Geschichte/Nichiren: Unterschied zwischen den Versionen

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{{fl|D}}er  Nichiren Bud·dhis·mus  ist nach seinem Begründer {{glossar:nichiren}} (1222–1282) benannt, taucht in älteren Quellen aber auch unter dem Namen Lotos-Schule ({{glossar:hokkeshuu}}) auf. Nichirens Lehre ist struk·tu·rell mit den Schulen des Reinen Landes ({{g|joudoshuu}}) ver·gleich·bar. Aller·dings steht nicht {{Glossar:Amida}} im Zentrum des Glaubens, sondern {{Glossar:Shakanyorai}}, der histo·rische {{skt:Buddha}} bzw. das {{g|hokekyou|''Lotos-Sutra''}}. Dies ent·spricht der ortho·doxen Position der {{glossar:tendaishuu|Tendai}}-Lehre, als deren kon·sequenten Ver·treter Nichiren sich selbst ansah. Tat·sächlich ver·ein·fachte er jedoch die religiöse Praxis des Tendai Bud·dhis·mus nach dem Muster der Amidisten: So wie diese glauben, durch die An·rufung Amidas ({{glossar:nenbutsu}}) bereits von diesem er·rettet zu werden, ver·tritt Nichiren die Auf·fas·sung, das bloße Rezitieren des Titels des ''Lotos-Sutra'' (in der Formel {{glossar:namumyouhourengekyou}}) genüge, um alle Vorzüge dieses Sutra auf sich herab zu rufen. Als Vor·stufe des {{skt:Nirvana}} gibt es auch im Nichiren-Glauben ein Reines Land ({{g|Ryouzenjoudo}}). Und wie der Amidismus recht·fertigt auch Nichiren seine Ver·ein·fachung der Tendai-Lehre mit dem {{glossar:mappou}}-Gedanken, also der Idee, dass sich die Welt bereits in der Ver·falls·zeit des bud·dhis·tischen {{skt:dharma|Dharmas}} befände, in der die  Botschaft des Buddha in reiner, ungefilterter Form nicht mehr verstanden werde.
 
  
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Der  Nichiren Buddhismus  ist nach seinem Begründer {{g|nichiren}} (1222–1282) benannt, taucht in älteren Quellen aber auch unter dem Namen Lotos-Schule ({{g|hokkeshuu}}) auf. Nichirens Lehre ist strukturell mit den Schulen des Reinen Landes ({{g|joudoshuu}}) vergleichbar. Allerdings steht nicht {{g|Amida}} im Zentrum des Glaubens, sondern {{g|Shakanyorai}}, der historische {{s|Buddha}} bzw. das {{g|hokekyou|''Lotos-Sutra''}}. Dies entspricht der orthodoxen Position der {{g|tendaishuu|Tendai}}-Lehre, als deren konsequenten Vertreter Nichiren sich selbst ansah. Tatsächlich vereinfachte er jedoch die religiöse Praxis des Tendai Buddhismus nach dem Muster der Amidisten: So wie diese glauben, durch die Anrufung Amidas ({{g|nenbutsu}}) bereits von diesem errettet zu werden, vertritt Nichiren die Auffassung, das bloße Rezitieren des Titels des ''Lotos-Sutra'' (in der Formel {{g|namumyouhourengekyou}}) genüge, um alle Vorzüge dieses Sutra auf sich herab zu rufen. Als Vorstufe des {{s|Nirvana}} gibt es auch im Nichiren-Glauben ein Reines Land ({{g|Ryouzenjoudo}}). Und wie der Amidismus rechtfertigt auch Nichiren seine Vereinfachung der Tendai-Lehre mit dem {{g|mappou}}-Gedanken, also der Idee, dass sich die Welt bereits in der Verfallszeit des buddhistischen {{s|dharma|Dharmas}} befände, in der die  Botschaft des Buddha in reiner, ungefilterter Form nicht mehr verstanden werde.
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==  Nichiren als Märtyrer ==
 
==  Nichiren als Märtyrer ==
  
Vielleicht wegen dieser grundsätzlich ähnlichen Aus·gangs·position sah Nichiren in den Amidisten nicht nur seine persönlichen Gegner, er machte sie auch für alle Kata·stro·phen der Zeit ver·ant·wort·lich. Wie sein Motto „brechen und unter·werfen“ ({{glossar:shakubuku}}) aus·drückt, nahm er eine radikale Position gegen Anders·gläubige ein und war auf·grund dieser funda·men·talis·tischen Haltung selbst harten Re·pres·sionen ausgesetzt.  
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Vielleicht wegen dieser grundsätzlich ähnlichen Ausgangsposition sah Nichiren in den Amidisten nicht nur seine persönlichen Gegner, er machte sie auch für alle Katastrophen der Zeit verantwortlich. Wie sein Motto „brechen und unterwerfen“ ({{g|shakubuku}}) ausdrückt, nahm er eine radikale Position gegen Andersgläubige ein und war aufgrund dieser fundamentalistischen, kompromisslosen Haltung selbst harten Repressionen ausgesetzt. <!--
 
