituellen Tänze die Theorie entwickelt, dass man Susanoo (den ich an anderer Stelle als „Trickster“ charakterisiert habe) und die Schlange auch als zwei Aspekte ein und des·selben Phänomens auf·fassen kann, nämlich des Wassers, das für die Land·wirt·schaft einerseits un·ver·zicht·bar ist, das aber katas·trophale Aus·wir·kungen haben kann, wenn er im Übermaß oder gar nicht auftritt. Insofern sind Wasser·götter grund·sätz·lich ambivalent und müssen gezähmt oder besänftigt werden, um gerade die richtige Menge an Wasser auszuschütten.6 Diese Logik scheint auch die meisten Regen·riten zu bestimmen.
Staatliche Regenriten
Die ersten historisch verlässlichen Er·wäh·nun·gen von staat·lich kom·mis·sio·nierten Regen·riten stammen aus dem siebenten Jahr·hun·dert, einer Zeit, in der die alten Bräuche nach und nach mit bud·dhis·tischen Alternativen konfrontiert wurden.
Im Sommer des ersten Regierungs·jahres der Kaiserin Kyōgoku [Kōgyoku Tennō (jap.) 皇極天皇 594–661; weibliche Tennō, r. 642–645; herrschte ein weiteres Mal unter dem Namen Saimei, 655–661] (642) herrschte eine außer·ge·wöhn·liche Dürre. In dieser Situation kamen die Minister des Hofes unter Führung des Soga no Emishi [Soga no Emishi (jap.) 蘇我蝦夷 587–645; Staatsmann (oberster Minister) in der Asuka-Zeit] (587–645) überein, dass man sich nicht mehr auf die Blut·opfer von Pferden und Rindern der Dorf·priester (hafuri [hafuri (jap.) 祝/祝部 kami-Priester der Frühzeit]) verlassen sollte. Statt·dessen sollten bud·dhis·tische Sutren öffentlich rezitiert werden. Al·ler·dings blieb auch diese Maßnahme ohne Wirkung. Schluss·end·lich vollzog die Kaiserin in eigener Person einen Regen·ritus, der Erfolg hatte.7
In diesem kurzen Bericht begegnen uns drei alternative Regen·rituale: Blut·opfer durch lokale Priester, bud·dhis·tische Sutren·lesungen und ein Bittritus unbekannter Art, der vom Herrscher be·zie·hungs·weise der Herrscherin selbst vorgenommen wird. Man gewinnt den Eindruck, dass pro-bud·dhis·tische Kreise wie die Familie der Soga [Soga no uji (jap.) 蘇我氏 Soga-Klan, die ersten Förderer des jap. Buddhismus] in dieser Zeit zwar nach Alternativen zu alt·her·ge·brachten Formen des Regen·machens suchten, jedoch keine über·zeu·genden Mittel zur Hand hatten, sodass neben lokalen („shamanistischen“) Opfer·riten auch die Riten eines sakralen Königtums, das das vorbuddhistische Japan ge·kenn·zei·chnet hatte, zum Einsatz kamen.
Vier Jahr·zehnte später stoßen wir in den Chroniken auf den ersten aus·ge·wie·senen bud·dhis·tischen Experten des Rege·nmachens, ein Mönch namens Dōzō [Dōzō (jap.) 道蔵 koreanischer Mönch aus Baekje, spätes 6. Jh.; im Nihon shoki als Experte des Regenmachens erwähnt] aus Baekje (Korea), der am Hof des Kaisers Tenmu [Tenmu Tennō (jap.) 天武天皇 631?–686; 40. japanischer Kaiser; (r. 673–686)] be·zieh·ungs·weise der Kaiserin Jitō [Jitō Tennō (jap.) 持統天皇 645–703, r. 686–697; 41. japanische Kaiserin] er·folg·reiche Regen·rituale durch·führte.8
Suzuki Seiya, Google Maps, 2013.
In der folgenden Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō]- und Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit (8.–12. Jh.) ge·wann der Bud·dhis·mus – von klei·ne·ren Rück·schlä·gen ab·gese·hen – kon·tinu·ier·lich an Ein·fluss. Es wäre da·her an·zu·neh·men, dass sich bud·dhis·ti·sche Re·gen·ri·ten schon da·mals all·gemein durch·setz·ten, doch ge·rade auf die·sem Gebiet kam den ein·hei·mi·schen Gott·hei·ten bis Mitte der Heian-Zeit nach wie vor große Be·deu·tung zu. Rund um die je·wei·li·gen Haupt·städte (Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō] und später Heian-kyō [Heian-kyō (jap.) 平安京 urspr. Name der Stadt Kyōto; wtl. Stadt des Friedens; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]/Kyoto) begann sich ein gan·zes Netz·werk von kami-Kult·stät·ten zu bil·den, an denen regel·mäßig Regen·riten ab·ge·hal·ten wur·den.9 Der kai·ser·liche Hof er·ließ dabei immer de·tail·lier·tere Ver·ord·nun·gen, wie man sich durch beson·dere Opfer·gaben güns·tiger Wetter·bedin·gungen zu ver·sichern habe. Zwei Schreine galten in dieser Hin·sicht als be·sonders ein·fluss·reich: der Kifune [Kifune Jinja (jap.) 貴船神社 alter Schrein für eine Wassergottheit im Norden Kyotos; Kifune bedeutet wörtlich „edles Schiff“] Schrein im Berg·land nörd·lich von Kyoto und der Niukawakami [Niukawakami Jinja (jap.) 丹生川上神社 alter Schrein für eine Wassergottheit im Süden von Nara;] Schrein süd·östlich der Nara-Region. Diese beiden Schreine, die jeweils Wasser- oder Ge·witter·göt·tern ge·weiht waren, mar·kier·ten in etwa die Nord-Süd-Achse durch die dama·ligen japa·nischen Kern·provin·zen. Ihnen sollte jedes Jahr – gleichsam pro·phylak·tisch – ein schwarzes Pferd zu·ge·führt werden, außer wenn es zu viel Regen gab. Dann sollte ein weißes Pferd für Wet·ter·besse·rung sorgen.10 Was aus den Pferden wurde, ist nicht ganz klar. Meist wurden sie offenbar nicht getötet, sondern gingen als heilige Tiere oder als Nutz·tiere in den materiellen Besitz der bedachten Institution über. Doch finden sich auch Hinweise auf die im Nihon shoki erwähnte Blut·opfer·praxis. In ihrer Studie zur religiösen Bedeutung des Pferdes berichtet die Mythen·forscherin Nelly Naumann [Naumann, Nelly (west.) 1922–2000; deutsche Japanologin und Mythenforscherin] von japanischen Regen·riten, bei denen der abgetrennte Kopf eines Pferdes oder Rindes in ein Gewässer geworfen wurde. Manches spricht dafür, dass damit ein ritueller Tabu·bruch begangen wurde, um die Gottheit zu reizen und so Regen herbei·zuführen. Unter bud·dhis·tischem Ein·fluss wurden solche Blut·opfer mit der Zeit aber durch Statuen oder Bilder sub·sti·tuiert.11
Buddhistische Riten
Die frühesten dokumentierten Regen·riten des Bud·dhis·mus finden sich in einem Bericht des chinesischen Pilger·mönchs Faxian [Faxian (chin.) 法顯 früher chin. Pilgermönch (337?–422?), Autor eines Reiseberichts] (337–422), der Indien im frühen fünften Jahr·hun·dert bereiste.12 Kurze Zeit später wurde ein kanon·ischer Text zum Regen·machen, das Große Wolken Sutra (Mahāmegha sūtra, chin. Dayun jing [Dayun jing (chin.) 大雲經 Großes Wolken-Sutra; skt. Mahāmegha sūtra, jap. Daiun-kyō; die früheste Übersetzung ins Chinesische wurde von Dharmakṣema zwischen 414 and 421 angefertigt (DDB, s.v. Dafangdeng wuxiang jing 大方等無想經)]), ins Chinesische übersetzt.13 Aus diesem Text geht klar hervor, dass man auch im in·di·schen Bud·dhis·mus der Meinung war, Schlangen be·zieh·ungs·weise Schlangen·götter (naga [nāga (skt.) नाग „Schlange, Kobra“, indische Schlangengottheit (jap. naka 那伽)]s) würden über den Regen gebieten. Das Sutra enthält unter anderem magische Formeln (dharani [dhāraṇī (skt.) धारणी (magische) Gebetsformel, ähnlich wie, aber meist länger als Mantra (jap. darani 陀羅尼 oder ju 呪)]), die an die nāgas zu richten sind, um Regen zu er·bitten.14
Nāgas stellen in Indien eine eigene Kategorie von Dämonen dar, die sowohl die Gestalt von Menschen als auch die von Schlangen annehmen können. In der bud·dhis·tischen Mytho·logie ist zum Bei·spiel von einem nāga-König Mucilinda [Mucilinda (skt.) मुचिलिन्द Name eines Drachens, der Buddha Shakyamuni während seiner Meditation vor Regen schützte] die Rede, der den historischen Buddha [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)] während seiner Medi·tation unter dem bodhi [bodhi (skt.) बोधि „Erwachen, Erleuchtung“ (jap. bodai 菩提)]-Baum in Bodhgaya [Bodhgayā (skt.) बोध्गया „Ort der Erleuchtung“, Ort, an dem Buddha seine Erleuchtungserfahrung hatte (jap. Buddagaya 仏陀伽邪)] sieben Tage lang vor Wind und Regen schützte. Ähnliche Schlangen·wesen existierten auch in China, wo der my·tho·lo·gische Kaiser Fuxi [Fuxi (chin.) 伏羲 Erster von drei mythologischen Herrschern in China, Begründer der chinesischen Kultur; jap. Fukugi] und seine Frau Nüwa als Schlangen·menschen auf·gefasst wurden. Fast immer besteht auch eine enge Beziehung zum Wasser und zum Regen. Indo-bud·dhis·tische Regen·riten ließen sich daher ohne größere Schwie·rig·keiten in einen ost·asiat·ischen Kontext übertragen.
