Alltag/Totenriten: Unterschied zwischen den Versionen

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{{titel | Totenriten und Bestattung}}
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| Totenriten und Bestattung
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Was passiert konkret, wenn ein Mensch in Japan stirbt? Wie verabschiedet man einen Verstorbenen, wie trauert man um ihn? Welche religiösen Spezialisten sind hierbei gefragt? Die folgende Seite enthält einen Überblick der wichtigsten Bestattungsbräuche ({{g|soushiki}}) sowie der Tabus, die im Zusammenhang mit dem Tod zu beachten sind.
  
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|Totenfeier aus Ozus Film ''Tōkyō monogatari'', 1953
 
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{{fl|W}}as passiert kon·kret, wenn ein Mensch in Japan stirbt? Wie ver·ab·schie·det man einen Ver·storbenen, wie trauert man um ihn? Welche religiösen Spe·zia·listen sind hierbei gefragt? Die folgende Seite enthält einen Über·blick der wich·tigsten Ele·mente des Toten·geden·kens sowie der Tabus, die im Zusam·men·hang mit dem Tod zu beachten sind.
 
  
Die große Mehrheit aller Verstorbenen wird nach bud·dhis·tischem Ritus ein·ge·äschert und in einer Urne beigesetzt. Die Ein·äscherung erfolgt meist sehr rasch, d.h. innerhalb von ein bis zwei Tagen. Dies ist allein schon wegen des feucht-heißen Klimas not·wendig, doch tragen auch alt·ein·ge·sessene Tabu·vor·stel·lungen dazu bei, dass man die Toten möglichst rasch aus der Welt schaffen möchte. Der Tod ist nämlich stark mit der Vor·stel·lung ritueller Ver·un·rei·ni·gung ({{glossar:kegare}}) ver·bunden. Ein Groß·teil der To·ten·riten dient daher der rituellen Rei·ni·gung des Ortes, an dem der Ver·storbene gelebt hat. Des weiteren dürfen Riten, die im Zu·sammen·hang mit der Be·stattung stehen, keines·falls im normalen Alltag eingesetzt werden (s.u. ''kitamakura'', ''kotsuage''). Insgesamt scheint der gesamte Zyklus der Be·stat·tungs·riten ({{glossar:soushiki}}) von dem Grund·ge·danken bestimmt zu sein, den Ver·stor·benen so schnell, als es die Pietät zu·lässt, aus dem Bereich der Le·ben·den zu ent·fernen und in den Status eines {{glossar:hotoke}} (wtl. eines {{skt:buddha|Buddhas}}) zu ver·setzen. In dieser Form gilt er dann weder als be·droh·lich noch als unrein und kann damit zum Ge·gen·stand einer be·son·deren [[Alltag/Ahnenkult/Butsudan | Ahnenverehrung]] werden.
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== Grundschema ==
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Die große Mehrheit aller Verstorbenen wird nach buddhistischen Bestattungsriten  eingeäschert und in einer Urne beigesetzt. Die Einäscherung erfolgt meist sehr rasch, d.h. innerhalb von ein bis zwei Tagen nach dem Tod. Dies ist allein schon wegen des feucht-heißen Klimas notwendig, doch tragen auch alteingesessene Tabuvorstellungen dazu bei, dass man die Toten möglichst rasch an einem sicheren Ort verstaut wissen möchte. Der Tod ist nämlich stark mit der Vorstellung ritueller Verunreinigung ({{g|kegare}}) verbunden. Ein Großteil der Totenriten dient daher der rituellen Reinigung des Ortes, an dem der Verstorbene gelebt hat. Dieses Tabu-Denken geht so weit, dass jede Erinnerung an Riten, die im Zusammenhang mit der Bestattung stehen, im normalen Alltag vermieden werden muss  (s.u.). Insgesamt scheint der gesamte Zyklus der Totenriten von dem Grundgedanken bestimmt zu sein, die Verstorbenen so schnell, als es die Pietät zulässt, aus dem Bereich der Lebenden zu entfernen und in den Status eines {{g|hotoke}} (wtl. eines {{s|buddha|Buddhas}}) zu versetzen. In dieser Form gelten die Toten dann weder als bedrohlich noch als unrein und können somit zum Gegenstand der alltäglichen Ahnenverehrung werden (s. {{showTitel|Alltag/Ahnenkult}}).
  
Die Ze·re·mo·nien, die den Übergang vom Dies·seits zum Jen·seits begleiten, werden heute zum Groß·teil im Haus des Ver·stor·benen vollzogen und betreffen seine ganze Familie, eventuell auch seine Freun·de und Nach·barn. Die wichtigsten Be·stattungs·riten finden in der Zeit un·mittelbar vor und nach der Ein·äscherung statt. Der entscheidende Moment der rituellen Ver·ab·schie·dung liegt in der Ver·brennung des Leich·nams. Danach werden die Aschen·reste (bzw. um genau zu sein: die un·ver·brannten Knochen) des Ver·stor·benen in einer Urne nach Hause genommen und bleiben dort noch einige Zeit, bevor sie schließ·lich auf dem [[Alltag/Friedhof | Friedhof]] beigesetzt werden.
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Die Zeremonien, die den Übergang vom Diesseits zum Jenseits begleiten, werden heute zum Großteil im Haus des Verstorbenen vollzogen und betreffen seine ganze Familie, eventuell auch seine Freunde und Nachbarn. Der entscheidende Moment der rituellen Verabschiedung liegt in der Verbrennung des Leichnams. Danach werden die Aschenreste (bzw. um genau zu sein: die unverbrannten Knochen) des Verstorbenen in einer Urne nach Hause genommen und bleiben dort noch einige Zeit, bevor sie schließlich auf dem Friedhof beigesetzt werden (s. {{showTitel|Alltag/Friedhof}}).
  
Die Leitung einer familiären Be·stat·tungs·zeremonie ist ein ver·ant·wortungs·volles und kompliziertes Amt, das tra·di·tioneller·weise dem ältesten Sohn einer Familie zukommt. Für bestimmte Gebete und Riten werden zudem die Dienste bud·dhis·tischer Mönche in Anspruch genommen, die zu diesem Zweck das Haus des Ver·storbenen aufsuchen. Alles in allem ist der voll·stän·dige Zyklus eines Be·stattungs·rituals eine zeit·auf·wendige, kostspielige An·ge·legen·heit, die durch die Tatsache, dass immer mehr Menschen im Spital und nicht in den eigenen vier Wänden sterben, weiter ver·kompliziert wird. Aus diesem Grunde werden Be·stattungen oft mit Hilfe von professionellen Be·stat·tungs·unter·nehmen ({{glossar:sougiya}}) ausgeführt, deren Aufgabe nicht nur im Verwahren des Leichnams, sondern auch im „event-manage·ment“ der Be·stat·tung besteht. Dabei richtet man sich im allgemeinen nach einem gewissen rituellen Grund·schema, das im folgenden einzeln aufgelistet ist.
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Die Leitung einer familiären Bestattungszeremonie ist ein verantwortungsvolles und kompliziertes Amt, das traditionellerweise dem ältesten Sohn einer Familie zukommt. Zusätzlich halten professionelle buddhistische Mönche im Haus des Verstorbenen Gebete und Riten ab, die dem karmischen Schicksal des Verstorbenen nach seinem Ableben dienen. Diese Riten sind mit der Einäscherung noch lange nicht zu Ende. Alles in allem ist der vollständige Zyklus eines Bestattungsrituals eine zeitaufwendige, kostspielige Angelegenheit, die durch die Tatsache, dass immer mehr Menschen im Spital und nicht in den eigenen vier Wänden sterben, weiter verkompliziert wird. Aus diesem Grunde werden Bestattungen heute oft mit Hilfe von professionellen Bestattungsunternehmen ({{g|sougiya}}) ausgeführt, deren Aufgabe nicht nur im Verwahren des Leichnams, sondern auch im ''event management'' der Bestattung besteht. Dabei richtet man sich im allgemeinen nach einem gewissen rituellen Fahrplan, der im Folgenden einzeln aufgelistet ist.
  
 
== Die einzelnen Totenriten ==
 
== Die einzelnen Totenriten ==
  
Die folgenden rituellen Ein·zel·schritte stehen mit diversen Taburegeln in Beziehung, die von fast allen Japanern befolgt werden und zeigen, wie eng die Vorstellung von der Verunreinigung ({{glossar:kegare}}) durch den Tod mit dem japanischen Brauchtum verflochten ist.
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''Taburegel ''kamidana fūji'': Verhängen des shintōistischen Hausschreins''
  
=== Aufbahrung des Leichnams ===
 
 
'''Totengewand''':
 
Zum Zwecke der Auf·bah·rung wird der Tote gewaschen und mit einem weißen Toten·gewand ({{glossar:shinishouzoku}}) bekleidet. Es erinnert an ein [[Alltag/Pilgerschaft | Pilger·gewand]] bzw. an das Gewand eines Wanderers und symbolisiert somit die be·vor·stehende [[Mythen/Jenseits | Reise in die Unter·welt]]. Das To·ten·ge·wand unterscheidet sich vom Pil·ger·ge·wand jedoch durch die dreieckige Stirn·binde, die auch für die Dar·stel·lung von Toten·geistern typisch ist (s.u.).
 
Schließlich gehören auch sechs Münzen zur Ausstattung des  Ver·storbenen, die dieser für die Fähre über den Fluss der Unter·welt zu zahlen hat.
 
[[Bild:Sinishouzoku.gif |rahmenlos|zentriert|''Shini shōzoku''|link=]]
 
 
'''''Kitamakura''''':
 
Der Tote wird zunächst im eigenen Haus·halt feier·lich und von vielen Blumen um·geben auf·ge·bahrt. Dabei ist zu beachten, dass sein Kopf nach Norden weist ({{glossar:kitamakura}}, wtl. „Nordpolster“). Diese Kopflage ist ansonsten tabu (s. Taburegel 1).
 