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Seine düsteren Prophe·zei·hungen im Zu·sammen·hang mit der End·zeit des {{s|Dharma}} sah Nichiren durch die [[Geschichte/Shinto_Mittelalter/Kamikaze|Angriffe der Mongolen]] auf Japan (1274 und 1281) bestätigt und versuchte die Auto·ri·täten des {{glossar:kamakura}}-Shōgunats davon zu über·zeugen, dass nur seine Gebete die end·gültige Nieder·lage Japans ver·hindern könnten. Diese Ein·mi·schung in poli·tische Ange·legen·heiten wurde ihm als An·maßung aus·gelegt. Während einzelne Lokal·fürsten Nichiren förderten, stellte er für die  {{glossar:houjou}}, die Regenten des {{g|Shougun}}, einen gefähr·lichen Unruhe·stifter dar. Es wurde sogar ein Todes·urteil gegen ihn ver·hängt, das erst in letzter Minute in Ver·bannung um·ge·wandelt wurde.  
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Seine düsteren Prophezeihungen im Zusammenhang mit der Endzeit des {{s|Dharma}} sah Nichiren durch die [[Geschichte/Shinto_Mittelalter/Kamikaze|Angriffe der Mongolen]] auf Japan (1274 und 1281) bestätigt und versuchte die Autoritäten des {{g|kamakura}}-Shōgunats davon zu überzeugen, dass nur seine Gebete die endgültige Niederlage Japans verhindern könnten. Diese Einmischung in politische Angelegenheiten wurde ihm als Anmaßung ausgelegt. Während einzelne Lokalfürsten Nichiren förderten, stellte er für die  {{g|houjou}}, die Regenten des {{g|Shougun}}, einen gefährlichen Unruhestifter dar. Es wurde sogar ein Todesurteil gegen ihn verhängt, das erst in letzter Minute in Verbannung umgewandelt wurde. Wie andere politische Oppositionelle vor und nach ihm verbrachte er einige Jahre auf der Insel {{g|sado}} (1271–1274).  
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Diese Erfahrungen führten zur gängigen (Selbst-)Darstellung Nichirens als Märtyrer, doch bot das Exil Nichiren auch eine Möglichkeit, seine Gedanken zu sammeln und wichtige Schriften zu verfassen.
  
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Ähnlich wie {{g|hounen}} und {{g|shinran}} wirkte also auch Nichiren durch seine Lehre polarisierend. Wie die Amidisten stellte er sich gegen den religiösen Mainstream seiner Zeit, der aus einer eklektischen Mischung verschiedener buddhistischer und nicht-buddhistischer Lehren bestand.
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|Nichirens im Exil auf der Insel {{g|Sado}}
 
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Ähnlich wie {{glossar:hounen}} und {{glossar:shinran}} wirkte also auch Nichiren durch seine Lehre polari·sierend. Wie die Ami·disten stellte er sich gegen den religiösen Main·stream seiner Zeit, der aus einer eklek·tischen Mischung ver·schie·dener bud·dhis·tischer und nicht-bud·dhis·tischer Lehren bestand.
 
  
 