Werk von Jōchi. Heian-Zeit, 1145. Priest Kukai and Sacred Treasures of Mount Koya (Ausstellungskatalog). Hokkaido Shinbun Press, 2006, S. 53, Abb. 16.
Schlangen, die zu Gott·heiten erhöht wurden, erhielten in Ost·asien zumeist das Aussehen eines chinesischen Drachens. Der Über·gang zwischen der realen Schlange und dem imaginären Drachen war dabei fließend. Beiden wurde die Fähig·keit zugesprochen, menschliche Gestalt anzunehmen. Zwischen dem chi·ne·sischen Drachen als Sinn·bild des Kaisers und den indischen nāgas, die aus bud·dhis·tischer Sicht eine besondere Kategorie un·er·leuch·teter Wesen dar·stellen, bestand zwar sicher ur·sprüng·lich ein rang- und wesens·mäßiger Unter·schied, doch kam es in Bild und Legende sowohl in China als auch in Japan zu einer Nivel·lierung dieser Vorstellungen. Nāga-Könige, die im indo-bud·dhis·tischen Kontext oft das Aussehen von Kobras haben, wurden in China als Drachen·könige (longwang, japanisch ryūō [ryūō (jap.) 龍王 Drachenkönig; myth. Figur, meist mit Wasser oder mit dem Meer verbunden]) bezeichnet und in großen, staat·lich kom·mis·sion·ierten Riten um Regen gebeten.15
Heian-Zeit, errichtet um 800. Bildquelle: Mihoo Nikki, 2007 (bildbearbeitet).
Eine der ersten permanenten Kult·stätten für bud·dhis·tische Regen·riten in Japan wurde Ende des achten Jahr·hun·derts im Tempel Murō-ji [Murō-ji (jap.) 室生寺 alter Shingon-Tempel südöstlich von Nara, ehem. bekannt für seine Regenriten (amagoi)] nord·west·lich von Nara errichtet, wo sich einige ein·drucks·volle Grotten befinden. In diesen Grotten wähnte man einen Drachen namens Zennyo Ryūō [Zennyo Ryūō (jap.) 善如龍王/善女龍王 Drachen- bzw. naga-König aus der buddhistischen Mythologie], den man als eine Wieder·geburt des indischen nāga-Königs aus dem Himalaya ident·ifi·zierte. Zennyo Ryūō erhielt nun interessanter·weise einen Schrein, also ein Gebäude nach dem Muster der kami-Kult·stätten, wo aber bud·dhis·tische Mönche um Regen beteten. Man dachte sich den Drachen·könig also eher als kami denn als Buddha, was aber bud·dhis·tische Regen·riten keineswegs ausschloss. In der Folge gelang es dem Bud·dhis·mus, seine Regen·riten für nāga-Drachen als staat·lich anerkannte Standard·maßnahmen in Zeiten von Wetter·katas·trophen zu eta·blie·ren.
Regenmacher des Shingon Buddhismus
Seattle Japanese Garden Community Blog, 2014.
Wie der Religions·historiker Brian Ruppert in einem Aufsatz von 2002 klar heraus·gearbeitet hat, erwies sich der Shingon [Shingon-shū (jap.) 真言宗 Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan] Bud·dhis·mus auf dem Gebiet des Regen·bittens ab der mittleren Heian-Zeit als besonders erfolgreich. Shingon-Mönchen gelang es nämlich eine Kult·stätte für die Ab·haltung von Regen·riten inner·halb des kaiser·lichen Palastes zu mono·pol·isieren. Im Zentrum dieser Riten stand ein großer künst·licher Teich, der Teil des Lust·gartens Shinsen’en [Shinsen’en (jap.) 神泉苑 „Garten der göttlichen Quelle“, im Süden des ehem. Kaiserpalastes in Kyōto gelegen;] (Garten der gött·lichen Quelle) war und wohl schon lange für Regen·riten gedient hatte. Unter dem Einfluss des Shingon Bud·dhis·mus wurde dieser Teich zum Wohn·ort Zennyo Ryūōs erklärt, also des gleichen Drachen·königs, der auch im erwähnten Murō-ji verehrt wurde. Die Tradition des Regen·machens im Kaiser·palast wurde rück·bli·ckend dem charis·matischen Ordens·gründer des Shingon Bud·dhis·mus Kūkai [Kūkai (jap.) 空海 774–835, Gründer des Shingon Buddhismus; Eigennamen Saeki Mao, Ehrennamen Kōbō Daishi] (774–835) zu·ge·schrieben, scheint sich aber erst im zehnten Jahr·hun·dert fest mit dem Shingon Bud·dhis·mus verbunden zu haben.16
Die Shingon-bud·dhis·tischen Regen·riten im Kaiser·palast sind relativ gut dokumentiert, da führende Shingon-Mönche der späten Heian-Zeit eigene Regen·bitt-Tage·bücher führten, was Rück·schlüsse auf die Be·deu·tung dieser Rituale zulässt. Offen·bar waren sie zwar mit hohem Auf·wand, aber mit er·staun·lich geringem Risiko für den Ritual·isten verbunden. War das Ritual erfolg·reich, so standen dem beteiligten Mönch sub·stan·zielle materielle Zu·wend·ungen sowie Rang·er·höh·ungen in Aussicht, während Miss·er·folge nicht geahndet wurden. Dürre·perioden boten daher ins·be·son·dere für Shingon-Mönche eine gute Ge·legen·heit für einen Karrieresprung.17
Nichirens Provokation
Edo-Zeit. The British Museum.
Die besondere Rolle des Shingon Bud·dhis·mus auf dem Gebiet des Regen·machens findet sich indirekt auch in der eingangs erwähnten Legende des Nichiren bestätigt. Der historische Kern dieser Be·geben·heit lässt sich aus auto·bio·grafischen Notizen von Nichiren selbst einiger·maßen verlässlich re·kons·truieren. Eigenen Angaben zufolge stammte Nichiren aus einem Fischer·dorf auf der Halb·insel Bōsō (süd·östlich des heutigen Tokyo). Trotz seiner niederen Herkunft arbeitete er sich in den Rang eines angesehenen Ge·lehrten·mönchs hoch, machte sich unter seinen Mit·brüdern aber bald auch Feinde. Nichiren setzte sich nämlich nicht bloß für die Auto·rität des Lotos Sutras ein, das ohnehin von den meisten bud·dhis·tischen Richtungen zu den wichtigsten Lehr·texten gezählt wurde, sondern formulierte ausgehend vom Lotos Sutra auch eine Kritik am etablierten Klerus, die an dessen Existenz·grund·lagen rüttelte. Auf diese Weise brüskierte er unter anderen den führenden Shingon-Mönch Ninshō Ryōkan [Ninshō Ryōkan (jap.) 忍性良観 1217–1303; Shingon-Abt in Kamakura] (1217–1303), der ebenso wie Nichiren vor allem in der Haupt·stadt des 1185 gegründeten Kamakura [Kamakura (jap.) 鎌倉 Stadt im Süden der Kantō Ebene, Sitz des Minamoto Shōgunats 1185–1333 (= Kamakura-Zeit)]-Shōgunats aktiv war und dort all·gemein als besonders tugend·haft galt. Nichiren aber sah in ihm einen Heuch·ler und forderte ihn immer wieder zu Debatten heraus. Als Ryōkan während der Dürre von 1271 einen Regen·ritus abhalten sollte, schlug Nichiren ihm eine riskante Wette vor: Nichiren würde alle seine Lehren be·züg·lich des Lotos Sutras wider·rufen und Ryōkans Schüler werden, wenn dieser mit dem Regen·ritus Erfolg haben sollte. An·dern·falls solle Ryōkan Nichirens Schüler werden. Als das Ritual auch nach zwei Wochen keinen Erfolg zei·tig·te (und Ryōkan nicht auf Nichirens Vorschlag einging), schickte Nichiren ihm folgende Nachricht:
Wie die Sage geht, sollen selbst solche Leute, die sich niemals um bud·dhis·tische Gebote scherten, wie die kokette Hof·dich·terin Izumi Shikibu oder der liebes·trunkene Mönch Nōin allein durch die Wirkung ihrer Dicht·kunst dem Himmel Regen entlockt haben. Wie aber kommt es dann, dass Ihr nicht im·stande seid, selbst mit dem Be·istand [noch so vieler Priester und Mönche] auch nur einen Regen·tropfen hervor·zupressen?18
Die beiden genannten Dichter, auf die ich im Folgenden noch zu sprechen kommen werde, sind in der Tat sowohl für ihre Regen·riten als auch für ihre Liebes·es·kapaden berühmt. Nichiren wertet dies als Beweis ihrer Laster·haft·igkeit, um schließ·lich seinem Intim·feind vorzuwerfen, noch weiter vom wahren Weg des Buddha entfernt zu sein als diese sündigen Wesen, weil er im Gegen·satz zu ihnen beim Regen·machen versagte. Nichiren sieht das Regen·machen also nicht mehr als Ergebnis eines Tausch·handels zwischen Menschen und Göttern, sondern als moralischen Grad·messer. Es kommt nicht nur auf die Kenntnis magischer Praktiken an, man muss sich auch des Buddha Weges als würdig erweisen, damit das Ritual funktioniert.