 
{{Textbox|text=
 
'''Taburegel 1: Nicht mit dem Kopf nach Norden schlafen'''
 
Die Regel, dass der Kopf des Ver·stor·be·nen nach Norden weisen soll, geht angeblich auf den historischen Buddha zurück. Dieser soll mit nordwärts ge·wand·tem Haupt und dem Blick nach Westen ins {{skt:Nirvana}} eingegangen sein. Daher soll der Tote seinem Beispiel folgen. Um·ge·kehrt achtet man in Japan genau darauf, normalerweise nicht mit dem Kopf nach Norden zu schlafen.
 
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|kamidana_fuji.jpg
 
|kamidana_fuji.jpg
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Sobald sich ein Todesfall ereignet,  verhängt man den shintōistischen [[Alltag/Kamidana | Hausschrein]] (so man überhaupt einen besitzt)  mit weißen Tüchern oder Papier ({{g|kamidanafuuji}}) und ignoriert ihn während der folgenden Trauerzeit.
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Die {{g|kami|''kami''}} sollen nämlich mit den Verunreinigungen ({{g|kegare}}) des Todes möglichst nicht in Berührung kommen, da sie die Hinterbliebenen sonst mit Unglück strafen könnten. In diesem Brauch spiegelt sich die rituelle Rollenverteilung „Buddhismus: Tod, Shintō: Leben“ anschaulich wider.
 
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'''Taburegel 2: Verhängen des shintō·isti·schen Haus·schreins'''
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=== Totengewand und Aufbahrung ===
  
Die {{glossar:kami|''kami''}} sollen mit den Ver·un·rei·nigungen ({{glossar:kegare}}) des Todes möglichst nicht in Berührung kammen, da sie die Hinter·bliebenen sonst mit Unglück strafen könnten. Daher verhängt man den shin·tō·is·tischen [[Alltag/Kamidana | Haus·schrein]] (so man über·haupt einen besitzt) während der Trauer·zeit mit weißen Tüchern oder Papier ({{glossar:kamidanafuuji}}). In diesem Brauch spiegelt sich die rituelle Rollen·ver·teilung „Bud·dhis·mus: Tod, Shintō: Leben“ anschaulich wider.
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Vor der Aufbahrung wird der Tote gewaschen und mit einem weißen Totengewand ({{g|shinishouzoku}}) bekleidet. Es erinnert an ein [[Alltag/Pilgerschaft | Pilgergewand]] bzw. an das Gewand eines Wanderers und symbolisiert somit die bevorstehende Reise in die Unterwelt (s. {{showTitel|Mythen/Jenseits}}). Das Totengewand unterscheidet sich vom Pilgergewand jedoch durch die dreieckige Stirnbinde, die auch für die Darstellung von Totengeistern typisch ist (s.u.). Außerdem wird das Obergewand, im Unterschied zum Alltagsgebrauch, so um den Körper gebunden, dass die linke Brustseite unter der rechten liegt (s. Taburegel {{g|hidarimae}}). Auch  die Richtung, nach der der Tote bei der Aufbahrung ausgerichtet ist, unterliegt einer vom Alltag verschiedenen Taburegel (s. {{g|kitamakura}}).
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Schließlich gehören auch sechs Münzen zur Ausstattung des Verstorbenen, die dieser für die Fähre über den Fluss der Unterwelt zu zahlen hat.
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In seinem Totengewand wird der Verstorbene im eigenen Haushalt feierlich und von vielen Blumen umgeben aufgebahrt, um rund um ihn weitere Riten vorzunehmen. 
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| Shinishozoku.png
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|Totengewand
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''Taburegel ''hidarimae'': den {{g|Kimono}} (nicht) linksseitig binden''
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| Hidarimae.png
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Beim  Totengewand wird die linke Brustseite des Oberkleides vor der rechten eingeschlagen ({{g|hidarimae}}), während traditionelles japanisches Alltagsgewand genau umgekehrt gebunden wird. Im Alltag gilt, jede Assoziation mit dem Tod zu vermeiden.<ref>Die Regel gilt nicht für westliche Mode, wo sich die Knopfleisten von Frauen- und Männerkleidern traditionellerweise ebenso nach links und rechts unterscheiden.</ref>   
 
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=== Riten vor der Einäscherung ===
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''Taburegel ''kitamakura'': (Nicht) mit dem Kopf nach Norden schlafen''
  
'''Sutrenlesung''':
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Bei der Aufbahrung ist zu beachten, dass der Kopf des Toten nach Norden weist ({{g|kitamakura}}, wtl. „Nordpolster“). Dies geht auf den historischen Buddha zurück, der der Überlieferung zufolge mit nordwärts gewandtem Haupt und dem Blick nach Westen ins {{s|Nirvana}} einging. Der Tote soll seinem Beispiel folgen. Da diese Haltung aber den Tod symbolisiert, achtet man in Japan im Alltag genau darauf, nicht mit dem Kopf nach Norden zu schlafen.  
Die Rezitation buddhistischer [[Texte/Sutra | Sutren]] sollte möglichst durch einen bud·dhis·tischen Mönch erfolgen. Sie wird von Rauch·opfern (Ab·brennen von Räucher·stäbchen) begleitet.
 
  
'''Totenwache''':
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{{w500|t=-120 |rh=150
Die Totenwache ({{glossar:tsuya}})  dauerte tra·di·tio·neller·weise die ganze erste Nacht. Früher wachten die engsten Familien·mit·glieder beim Ver·storbenen, heute wird die Wache aber zumeist abgekürzt. Gebete werden durch den Leiter der Trauer·ze·re·mo·nien (im Ideal·fall der älteste Sohn, heute oft ein professioneller Be·stat·tungs·unter·nehmer) durchgeführt. Früher war es Brauch, dass der Leiter der familiären Trauer·zeremonie als Zeichen, dass er nun den Ver·storbenen ver·körpert, ein dem Toten·gewand ähnliches, weißes Gewand trug. Auch das findet sich nur noch selten.
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| Nehanzu.jpg
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| Buddha auf dem Totenbett
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'''Geldspenden''':
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=== Symbolische Mönchsschaft: Tonsur und Mönchsnamen ===
Am Tag nach dem Ableben, noch bevor der Leich·nam zum Kre·ma·torium gebracht wird, ver·sammeln sich Ver·wandte und Bekannte zu einer Trauer·feier im Haus des Ver·storbenen. Dabei werden Räucher·stäbchen und andere kleine Opfer·gaben für den Ver·storbenen am Haus·altar nieder·gelegt. Vor allem aber haben die Trauer·gäste Geld ({{glossar:kouden|okōden}}, wtl. „Beitrag für Räucher·stäbchen“) mit·zu·bringen, das in einem ent·sprech·enden Kuvert darge·bracht wird. ''Okōden'' ist üblicher·weise eine hohe Summe, die als finanzielle Unter·stützung der beträchtlichen Kosten eines Be·gräb·nisses zu verstehen ist. Aller·dings verlangt es der Anstand, dass man am Ende der Trauer·periode allen Spendern ein Ge·gen·geschenk etwa im halben Wert der Spende macht (''okōden gaeshi'').
 
  
'''Einsargung''':
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Das buddhistische Totenritual ist nicht zuletzt eine symbolische Mönchsweihe. Verstorbene werden also posthum in den Status eines buddhistischen Mönchs bzw. einer Nonne versetzt. Zu diesem Zweck wird u.a. eine symbolische Tonsur vorgenommen: Der Leichnam wird mit einem Rasiermesser berührt, was das Scheren des Haupthaars ausdrückt. Vor allem aber erhalten die Toten einen „Namen nach den buddhistischen Geboten“ ({{g|kaimyou}}), also einen Mönchsnamen. Der Name wird auf ein {{g|ihai}}-Täfelchen geschrieben, das später einen Platz im Hausaltar ({{g|butsudan}}) erhält (siehe [[Alltag/Ahnenkult | Ahnenkult]]).  
Der Tote wird in einen Sarg gelegt, um ihn darin zum Kre·ma·torium zu bringen. Die Trauernden beteiligen sich gemeinsam an der Ein·sar·gung, dabei helfen alle beim Zu·nageln des Sarg·deckels mit, indem sie symbolisch (mit Hilfe eines einfachen Steins) auf einen der Sarg·nägel klopfen. Der Sarg wird schließ·lich mit dem Leich·nam zusammen verbrannt.
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| last office.jpg
=== Einäscherung  und Kotsuage ===
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| Tonsur eines Toten, 1867
{{float|bild=kotsuage.gif|class=noborder|left}}Die engste Familie be·glei·tet den Sarg ins Krema·to·rium. Die Ver·bren·nung darf nicht zu heiß sein und nicht zu lange dauern, damit noch einige Kno·chen·stück·chen des Leich·nams übrig blei·ben. Es sind diese Kno·chen·reste, nicht die Asche, die in der Folge in einer Urne ({{glossar:kotsutsubo}}) bei·ge·setzt werden.
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Das Ver·wah·ren der unver·brann·ten Kno·chen·reste in der Urne ge·schieht in Form eines spe·ziel·len Ritus, den man {{glossar:kotsuage}}, wtl. „Auf·he·ben der Knochen“, nennt. Die Kno·chen·stück·chen werden dabei von den an·wesen·den Fami·lien·mit·glie·dern ge·mein·sam mit beson·ders lan·gen Bam·bus·stäbchen aus den Asche·resten geholt und in die Urne gelegt.
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Wie der Abbildung aus der späten Edo-Zeit zu entnehmen ist, wurde die Mönchs-Tonsur der Verstorbenen in vornehmen Haushalten offenbar tatsächlich vollzogen.
  