== Spätere Entwicklungen ==
 
== Spätere Entwicklungen ==
  
Schon kurz nach Nichirens Tod spaltete sich seine An·hänger·schaft in ver·schiedene Unter·gruppen auf. Den stärksten Zu·lauf fand die Schule schließlich in Kyōto, wo sich um die Mitte des fünf·zehnten Jahr·hunderts etwa die Hälfte der Ein·wohner (vor allem die Händler und Hand·werker) zu ihr bekannte. Das ver·schaffte ihr eine ähn·liche poli·tische Macht wie der amidis·tischen {{glossar:ikkoushuu}}. Im sech·zehnten Jahr·hundert wurden die Anhänger Nichirens aller·dings zunächst durch die Krieger·mönche der Tendai-Klöster, dann durch {{Glossar:Odanobunaga}} militä·risch nieder·gerungen. In der Edo-Zeit war der Nichiren Bud·dhis·mus wiede·rum die bevor·zugte Religion der städti·schen Unter- und Mittel·schicht. Es gab auch damals eine Split·ter·gruppe, die soge·nannte {{glossar:fujufuseha}}, die wegen ihrer radika·len Positionen auf dem Index verbo·tener Sekten stand, insge·samt war der Nichiren Bud·dhis·mus aber damals bereits in der Mitte der Gesell·schaft ange·kommen.  
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Schon kurz nach Nichirens Tod spaltete sich seine Anhängerschaft in verschiedene Untergruppen auf. Den stärksten Zulauf fand die Schule schließlich in Kyōto, wo sich um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts etwa die Hälfte der Einwohner (vor allem die Händler und Handwerker) zu ihr bekannte. Das verschaffte ihr eine ähnliche politische Macht wie der amidistischen {{g|ikkoushuu}}. Im sechzehnten Jahrhundert wurden die Anhänger Nichirens allerdings zunächst durch die Kriegermönche der Tendai-Klöster, dann durch {{g|Odanobunaga}} militärisch niedergerungen.  
In der neuen Metro·pole Edo stellte er nach der Jōdo-shū die zweit·stärkste Gruppe dar. Wie die Illustra·tionen auf dieser Seite zeigen, war Nichiren auch für die Meister des {{glossar:ukiyoe}} Farb·holz·schnitts eine wichtige religiöse Figur.
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Obwohl politisch-militärisch entmachtet, blieb der Anspruch, sich keinen „unreinen Ungläubigen“ unterordnen zu wollen, weitgehend aufrecht. Damit waren nicht nur religiöse Gegner, sondern auch weltliche Herrscher und potentielle Gönner gemeint. Man wollte von ihnen weder Gaben empfangen, noch irgendwelche religiösen Dienstleistungen für sie verrichten, sofern sie neben dem Lotos-Sutra noch andere Lehren als maßgeblich erachteten (sprich, mit anderen buddhistischen Schulen in Beziehung standen). Dieser Grundsatz wurde als {{g|fujufuse}}, „nichts nehmen, nichts geben“ bezeichnet. Er führte dazu, dass sich noch Anfang der {{g|edo}}-Zeit viele Nichiren-Kleriker beharrlich weigerten, an staatlich organisierten Zeremonien mit Mönchen anderer Schulrichtungen teilzunehmen. Dies wurde wiederum von den {{g|tokugawa}} als nicht hinzunehmende Insubordination aufgefasst und zunehmend mit Exil oder gar Hinrichtung bestraft. Der Nichiren-Buddhismus spaltete sich daraufhin in eine Fraktion von kompromissbereiten Mönchen, und eine anfänglich größere Fraktion, die am ''fujufuse''-Prinzip auch um den Preis des eigenen Lebens festhalten wollte. Diese sogenannte {{g|fujufuseha}} wurde im Laufe des 17. Jahrhunderts immer stärker kriminalisiert und schließlich systematisch verfolgt. Ähnlich wie die Christen, gingen einige ''fujufuse''-Gruppen in den Untergrund, während die Mehrheit der Nichirenisten sich zumindest äußerlich den ihnen aufgezwungenen Kompromissen beugte.
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Die Tendenz zur politischen Pola·risier·ung blieb allerdings weiter Teil von Nichirens geistigem Erbe. Im zwan·zigsten Jahr·hun·dert ging aus dem Nichiren Bud·dhis·mus unter anderem die {{glossar:Nichirenshoushuu}} hervor, deren Laien·organisa·tion, die {{glossar:soukagakkai}}, sich nach dem Zweiten Welt·krieg zur erfolg·reichsten Neu·religion Japans empor·arbeitete. Die {{glossar:koumeitou}}, Japans erfolg·reichste religiöse politische Partei, ist wiede·rum aus Sōka Gakkai hervor·ge·gangen (s.a. Sidepage [[Geschichte/Neue_Religionen/Soka Gakkai | Sōka Gakkai]]). Alle drei Grup·pierun·gen zählen zum konser·vativen Spektrum der japa·nischen Gesell·schaft.
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Damit war auch der Nichiren Buddhismus schließlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen.  
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In der neuen Metropole Edo stellte er nach der Jōdo-shū die zweitstärkste Gruppe dar. Der Nichiren-Tempel auf Berg {{gb|Minobusan|Minobu}}, wo der Heilige begraben liegt, wurde zu einem der populärsten Pilgerzentren in Edo.<ref>{{zitiert|Dolce 2023}}.</ref> Wie die Illustrationen auf dieser Seite zeigen, war Nichiren auch für die Meister des {{g|ukiyoe}} Farbholzschnitts eine wichtige religiöse Figur.  
  
<div class="bildtext bildbox">[[Image:nichiren_mandala.jpg|left=|nichiren mandala]]<div>Mandala des Nichiren Buddhismus.<br /> Der Lobpreis des ''Lotos-Sutra'': „namu myōhō renge kyō“ <br /> nimmt die zentrale Position dieses kalligraphischen Mandalas ein. <br /> Bild: [http://nichirenscoffeehouse.net/GohonzonShu/037.html Nichiren's Coffeehouse] [2010/8]</div></div>
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Die Tendenz zur politischen Polarisierung blieb allerdings weiter Teil von Nichirens geistigem Erbe. Im zwanzigsten Jahrhundert ging aus dem Nichiren Buddhismus unter anderem die {{g|Nichirenshoushuu}} hervor, deren Laienorganisation, die {{g|soukagakkai}}, sich nach dem Zweiten Weltkrieg zur erfolgreichsten Neureligion Japans emporarbeitete. Die {{g|koumeitou}}, Japans erfolgreichste religiöse politische Partei, ist wiederum aus Sōka Gakkai hervorgegangen (s.a. Sidepage [[Geschichte/Neue_Religionen/Soka Gakkai | Sōka Gakkai]]). Alle drei Gruppierungen zählen zum konservativen Spektrum der japanischen Gesellschaft.
  