Dass Nichiren selbst Regen her·bei·betete, scheint zwar eine fromme Legende aus späterer Zeit zu sein, doch zeigt sich, dass dieser Legende eine tiefere Be·deu·tung zukommt als auf den ersten Blick er·kennt·lich. Ob er nun Regenbitt-Riten ver·spot·tete oder selbst prak·ti·zierte, läuft beinahe auf das·selbe hinaus, nämlich dass er die Auto·rität des Shingon Bud·dhis·mus auf dem Gebiet der Regen·rituale infrage stellte.
Zen und die Kunst des Regenmachens
Dem west·lichen Klischee vom as·ket·ischen, welt·ab·ge·wandten Zen [Zen (jap.) 禅 chin. Chan, wtl. Meditation; Zen Buddhismus] zum Trotz konnten Zen-Mönche, ebenso wie ihre chi·ne·sischen Vor·läufer des Chan [Chan (chin.) 禅 jap. Zen, wtl. Meditation; chin. Bez. des Zen Buddhismus]-Bud·dhis·mus, auf dem Gebiet des Regen·machens offen·bar ähnliche Fertig·keiten auf·weisen wie die Shingon-Mönche. So soll unter anderem der Kult der Sech·zehn Arhats, der ur·sprüng·lich aus dem Chan [Chan (chin.) 禅 jap. Zen, wtl. Meditation; chin. Bez. des Zen Buddhismus] stammt und durch den Zen Bud·dhis·mus auch in Japan Ver·brei·tung fand, zur Bitte um Regen ein·gesetzt worden sein. Als einer der ersten Regen·macher des ja·pani·schen Zen vollzog Myōan Yōsai [Myōan Yōsai (jap.) 明菴榮西 1141–1215; Zen-Möch, Begründer des jap. Rinzai Zen. Auch Eisai.] (1141–1215) in offiziellem Auftrag ein berühmtes Regen·ritual in Kamakura. Als er zu den Drachen·göttern betete, stieg, so die spätere Über·lieferung, Licht aus seinen Händen und es begann sofort zu regnen.19 Interessanter·weise ging Yōsai zwar als Begründer des ja·pan·ischen Rinzai [Rinzai-shū (jap.) 臨濟宗 Rinzai-Schule des jap. Zen Buddhismus]-Zen in die ja·pan·ische Religions·geschichte ein, doch war er zunächst als Shingon-Mönch ausgebildet worden und prak·ti·zierte eine Mischung aus Shingon und Zen. Wir können also nicht sicher sein, in welcher dieser beiden Traditionen sein Regen·ritus tat·säch·lich stand.
Ein paar Ge·ne·ra·tio·nen später stößt man jedoch auf eine kōan [kōan (jap.) 公案 Koan, paradoxes Zen-Rätsel]-Anekdote, die zum einen bestätigt, dass Zen für Regen·riten in Kamakura herangezogen wurden, zum anderen aber auch eine interne Kritik an derartigen Tendenzen der Ver·welt·lichung zum Aus·druck bringt:
Der chi·ne·sisch-stämmige Zen-Mönch Mugaku [Mugaku (jap.) 無学 1226–1286; aus China stammender Zen-Mönch der Kamakura-Zeit] (1226–1286) wurde während einer Dürre im Jahr 1284 vom Shōgunat beauftragt, ein Regen·bitt-Ritual ab·zuhalten. Vor dem Tsurugaoka Hachiman [Tsurugaoka Hachiman-gū (jap.) 鶴岡八幡宮 repräsentativster Schrein des ehemaligen Shōgunats in Kamakura; Gründung durch die Familie Minamoto, die Hachiman als Ahnengottheit verehrten] Schrein, dem spiri·tuellen Zentrum Kamakuras, er·rich·tete man zu diesem Zweck einen großen Altar. Doch ein Schüler des Mugaku, der diese Art von Ritual·ismus als zu pompös empfand, sprang plötz·lich auf den Altar, entblößte seinen „ein·äu·gigen Drachen“, urinierte auf den Altar und verkündete, dies sei die Art des Zen, Regen zu machen. Prompt wurde der Novize von Sicher·heits·kräften in Ge·wahr·sam genommen, doch als er ins Gefängnis eskortiert wurde, kam es zum lang ersehnten Wolken·bruch. Darauf ent·schul·digte man sich höflich bei dem jungen Zen-Mönch und setzte ihn wieder auf freien Fuß.20
In der Edo-Zeit begegnet uns die Regen-Kompetenz des Chan/Zen in einer Legende über den chi·ne·sischen Chan-Exilanten Engelbert Kaempfer [Kaempfer, Engelbert (west.) 1651–1716; deutscher Arzt und Naturforscher, Japanreisender (1790–1792); Autor einer detaillierten Japanbeschreibung] (1651–1716), der Japan in den Jahren 1690 bis 1692 bereiste, berichtet. Yinyuan war wenige Jahr·zehnte vor Kaempfers Besuch von China nach Japan ausgewandert und erhielt hier ein eigenes Kloster (den Manpuku-ji [Manpuku-ji (jap.) 萬福寺 Haupttempel des Ōbaku-Zen in Kyōto]), das zum Ausgangspunkt des so·ge·nannten Ōbaku [Ōbaku-shū (jap.) 黄檗宗 Dritte Hauptrichtung des jap. Zen]-Zen wurde. Kaempfer berichtet jedoch ledig·lich von einem Regen·ritual, das Yinyuan auf Bitten der Bauern in der Nähe seines Klosters durch·führte. Es blieb offenbar im kollektiven Ge·dächt·nis, weil es die er·hoffte Wirkung bei Weitem übertraf, sodass sogar kleinere Brücken in der nahen Haupt·stadt Kyoto fort·gespült wurden.21
(japanisch Ingen, 1592–1673), die der deutsche ArztDiese Bei·spiele mögen genügen um zu zeigen, dass sich der Bud·dhis·mus spätestens ab dem zehnten Jahr·hun·dert in den staat·lich organisierten Methoden des Regen·machens eine Art Mono·pol sichern konnte. Die Privi·legien des Shingon Bud·dhis·mus auf diesem Gebiet weiteten sich im ja·pan·ischen Mittel·alter (12.–16. Jahr·hun·dert) auf andere bud·dhis·tische Richtungen wie den Zen Bud·dhis·mus aus, doch die Erwartung, dass man mit buddhistischen Riten das Wetter beeinflussen könne, wurde bis zum Beginn der Moderne selbst von den Eliten des Landes nicht in Frage gestellt.
Regenmachende Dichterinnen
Werk von Utagawa Toyoharu (1735–1814). Edo-Zeit. Christie’s.
Die Bemerkungen Nichirens haben uns bereits bei·läufig darauf hin·gewiesen, dass sich neben Mönchen und Priestern auch höfische Dichter·innen und Dichter in der Kunst des Regen·machens einen Namen machten. Wie Keller Kimborough in einem Aufsatz von 2005 heraus·ge·arbeitet hat, schrieben sich manche dieser Gedichte so tief ins kulturelle Gedächtnis ein, dass sie schließlich sogar als Zauber·formeln bei Regen·riten Ver·wen·dung fanden. Neben den bereits erwähnten Figuren Izumi Shikibu [Izumi Shikibu (jap.) 和泉式部 978?–1033?; Hofdame und Dichterin der Heian-Zeit] und dem Mönch Nōin [Nōin (jap.) 能因 988-1051?; buddhistischer Dichtermönch] aus der Zeit um das Jahr 1000 ist vor allem die etwa hundert Jahre zuvor aktive Ono no Komachi [Ono no Komachi (jap.) 小野小町 825?–900?; Heian-zeitliche Dichterin und Hofdame] als Pionierin des poet·ischen Regen·machens zu nennen.
Komachi zählt als einzige Frau zu den Sechs Dichter-Genies (rokkasen [rokkasen (jap.) 六歌仙 die Sechs Dichter-Genies; der Ausdruck bezieht sich auf sechs Dichter aus der klassischen Gedichtanthologie Kokinshū (10. Jh.), nämlich Ōtomo no Kuronushi, Ono no Komachi, Ariwara no Narihira, Kisen, Henjō und Fun’ya no Yasuhide]) des Kokinshū [Kokinshū (jap.) 古今集 erste kaiserlich kommissionierte Anthologie der japanischen waka-Dichtung aus dem 10. Jh.; auch Kokin waka-shū] und verkörpert damit so etwas wie den Urtypus einer höfischen Poetin. Dieses Bild schließt auch ihre strahlende Schön·heit und eine Reihe amouröser Abenteuer mit ein. Ihre tat·säch·liche Bio·graphie liegt jedoch weit·gehend im Dunkeln und beruht ledig·lich auf Anek·doten, die in ihrer per·sön·lichen Anthologie festgehalten sind. Einer dieser Anek·doten zufolge erhielt sie an·läss·lich einer Dürre den offiziellen Auftrag, ein Gedicht mit der Bitte um Regen an die Götter zu richten. Das Gedicht lautet folgender·maßen:
Mächtige Götter / wenn ihr unsrer gewahr seid / erhebet euch schnell //
Die Schleusen des Him·mels·flusses / geruht sie zu öffnen22
Das schein·bar einfach gestrickte Gedicht enthält einen gewissen Hinter·sinn durch die Tatsache, dass Him·mels·fluss (ama no togawa 天の戸河) die Milch·straße bezeichnet. Da das Wort ama aber sowohl Himmel (天) als auch Regen (雨) bedeutet,23 kann ama no togawa auch als Regen·fluss verstanden werden. Das Gedicht beschwört also die Himmels·götter, deren Wohnort am Rande der Milch·straße imaginiert wird, sich ihrer wetter·gestalt·enden Macht zu entsinnen, die ihnen schon kraft der Namens·gleich·heit von Regen und Him·mel zukommt.