Vor ihrer Rückkehr ins Haus wer·den die Fami·lien·mit·glie·der, die am ''kotsuage'' teil·ge·nom·men haben, mit Salz rituell ge·reinigt. Die Urne wird zu·nächst nach Hause mit·ge·nom·men und später im Fami·lien·grab bei·ge·setzt. Dies geschieht meist mit relativ gerin·gem zere·moniel·lem Aufwand.
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=== Riten vor der Einäscherung ===
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* '''Sutrenlesung''': Die Rezitation buddhistischer {{s|sutra|Sutren}} sollte möglichst durch einen buddhistischen Mönch erfolgen. Sie wird von Rauchopfern (Abbrennen von Räucherstäbchen) begleitet.
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*'''Totenwache''': Die Totenwache ({{g|tsuya}})  dauerte traditionellerweise die ganze erste Nacht. Früher wachten die engsten Familienmitglieder beim Verstorbenen, heute wird die Wache aber zumeist abgekürzt. Gebete werden durch den Leiter der Trauerzeremonien (im Idealfall der älteste Sohn, heute oft ein professioneller Bestattungsunternehmer) durchgeführt. Früher war es Brauch, dass der Leiter der familiären Trauerzeremonie als Zeichen, dass er nun den Verstorbenen verkörpert, ein dem Totengewand ähnliches, weißes Gewand trug. Auch das findet sich nur noch selten.
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* '''Geldspenden''': Am Tag nach dem Ableben, noch bevor der Leichnam zum Krematorium gebracht wird, versammeln sich Verwandte und Bekannte zu einer Trauerfeier im Haus des Verstorbenen. Dabei werden Räucherstäbchen und andere kleine Opfergaben für den Verstorbenen am Hausaltar niedergelegt. Vor allem aber haben die Trauergäste Geld ({{g|okouden}}, wtl. „Beitrag für Räucherstäbchen“) mitzubringen, das in einem entsprechenden Kuvert dargebracht wird. ''O-kōden'' ist üblicherweise eine hohe Summe, die als finanzielle Unterstützung der beträchtlichen Kosten eines Begräbnisses zu verstehen ist. Allerdings verlangt es der Anstand, dass man am Ende der Trauerperiode allen Spendern ein Gegengeschenk etwa im halben Wert der Spende macht ({{g|okoudengaeshi}}).
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* '''Einsargung''': Der Tote wird in einen Sarg gelegt, um ihn darin zum Krematorium zu bringen. Die Trauernden beteiligen sich gemeinsam an der Einsargung, dabei helfen alle beim Zunageln des Sargdeckels mit, indem sie symbolisch (mit Hilfe eines einfachen Steins) auf einen der Sargnägel klopfen. Der Sarg wird schließlich mit dem Leichnam zusammen verbrannt.
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=== Einäscherung und Kotsuage ===
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Die engste Familie begleitet den Sarg ins Krematorium. Die Verbrennung darf nicht zu heiß sein und nicht zu lange dauern, damit noch einige Knochenstückchen des Leichnams übrig bleiben. Es sind diese Knochenreste, nicht die Asche, die in der Folge in einer Urne ({{g|kotsutsubo}}) beigesetzt werden.
  
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'''Taburegel 3: Ess·stäb·chen dür·fen sich nicht berühren'''
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|Kotsuage2.jpg
Da der Ritus des ''kotsuage'' so stark mit dem Tod assoziiert wird, ist jede Erin·ne·rung an ihn im nor·malen Alltag streng·stens tabui·siert. Daher dürfen Speisen nie·mals direkt von Ess·stäb·chen zu Ess·stäbchen weiter gereicht werden. Über·haupt dürfen die ei·genen Ess·stäb·chen wäh·rend einer Mahl·zeit nie·mals die Ess·stäb·chen anderer berüh·ren. Dieses Tabu namens ''futari·bashi'' („Zwei-Leute-Stäbchen“) oder ''hashi·watashi'' („Stäbchen-Weiter·geben“) wird von allen Japa·nern unge·ach·tet der religi·ösen Zu·ge·hörig·keit strengs·tens be·folgt.
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|''Kotsuage''
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Das Verwahren der unverbrannten Knochenreste in der Urne geschieht in Form eines speziellen Ritus, den man {{g|kotsuage}}, wtl. „Aufheben der Knochen“, nennt. Die Knochenstückchen werden dabei von den anwesenden Familienmitgliedern mit besonders langen Bambusstäbchen aus den Ascheresten geholt, von einem zum anderen weiter gegeben und schließlich in die Urne gelegt.  Die Urne wird dann nach Hause mitgenommen und später im Familiengrab beigesetzt. Dies geschieht meist mit vergleichsweise geringem zeremoniellem Aufwand.
  
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| kotsuage 1867.jpg
 
| kotsuage 1867.jpg
| Familie beim Sammeln der Knochenreste, 19. Jh.  
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| Familie beim Sammeln der Knochenreste, 19. Jh.
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}}
 
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=== Totennamen, symbolische Mönchsschaft ===
 
  
Aus Sicht der buddhistischen Ritualisten ist das Toten·ritual eine sym·boli·sche Mönchs·weihe. D.h. dass der Ver·stor·bene post·hum in den Status eines [[Alltag/Moenche|buddhis·tischen Mönchs]] versetzt wird. Zu diesem Zweck wird u.a. eine sym·boli·sche Tonsur vor·genom·men: Der Tote wird mit einem Rasier·messer berührt, was das Scheren des Haupt·haars aus·drückt. Vor allem aber erhält er eine Art Mönchs·namen ({{glossar:kaimyou}}, wtl. „Namen nach den bud·dhis·tischen Geboten“). Der Name wird auf ein {{glossar:ihai}}-Täfel·chen ge·schrie·ben, das später einen Platz im Haus·altar ({{g|butsudan}}) erhält (siehe [[Alltag/Ahnenkult | Ahnen·kult]]). Neben dem Altar ist während der Trauer·zeit auch ein Foto des Ver·stor·benen platziert.
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Bei ihrer Rückkehr ins Haus werden die Familienmitglieder, die am ''kotsuage'' teilgenommen haben, rituell gereinigt, indem sie von den daheim Gebliebenen mit ein wenig Salz beworfen werden.  
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''Taburegel ''kotsuage'': Essstäbchen (nicht) gemeinsam nutzen''
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Ebenso wie das Nordpolster ist das ''kotsuage'' so stark mit dem Tod assoziiert, dass jede Erinnerung daran im normalen Alltag tabuisiert ist. Daher dürfen Speisen niemals direkt von Essstäbchen zu Essstäbchen weiter gereicht werden. Überhaupt dürfen die eigenen Essstäbchen während einer Mahlzeit niemals die Essstäbchen anderer berühren. Diese Praxis namens {{g|futaribashi}} („Zwei-Leute-Stäbchen“) oder ''hashiwatashi'' („Stäbchen-Weitergeben“) wird im Alltag von allen Japanern ungeachtet der religiösen Zugehörigkeit nach Tunlichkeit vermieden.  
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=== Trauerzeit ===
 
=== Trauerzeit ===
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'''Taburegel 4: Kein Neu·jahrs·schrein·besuch'''
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Die engere Trauerzeit beträgt nach buddhistischem Brauch sieben Wochen, also 49 Tage. Dies ist die Zeit, die Buddha in Meditation verharrte, bevor er die Erleuchtung und damit die eigentliche Buddhaschaft erfuhr. Die Totenseele eines gewöhnlichen Sterblichen absolviert während der 49 Tage ihre Reise ins Jenseits und benötigt dabei weitere spirituelle Unterstützung. Nach traditionellen Vorstellungen muss sie sich nämlich in der Totenwelt vor zehn Richtern ({{g|juuou}}) rechtfertigen (s. {{showTitel|Mythen/Jenseits/Totenreich}}). Während der ersten 49 Tage gibt es jede Woche eine Verhandlung, die man aus dem Diesseits durch Riten und Opfergaben beeinflussen kann. Daher sollte es am Ende jeder Woche eine buddhistische Zeremonie geben. Nach Abschluss dieser Zeit findet  eine größere Totenfeier für den weiteren Bekannten- und Verwandtenkreis in einem buddhistischen Tempel statt.
Für das gesamte Jahr, in dem sich ein familiärer Todes·fall ereig·nete, gelten da·rüber hinaus wei·tere Tabu·vor·schrif·ten, die neuer·lich mit dem pro·ble·mati·schen Ver·hältnis zwi·schen Shintō und Todes·tabu zu tun haben. So soll·ten die Hinter·blie·benen im fol·gen·den Neu·jahr auf den tra·ditionel·len Neu·jahrs·schrein·besuch ({{glossar:hatsumoude}}) ver·zich·ten. Auch sollte man ihnen keine tra·ditio·nellen Neu·jahrs·karten schicken.
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Spätere Gedenkfeiern für den Verstorbenen fallen im Grunde bereits in den Bereich der Ahnenverehrung. Den Ahnen wird kollektiv im Rahmen des jährlichen {{g|Obon|Bon-Festes}} gedacht. Für individuelle Verstorbene gibt es darüber hinaus in bestimmten Abständen (1, 3, 7, 13, und 33 Jahre) weitere buddhistische Seelenmessen. Danach wird angenommen, dass die Seele endgültig ins Jenseits eingegangen ist. Damit sind keine Totenfeiern mehr nötig, auch das Ahnentäfelchen sollte nach 33 Jahren aus dem Hausaltar entfernt werden.
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{{textbox |text=
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''Taburegel ''hatsumōde'': (Kein) Schreinbesuch zu Neujahr''
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Für das gesamte Jahr, in dem sich ein familiärer Todesfall ereignete, gelten darüber hinaus weitere Tabuvorschriften, die neuerlich mit dem problematischen Verhältnis zwischen Shintō und Todestabu zu tun haben. So sollten die Hinterbliebenen im folgenden Neujahr auf den traditionellen Neujahrsschreinbesuch ({{g|hatsumoude}}) verzichten. Ebenso hat der Austausch von traditionellen Neujahrskarten und -glückwünschen zu unterbleiben.
 