 
== Die politische Dimension des Nichiren Buddhismus ==
 
== Die politische Dimension des Nichiren Buddhismus ==
  
Nichirens Lehre folgte nicht nur ähn·lichen Prinzipien wie der Bud·dhis·mus vom Reinen Land, sie resultierte auch aus einer ähn·lichen Hin·wendung zu brei·teren Be·völke·rungs·schichten und be·in·haltete zur Zeit ihrer Ent·stehung eine ähn·liche sozial-revolu·tionäre Spreng·kraft.  
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Während Hōnen und Shinran diese Spreng·kraft jedoch in Schran·ken zu halten ver·suchten und sich selbst nicht zu den politi·schen Ver·hältnis·sen äußerten, beschritt Nichiren hier einen ganz anderen Weg, indem er aktiv in den politischen Diskurs eingriff und seine Heils·lehre als Lösung aller gesell·schaft·lichen Probleme propa·gierte. In diesem Sinne bezeichne ich Nichiren als „Funda·men·talisten“.
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Nichirens Lehre folgte nicht nur ähnlichen Prinzipien wie der Buddhismus vom Reinen Land, sie resultierte auch aus einer ähnlichen Hinwendung zu breiteren Bevölkerungsschichten und beinhaltete zur Zeit ihrer Entstehung eine ähnliche sozial-revolutionäre Sprengkraft.  
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Während Hōnen und Shinran diese Sprengkraft jedoch in Schranken zu halten versuchten und sich selbst nicht zu den politischen Verhältnissen äußerten, beschritt Nichiren hier einen ganz anderen Weg, indem er aktiv in den politischen Diskurs eingriff und seine Heilslehre als Lösung aller gesellschaftlichen Probleme propagierte. In diesem Sinne bezeichne ich Nichiren als „Fundamentalisten“.
  
Radikaler als irgendein anderer Denker seiner Zeit forderte Nichiren, dass sich die weltlichen Mächte ganz der Auto·rität Buddhas unter·werfen müssten, weil nur der Bud·dhis·mus (bzw. das ''Lotos-Sutra'') die Normen für ein „friedliches Land“ in sich bergen würde. Derartige Über·legun·gen hielt er unter anderem in seiner heute bekann·testen Schrift, dem {{glossar:risshouankokuron}} („Thesen zur Befriedung des Landes“) fest. Laut Satō Hiroo bedeutete „friedliches Land“ bei Nichiren nicht mehr nur die unge·hin·derte Aus·übung der Herr·schaft durch den Tennō oder die politische Elite (wie dies im soge·nannten „alten Bud·dhis·mus“ der Fall gewesen war), sondern enthielt die Utopie einer gesamt·gesell·schaft·lichen Gerech·tig·keit als Basis für das Ge·deihen des Bud·dhis·mus.<ref>Satō 1999, S. 112–113.</ref> Herrscher, die sich der Verwirklichung einer bud·dhis·tischen Welt·ordnung nicht unter·ordneten, würden, so Nichiren, in der [[Mythen/Hoellen|Hölle]] landen.   
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Radikaler als irgendein anderer Denker seiner Zeit forderte Nichiren, dass sich die weltlichen Mächte ganz der Autorität Buddhas unterwerfen müssten, weil nur der Buddhismus (bzw. das Lotos Sutra,  {{g|hokekyou}}) die Normen für ein „friedliches Land“ in sich bergen würde. Derartige Überlegungen hielt er unter anderem in seiner heute bekanntesten Schrift, dem {{g|risshouankokuron}} („Thesen zur Befriedung des Landes“) fest. Laut {{g|Satouhiroo}} bedeutete „friedliches Land“ bei Nichiren nicht mehr nur die ungehinderte Ausübung der Herrschaft durch den Tennō oder die politische Elite (wie dies im sogenannten „alten Buddhismus“ der Fall gewesen war), sondern enthielt die Utopie einer gesamtgesellschaftlichen Gerechtigkeit als Basis für das Gedeihen des Buddhismus.<ref>Satō 1999, S. 112–113.</ref> Herrscher, die sich der Verwirklichung einer buddhistischen Weltordnung nicht unterordneten, würden, so Nichiren, in der [[Mythen/Hoellen|Hölle]] landen.   
  