Die gleiche Argumentation, die auf dem Schlüssel·begriff des Him·mels·flus·ses, der ebenso ein Regen·fluss sein kann, aufbaut, machte sich auch Izumi Shikibu zunutze:
Ursprung der Sonne / diesem Namen entspricht es / dass die Sonne scheint
Doch was wird ohne Regen / aus dem Land unterm Himmel?24
„Ursprung der Sonne“ erhält eine An·spie·lung auf den Landes·namen Nihon [Nihon/Nippon (jap.) 日本 Japan; wtl. Sonnenursprungs[land]] (sino-japanisch für „Sonnen·ursprung“), während „Land unterm Himmel“ (ame ga shita) ebenso das Reich (tenka [tenka (jap.) 天下 Reichsgebiet, Großreich; wtl. [alles Land] unter dem Himmel], wörtlich [Land] unter dem Himmel) wie [das Land] unter dem Regen bedeuten kann. Die Dichterin konzediert also, dass in Japan dem Landes·namen entsprechend immer die Sonne scheinen müsste, wendet aber ein weiteres Wort·spiel an, um aus dem Reich unter dem Him·mel ein Regen·reich zu machen.
Das Himmel=Regen-Wort·spiel kommt schließ·lich in einem zweiten berühmten Regen·gedicht von Izumi Shikibu zur An·wendung, wo die Dichterin die angesprochene Gott·heit mit ihren eigenen Charak·ter·istika regelrecht erpresst:
Oh, wie beschämend! / Der Pflaumen·baum an deinem Zaun / selbst der ist verdorrt! //
Ein Gott des Himmels bist du? / Wer wollte dich so nennen?25
Kamakura-Zeit, 1259. Bildquelle: Cleveland Museum of Art/Nara National Museum.
Dieses Gedicht richtet sich an eine spezifische Gott·heit, nämlich an Tenman Tenjin [Tenman Tenjin (jap.) 天満天神 Shintō-Gott, Apotheose des Sugawara no Michizane], die ver·gött·lichte Gestalt des Staats·mannes und Dichters Sugawara no Michizane [Sugawara no Michizane (jap.) 菅原道真 845–903, Heian-zeitl. Staatsmann und Gelehrter; posthum als Tenman Tenjin vergöttlicht, heute Gott der Gelehrsamkeit] (845–903), der im Kitano [Kitano Tenman-gū (jap.) 北野天満宮 Kitano Tenman Schrein (Kyōto); einer der beiden Hauptschreine des Sugawara no Michizane, gegr. 947]-Schrein im Westen Kyotos verehrt wird. Tenman Tenjin bedeutet wört·lich Him·mel·fül·lende Him·mels·gott·heit. Obwohl er in der Heian-Zeit als ein zürnender Gewitter·gott imaginiert wurde, blieb unter anderem ein zart·fühlendes Gedicht von ihm im Gedächtnis, in dem er seine Sehn·sucht nach einem Pflaumen·baum aus·drückte. Pflaumen·bäume gehören daher zum Inventar des Kitano Schreins und die fünf·blättrige Pflaumen·blüte wurde sein Wappen·zeichen. Diese Eigen·heiten wurden nun von Izumi Shikibu gegen Tenjin gewendet. Einerseits erinnerte sie ihn an seine Liebe zum Pflaumen·baum, andererseits warf sie ihm vor, den Namen Tenjin, also ama no kami, Him·mels·gott/Regen·gott, nicht verdient zu haben. In dieser Situation blieb Tenjin wohl nichts anderes übrig, als mit einem dreitägigen Regen·guss zu antworten.
Obwohl also Izumi Shikibu im Grunde als die Regen·macherin par excellence unter den Heian-zeitlichen Dichter·innen her·vor·tritt, wurde sie auf diesem Gebiet in der späteren Legenden·tradition von Ono no Komachi über·schattet, oder anders ausgedrückt, die Züge beider Dichter·innen ver·schmol·zen in der Gestalt der Ono no Komachi. Bevor ich auf die Ein·zel·hei·ten der Komachi-Ikono·logie eingehe, erscheint es aber angezeigt, einen Blick auf die theo·retischen Konzepte zu werfen, mit denen die Wirkung der ein·heim·ischen Lyrik auf die Götter erklärt wurde.
Die magische Kraft der waka
Im bereits genannten Kokinshū [Kokinshū (jap.) 古今集 erste kaiserlich kommissionierte Anthologie der japanischen waka-Dichtung aus dem 10. Jh.; auch Kokin waka-shū] (905), einer kaiser·lichen Antho·logie, in der die klassische waka [waka (jap.) 和歌 wtl. japanisches Gedicht; Gedicht in der klassischen 5-7-5-7-7 Versform]-Gedicht·form ihren kanon·ischen Ausdruck fand, schreibt der Haupt·kompilator Ki no Tsurayuki [Ki no Tsurayuki (jap.) 紀貫之 872–945; Hofdichter, Herausgeber des Kokinshū] im Vorwort unter anderem, waka seien imstande „die Gefühle der unsicht·baren Götter und Geister“ zu erregen. Dieser berühmte Aus·spruch wurde, wie die Regen·gedichte zeigen, durchaus auch wört·lich verstanden. Waka-Gedichten wohnte also schon seit jeher eine magische Kom·po·nente inne, die im Lauf der Zeit al·ler·dings immer deut·licher hervor·gehoben wurde.
Unter bud·dhis·tischen Theo·retikern entstand im japanischen Mittel·alter die Theorie, dass die mit be·schwör·enden Kräften aus·ge·statteten waka nichts anderes als das ja·pa·nische Pendant zu den dharani [dhāraṇī (skt.) धारणी (magische) Gebetsformel, ähnlich wie, aber meist länger als Mantra (jap. darani 陀羅尼 oder ju 呪)] seien, also den bereits erwähnten magischen Formeln ent·sprachen, die nicht nur im Großen Wolken Sutra Ver·wendung fanden, sondern denen im Lotos Sutra sogar ein eigenes Kapitel gewidmet ist.26 Der heute bekannteste Verfechter der waka-dharani-Identität war Mujū Ichien [Mujū Ichien (jap.) 無住一円 1226–1312; buddh. Mönch und Autor essayistischer und anekdotischer Werke] (1227–1312), ein Zeit·genosse Nichirens. Mujū sah in den waka ein Mittel, zur Er·leuch·tung zu gelangen. Buddha würde sich, wenn er in Japan erschiene, der waka bedienen, weil durch sie, ebenso wie durch die dharani, eine fundamentale Wahr·heit (kotowari oder shinjitsu) ausgedrückt werden könnte. Genauer gesagt wirkten beide, waka-Gedichte und dharani-Formeln, weil sie in quasi kon·den·sierter Form eine Wahr·heit enthielten, die der verbalen Analyse unzugänglich sei.27
Diese Gleich·setzung entsprach der so·genannten honji suijaku [honji suijaku (jap.) 本地垂迹 wtl. Grundform und herabgelassene Spur; Theorie der Identität von kami und Buddhas]-Konzeption (wörtlich die Konzeption von Urform und Spur), deren Wurzeln bis in die Nara-Zeit zurück·reichen. Dieser Auf·fas·sung zufolge waren kami nichts anderes als temporäre Er·schei·nungs·formen von Buddhas. Dies bedeutete, dass man sich auch von ein·hei·mischen Gott·heiten bud·dhis·tische Er·leuch·tung erhoffen durfte. Vor dem Hinter·grund der honji suijaku-Konzeption wird auch die waka-dharani-Ident·ifizierung leichter nach·voll·ziehbar. Bemerkenswert ist al·ler·dings, dass Mujū nicht etwa traditionelle Shintō-Gebete (norito [norito (jap.) 祝詞 Shintō-Gebet]) zu den En·tsprech·ungen der bud·dhis·tischen Formeln erklärte, sondern Gedichte, die zunächst keinem reli·giösen Kontext entstammten. Es wurde also nicht die Liturgie des Shintō, sondern die japanische Dichtung im Sinne der honji suijaku-Konzeption sakral·isiert.
Diese Auf·fas·sung scheint sich im Laufe des Mittel·alters all·gemein verbreitet zu haben. Keller Kimbrough zitiert in diesem Zu·sam·men·hang einen spät-mittela·lterlichen Autor mit den Worten:
Meister Jichin [Mujū] sagte, dass waka die dharani Japans seien. Wenn Buddhas in diesem Land erschienen, würden sie dharani in Form von waka von sich geben. […] Daher verwenden wir waka-Gedichte sowohl in unseren bud·dhis·tischen Übungen als auch zur Er·bau·ung der Götter.28
Die waka werden also in dieser Inter·pre·tation ohne Ums·chweife als magische Gebets·formeln inter·pretiert und können als solche sowohl in bud·dhis·tischen als auch in shinto·ist·ischen Kontexten eingesetzt werden.