}}
 
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Die engere Trauerzeit beträgt nach bud·dhis·ti·schem Brauch sie·ben Wochen, also 49 Tage. Dies ist die Zeit, wäh·rend der die Toten·seele ihre Reise ins Jen·seits ab·sol·viert und dabei spiri·tuelle Un·ter·stüt·zung be·nötigt. Nach tradi·tionel·len Vor·stel·lungen muss sie sich näm·lich in der [[Mythen/Jenseits/Totenreich|Totenwelt]] vor zehn Richtern ({{glossar:juuou}}) recht·fertigen. Während der ersten 49 Tage gibt es jede Woche eine Ver·hand·lung, die man aus dem Dies·seits durch Riten und Opfer·gaben beein·flus·sen kann. Daher sollte es am Ende jeder Woche es eine bud·dhis·tische Zere·mo·nie geben. Nach Ab·schluss die·ser Zeit fin·det auch eine To·ten·feier für den wei·te·ren Be·kann·ten- und Ver·wand·ten·kreis in einem bud·dhis·tischen Tempel statt.
 
 
Spätere Gedenk·feiern für den Ver·stor·be·nen fallen im Grunde bereits in den Be·reich der Ahnen·ver·ehrung. Den Ahnen wird kollektiv im Rahmen des jähr·lichen {{g|Obon|Bon-Festes}} ge·dacht. Für in·divi·duel·le Ver·stor·bene gibt es da·rüber hinaus in be·stimm·ten Ab·stän·den (nach 1, 3, 7, 13, ev. auch nach 33 Jahren) weitere bud·dhis·tische Seelen·mes·sen. Da·nach wird an·genom·men, dass die Seele end·gültig ins Jen·seits ein·ge·gan·gen ist. Damit sind keine Tot·en·feiern mehr nötig, auch das Ahnen·täfel·chen wird vom Haus·altar entfernt.
 
  
 
== Tradition und Veränderung  der Totenriten ==
 
== Tradition und Veränderung  der Totenriten ==
  
{{Sidebox3
+
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| sidepage=Sogiya
 
| plaza.jpg
 
| plaza.jpg
Zeile 92: Zeile 126:
 
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| hell= hell
 
}}
 
}}
{{Floatleft| rh= 330
+
Die oben beschriebenen Zeremonien beruhen z.T. auf sehr alten Vorstellungen, sind aber erst im zwanzigsten Jahrhundert standardisiert worden. Beispielsweise war die Verbrennung der Leiche zwar stets ein buddhistisches Ideal, aber in vormoderner Zeit aus technischen und wirtschaftlichen Gründen  
|ososhiki_itami.jpg
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nur für eine privilegierte Minderheit realisierbar. In der Edo-Zeit etablierte sich in konfuzianischen und shintōistischen Kreisen eine Kritik an der Brandbestattung, was in den frühen Tagen der {{g|meiji}}-Zeit, als Shintō-Begräbnisse gefördert werden sollten, sogar zu einem kurzfristigen  Verbot von Leichenverbrennungen führte (1873–75). Im Zuge der Urbanisierung wurde die Brandbestattung aber bald als hygienisches und platzsparendes Mittel der Totenentsorgung erkannt und flächendeckend gefördert, was zu einer Kehrtwendung in der Rechtssprechung führte: Ab 1897 mussten alle Toten, die an ansteckenden Krankheiten verstorben waren, von Gesetzes wegen verbrannt werden.  
|Itami Juzos ''Begräbnis'' (1984)
 
| caption=  Eine Filmkomödie über die Schwie·rig·keiten tra·ditio·neller Be·gräbnis·riten
 
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Die oben beschriebenen Zeremonien beruhen z.T. auf sehr alten Vor·stellungen, sind aber erst im zwan·zig·sten Jahr·hundert standardisiert worden. Bei·spiels·weise war die Ver·brennung der Leiche zwar stets ein bud·dhis·tisches Ideal, wurde aber in vor·mo·derner Zeit aus technischen Gründen oft unter·lassen. Auch die Konzen·tration der Riten auf den häus·lichen Bereich ist ein relativ junges Phäno·men. Die tatsäch·liche Ab·haltung der Feiern unter·liegt natürlich zahl·reichen Varia·tionen, die vom indi·vi·duellen Brauch der Familie, von ihren öko·nomi·schen Ver·hält·nissen, von ihrem Wohn·ort, von ihrer religiösen Zuge·hörigkeit, u.a.m. abhän·gig sind.
 
  
Ein kleiner Prozentsatz aller Begräbnisse wird nach shin·tō·is·tischem Muster durch·führt. Shintō-Be·gräb·nisse waren vor der {{glossar:meiji}}-Restauration aller·dings nur in einigen Priester·familien üblich und sind auch heute in der all·ge·meinen Be·völkerung kaum bekannt. Im all·ge·meinen weichen daher nur japanische Christen stark von den hier be·schriebenen zeremoniellen Grund·regeln einer Bestattung ab.
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Auch die Konzentration der Riten auf den häuslichen Bereich ist ein relativ junges Phänomen. Die tatsächliche Abhaltung der Feiern unterliegt natürlich zahlreichen Variationen, die vom individuellen Brauch der Familie, von ihren ökonomischen Verhältnissen, von ihrem Wohnort, von ihrer religiösen Zugehörigkeit, u.a.m. abhängig sind.
  
Ein gewisser Druck zur Uni·for·mität entsteht übrigens auch dadurch, dass Be·kannte, Ver·wandte und Nach·barn nicht nur als Trauer·gäste zu erwarten sind, sondern auch bei der Organisation des Be·gräb·nisses helfen. Vor allem in länd·lichen Gebieten, wo nach·bar·schaft·liche und ver·wandt·schaft·liche Hilfe noch selbst·ver·ständ·licher funktioniert, unter·liegen Be·gräb·nisse daher dem lokalen Brauch·tum. In den Städten dagegen sind die Einzel·heiten von Be·gräbnis·riten vielen nicht mehr geläufig. Hier bieten zahl·reiche professionelle Be·stattungs·firmen ein ent·sprechendes Service als Ersatz für die von tra·di·tio·nellen Gemein·schaften über·nommenen Auf·gaben an. Diese Firmen vermitteln zwischen Familie und Tempel, organisieren die Trauer·feiern und bieten im übrigen alle möglichen Extras (besonders attraktive Gräber und Fried·höfe, professionelle Begräbnis·musiker, etc.) an. Auch dem technischen Fort·schritt wird Rechnung getragen. Eine Firma schlägt z.B. Methoden zur Er·hal·tung und Auf·be·wah·rung der DNA der Verstorbenen vor (siehe [[Alltag/Totenriten/Sogiya | Sidepage]]).
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Ein kleiner Prozentsatz aller Begräbnisse wird nach shintōistischem Muster durchführt. Shintō-Begräbnisse waren vor der Meiji-Restauration allerdings nur in einigen Priesterfamilien üblich und sind auch heute in der allgemeinen Bevölkerung kaum bekannt. Im allgemeinen weichen daher nur japanische Christen stark von den hier beschriebenen zeremoniellen Grundregeln einer Bestattung ab.
  
Wer sich für Bestattung in Japan näher interessiert, sollte unbedingt {{g|Itamijuuzou}}s Film ''Osōshiki'' (Das Be·gräbnis) ansehen. Hier werden die oben besprochenen Ein·zel·heiten in teils satirischen, teils sehr berührenden Episoden dargestellt, wobei der Zwie·spalt zwischen traditionellem Brauch·tum und moderner Lebens·welt deutlich zum Ausdruck kommt.
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Ein gewisser Druck zur Uniformität entsteht übrigens auch dadurch, dass Bekannte, Verwandte und Nachbarn nicht nur als Trauergäste zu erwarten sind, sondern auch bei der Organisation des Begräbnisses helfen. Vor allem in ländlichen Gebieten, wo nachbarschaftliche und verwandtschaftliche Hilfe noch selbstverständlicher funktioniert, unterliegen Begräbnisse daher dem lokalen Brauchtum. In den Städten dagegen sind die Einzelheiten von Begräbnisriten vielen nicht mehr geläufig. Hier bieten zahlreiche professionelle Bestattungsfirmen ein entsprechendes Service als Ersatz für die von traditionellen Gemeinschaften übernommenen Aufgaben an. Diese Firmen vermitteln zwischen Familie und Tempel, organisieren die Trauerfeiern und bieten im übrigen alle möglichen Extras (besonders attraktive Gräber und Friedhöfe, professionelle Begräbnismusiker, etc.) an. Auch dem technischen Fortschritt wird Rechnung getragen. Eine Firma schlägt z.B. Methoden zur Erhaltung und Aufbewahrung der DNA der Verstorbenen vor (siehe [[Alltag/Totenriten/Sogiya | Sidepage]]).
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Eine gewisse Verwirrung besteht hinsichtlich der Trauerfarbe in Japan, heißt es doch häufig, in Japan sei weiß die Farbe des Todes.  
 