Nichirens Theologie war daher nicht allein auf das Jenseits gerichtet, sondern enthielt eine Vision der gesell·schaft·lichen Verän·derung. Zugleich findet man aber auch den Glauben an die Aus·er·wählt·heit und Über·legen·heit Japans im Nichiren Bud·dhis·mus stark ver·treten.  
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Vor allem in der jün·geren und jüngsten Ge·schichte ten·dierten Nichiren Anhänger daher auch oft zu natio·nalis·tischen Positionen.  
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Diese Tendenz, die auch als Nichi·renis·mus ({{g|nichiren shugi}}) bezeichnet wird, mani·festierte sich in ihrer aus·gepräg·testen Form in den Lehren von {{glossar:Tanakachigaku}} (1861–1939), der im Tennō die Verkör·perung der Wahrheit des ''Lotos-Sutras'' sah.<!--
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Nichirens Theologie war daher nicht allein auf das Jenseits gerichtet, sondern enthielt eine Vision der gesellschaftlichen Veränderung. Zugleich findet man aber auch den Glauben an die Auserwähltheit und Überlegenheit Japans im Nichiren Buddhismus stark vertreten.  
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Vor allem in der jüngeren und jüngsten Geschichte tendierten Nichiren Anhänger daher auch oft zu nationalistischen Positionen.  
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Diese Tendenz, die auch als Nichirenismus ({{g|nichirenshugi}}) bezeichnet wird, manifestierte sich in ihrer ausgeprägtesten Form in den Lehren von {{g|Tanakachigaku}} (1861–1939), der im Tennō die Verkörperung der Wahrheit des ''Lotos-Sutras'' sah.<!--
 
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„The Most Holy Tennō, descendant of the kami, is the embodiment of the right path,
 
„The Most Holy Tennō, descendant of the kami, is the embodiment of the right path,
 
and is the very truth of the Lotus Sutra itself.“ Aus Tanakas ''Nichiren-shugi gairon'' („Abriss des Nichirenismus“), 1936, zitiert nach Satō 1999, S.  
 
and is the very truth of the Lotus Sutra itself.“ Aus Tanakas ''Nichiren-shugi gairon'' („Abriss des Nichirenismus“), 1936, zitiert nach Satō 1999, S.  
 
322.</ref>  
 
322.</ref>  
Tanakas Lehre passte damit perfekt in das System des [[Staatsshintō]]. Andere Anhänger Nichirens, etwa die Gründer der Sōka Gakkai wurden zwar unter dem Staats·shintō politisch verfolgt, tendierten aber nach dem Krieg ebenfalls zu nationa·listi·schen oder zumindest zu konser·vativ-autori·tären Positionen.
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Tanakas Lehre passte damit perfekt in das System des {{g|kokkashintou|Staatsshintō}}. Andere Anhänger Nichirens, etwa die Gründer der Sōka Gakkai wurden zwar unter dem Staatsshintō politisch verfolgt, tendierten aber nach dem Krieg ebenfalls zu nationalistischen oder zumindest zu konservativ-autoritären Positionen.  
 
 
Neben allen politisierten Be·we·gungen gibt es natürlich auch moderate Frak·tionen wie die {{glossar:nichirenshuu}}, die sich weder in ihren Zielen noch in ihrem äußeren Er·schei·nungs·bild stark vom japani·schen Main·stream Bud·dhis·mus unter·scheiden. Dennoch treten Grup·pierun·gen mit dezi·diert politi·schen Ziel·setzun·gen inner·halb der Nichiren Schule häufiger auf als anders·wo im japa·nischen Bud·dhis·mus. Dies liegt zweifellos an den pronon·cierten poli·tischen Statements in Nichirens Schriften, die auch in seiner Märtyrer·biographie noch deut·lich zutage treten. Zumeist wird der politische Nichi·renis·mus heute eher mit konser·vativen und nationa·listi·schen Posi·tionen assoziiert. Man findet Anhänger Nichirens aber auch unter linken politischen Gruppie·rungen, sodass auch die sozial·reforme·rischen Ideen Nichirens im kultu·rellen Gedächtnis Japans weiter·leben.
 
  
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Wie diese Beispiele zeigen, treten Gruppierungen mit dezidiert politischen Zielsetzungen  innerhalb der Nichiren Schule häufiger auf als anderswo im japanischen Buddhismus. Dies liegt zweifellos an den prononcierten politischen Statements in Nichirens Schriften, die auch in seiner Märtyrerbiographie noch deutlich zutage treten. Heute wird der politische Nichirenismus vor allem  mit konservativen und nationalistischen Positionen assoziiert, doch gibt es darunter natürlich auch moderate Fraktionen wie die {{g|nichirenshuu}}, die sich weder in ihren Zielen noch in ihrem äußeren Erscheinungsbild stark vom japanischen Mainstream Buddhismus unterscheiden. Schließlich  findet man Anhänger Nichirens auch unter linken politischen Gruppierungen. Die sozialreformerischen Ideen Nichirens sind im kulturellen Gedächtnis Japans daher keinesfalls ganz verloren gegangen.
 