Der·artige Argumente gerieten in den konfuz·ianischen und nativ·istischen intellekt·uellen Trends der frühen Neu·zeit (Edo-Zeit) zunehmend ins Kreuz·feuer der Kritik. Eine neue Bud·dhis·mus-kritische, intellek·tuelle Avant·garde lehnte die Iden·tität von Buddhas und kami oder von dharani und waka grund·sätz·lich ab. Dennoch blieb die Idee einer magischen Kraft, die sich in der Dich·tung Aus·druck verschafft, auch in anti-bud·dhis·tischen Kreisen bestehen. Die Inter·pre·tation von waka als magische Formeln lässt sich daher – in etwas andere Worte gekleidet – selbst in den Werken des kokugaku-Gelehrten Motoori Norinaga [Motoori Norinaga (jap.) 本居宣長 1730–1801; Shintō-Gelehrter der „nationalen Schule“ (kokugaku)] (1730–1801) wiederfinden. Norinaga meinte nämlich, dass waka die Götter tat·säch·lich zu rühren vermögen, wenn sie eine un·mittel·bare Wahr·heit oder Auf·richti·gkeit (makoto [makoto (jap.) 真 Wahrheit, Aufrichtigkeit]) – man würde heute sagen „Au·then·ti·zi·tät“ – ent·hielten. Er fügte jedoch hinzu, dass auch Kunst·fertig·keit notwendig sei, dass also wahre Gefühle ohne poet·ische Wort·spiele nicht zu den Göttern vor·dringen würden. Interessanter·weise griff Norinaga, um die gelungene Kombination von Auf·richtig·keit und Kunst·fertig·keit zu demonstrieren, auf ein Regen·gedicht zurück, das damals als Werk der Ono no Komachi galt.29
Sieben Komachi
Wie bereits erwähnt, wurde das Motiv der klas·si·schen Hof·dichterin, die mit ihren Gedichten Regen heraufbeschwört, in der Edo-Zeit fest mit Ono no Komachi [Ono no Komachi (jap.) 小野小町 825?–900?; Heian-zeitliche Dichterin und Hofdame] assoziiert. Ono no Komachis Leben wurde wiederum in sieben Episoden ein·geteilt, die als Sieben Komachi (nana komachi) sowohl in der Lit·eratur als auch in der bildenden Kunst thema·tisiert wurden.30 Diese Episoden dürften im Nō [Nō (jap.) 能 traditionelles jap. Theater mit charakterstischem Tanz, Gesang und Masken; entwickelte sich im 14. Jh. aus dem volkstümlichen dengaku (Feld- oder Bauern-Theater) und avancierte zur repräsentativen Theaterform der Kriegerelite (bushi)]-Theater ent·stan·den sein, wo fünf der Sieben Komachi in Form eigener Stücke bekannt sind, während zwei möglicher·weise verloren gingen. Anfang des acht·zehnten Jahr·hun·derts hatte sich das Set von Sieben Episoden jedenfalls fix etabliert und wurde von ver·schie·denen Autoren auf die Bühnen von Kabuki [Kabuki (jap.) 歌舞伎 „Gesang- und Tanzkunst“; Anfang des 17. Jh. aus Musik, Schauspiel und Tanz entwickeltes Theater-Genre] und Bunraku [Bunraku (jap.) 文楽 Traditionelle, japanische Form des Puppentheaters, 1684 in Ōsaka entstanden; viele Stücke des Kabuki wurden ursprünglich für Bunraku geschrieben]-Puppen·theater über·tragen31
Komachi wandelt sich in diesem Zyklus von einer jugend·lichen Hof·dame zur Femme fatale und schließ·lich – als kar·mische Strafe für ihren Hoch·mut – zur ver·stoß·enen Bett·lerin. Die für uns relevante Episode, Komachis Bitte um Regen (Amagoi Komachi [Amagoi Komachi (jap.) 雨乞小町 „Komachis Bitte um Regen“; Motiv aus dem Leben der Dichterin Ono no Komachi in Nō, Kabuki oder ukiyo-e]), stellt den Höhe·punkt ihrer Karriere als Dichterin dar.
Wie in allen anderen Episoden steht auch hier ein berühmtes, Ono no Komachi zu·ge·schrie·benes Gedicht im Mittel·punkt der Handlung. Es handelt sich jedoch nicht um das klassische Regen·gedicht der historischen Komachi (s.o.), sondern um ein waka, das sich wie eine Variante des eigent·lich von Izumi Shikibu stam·menden Regen·gedichts liest:
Es ist in der Tat so / wenn dies der Sonnen·grund ist / muss sie er·strah·len//
Doch spricht man nicht eben·so / vom Reich unterm Regen·him·mel?32
Trotz der leicht ver·än·derten Wort·wahl arbeitet auch dieses Gedicht mit dem Landes·namen Nihon (Ursprung / Grund der Sonne) und setzt ihm den Begriff tenka (Reich, wörtlich unter dem Himmel / Regen) entgegen: Wenn Nihon ein tenka ist, dann muss dort nicht nur Sonne scheinen, sondern auch Regen fallen. Dank seines festen Platzes inner·halb der Sieben Komachi-Episoden wurde dieses Gedicht zum wahr·schein·lich bekanntesten Regen·gedicht der Edo-Zeit und wie erwähnt sogar von Motoori Norinaga als bei·spiel·haft heraus·gestrichen.
Des weiteren weiß die spätere Amagoi Komachi Legende zu berichten, dass Komachis Regen·bitte im Shinsen’en [Shinsen’en (jap.) 神泉苑 „Garten der göttlichen Quelle“, im Süden des ehem. Kaiserpalastes in Kyōto gelegen;] stattfand, also in jenem Garten, wo schon Kūkai und seine Nach·folger um Regen gebetet haben sollen, und dass sie das Papier, auf dem sie das Gedicht auf·geschrieben hatte, gleichsam als Opfer·gabe ins Wasser des heiligen Teichs warf, dem der Garten seinen Namen verdankt.33
Die regenmachende Komachi als ukiyo-e-Motiv
In un·mit·tel·barem Zu·sam·men·hang mit dem Theater wurde Komachi auch von den ukiyo-e-Künstlern in all ihren Facetten dar·ge·stellt. In der graph·ischen Umsetzung lassen sich zwei unter·schied·liche Ansätze ausmachen: Komachi wird einer·seits als histo·rische Figur präsentiert, anderer·seits aber auch spielerisch in den Kontext der Edo-zeit·lichen Stadt·kultur ein·ge·bunden.
Werk von Utagawa Kuniyoshi. Edo-Zeit, ca. 1837. The British Museum.
Inner·halb der histo·risier·enden Dar·stel·lungen des Amagoi Komachi-Motivs erweist sich Kuniyoshi [Utagawa Kuniyoshi (jap.) 歌川国芳 1798–1861; Maler und Zeichner. Bekannter Verteter des ukiyo-e-Farbholzschnitts] ein weiteres Mal als besonders detail·lierter und ein·falls·reicher Gestalter eines Regen·themas. Er zeigt die um Regen bittende Komachi, wie sie ihr Gedicht auf einem Fächer den Göttern ent·gegen·hält, bevor sie es dem Wasser über·ant·wortet. Kuniyoshi macht uns damit auf den materiellen Aspekt aufmerksam, der in der Edo-zeit·lichen Dar·stel·lung von rituell ein·ge·setzten Regen·gedichten eine ent·schei·dende Rolle spielt: Das Gedicht wird nämlich nicht nur vorgetragen, sondern sorgsam auf ein eigenes Blatt Papier kalli·grafiert und den Göttern während der Rezitation flehend ent·gegen·gehalten, um schließ·lich dem Wasser geopfert zu werden.
Der Bezug zum Regen wird außerdem im komplexen Drachen·dekor auf dem Außen·gewand der Dichterin sichtbar. Auf einem Opfer·tischchen befindet sich unter anderem ein Rauch·gefäß, um die Wolken·bildung anzuregen. Starker Wind wühlt das Haar und das Gewand der Dichterin auf und lässt die Papier·opfergaben (gohei [gohei (jap.) 御幣 Papieropfergabe, Zickzack-Papier]) im Vor·der·grund in der Luft tanzen. Ähnlich wie in Kuniyoshis Dar·stel·lung von Nichiren gemahnt uns die Visual·isierung gewaltiger Witterungs·ver·hält·nisse an die Macht der Götter und unter·streicht die heroische Ent·schlossen·heit der mit ihnen kommun·izierenden Ritualisten. Auch der Diener, der Komachi vor·sorg·lich mit einem Schirm beschützt, erhält eine ähnliche Rolle wie die Diener Nichirens im eingangs vor·gestellten Regen·bild Kuniyoshis: Er schützt die Ritualistin nicht nur, er zeichnet sie zu·gleich als Zentrum des Geschehens aus.
Es ist in der Tat so / wenn dies der Sonnengrund ist / muss sie erstrahlen// Doch spricht man nicht ebenso / vom Reich unterm Regenhimmel?
Edo-Zeit, ca. 1763. The British Museum.
Eine der gelungensten Über·tragungen (mitate) des Komachi-Motivs in die Gegenwart der Edo-Zeit ist die Serie „Die sieben Komachi in zeit·gemäßer Ver·kleidung“34 von Suzuki Harunobu [Suzuki Harunobu (jap.) 鈴木春信 1725?–1770; führender ukiyo-e Künstler der mittleren Edo-Zeit] (1725–1770). In jedem Bild dieses Sets steht eine at·trak·tive, nach der neuesten Mode gekleidete junge Frau im Mittel·punkt, die nur durch ein paar kleine An·spiel·ungen an Komachi be·zieh·ungs·weise an das jeweilige Gedicht erinnert. Selbst die greise Komachi am Grab (Sotoba Komachi) wird von Harunobu in eine junge Rei·sig·samm·lerin verwandelt, die sich in lasziver Pose auf einem Holz·block sitzend den Schweiß wischt. Der Bezug zu Komachi wird vor allem durch den Bild·titel und das jeweilige ins Bild integrierte Gedicht unter·strichen.