Eine gewisse Verwirrung besteht hinsichtlich der Trauerfarbe in Japan, heißt es doch häufig, in Japan sei weiß die Farbe des Todes.  
Seit Japans Öffnung zum Westen hat sich jedenfalls schwarz als Farbe der feierlichen Zurück·haltung bzw. Trauer  auch in Japan allge·mein durch·gesetzt. Daher tragen die Teil·nehmer einer Toten·feier heute grund·sätzlich schwarz, wie es z.B. auch auf dem obigen Bild aus einem Film der 1950er Jahre zu erken·nen ist. Weiß wird hin·gegen bei [[Alltag/Familie|Hoch·zeiten]] — auch bei Heiraten im japa·nischen Stil —  als Farbe des Braut·kleids bevorzugt. Im heutigen Japan sind schwarz und weiß daher symbolisch ähnlich besetzt wie im Westen.   
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Seit Japans Öffnung zum Westen hat sich jedenfalls schwarz als Farbe der feierlichen Zurückhaltung bzw. Trauer  auch in Japan allgemein durchgesetzt. Daher tragen die Teilnehmer einer Totenfeier heute grundsätzlich schwarz, wie es z.B. auch auf dem obigen Bild aus einem Film der 1950er Jahre zu erkennen ist. Weiß wird hingegen bei [[Alltag/Familie|Hochzeiten]] — auch bei Heiraten im japanischen Stil —  als Farbe des Brautkleids bevorzugt. Im heutigen Japan sind schwarz und weiß daher symbolisch ähnlich besetzt wie im Westen.   
  
Für das vor·moderne Japan gilt „weiß als Farbe des Todes“ mit Ein·schrän·kungen. Wie oben erwähnt, ist das Gewand, in das der Tote geklei·det wird, dem [[Alltag/Pilgerschaft|Pilger·gewand]] nach·empfun·den und daher weiß. Auch die [[Mythen/Geister|Geister der Toten]] werden gern in weißem Gewand dargestellt. Nach tradi·tionel·lem Brauch·tum muss sich auch der Leiter einer Toten·feier wie ein Pilger kleiden, da er dem Toten gleichsam vor·machen muss, was er im Jenseits zu tun habe. Doch leitet sich die grund·legende Symbolik des Toten·gewandes von weiß als Farbe der Reinheit ab. Nicht nur bei Toten·riten oder bei der Pilger·schaft, sondern bei allen Riten, die Askese und Ent·halt·samkeit fordern, kleidet man sich in weiß oder trägt zu mindest ein weißes Untergewand.  
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Für das vormoderne Japan gilt „weiß als Farbe des Todes“ mit Einschränkungen. Wie oben erwähnt, ist das Gewand, in das der Tote gekleidet wird, dem Pilgergewand nachempfunden und daher weiß (s. {{showTitel|Alltag/Pilgerschaft}}). Auch die [[Mythen/Geister|Geister der Toten]] werden gern in weißem Gewand dargestellt. Nach traditionellem Brauchtum muss sich auch der Leiter einer Totenfeier wie ein Pilger kleiden, da er dem Toten gleichsam vormachen muss, was er im Jenseits zu tun habe. Doch leitet sich die grundlegende Symbolik des Totengewandes von weiß als Farbe der Reinheit ab. Nicht nur bei Totenriten oder bei der Pilgerschaft, sondern bei allen Riten, die Askese und Enthaltsamkeit fordern, kleidet man sich in weiß oder trägt zumindest ein weißes Untergewand.  
 
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Aktuelle Version vom 2. August 2024, 15:13 Uhr

Totenriten und Bestattung

Was passiert konkret, wenn ein Mensch in Japan stirbt? Wie verabschiedet man einen Verstorbenen, wie trauert man um ihn? Welche religiösen Spezialisten sind hierbei gefragt? Die folgende Seite enthält einen Überblick der wichtigsten Bestattungsbräuche (sōshiki [sōshiki (jap.) 葬式 Begräbnis, Bestattung, Totenritus]) sowie der Tabus, die im Zusammenhang mit dem Tod zu beachten sind.

Soshiki ozu.jpg
1 Totenfeier aus Ozus Film Tōkyō monogatari, 1953
Standbild aus Ozus berühmtesten Film. Familiäre Totenfeier in einem Haushalt der 50er Jahre.
Werk von Ozu Yasujirō (1903–1963). 1953. Dr. Macro's Movie Scans.

Grundschema

Die große Mehrheit aller Verstorbenen wird nach buddhistischen Bestattungsriten eingeäschert und in einer Urne beigesetzt. Die Einäscherung erfolgt meist sehr rasch, d.h. innerhalb von ein bis zwei Tagen nach dem Tod. Dies ist allein schon wegen des feucht-heißen Klimas notwendig, doch tragen auch alteingesessene Tabuvorstellungen dazu bei, dass man die Toten möglichst rasch an einem sicheren Ort verstaut wissen möchte. Der Tod ist nämlich stark mit der Vorstellung ritueller Verunreinigung (kegare [kegare (jap.) 穢れ rituelle Verunreinigung, Befleckung, Schande]) verbunden. Ein Großteil der Totenriten dient daher der rituellen Reinigung des Ortes, an dem der Verstorbene gelebt hat. Dieses Tabu-Denken geht so weit, dass jede Erinnerung an Riten, die im Zusammenhang mit der Bestattung stehen, im normalen Alltag vermieden werden muss (s.u.). Insgesamt scheint der gesamte Zyklus der Totenriten von dem Grundgedanken bestimmt zu sein, die Verstorbenen so schnell, als es die Pietät zulässt, aus dem Bereich der Lebenden zu entfernen und in den Status eines hotoke [hotoke (jap.) Buddha; umgangsspr. auch: Totenseele; andere Lesung: butsu; alte Schreibung: 佛] (wtl. eines Buddhas [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)]) zu versetzen. In dieser Form gelten die Toten dann weder als bedrohlich noch als unrein und können somit zum Gegenstand der alltäglichen Ahnenverehrung werden (s. Ahnenkult und Sorge für die Toten).

Die Zeremonien, die den Übergang vom Diesseits zum Jenseits begleiten, werden heute zum Großteil im Haus des Verstorbenen vollzogen und betreffen seine ganze Familie, eventuell auch seine Freunde und Nachbarn. Der entscheidende Moment der rituellen Verabschiedung liegt in der Verbrennung des Leichnams. Danach werden die Aschenreste (bzw. um genau zu sein: die unverbrannten Knochen) des Verstorbenen in einer Urne nach Hause genommen und bleiben dort noch einige Zeit, bevor sie schließlich auf dem Friedhof beigesetzt werden (s. Friedhof und Grab).

Die Leitung einer familiären Bestattungszeremonie ist ein verantwortungsvolles und kompliziertes Amt, das traditionellerweise dem ältesten Sohn einer Familie zukommt. Zusätzlich halten professionelle buddhistische Mönche im Haus des Verstorbenen Gebete und Riten ab, die dem karmischen Schicksal des Verstorbenen nach seinem Ableben dienen. Diese Riten sind mit der Einäscherung noch lange nicht zu Ende. Alles in allem ist der vollständige Zyklus eines Bestattungsrituals eine zeitaufwendige, kostspielige Angelegenheit, die durch die Tatsache, dass immer mehr Menschen im Spital und nicht in den eigenen vier Wänden sterben, weiter verkompliziert wird. Aus diesem Grunde werden Bestattungen heute oft mit Hilfe von professionellen Bestattungsunternehmen (sōgiya [sōgiya (jap.) 葬儀屋 Bestatter, Bestattungsfirma]) ausgeführt, deren Aufgabe nicht nur im Verwahren des Leichnams, sondern auch im event management der Bestattung besteht. Dabei richtet man sich im allgemeinen nach einem gewissen rituellen Fahrplan, der im Folgenden einzeln aufgelistet ist.

Die einzelnen Totenriten

Taburegel kamidana fūji: Verhängen des shintōistischen Hausschreins

Kamidana fuji.jpg
2
Weißes Papier schützt den Schrein (kamidana) während der Trauerzeit vor den Verunreinigungen (kegare) des Todes. Unter dem Schrein sieht man eine Art Kalender, auf dem die Totengedenktage verzeichnet sind.
Bildquelle: unbekannt.

Sobald sich ein Todesfall ereignet, verhängt man den shintōistischen Hausschrein (so man überhaupt einen besitzt) mit weißen Tüchern oder Papier (kamidana fūji [kamidana fūji (jap.) 神棚封じ Verdecken des Shintō-Altars (kamidana) während häuslicher Totenriten]) und ignoriert ihn während der folgenden Trauerzeit. Die kami [kami (jap.) Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō] sollen nämlich mit den Verunreinigungen (kegare [kegare (jap.) 穢れ rituelle Verunreinigung, Befleckung, Schande]) des Todes möglichst nicht in Berührung kommen, da sie die Hinterbliebenen sonst mit Unglück strafen könnten. In diesem Brauch spiegelt sich die rituelle Rollenverteilung „Buddhismus: Tod, Shintō: Leben“ anschaulich wider.

Totengewand und Aufbahrung

Vor der Aufbahrung wird der Tote gewaschen und mit einem weißen Totengewand (shini shōzoku [shini shōzoku (jap.) 死に装束 Totengewand]) bekleidet. Es erinnert an ein Pilgergewand bzw. an das Gewand eines Wanderers und symbolisiert somit die bevorstehende Reise in die Unterwelt (s. Jenseitsvorstellungen). Das Totengewand unterscheidet sich vom Pilgergewand jedoch durch die dreieckige Stirnbinde, die auch für die Darstellung von Totengeistern typisch ist (s.u.). Außerdem wird das Obergewand, im Unterschied zum Alltagsgebrauch, so um den Körper gebunden, dass die linke Brustseite unter der rechten liegt (s. Taburegel hidarimae [hidarimae (jap.) 左前 wtl. links vorne; Bezeichnung für die besondere Bindung von Totenkleidern (shini shōzoku)]). Auch die Richtung, nach der der Tote bei der Aufbahrung ausgerichtet ist, unterliegt einer vom Alltag verschiedenen Taburegel (s. kitamakura [kitamakura (jap.) 北枕 wtl. „das Kopfkissen nach Norden drehen“; Brauch, einen Verstorbenen mit dem Kopf nach Norden aufzubahren]). Schließlich gehören auch sechs Münzen zur Ausstattung des Verstorbenen, die dieser für die Fähre über den Fluss der Unterwelt zu zahlen hat. In seinem Totengewand wird der Verstorbene im eigenen Haushalt feierlich und von vielen Blumen umgeben aufgebahrt, um rund um ihn weitere Riten vorzunehmen.