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* [http://nichirenscoffeehouse.net/home.html Nichiren's Coffeehouse] (en.)<br/>Etwas chaotisch, z.t. aber recht brauchbare Website zu Nichiren und Nichiren-relevanten Themen. U.a. Informationen und Links zu Primärtexten. -->
 
 
* [http://www2s.biglobe.ne.jp/%7Eshibuken/Nichiren/index.htm A Life Story of Nichiren Daishonin] (en.)<br/>Nichirens Biografie in modernen Bildern.
 
* [http://www2s.biglobe.ne.jp/%7Eshibuken/Nichiren/index.htm A Life Story of Nichiren Daishonin] (en.)<br/>Nichirens Biografie in modernen Bildern.
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Aktuelle Version vom 15. August 2024, 18:45 Uhr

Nichirens Lotos-Fundamentalismus

Der Nichiren Buddhismus ist nach seinem Begründer Nichiren [Nichiren (jap.) 日蓮 1222–1282; Begründer des Nichiren Buddhismus] (1222–1282) benannt, taucht in älteren Quellen aber auch unter dem Namen Lotos-Schule (Hokke-shū [Hokke-shū (jap.) 法華宗 Andere Bez. des Nichiren Buddhismus]) auf. Nichirens Lehre ist strukturell mit den Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū [Jōdo-shū (jap.) 浄土宗 Schule des Amida-Buddhismus]) vergleichbar. Allerdings steht nicht Amida [Amida (jap.) 阿弥陀 Buddha Amitabha; Hauptbuddha der Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū bzw. Jōdo Shinshū)] im Zentrum des Glaubens, sondern Shaka Nyorai [Shaka Nyorai (jap.) 釈迦如来 jap. Name des historischen Buddha, Shakyamuni], der historische Buddha [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)] bzw. das Lotos-Sutra [Hoke-kyō (jap.) 法華経 Lotos Sutra; skt. Saddharma pundarika sutra; jap. auch Hokkekyō oder Myōhō renge kyō; zählt zu den einflussreichsten Texten des Mahayana-Buddhismus, älteste Fassungen dürften im ersten Jh. v.u.Z. entstanden sein.]. Dies entspricht der orthodoxen Position der Tendai [Tendai-shū (jap.) 天台宗 Tendai-Schule, chin. Tiantai]-Lehre, als deren konsequenten Vertreter Nichiren sich selbst ansah. Tatsächlich vereinfachte er jedoch die religiöse Praxis des Tendai Buddhismus nach dem Muster der Amidisten: So wie diese glauben, durch die Anrufung Amidas (nenbutsu [nenbutsu (jap.) 念仏 Anrufung des Namens von Buddha Amida, Gebetsformel der Amida-Anhänger]) bereits von diesem errettet zu werden, vertritt Nichiren die Auffassung, das bloße Rezitieren des Titels des Lotos-Sutra (in der Formel namu myōhō renge kyō [namu myōhō renge kyō (jap.) 南無妙法蓮華経 „Lobpreis dem Lotos Sutra“; Gebetsformel des Nichiren Buddhismus]) genüge, um alle Vorzüge dieses Sutra auf sich herab zu rufen. Als Vorstufe des Nirvana [Nirvāṇa (skt.) निर्वाण „Erloschen, ausgelöscht“, Ort der Erlösung von allem Leid, absolutes Jenseits (jap. Nehan 涅槃)] gibt es auch im Nichiren-Glauben ein Reines Land (Ryōzen Jōdo [Ryōzen Jōdo (jap.) 霊山浄土 Reines Land im Nichiren Buddhismus; Ryōzen, wtl. mystischer Berg, stellt einen Anspielung auf den Geierberg (auch: Ryōjū-sen 霊鷲山, Berg des mystischen Geiers) dar, wo Buddha u.a. das Lotos Sutra vorgetragen haben soll (s.a. Juhō-sen, Grdhrakuta)]). Und wie der Amidismus rechtfertigt auch Nichiren seine Vereinfachung der Tendai-Lehre mit dem mappō [mappō (jap.) 末法 Endzeit des Dharma]-Gedanken, also der Idee, dass sich die Welt bereits in der Verfallszeit des buddhistischen Dharmas [Dharma (skt.) धर्म Gesetz (des Universums), Lehre (des Buddha) (jap. 法)] befände, in der die Botschaft des Buddha in reiner, ungefilterter Form nicht mehr verstanden werde.

Nichiren als Märtyrer

Vielleicht wegen dieser grundsätzlich ähnlichen Ausgangsposition sah Nichiren in den Amidisten nicht nur seine persönlichen Gegner, er machte sie auch für alle Katastrophen der Zeit verantwortlich. Wie sein Motto „brechen und unterwerfen“ (shakubuku [shakubuku (jap.) 折伏 „brechen und unterwerfen“; Motto des Schulgrüders Nichiren]) ausdrückt, nahm er eine radikale Position gegen Andersgläubige ein und war aufgrund dieser fundamentalistischen, kompromisslosen Haltung selbst harten Repressionen ausgesetzt.