Harunobus regen·machende Komachi ist eine elegante junge Frau, die spie·le·risch ein kleines Schiffchen ins Wasser gleiten lässt, während ihre Be·glei·terin sie mit einem großen Schirm vor dem eben ein·setzenden Sommer·regen schützt. Sie parodiert somit den Diener, der die Regen·macherin vor dem von ihr hervor·gerufenen Unwetter in Schutz nimmt. Die wichtigste Chiffre, die das Motiv ein·deu·tig als Amagoi Komachi ident·ifi·ziert, ist jedoch das Schiffchen. Das schein·bar bei·läufige, spie·ler·ische Objekt findet sich bereits auf einem Holz·schnitt von Nishikawa Sukenobu [Nishikawa Sukenobu (jap.) 西川祐信 1697?–1756; früher ukiyo-e Meister] (1697?–1756) und anderen frühen ukiyo-e-Versionen des Motivs.35 In manchen Fällen kann man er·kennen, dass das erwähnte Regen·gedicht zur Gänze in das Segel des Schiffchens ein·ge·schrie·ben ist. Das Segel verkörpert also das Papier, auf dem das Gedicht an die Götter auf·ge·schrie·ben ist, während der Schiffs·rumpf als schwimm·taug·liches Opfer·tischchen fungiert.
Werk von Nishikawa Sukenobu (1697?–1756). Edo-Zeit, 1735. Tsubouchi Memorial Theatre Museum of Waseda University, Tokyo.
Werk von Torii Kiyohiro. Edo-Zeit, 1756. Metropolitan Museum of Art, New York.
Werk von Torii Kiyomitsu. Edo-Zeit, 1765. Metropolitan Museum of Art, New York.
Insofern klingt der rituelle Kontext des Regen·machens auch in der zeit·gemäßen Über·tragung des Motivs an. Das Schiffchen gemahnt zudem an Riten, bei denen Geister auf kleinen Schiffen fort·geschickt werden (s. z.B. die okuribi [okuribi (jap.) 送り火 Verabschiedungs-Licht (für die Geister der Ahnen)] des Bon-Festes).
Der magische Aspekt der waka wird also in der Edo-zeit·lichen Komachi-Ikono·graphie manchmal ironisch gebrochen – unter·schätzt oder gar vergessen wird er jedoch nicht. Er stellt wohl viel eher einen wesent·lichen Faktor dar, der dazu beitrug, die Hofdame der Heian-Zeit zu einem weib·lichen Idol der früh-neu·zeit·lichen Stadt·kultur zu machen.
Zusammenfassung
Dieser Essay verfolgt die Geschichte des rituellen Regen·machens in Japan auf der Grund·lage von histo·rischen Chroniken, li·te·ra·rischen Werken und künst·ler·ischen Re·prä·sen·tationen. Zu·sam·men·gefasst hat sich dabei folgendes Bild ergeben:
Weder die Regen·riten selbst noch die damit ver·bundenen imaginären Figuren sind auf Japan allein beschränkt, sondern sind Produkte des kul·tu·rellen Austauschs mit be·nach·barten Kulturen. Die Vor·stel·lung der Schlange als Ge·bie·terin über den Regen, oder all·gemeiner das Wasser, scheint schon lange in Asien ver·brei·tet gewesen zu sein und findet sich in den indischen nāgas ebenso wie in den chi·nes·ischen Drachen. Auch in der ja·pa·nischen Früh·zeit stoßen wir auf lokale Götter in Schlangen·form, die höchst·wahr·schein·lich um Regen angebetet wurden. Der Abstand zwischen den Menschen und diesen Schlangen·göttern ist gering, man erhält den Ein·druck von zwei Interessens·gruppen, die in ver·schie·denen Sphären agieren, sich im Ritual aber auf Augen·höhe begegnen und aus·tau·schen.
Der Bud·dhis·mus macht aus den Regen kontrol·lier·enden Schlangen Drachen·könige, die in sagen·um·wobenen Stätten in Indien oder im Himalaya wohnen. Dadurch rücken die Regen·götter in weitere Ferne und es wird schwieriger, mit ihnen Kontakt auf·zunehmen. Den·noch werden die Drachen·könige in Analogie zu ein·heim·ischen Göttern in Schreinen verehrt. Parallel dazu zeigt sich ein Rück·gang des höf·ischen, aus·schließ·lich an lokale Regen- und Gewitter-kami gerichteten Ritual·wesens. Ins·be·sondere der esot·erische Bud·dhismu·s in Gestalt des Shingon erwirbt sich ab dem zehnten Jahr·hun·dert eine Art Mono·pol auf diesem Gebiet. Im ja·pan·ischen Mittel·alter treten neue bud·dhis·tische Richtungen auf, die eben·falls Regen·riten an·zu·bieten haben. Der vom Kamakura-Shōgunat ebenso wie von den Ashikaga Shōgunen geförderte Zen Bud·dhis·mus scheint den Shingon Bud·dhis·mus auch auf dem Gebiet des Regen·machens ergänzt, wenn nicht gar ver·drängt zu haben.
Die Deu·tungs·ho·heit des Bud·dhis·mus wird im Grunde nur durch einzelne Figuren aus der Welt der höf·ischen Dichtung infrage gestellt. Diese Dichter treten, so meine Inter·pretation, auf dem Gebiet des Ritus das Erbe der früh·ges·chicht·lichen sakralen Herrscher an. Die Tennō kom·mun·izieren zwar in der Heian-Zeit und später weiter·hin mit den Göttern (und zwar aus·drück·lich mit den kami und nicht mit den Bud·dhas), doch tun sie dies in einem streng formal·isierten rituellen Kontext, der keinen indi·vi·duellen Spiel·raum gestattet. Sie sind reine Ritualisten, keine Unter·händler. Dichtern und besonders Dich·te·rin·nen wird hin·gegen die Gabe zu·ge·sprochen, die kami allein durch die Kraft ihrer Worte direkt und spontan be·ein·flussen zu können. Sie arbeiten dabei, wie die Regen·gedichte gezeigt haben, durchaus mit psycho·logischen Tricks und treiben die Götter argumentativ in die Enge. Wichtig ist aber auch – wenn man späteren Inter·pre·tationen glauben darf –, dass die Worte der Dichter gleich·sam aus dem Innersten ihres Herzens kommen.
Es wäre al·ler·dings ein Fehler, aus den Regen·gedichten der Lyrik eine Kritik am Bud·dhis·mus als solchem heraus·zu·lesen. Ohne dass dies aus·ge·sprochen werden muss, werden die ein·heim·ischen Gott·heiten nämlich gemäß der honji suijaku-Konzeption als Mani·fest·ationen von Bud·dhas und Bo·dhis·attvas angesehen. Wenn aber kami im Grunde bud·dhis·tische Wesen sind, so müssen auch die Gedichte, mit denen man sie ansprechen kann, eine bud·dhis·tische Ent·spre·chung besitzen. Diese Ent·spre·chung findet man in den dharani, den indo-bud·dhis·tischen Gebets·formeln, die auch im Kontext des Regen·machens ein·ge·setzt werden. Die waka werden nun als ja·pa·nische dharani inter·pre·tiert. Damit kann der Bud·dhis·mus seine Deu·tungs·ho·heit auch auf die formal nicht-bud·dhis·tischen waka ausdehnen.
Obwohl die honji suijaku-Konzeption ebenso wie der Bud·dhis·mus als solcher von Edo-zeit·lichen Intellek·tuellen wie Motoori Norinaga grund·sätz·lich in Frage gestellt und zurück gewiesen wird, wirkt die in Altertum und Mittel·alter ent·stan·dene Welt des Imaginären auch in der Edo-Zeit noch nach. Sie bildet den Stoff, der von den ukiyo-e-Künstlern histor·isierend romantisiert oder auf ironische Weise in ihre jeweilige Gegenwart transponiert wird. Die Ironie bedeutet aber keinen fundamentalen Zweifel an den Figuren und Legenden der Ver·gan·gen·heit. Die regen·machende Komachi im neu·zeit·lichen Kimono, die ihr Gedicht spie·ler·isch den Wellen an·ver·traut, will nicht vermitteln, dass Regen·riten Aber·glaube sind. Die Magie des Regen·machens soll das zeit·gemäße Sujet viel·mehr mit einem gewissen Geheimnis umgeben und damit seine Attrak·tivität steigern. Die Götter und Geister, die sich in der Ver·gan·gen·heit als wirk·mächtige Herrscher über die Elemente erwiesen haben, sind in der ja·pa·nischen Frühen Neu·zeit daher weiter·hin präsent.
Verweise
Fußnoten
- ↑ Der vor·lie·gende Essay beruht auf meinem Beitrag für einen Aus·stel·lungs·katalog der Staat·lichen Kunst·sammlungen Dresden, „Die Logik des Regens / Logical Rain“ (Aus·stel·lung 2013–2014). Da der Katalog nie ver·öffent·licht wurde, präsentiere ich den Artikel — nach Rück·sprache mit dem ur·sprüng·lichen Heraus·geber Wolfgang Scheppe — hier in einer über·arbei·teten Version.
- ↑ Kuniyoshis Bild entstammt einer Serie von zehn Illustrationen zu Nichirens Heiligen·vita, Kōso goichidai ryakuzu 高祖御一代略図 (Das Leben unseres hohen Ahnen, in Bildern zu·sammen·gefasst), die ca. 1835/36 heraus·gebracht wurde. Das im Kontext der ukiyo-e eher un·ge·wöhn·liche Sujet einer religiösen Mär·tyrer·bio·grafie ist wohl dem Umstand geschuldet, dass sich die Nichiren Schule unter den Künstlern der Holz·schnitt·kunst und ihrer Klientel, dem städt·ischen Bürgertum (chōnin oder machishū), einer großen An·hänger·schaft erfreute. Auch Katsushika Hokusai (1760–1849) war ein Anhänger Nichirens und illustrierte einige seiner Wunder·taten, während sein Schüler Katsushika Isai 葛飾為斎 (1821–1880) eine illustrierte Biografie Nichirens in Buch·form herausgab.
- ↑ Paraphrasiert und übersetzt nach Akimoto 1958, S. 54–55; für eine Übersetzung ins Englische s. Aoki 1997, S. 50.