Shinishozoku.png
3 Totengewand
Das weiße Totengewand (shini shōzoku) ähnelt einem Pilgergewand und symbolisiert damit die bevorstehende Reise in die Unterwelt. Auf diesem Bild sind sämtliche Utensilien dargestellt, die traditionellerweise zur Ausstattung des Toten zählen, einschließlich der sechs Münzen (heute zumeist aus Papier), die der Tote dem Fährmann der Unterwelt schuldet.
Bildquelle: Soshiki no gimon, kommerzielle Ratgeberseite, 2022.

Taburegel hidarimae: den Kimono [Kimono (jap.) 着物 allg. Bez. für traditionelle jap. Kleidung] (nicht) linksseitig binden

Hidarimae.png
4
Der Unterschied in der Bindung zwischen Totengewand (shini shōzoku) und traditioneller Alltagskleidung (kimono, yūkata): Linksbindung (hidarimae) ist im Alltag tabu.
Osōshiki no gimon, Kommerzielle Ratgeberseite, 2022.

Beim Totengewand wird die linke Brustseite des Oberkleides vor der rechten eingeschlagen (hidarimae [hidarimae (jap.) 左前 wtl. links vorne; Bezeichnung für die besondere Bindung von Totenkleidern (shini shōzoku)]), während traditionelles japanisches Alltagsgewand genau umgekehrt gebunden wird. Im Alltag gilt, jede Assoziation mit dem Tod zu vermeiden.1

Taburegel kitamakura: (Nicht) mit dem Kopf nach Norden schlafen

Bei der Aufbahrung ist zu beachten, dass der Kopf des Toten nach Norden weist (kitamakura [kitamakura (jap.) 北枕 wtl. „das Kopfkissen nach Norden drehen“; Brauch, einen Verstorbenen mit dem Kopf nach Norden aufzubahren], wtl. „Nordpolster“). Dies geht auf den historischen Buddha zurück, der der Überlieferung zufolge mit nordwärts gewandtem Haupt und dem Blick nach Westen ins Nirvana [Nirvāṇa (skt.) निर्वाण „Erloschen, ausgelöscht“, Ort der Erlösung von allem Leid, absolutes Jenseits (jap. Nehan 涅槃)] einging. Der Tote soll seinem Beispiel folgen. Da diese Haltung aber den Tod symbolisiert, achtet man in Japan im Alltag genau darauf, nicht mit dem Kopf nach Norden zu schlafen.

Nehanzu.jpg
5 Buddha auf dem Totenbett
Bei Buddhas Tod, der gleichzeitig seinen Eintritt ins Nirvana bedeutet, klagen nicht nur seine menschlichen Schüler. Auch diverse Schutzgottheiten können sich vor Schmerz kaum fassen. Lediglich die edlen Bodhisattvas sind in der Lage, ihre Gefühle im Zaum zu halten.
Kamakura-Zeit, 14. Jh. Metropolitan Museum of Art, New York.

Symbolische Mönchsschaft: Tonsur und Mönchsnamen

Das buddhistische Totenritual ist nicht zuletzt eine symbolische Mönchsweihe. Verstorbene werden also posthum in den Status eines buddhistischen Mönchs bzw. einer Nonne versetzt. Zu diesem Zweck wird u.a. eine symbolische Tonsur vorgenommen: Der Leichnam wird mit einem Rasiermesser berührt, was das Scheren des Haupthaars ausdrückt. Vor allem aber erhalten die Toten einen „Namen nach den buddhistischen Geboten“ (kaimyō [kaimyō (jap.) 戒名 buddhistischer Totenname, posthumer Name eines Verstorbenen]), also einen Mönchsnamen. Der Name wird auf ein ihai [ihai (jap.) 位牌 Ahnentäfelchen]-Täfelchen geschrieben, das später einen Platz im Hausaltar (butsudan [butsudan (jap.) 仏壇 buddh. Hausaltar]) erhält (siehe Ahnenkult).

Last office.jpg
6 Tonsur eines Toten, 1867
Tonsur eines Verstorbenen als Vorbereitung für die symbolische Mönchsschaft vor dem Weg ins Jenseits. In der Edo-Zeit wurde diese Rasur offenbar noch wirklich durchgeführt, während sie heute nur noch symbolisch vollzogen wird. Die Bildunterschrift „Sudangee“ ist möglicherweise als zudangi („Kopf-Schneiden-Ritus“) zu lesen und deutet ebenso wie die dem Bild beigefügten Erklärungen aus dem Jahr 1867 auf Verständigungsschwierigkeiten zwischen dem englischen Autor und seinen japanischen Informanten hin, die Illustrationen wurden hingegen von „native artists“ angefertigt.
Bildquelle: Open Library.

Wie der Abbildung aus der späten Edo-Zeit zu entnehmen ist, wurde die Mönchs-Tonsur der Verstorbenen in vornehmen Haushalten offenbar tatsächlich vollzogen.

Riten vor der Einäscherung

  • Sutrenlesung: Die Rezitation buddhistischer Sutren [sūtra (skt.) सूत्र „Faden“, Lehrrede des Buddha, kanonische Schrift (jap. kyō 経 oder kyōten 経典)] sollte möglichst durch einen buddhistischen Mönch erfolgen. Sie wird von Rauchopfern (Abbrennen von Räucherstäbchen) begleitet.
  • Totenwache: Die Totenwache (tsuya [tsuya (jap.) 通夜 nächtliche Totenwache]) dauerte traditionellerweise die ganze erste Nacht. Früher wachten die engsten Familienmitglieder beim Verstorbenen, heute wird die Wache aber zumeist abgekürzt. Gebete werden durch den Leiter der Trauerzeremonien (im Idealfall der älteste Sohn, heute oft ein professioneller Bestattungsunternehmer) durchgeführt. Früher war es Brauch, dass der Leiter der familiären Trauerzeremonie als Zeichen, dass er nun den Verstorbenen verkörpert, ein dem Totengewand ähnliches, weißes Gewand trug. Auch das findet sich nur noch selten.
  • Geldspenden: Am Tag nach dem Ableben, noch bevor der Leichnam zum Krematorium gebracht wird, versammeln sich Verwandte und Bekannte zu einer Trauerfeier im Haus des Verstorbenen. Dabei werden Räucherstäbchen und andere kleine Opfergaben für den Verstorbenen am Hausaltar niedergelegt. Vor allem aber haben die Trauergäste Geld (o-kōden [o-kōden (jap.) お香典 Grab-Spende, Beileidsgeschenk (wtl. „Rauchspende“); Geld, das von Trauergästen gespendet wird; kōden], wtl. „Beitrag für Räucherstäbchen“) mitzubringen, das in einem entsprechenden Kuvert dargebracht wird. O-kōden ist üblicherweise eine hohe Summe, die als finanzielle Unterstützung der beträchtlichen Kosten eines Begräbnisses zu verstehen ist. Allerdings verlangt es der Anstand, dass man am Ende der Trauerperiode allen Spendern ein Gegengeschenk etwa im halben Wert der Spende macht (o-kōden gaeshi [o-kōden gaeshi (jap.) お香典返し Gegengeschenk für eine Grab-Spende (o-kōden)]).
  • Einsargung: Der Tote wird in einen Sarg gelegt, um ihn darin zum Krematorium zu bringen. Die Trauernden beteiligen sich gemeinsam an der Einsargung, dabei helfen alle beim Zunageln des Sargdeckels mit, indem sie symbolisch (mit Hilfe eines einfachen Steins) auf einen der Sargnägel klopfen. Der Sarg wird schließlich mit dem Leichnam zusammen verbrannt.

Einäscherung und Kotsuage

Die engste Familie begleitet den Sarg ins Krematorium. Die Verbrennung darf nicht zu heiß sein und nicht zu lange dauern, damit noch einige Knochenstückchen des Leichnams übrig bleiben. Es sind diese Knochenreste, nicht die Asche, die in der Folge in einer Urne (kotsutsubo [kotsutsubo (jap.) 骨壷 Grab-Urne]) beigesetzt werden.

Kotsuage2.jpg
7 Kotsuage
Bergen der Knochenreste eines Verstorbenen (kotsuage) mit speziellen Stäbchen, die gemeinsam verwendet werden (futaribashi).
Satō Sekizai, Kommerzieller Blog, 2016.

Das Verwahren der unverbrannten Knochenreste in der Urne geschieht in Form eines speziellen Ritus, den man kotsuage [kotsuage (jap.) 骨上げ wtl. Knochenheben (Bestattungsbrauch)], wtl. „Aufheben der Knochen“, nennt. Die Knochenstückchen werden dabei von den anwesenden Familienmitgliedern mit besonders langen Bambusstäbchen aus den Ascheresten geholt, von einem zum anderen weiter gegeben und schließlich in die Urne gelegt. Die Urne wird dann nach Hause mitgenommen und später im Familiengrab beigesetzt. Dies geschieht meist mit vergleichsweise geringem zeremoniellem Aufwand.