Nichirens enthauptung.jpg
2 Nichiren entkommt nur durch ein Wunder der Enthauptung
Nichiren soll am Strand von Tatsu-no-guchi nache Kamakura exekutiert werden. Ungewöhnliche Wetterphänomene verhindern die Exekution in letzter Sekunde.
Werk von Katsushika Isai (1821–1880). Museum of Fine Arts, Boston.

Seine düsteren Prophezeihungen im Zusammenhang mit der Endzeit des Dharma [Dharma (skt.) धर्म Gesetz (des Universums), Lehre (des Buddha) (jap. 法)] sah Nichiren durch die Angriffe der Mongolen auf Japan (1274 und 1281) bestätigt und versuchte die Autoritäten des Kamakura [Kamakura (jap.) 鎌倉 Stadt im Süden der Kantō Ebene, Sitz des Minamoto Shōgunats 1185–1333 (= Kamakura-Zeit)]-Shōgunats davon zu überzeugen, dass nur seine Gebete die endgültige Niederlage Japans verhindern könnten. Diese Einmischung in politische Angelegenheiten wurde ihm als Anmaßung ausgelegt. Während einzelne Lokalfürsten Nichiren förderten, stellte er für die Hōjō [Hōjō (jap.) 北条 Regentenfamilie des Shōgunats von Kamakura; pol. Machthaber der Kamakura-Zeit], die Regenten des Shōgun [Shōgun (jap.) 将軍 Shōgun; Titel der Militärherrscher aus dem Kriegeradel (bushi, Samurai)], einen gefährlichen Unruhestifter dar. Es wurde sogar ein Todesurteil gegen ihn verhängt, das erst in letzter Minute in Verbannung umgewandelt wurde. Wie andere politische Oppositionelle vor und nach ihm verbrachte er einige Jahre auf der Insel Sado [Sado (jap.) 佐渡 Insel im Nordosten Japans, die von vormodernen Regierungen gern als Verbannungsort politischer Gegner genützt wurde] (1271–1274). Diese Erfahrungen führten zur gängigen (Selbst-)Darstellung Nichirens als Märtyrer, doch bot das Exil Nichiren auch eine Möglichkeit, seine Gedanken zu sammeln und wichtige Schriften zu verfassen.

Ähnlich wie Hōnen [Hōnen (jap.) 法然 1133–1212; Gründer der Jōdo-shū, der Schule vom Reinen Land] und Shinran [Shinran (jap.) 親鸞 1173–1262; Gründer der Jōdo Shin-Schule] wirkte also auch Nichiren durch seine Lehre polarisierend. Wie die Amidisten stellte er sich gegen den religiösen Mainstream seiner Zeit, der aus einer eklektischen Mischung verschiedener buddhistischer und nicht-buddhistischer Lehren bestand.

Spätere Entwicklungen

Schon kurz nach Nichirens Tod spaltete sich seine Anhängerschaft in verschiedene Untergruppen auf. Den stärksten Zulauf fand die Schule schließlich in Kyōto, wo sich um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts etwa die Hälfte der Einwohner (vor allem die Händler und Handwerker) zu ihr bekannte. Das verschaffte ihr eine ähnliche politische Macht wie der amidistischen Ikkō-shū [Ikkō-shū (jap.) 一向宗 Ikkō Sekte, eine Fraktion des Buddhismus vom Reinen Land ( Jōdo-shū)]. Im sechzehnten Jahrhundert wurden die Anhänger Nichirens allerdings zunächst durch die Kriegermönche der Tendai-Klöster, dann durch Oda Nobunaga [Oda Nobunaga (jap.) 織田信長 1534–1582, Kriegsfürst, Reichseiniger] militärisch niedergerungen.