- ↑ Nihon ryōiki, Erzählung 1/3, übersetzt in Nakamura 1997, S. 105–108.
- ↑ Schon die Götter·mutter Izanami produziert nach ihrem Fort·gang in die Toten·welt acht (offenbar weibliche) Donner·gott·heiten, die zusammen mit ihr die Unter·welt beherrschen.
- ↑ S. dazu Ouwehand 1958.
- ↑ Nihon shoki 24 (Kyōgyoku 1/7/25), zu·sammen·gefasst nach Aston 1972, II, S. 174–75.
- ↑ Der erste Ritus fand im Siebenten Monat 683 (Nihon shoki 29, Tenmu 12/7/20) statt, der zweite im Siebenten Monat 688 (Nihon shoki 30, Jitō 2/7/20); Aston 1972, II, S. 360 und 388.
- ↑ Shintō daijiten 神道大辞典 (Große Shinto-Enzyklopädie), Tokyo 1994, Eintrag kiu shiu, S. 347–48.
- ↑ Naumann 1959, S. 190–92.
- ↑ Naumann 1959, S. 190–93 und 234.
- ↑ Ruppert 2002, S. 148.
- ↑ Die früheste Über·set·zung ins Chinesische wurde von Dharma·kṣema zwischen 414 and 421 angefertigt (DDB, s.v. 大方等無想經). S.a. Ruppert 2002, S. 148, Anm. 14.
- ↑ Schmidthausen 1997, S. 58–63; de Visser 1913, S. 25–28.
- ↑ Strickmann 2002, S. 64; siehe auch S. 102 für Bei·spiele chi·nes·ischer Drachen und Regen·magie aus dem 6. Jh.
- ↑ Viele setsuwa-Samm·lungen und andere Quellen berichten, dass Kūkai bereits 824 im Wett·streit mit einem eifer·süchtigen Mit·mönch ein er·folg·reiches Regen·ritual im Shinsen’en abhielt. Neuere Forschungen halten dies jedoch für eine hagio·graphische Legende, die dem Bedürfnis des Shingon Bud·dhis·mus geschuldet ist, die Gründer·figur Kūkai zu einem Universal·genie hoch·zu·stil·isieren. Laut Ruppert (2002, S. 155–57) führte Kūkai zwar wahr·schein·lich Regen·riten durch, aber nicht im Shinsen’en. Das erste dokumentierte Shingon-Regen·ritual in diesem Park fand erst 854 unter Leitung eines Schülers von Kūkai statt. Für eine Synopsis der verschiedenen Legenden vgl. de Visser 1913, S. 159–62. Für eine Beschreibung der Shingon-Rituale im Shinsen’en und ihre Verbindung zur Lehre von Yin und Yang (Onmyōdō) siehe Trenson 2013.
- ↑ Ruppert 2002, S. 165–68. Die Regen·rituale im Kaiser·palast scheinen im Jahr 1273 ihr Ende gefunden zu haben (Trenson 2013, S. 116 und 131).
- ↑ Nichiren, Shimoyama goshōsoku 下山御消息 (Brief an Shimoyama), hier zit. nach der Über·setzung in Matsudo 2004, S. 144–45, mit leichten Modi·fi·kationen.
- ↑ Faure 1994, S. 277.
- ↑ Kōan (Anekdote) 56 in der Sammlung Shōnan kattō roku 湘南葛藤録 (Ver·schling·ungen aus Süd-Sagami), zu·sammen·gefasst nach der englischen Über·set·zung: Isshin’s Rainmaking, in: Leggett 2003, S. 141–43. Siehe auch Kraft 1992, S. 62.
- ↑ Wu 2015, S. 163–64.
- ↑ Chihayaburu / kami mo mimasaba / tachisawagi // ama no togawa no / higuchi aketamae; Gedicht 69 aus der Sammlung Komachi-shū (Sammlung der Komachi), Ü. Bernhard Scheid; s.a. Kimbrough 2005, S. 15.
- ↑ Beide Aus·drücke können im klassischen Japanisch sowohl ama als auch ame ausgesprochen werden. Je nach Wort·sinn werden natürlich unter·schied·liche chinesische Schrift·zeichen verwendet. Im modernen Japanisch hat sich ame für Regen eingebürgert, während der Himmel zumeist sora genannt wird.
- ↑ Hi no moto no / na ni au tote ya / terasuran // furazaraba mata / ame ga shita ka wa (Ü. Bernhard Scheid; s.a. Kimbrough 2005, S. 5)
- ↑ Hazukashi ya / igaki no ume mo / karenikeri // ama no kami to wa / ikade iubeki (Ü. Bernhard Scheid; s.a. Kimbrough 2005, S. 13–14)
- ↑ Kap. dharaniparivartaḥ; s. Deeg 2009, S. 314–318.
- ↑ Das Thema wurde in der west·lichen Japan·forschung bereits in den 1980er Jahren von William LaFleur (1983) oder Robert Morrell (1985) analysiert, im bereits mehrfach zitierten Aufsatz von R. Keller Kimbrough (2005) aber auch am Beispiel der Regen-Lyrik abgehandelt.
- ↑ ... Sonshun 尊舜 (1451–1514), Übersetzung nach Kimbrough 2005, S. 9. Zur Iden·tität von Jichin und Mujū Ichien s. ebd., Anm. 27.
- ↑ Kimbrough 2005, S. 23–25; s.a. Anm. 57.
- ↑ Die Episoden tragen die Titel Sōshi arai Komachi 草子洗小町 (Komachi wäscht ein Buch), Amagoi Komachi 雨乞小町 (Komachi bittet um Regen), Shimizu Komachi 清水小町 (Komachi im Kiyomizu Tempel), Ōmu Komachi 鸚鵡小町 (Komachi als Papagei), Kayoi Komachi 通小町 (Unterwegs zu Komachi), Sekidera Komachi 関寺小町 (Komachi im Sekidera Tempel) und Sotoba Komachi 卒都婆小町 (Komachi am Grab).
- ↑ 1722 erschien eine Parodie namens Fūryū shichi Komachi 風流七小町 (Zeitgemäße Sieben Komachi) von Ejima Kiseki 江島其磧 (1666–1735), 1727 wurde das Thema in einem Stück namens Sieben Komachi von Takeda Izumo 竹田出雲 (gestorben 1747) für die Bühne des Puppen·theaters adaptiert (Katō 2002).
- ↑ Kotowari ya/ hi no moto nareba/ teri mo seme// saritote wa mata/ ame ga shita to wa. Ü. Bernhard Scheid; s.a. Kimbrough 2005, p. 20.
- ↑ Kimborough 2005, S. 20–21.
- ↑ Fūryū yatsushi nana Komachi 風流やつし七小町, ca. 1763
- ↑ So etwa auf einem Triptychon (sanpuku tsui 三幅対) von Nishimura Shigenaga 西村重長 (1697?–1756), wo Komachi zusammen mit Izumi Shikibu und Sotōri-hime 衣通姫 als eine von drei weib·lichen Idolen dargestellt ist.
Literatur
- Cahiers d’Extrême-Asie 21, 2013, 107–134.
Bilder
- ^ Diese Episode aus dem Leben Nichirens erzählt von einer großen Dürre, die Kamakura im Jahr 1271 (damals Hauptstadt) heimgesucht hatte. Die Regierung befahl den wichtigsten Tempeln, Regenbitt-Zeremonien (amagoi) durchzuführen, doch nichts half, bis endlich Nichiren auf den Plan trat. Er rezitierte (wie immer) seine schlichte „Anrufung des Lotos Sutra“ (namu myōhō renge kyō) und siehe da, der Regen kam.
Werk von Utagawa Kuniyoshi (1797–1861). Edo-Zeit. The British Museum. - ^ Kampf des Gottes Susanoo mit der Schlange Yamata no Orochi, von der in diesem Fall ein blauer und ein roter Kopf zu sehen sind. Die Szene entstammt einer kagura-Darbietung der Truppe Uegōchi Kagura-dan aus Akitakata (Präf. Hiroshima). Kagura werden heute zumeist von semi-professionellen Gruppen aufgeführt und sind eher touristischer Natur, haben ihre Wurzeln allerdings in lokalen Schreintraditionen.
Bildquelle: Sunatchi no ibento nisshi, (Kagura-Blog), 2016. - ^ Der steile, von Laternen gesäumte Aufstieg zum Kifune Schrein im Norden Kyōtos.
Suzuki Seiya, Google Maps, 2013. - ^ Der Drachenkönig Zennyo Ryūō, der der Legende zufolge erschien, als Kūkai im Jahr 824 einen Regenbittritus im kaiserlichen Palastgarten abhielt. Das chinesisch angehauchte Gewand verrät eine exotische Gestalt, doch nur der Reptilienschwanz, der unter dem Gewand hervorlugt, deutet darauf hin, dass es sich um einen Drachen handelt.
Die Wunscherfüllungsperlen auf dem Tablett, das der König in der Linken hält, dienen wohl zur Beeinflussung des Wetters. Dieser Drache wird auch manchmal als Frau dargestellt, in diesem frühen Beispiel ist er jedoch eindeutig männlich.
Werk von Jōchi. Heian-Zeit, 1145. Priest Kukai and Sacred Treasures of Mount Koya (Ausstellungskatalog). Hokkaido Shinbun Press, 2006, S. 53, Abb. 16. - ^ Die kleinste unter den klassischen 5-Stock Pagoden (gojū-tō). Das Kloster Murō-ji wird auch als „Berg Kōya der Frauen“ bezeichnet, weil es — im Gegensatz zum berühmten Zentrum des Shingon-Buddhismus — auch schon in vormoderner Zeit von Frauen besucht werden durfte.