Kotsuage 1867.jpg
8 Familie beim Sammeln der Knochenreste, 19. Jh.
Familie beim Einsammeln der Knochenreste (kotsuage) nach der Kremation. Das Bild ist Teil einer Reihe von Illustrationen, die vom englischen Marineoffizier Jacob Silver in den Jahren 1864 und 65 in Japan gesammelt, in eine Buchillustration umgewandelt und mit einem kurzen erklärenden Text versehen wurden.
Bildquelle: Open Library.

Bei ihrer Rückkehr ins Haus werden die Familienmitglieder, die am kotsuage teilgenommen haben, rituell gereinigt, indem sie von den daheim Gebliebenen mit ein wenig Salz beworfen werden.

Taburegel kotsuage: Essstäbchen (nicht) gemeinsam nutzen

Ebenso wie das Nordpolster ist das kotsuage so stark mit dem Tod assoziiert, dass jede Erinnerung daran im normalen Alltag tabuisiert ist. Daher dürfen Speisen niemals direkt von Essstäbchen zu Essstäbchen weiter gereicht werden. Überhaupt dürfen die eigenen Essstäbchen während einer Mahlzeit niemals die Essstäbchen anderer berühren. Diese Praxis namens futaribashi [futaribashi (jap.) 二人箸 wtl. Zwei-Personen-Stäbchen; gemeinsames Benutzen von Essstäbchen (im Alltag tabu)] („Zwei-Leute-Stäbchen“) oder hashiwatashi („Stäbchen-Weitergeben“) wird im Alltag von allen Japanern ungeachtet der religiösen Zugehörigkeit nach Tunlichkeit vermieden.

Trauerzeit

Die engere Trauerzeit beträgt nach buddhistischem Brauch sieben Wochen, also 49 Tage. Dies ist die Zeit, die Buddha in Meditation verharrte, bevor er die Erleuchtung und damit die eigentliche Buddhaschaft erfuhr. Die Totenseele eines gewöhnlichen Sterblichen absolviert während der 49 Tage ihre Reise ins Jenseits und benötigt dabei weitere spirituelle Unterstützung. Nach traditionellen Vorstellungen muss sie sich nämlich in der Totenwelt vor zehn Richtern (Jūō [Jūō (jap.) 十王 Die Zehn Könige oder Richter der Totenwelt]) rechtfertigen (s. König Enma und sein Totengericht). Während der ersten 49 Tage gibt es jede Woche eine Verhandlung, die man aus dem Diesseits durch Riten und Opfergaben beeinflussen kann. Daher sollte es am Ende jeder Woche eine buddhistische Zeremonie geben. Nach Abschluss dieser Zeit findet eine größere Totenfeier für den weiteren Bekannten- und Verwandtenkreis in einem buddhistischen Tempel statt.

Spätere Gedenkfeiern für den Verstorbenen fallen im Grunde bereits in den Bereich der Ahnenverehrung. Den Ahnen wird kollektiv im Rahmen des jährlichen Bon-Festes [O-bon (jap.) お盆 Fest der Ahnen; Bon-Fest] gedacht. Für individuelle Verstorbene gibt es darüber hinaus in bestimmten Abständen (1, 3, 7, 13, und 33 Jahre) weitere buddhistische Seelenmessen. Danach wird angenommen, dass die Seele endgültig ins Jenseits eingegangen ist. Damit sind keine Totenfeiern mehr nötig, auch das Ahnentäfelchen sollte nach 33 Jahren aus dem Hausaltar entfernt werden.

Taburegel hatsumōde: (Kein) Schreinbesuch zu Neujahr

Für das gesamte Jahr, in dem sich ein familiärer Todesfall ereignete, gelten darüber hinaus weitere Tabuvorschriften, die neuerlich mit dem problematischen Verhältnis zwischen Shintō und Todestabu zu tun haben. So sollten die Hinterbliebenen im folgenden Neujahr auf den traditionellen Neujahrsschreinbesuch (hatsumōde [hatsumōde (jap.) 初詣 Schrein-Neujahrsbesuch]) verzichten. Ebenso hat der Austausch von traditionellen Neujahrskarten und -glückwünschen zu unterbleiben.

Tradition und Veränderung der Totenriten

Die oben beschriebenen Zeremonien beruhen z.T. auf sehr alten Vorstellungen, sind aber erst im zwanzigsten Jahrhundert standardisiert worden. Beispielsweise war die Verbrennung der Leiche zwar stets ein buddhistisches Ideal, aber in vormoderner Zeit aus technischen und wirtschaftlichen Gründen nur für eine privilegierte Minderheit realisierbar. In der Edo-Zeit etablierte sich in konfuzianischen und shintōistischen Kreisen eine Kritik an der Brandbestattung, was in den frühen Tagen der Meiji [Meiji (jap.) 明治 posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt]-Zeit, als Shintō-Begräbnisse gefördert werden sollten, sogar zu einem kurzfristigen Verbot von Leichenverbrennungen führte (1873–75). Im Zuge der Urbanisierung wurde die Brandbestattung aber bald als hygienisches und platzsparendes Mittel der Totenentsorgung erkannt und flächendeckend gefördert, was zu einer Kehrtwendung in der Rechtssprechung führte: Ab 1897 mussten alle Toten, die an ansteckenden Krankheiten verstorben waren, von Gesetzes wegen verbrannt werden.

Auch die Konzentration der Riten auf den häuslichen Bereich ist ein relativ junges Phänomen. Die tatsächliche Abhaltung der Feiern unterliegt natürlich zahlreichen Variationen, die vom individuellen Brauch der Familie, von ihren ökonomischen Verhältnissen, von ihrem Wohnort, von ihrer religiösen Zugehörigkeit, u.a.m. abhängig sind.

Ein kleiner Prozentsatz aller Begräbnisse wird nach shintōistischem Muster durchführt. Shintō-Begräbnisse waren vor der Meiji-Restauration allerdings nur in einigen Priesterfamilien üblich und sind auch heute in der allgemeinen Bevölkerung kaum bekannt. Im allgemeinen weichen daher nur japanische Christen stark von den hier beschriebenen zeremoniellen Grundregeln einer Bestattung ab.

Ein gewisser Druck zur Uniformität entsteht übrigens auch dadurch, dass Bekannte, Verwandte und Nachbarn nicht nur als Trauergäste zu erwarten sind, sondern auch bei der Organisation des Begräbnisses helfen. Vor allem in ländlichen Gebieten, wo nachbarschaftliche und verwandtschaftliche Hilfe noch selbstverständlicher funktioniert, unterliegen Begräbnisse daher dem lokalen Brauchtum. In den Städten dagegen sind die Einzelheiten von Begräbnisriten vielen nicht mehr geläufig. Hier bieten zahlreiche professionelle Bestattungsfirmen ein entsprechendes Service als Ersatz für die von traditionellen Gemeinschaften übernommenen Aufgaben an. Diese Firmen vermitteln zwischen Familie und Tempel, organisieren die Trauerfeiern und bieten im übrigen alle möglichen Extras (besonders attraktive Gräber und Friedhöfe, professionelle Begräbnismusiker, etc.) an. Auch dem technischen Fortschritt wird Rechnung getragen. Eine Firma schlägt z.B. Methoden zur Erhaltung und Aufbewahrung der DNA der Verstorbenen vor (siehe Sidepage).

Ososhiki still.jpg
9 Filmszene aus Oshōshiki
Osōshiki aus dem Jahr 1984 war Itami Jūzōs Durchbruch als Regisseur gesellschaftlicher Satiren. Er schildert die Nöte eines modernen, Karriere-orientierten Filmemachers mit den traditionellen Erfordernissen eines Begräbnisses. Am Beginn des Films stirbt der Schwiegervater des Helden unerwartet an einem Herzinfarkt. Der Rest des Films erzählt in episodenhafter Form, was sich in den drei Tagen der Begräbnisfeier im Hause des Verstorbenen abspielt. Er konfrontiert das moderne Berufsleben mit alten Bräuchen, Jugend mit Alter, den Ehrgeiz, alles richtig zu machen, mit wahrer Betroffenheit angesichts des Todes. Obwohl voll von absurder Komik und schwarzem Humor werden die Umstände eines Begräbnisses doch sehr genau und realistisch dargestellt. Das Foto zeigt die Hinterbliebenen aus der Sicht des Toten.
Werk von Itami Jūzō. 1984. Bildquelle: The Criterion Collection.

Wer sich für Bestattung in Japan näher interessiert, sollte unbedingt Itami Jūzō [Itami Jūzō (jap.) 伊丹十三 1933–1997; japanischer Filmregisseur; bekannt für Komödien wie Osōshiki (1984), Tampopo (1985) oder die Steuerfahnderin (1987)]s Film Osōshiki [Osōshiki (jap.) お葬式 „Begräbnis“; Titel einer Filmkomödie von Itami Jūzō aus dem Jahr 1984; s.a. sōshiki] (Das Begräbnis) ansehen. Hier werden die oben besprochenen Einzelheiten in teils satirischen, teils sehr berührenden Episoden dargestellt, wobei der Zwiespalt zwischen traditionellem Brauchtum und moderner Lebenswelt deutlich zum Ausdruck kommt.

Trauerfarbe: Schwarz? Weiß?

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Totengeist (yūrei) auf einem nächtlichen Friedhof. Die Darstellung stammt aus der Meiji-Zeit, es handelt sich allerdings um die Kopie einer Abbildung des Gelehrten und Malers Toriyama Sekien (1712–1788) aus dem Jahr 1776.
Meiji-Zeit. Kinsei fūzoku zue database, Nichibunken.
Ein Totengeist entsteigt seinem Grab

Eine gewisse Verwirrung besteht hinsichtlich der Trauerfarbe in Japan, heißt es doch häufig, in Japan sei weiß die Farbe des Todes. Seit Japans Öffnung zum Westen hat sich jedenfalls schwarz als Farbe der feierlichen Zurückhaltung bzw. Trauer auch in Japan allgemein durchgesetzt. Daher tragen die Teilnehmer einer Totenfeier heute grundsätzlich schwarz, wie es z.B. auch auf dem obigen Bild aus einem Film der 1950er Jahre zu erkennen ist. Weiß wird hingegen bei Hochzeiten — auch bei Heiraten im japanischen Stil — als Farbe des Brautkleids bevorzugt. Im heutigen Japan sind schwarz und weiß daher symbolisch ähnlich besetzt wie im Westen.