Heian-Zeit, errichtet um 800. Bildquelle: Mihoo Nikki, 2007 (bildbearbeitet). - ^ Der Shinsen’en war ehemals ein weitläufiger Garten der kaiserlichen Palastanlage in Kyoto. Heute ist er auf einen Bruchteil seiner einstigen Größe zusammengeschrumpft, beherbergt aber noch immer jenen Teich, dem er seinen Namen verdankt, die „göttliche Quelle“, die u.a. auch als Ort für aufwendige Regenriten (amagoi) genutzt wurde.
Seattle Japanese Garden Community Blog, 2014. - ^ Episode aus einer illustrierten Biographie Nichirens. Inmitten von verdurstenden Menschen und Tieren während einer großen Dürre, die Kamakura im Jahr 1271 (damals Hauptstadt) heimsuchte, hält Nichiren einen Regenbittritus (amagoi) ab.
Edo-Zeit. The British Museum.
- ^ Die Dichterin Ono no Komachi präsentiert ein Gedicht mit der Bitte um Regen (amagoi) im Garten der Göttlichen Quelle Shinsen’en. Die Szene ist zwar historisch nicht belegt, zählte aber in der Edo-Zeit zu den allseits bekannten sieben Episoden der Heian-zeitlichen Dichterin.
Werk von Utagawa Toyoharu (1735–1814). Edo-Zeit. Christie’s. - ^ Äußerlich gleicht diese Darstellung des Tenjin dem konventionellen Bild eines höfischen Staatsmannes, die extrem strengen Gesichtszüge deuten jedoch göttliche Autorität an.
Kamakura-Zeit, 1259. Bildquelle: Cleveland Museum of Art/Nara National Museum. - ^ Die Dichterin Ono no Komachi führt während einer Dürre einen Regenbittritus (amagoi) durch, indem sie ein Regengedicht als Opfergabe für die Götter darbringt.
Werk von Utagawa Kuniyoshi. Edo-Zeit, ca. 1837. The British Museum. - ^ Ein junges Mädchen in Begleitung einer Freundin (oder Zofe) setzt ein Schiffchen ins Wasser. Das eingeschriebene Gedicht lautet:
Es ist in der Tat so / wenn dies der Sonnengrund ist / muss sie erstrahlen// Doch spricht man nicht ebenso / vom Reich unterm Regenhimmel?
Daraus ergibt sich, dass es sich um eine Anspielung auf den Regenritus und das Regenbitt-Gedicht (amagoi) der Heian-zeitlichen Dichterin Ono no Komachi handelt.
Edo-Zeit, ca. 1763. The British Museum. - ^ Ono no Komachi erwirkt Regen, indem sie ein Regengedicht in Form eines Schiffchens zu den Göttern schickt. Frühe Darstellung des amagoi-Komachi Motivs im Kontext der ukiyo-e-Graphik.
Werk von Nishikawa Sukenobu (1697?–1756). Edo-Zeit, 1735. Tsubouchi Memorial Theatre Museum of Waseda University, Tokyo. - ^ Die Regenbitte (amagoi) der Dichterin Ono no Komachi, in die Edo-Zeit versetzt. Das Schiffchen in Komachis Hand symbolisiert das Gedicht, das sie ins Wasser geworfen haben soll, um dadurch Regen zu erwirken. Ins Bild eingeschrieben ist ein Regen-Gedicht, das ihr zugeschrieben wurde.
Werk von Torii Kiyohiro. Edo-Zeit, 1756. Metropolitan Museum of Art, New York. - ^ Die Regenbitte (amagoi) der Dichterin Ono no Komachi, in die Edo-Zeit versetzt. Das Schiffchen in Komachis Hand symbolisiert das Gedicht, das sie ins Wasser geworfen haben soll, um dadurch Regen zu erwirken.
Werk von Torii Kiyomitsu. Edo-Zeit, 1765. Metropolitan Museum of Art, New York.
Glossar
- Amagoi Komachi 雨乞小町 ^ „Komachis Bitte um Regen“; Motiv aus dem Leben der Dichterin Ono no Komachi in Nō, Kabuki oder ukiyo-e
- ame no hito 雨の人 ^ „Regenmensch“; jemand, der immer Schlechtwetter mitbringt
- Dayun jing (chin.) 大雲經 ^ Großes Wolken-Sutra; skt. Mahāmegha sūtra, jap. Daiun-kyō; die früheste Übersetzung ins Chinesische wurde von Dharmakṣema zwischen 414 and 421 angefertigt (DDB, s.v. Dafangdeng wuxiang jing 大方等無想經)
- Dōzō 道蔵 ^ koreanischer Mönch aus Baekje, spätes 6. Jh.; im Nihon shoki als Experte des Regenmachens erwähnt
- hare no hito 晴れの人 ^ „Schönwettermensch“; jemand, der immer Schönwetter mitbringt
- Hitachi fudoki 常陸風土記 ^ „Aufzeichnungen von Luft und Erde aus Hitachi“; auch Hitachi no kuni fudoki, 713; Chronik kultureller Bräuche der historischen Provinz Hitachi 常陸, heutige Präf. Ibaraki
- honji suijaku 本地垂迹 ^ wtl. Grundform und herabgelassene Spur; Theorie der Identität von kami und Buddhas
- Izumi Shikibu 和泉式部 ^ 978?–1033?; Hofdame und Dichterin der Heian-Zeit
- Jitō Tennō 持統天皇 ^ 645–703, r. 686–697; 41. japanische Kaiserin
- Kaempfer, Engelbert (west.) ^ 1651–1716; deutscher Arzt und Naturforscher, Japanreisender (1790–1792); Autor einer detaillierten Japanbeschreibung
- Kifune Jinja 貴船神社 ^ alter Schrein für eine Wassergottheit im Norden Kyotos; Kifune bedeutet wörtlich „edles Schiff“
- Kimbrough, R. Keller (west.) ^ 1968–; Japanologe an der University of Colorado
- Kitano Tenman-gū 北野天満宮 ^ Kitano Tenman Schrein (Kyōto); einer der beiden Hauptschreine des Sugawara no Michizane, gegr. 947
- Kōgyoku Tennō 皇極天皇 ^ 594–661; weibliche Tennō, r. 642–645; herrschte ein weiteres Mal unter dem Namen Saimei, 655–661
- Mucilinda (skt.) मुचिलिन्द ^ Name eines Drachens, der Buddha Shakyamuni während seiner Meditation vor Regen schützte
- Mujū Ichien 無住一円 ^ 1226–1312; buddh. Mönch und Autor essayistischer und anekdotischer Werke
- Nana Komachi 七小町 ^ „Sieben Komachi“; Gruppe von sieben Motiven aus dem Leben der Dichterin Ono no Komachi
- Naumann, Nelly (west.) ^ 1922–2000; deutsche Japanologin und Mythenforscherin
- Nihon/Nippon 日本 ^ Japan; wtl. Sonnenursprungs[land]
- Nihon ryōiki 日本霊異記 ^ „Wundersame Begebenheiten aus Japan“; buddhistische Legendensammlung von Kyōkai (Anfang 9. Jh.)
- Niukawakami Jinja 丹生川上神社 ^ alter Schrein für eine Wassergottheit im Süden von Nara;
- Ono no Komachi 小野小町 ^ 825?–900?; Heian-zeitliche Dichterin und Hofdame
- Rinzai-shū 臨濟宗 ^ Rinzai-Schule des jap. Zen Buddhismus
- rokkasen 六歌仙 ^ die Sechs Dichter-Genies; der Ausdruck bezieht sich auf sechs Dichter aus der klassischen Gedichtanthologie Kokinshū (10. Jh.), nämlich Ōtomo no Kuronushi, Ono no Komachi, Ariwara no Narihira, Kisen, Henjō und Fun’ya no Yasuhide
- Ruppert, Brian (west.) ^ Japanologe und Religionshistoriker, Universität Kanagawa, Yokohama
- Shingon-shū 真言宗 ^ Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan
- Shinsen’en 神泉苑 ^ „Garten der göttlichen Quelle“, im Süden des ehem. Kaiserpalastes in Kyōto gelegen;
- Soga no uji 蘇我氏 ^ Soga-Klan, die ersten Förderer des jap. Buddhismus
- Sotoba Komachi 卒都婆小町 ^ „Komachi am Grab“; Motiv aus dem Leben der Dichterin Ono no Komachi, dramatisiert in Nō, Kabuki oder ukiyo-e
- Sugawara no Michizane 菅原道真 ^ 845–903, Heian-zeitl. Staatsmann und Gelehrter; posthum als Tenman Tenjin vergöttlicht, heute Gott der Gelehrsamkeit
- Tenmu Tennō 天武天皇 ^ 631?–686; 40. japanischer Kaiser; (r. 673–686)
- teruteru bōzu 照る照る坊主 ^ wtl. Schönwetter Mönchlein; Puppe, die Schönwetter bringen soll
- Tsurugaoka Hachiman-gū 鶴岡八幡宮 ^ repräsentativster Schrein des ehemaligen Shōgunats in Kamakura; Gründung durch die Familie Minamoto, die Hachiman als Ahnengottheit verehrten
- Utagawa Kuniyoshi 歌川国芳 ^ 1798–1861; Maler und Zeichner. Bekannter Verteter des ukiyo-e-Farbholzschnitts
- Yamata no Orochi 八岐大蛇 ^ Mythologische Schlange (Drache) mit acht Köpfen; wtl. „achtfach gegabelte Schlange“; wird von Susanoo besiegt
- yatsu no kami 夜刀の神 ^ wtl. Götter des Tals; gehörnte Schlangengötter in der Regionalchronik Hitachi fudoki