Für das vormoderne Japan gilt „weiß als Farbe des Todes“ mit Einschränkungen. Wie oben erwähnt, ist das Gewand, in das der Tote gekleidet wird, dem Pilgergewand nachempfunden und daher weiß (s. Pilgerschaft). Auch die Geister der Toten werden gern in weißem Gewand dargestellt. Nach traditionellem Brauchtum muss sich auch der Leiter einer Totenfeier wie ein Pilger kleiden, da er dem Toten gleichsam vormachen muss, was er im Jenseits zu tun habe. Doch leitet sich die grundlegende Symbolik des Totengewandes von weiß als Farbe der Reinheit ab. Nicht nur bei Totenriten oder bei der Pilgerschaft, sondern bei allen Riten, die Askese und Enthaltsamkeit fordern, kleidet man sich in weiß oder trägt zumindest ein weißes Untergewand.

Verweise

Verwandte Themen

Fußnoten

  1. Die Regel gilt nicht für westliche Mode, wo sich die Knopfleisten von Frauen- und Männerkleidern traditionellerweise ebenso nach links und rechts unterscheiden.

Literatur

Siehe auch Literaturliste

Elizabeth Kenney, Edmund Gilday (Hg.), „Mortuary Rites in Japan“. Japanese Journal of Religious Studies 27/3–4 (2000). (Online.) [Sondernummer des JJRS.]

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

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    Soshiki ozu.jpg
    Standbild aus Ozus berühmtesten Film. Familiäre Totenfeier in einem Haushalt der 50er Jahre.
    Werk von Ozu Yasujirō (1903–1963). 1953. Dr. Macro's Movie Scans.
  2. ^ 
    Kamidana fuji.jpg
    Weißes Papier schützt den Schrein (kamidana) während der Trauerzeit vor den Verunreinigungen (kegare) des Todes. Unter dem Schrein sieht man eine Art Kalender, auf dem die Totengedenktage verzeichnet sind.
    Bildquelle: unbekannt.
  3. ^ 
    Shinishozoku.png
    Das weiße Totengewand (shini shōzoku) ähnelt einem Pilgergewand und symbolisiert damit die bevorstehende Reise in die Unterwelt. Auf diesem Bild sind sämtliche Utensilien dargestellt, die traditionellerweise zur Ausstattung des Toten zählen, einschließlich der sechs Münzen (heute zumeist aus Papier), die der Tote dem Fährmann der Unterwelt schuldet.
    Bildquelle: Soshiki no gimon, kommerzielle Ratgeberseite, 2022.
  4. ^ 
    Hidarimae.png
    Der Unterschied in der Bindung zwischen Totengewand (shini shōzoku) und traditioneller Alltagskleidung (kimono, yūkata): Linksbindung (hidarimae) ist im Alltag tabu.
    Osōshiki no gimon, Kommerzielle Ratgeberseite, 2022.
  5. ^ 
    Nehanzu.jpg
    Bei Buddhas Tod, der gleichzeitig seinen Eintritt ins Nirvana bedeutet, klagen nicht nur seine menschlichen Schüler. Auch diverse Schutzgottheiten können sich vor Schmerz kaum fassen. Lediglich die edlen Bodhisattvas sind in der Lage, ihre Gefühle im Zaum zu halten.
    Kamakura-Zeit, 14. Jh. Metropolitan Museum of Art, New York.
  1. ^ 
    Last office.jpg
    Tonsur eines Verstorbenen als Vorbereitung für die symbolische Mönchsschaft vor dem Weg ins Jenseits. In der Edo-Zeit wurde diese Rasur offenbar noch wirklich durchgeführt, während sie heute nur noch symbolisch vollzogen wird. Die Bildunterschrift „Sudangee“ ist möglicherweise als zudangi („Kopf-Schneiden-Ritus“) zu lesen und deutet ebenso wie die dem Bild beigefügten Erklärungen aus dem Jahr 1867 auf Verständigungsschwierigkeiten zwischen dem englischen Autor und seinen japanischen Informanten hin, die Illustrationen wurden hingegen von „native artists“ angefertigt.
    Bildquelle: Open Library.
  2. ^ 
    Kotsuage2.jpg
    Bergen der Knochenreste eines Verstorbenen (kotsuage) mit speziellen Stäbchen, die gemeinsam verwendet werden (futaribashi).
    Satō Sekizai, Kommerzieller Blog, 2016.
  3. ^ 
    Kotsuage 1867.jpg
    Familie beim Einsammeln der Knochenreste (kotsuage) nach der Kremation. Das Bild ist Teil einer Reihe von Illustrationen, die vom englischen Marineoffizier Jacob Silver in den Jahren 1864 und 65 in Japan gesammelt, in eine Buchillustration umgewandelt und mit einem kurzen erklärenden Text versehen wurden.
    Bildquelle: Open Library.
  4. ^ 
    Ososhiki still.jpg
    Osōshiki aus dem Jahr 1984 war Itami Jūzōs Durchbruch als Regisseur gesellschaftlicher Satiren. Er schildert die Nöte eines modernen, Karriere-orientierten Filmemachers mit den traditionellen Erfordernissen eines Begräbnisses. Am Beginn des Films stirbt der Schwiegervater des Helden unerwartet an einem Herzinfarkt. Der Rest des Films erzählt in episodenhafter Form, was sich in den drei Tagen der Begräbnisfeier im Hause des Verstorbenen abspielt. Er konfrontiert das moderne Berufsleben mit alten Bräuchen, Jugend mit Alter, den Ehrgeiz, alles richtig zu machen, mit wahrer Betroffenheit angesichts des Todes. Obwohl voll von absurder Komik und schwarzem Humor werden die Umstände eines Begräbnisses doch sehr genau und realistisch dargestellt. Das Foto zeigt die Hinterbliebenen aus der Sicht des Toten.
    Werk von Itami Jūzō. 1984. Bildquelle: The Criterion Collection.
  5. ^ 
    Yurei.jpg
    Totengeist (yūrei) auf einem nächtlichen Friedhof. Die Darstellung stammt aus der Meiji-Zeit, es handelt sich allerdings um die Kopie einer Abbildung des Gelehrten und Malers Toriyama Sekien (1712–1788) aus dem Jahr 1776.
    Meiji-Zeit. Kinsei fūzoku zue database, Nichibunken.

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • Buddha (skt.) बुद्ध ^ „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)
  • butsudan 仏壇 ^ buddh. Hausaltar
  • futaribashi 二人箸 ^ wtl. Zwei-Personen-Stäbchen; gemeinsames Benutzen von Essstäbchen (im Alltag tabu)
  • hatsumōde 初詣 ^ Schrein-Neujahrsbesuch
  • hidarimae 左前 ^ wtl. links vorne; Bezeichnung für die besondere Bindung von Totenkleidern (shini shōzoku)
  • hotoke^ Buddha; umgangsspr. auch: Totenseele; andere Lesung: butsu; alte Schreibung: 佛
  • ihai 位牌 ^ Ahnentäfelchen
  • Itami Jūzō 伊丹十三 ^ 1933–1997; japanischer Filmregisseur; bekannt für Komödien wie Osōshiki (1984), Tampopo (1985) oder die Steuerfahnderin (1987)
  • Jūō 十王 ^ Die Zehn Könige oder Richter der Totenwelt
  • kaimyō 戒名 ^ buddhistischer Totenname, posthumer Name eines Verstorbenen
  • kami^ Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō
  • kamidana fūji 神棚封じ ^ Verdecken des Shintō-Altars (kamidana) während häuslicher Totenriten
  • kegare 穢れ ^ rituelle Verunreinigung, Befleckung, Schande
  • Kimono 着物 ^ allg. Bez. für traditionelle jap. Kleidung
  • kitamakura 北枕 ^ wtl. „das Kopfkissen nach Norden drehen“; Brauch, einen Verstorbenen mit dem Kopf nach Norden aufzubahren
  • kotsuage 骨上げ ^ wtl. Knochenheben (Bestattungsbrauch)
  • kotsutsubo 骨壷 ^ Grab-Urne
  • Meiji 明治 ^ posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt
  • Nirvāṇa (skt.) निर्वाण ^ „Erloschen, ausgelöscht“, Ort der Erlösung von allem Leid, absolutes Jenseits (jap. Nehan 涅槃)
  • O-bon お盆 ^ Fest der Ahnen; Bon-Fest
  • o-kōden お香典 ^ Grab-Spende, Beileidsgeschenk (wtl. „Rauchspende“); Geld, das von Trauergästen gespendet wird; kōden
  • o-kōden gaeshi お香典返し ^ Gegengeschenk für eine Grab-Spende (o-kōden)
  • Osōshiki お葬式 ^ „Begräbnis“; Titel einer Filmkomödie von Itami Jūzō aus dem Jahr 1984; s.a. sōshiki
  • shini shōzoku 死に装束 ^ Totengewand
  • sōgiya 葬儀屋 ^ Bestatter, Bestattungsfirma
  • sōshiki 葬式 ^ Begräbnis, Bestattung, Totenritus
  • sūtra (skt.) सूत्र ^ „Faden“, Lehrrede des Buddha, kanonische Schrift (jap. kyō 経 oder kyōten 経典)
  • tsuya 通夜 ^ nächtliche Totenwache