Obwohl politisch-militärisch entmachtet, blieb der Anspruch, sich keinen „unreinen Ungläubigen“ unterordnen zu wollen, weitgehend aufrecht. Damit waren nicht nur religiöse Gegner, sondern auch weltliche Herrscher und potentielle Gönner gemeint. Man wollte von ihnen weder Gaben empfangen, noch irgendwelche religiösen Dienstleistungen für sie verrichten, sofern sie neben dem Lotos-Sutra noch andere Lehren als maßgeblich erachteten (sprich, mit anderen buddhistischen Schulen in Beziehung standen). Dieser Grundsatz wurde als fujufuse [fujufuse (jap.) 不受不施 wtl. „nichts nehmen, nichts geben“, d.h. weder Opfergaben empfangen, noch religiöse Dienstleistungen erfüllen; Prinzip der radikalen Abschottung von Nichiren-Anhängern gegenüber potentiellen Gönnern, die nicht den exklusiven Glauben an das Lotos Sutra teilten], „nichts nehmen, nichts geben“ bezeichnet. Er führte dazu, dass sich noch Anfang der Edo [Edo (jap.) 江戸 Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);]-Zeit viele Nichiren-Kleriker beharrlich weigerten, an staatlich organisierten Zeremonien mit Mönchen anderer Schulrichtungen teilzunehmen. Dies wurde wiederum von den Tokugawa [Tokugawa (jap.) 徳川 Kriegerdynastie, die während der Edo- oder Tokugawa-Zeit (1603–1867) das Amt des Militärmachthabers (Shōgun) inne hatte.] als nicht hinzunehmende Insubordination aufgefasst und zunehmend mit Exil oder gar Hinrichtung bestraft. Der Nichiren-Buddhismus spaltete sich daraufhin in eine Fraktion von kompromissbereiten Mönchen, und eine anfänglich größere Fraktion, die am fujufuse-Prinzip auch um den Preis des eigenen Lebens festhalten wollte. Diese sogenannte Fujufuse-ha [Fujufuse-ha (jap.) 不受不施派 Edo-zeitl. Fraktion des Nichiren Buddhismus, die Andersgläubigen „nichts nehmen und nichts geben“ (fujufuse) wollte. Ähnlich wie die japanischen Christen stand auch die Fujufuse-ha auf der Liste verbotener Religionen der Edo-Zeit.] wurde im Laufe des 17. Jahrhunderts immer stärker kriminalisiert und schließlich systematisch verfolgt. Ähnlich wie die Christen, gingen einige fujufuse-Gruppen in den Untergrund, während die Mehrheit der Nichirenisten sich zumindest äußerlich den ihnen aufgezwungenen Kompromissen beugte.

Nichiren regen kuniyoshi.jpg
3 Nichiren erbittet Regen
Diese Episode aus dem Leben Nichirens erzählt von einer großen Dürre, die Kamakura im Jahr 1271 (damals Hauptstadt) heimgesucht hatte. Die Regierung befahl den wichtigsten Tempeln, Regenbitt-Zeremonien (amagoi) durchzuführen, doch nichts half, bis endlich Nichiren auf den Plan trat. Er rezitierte (wie immer) seine schlichte „Anrufung des Lotos Sutra“ (namu myōhō renge kyō) und siehe da, der Regen kam.
Werk von Utagawa Kuniyoshi (1797–1861). Edo-Zeit. The British Museum.
Nichiren hokusai.jpg
4 Offenbarung durch die Sonne
Der Mönch Nichiren erblickt das Emblem des Lotos Sutras (daimoku) in der aufgehenden Sonne. Die Erscheinung soll sich 1253, in Nichirens 32. Lebensjahr, zugetragen haben und gilt als der Beginn von Nichirens eigener Lehrtätigkeit. Die Szene ist daher ein häufiges hagiographisches Motiv. In diesem Fall zeigen sich in der Sonne zwei Buddhas, während die sogenannten 30 Schutzgötter (sanjū banshin), die im Nichiren-Buddhismus die Tage eines Monats beschützen, eine Art shintōistische Leibgarde bilden.
Werk von Katsushika Isai. Museum of Fine Art, Boston.
Nichiren shichimen hokusai.jpg
5 Nichiren zähmt einen Drachen
Nichiren, umgeben von seinen Anhängern, zähmt die Gottheit des Berges Minobu, welche zunächst als junge Frau, schließlich aber in Form eines „siebengesichtigen Drachens“ erscheint. Die Gottheit wird dadurch zur Beschützergottheit des Nichiren-Temples auf Berg Minobu, wo Nichiren seine letzten Jahre verbrachte und auch bestattet ist. In der Edo-Zeit war der Berg ein bedeutendes Pilgerzentrum. Katsushika Hokusai erdachte unterschiedliche Möglichkeiten, den Drachen mit sieben Gesichtern zu visualisieren, hier reihen sie sich hintereinander in einer Linie auf. Mehr dazu:
Lucia Dolce, „The Buddhist World of Hokusai: Lotus Practices and the Religious Frenzy of Urban Edo“. In: Timothy Clark (Hg.), Late Hokusai: Thought, Technique, Society, Legacy. London: The British Museum, 2023, 89–102. (Online.)

Werk von Katsushika Hokusai. Edo-Zeit, 1847. Dolce 2023, S. 97, Abb. 6.7.
Nichirens Wundertaten

Damit war auch der Nichiren Buddhismus schließlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen. In der neuen Metropole Edo stellte er nach der Jōdo-shū die zweitstärkste Gruppe dar. Der Nichiren-Tempel auf Berg Minobu, wo der Heilige begraben liegt, wurde zu einem der populärsten Pilgerzentren in Edo.1 Wie die Illustrationen auf dieser Seite zeigen, war Nichiren auch für die Meister des ukiyo-e [ukiyo-e (jap.) 浮世絵 „Bilder der fließenden Welt“, populäre Farbholzschnitte der Edo-Zeit] Farbholzschnitts eine wichtige religiöse Figur.

Die Tendenz zur politischen Polarisierung blieb allerdings weiter Teil von Nichirens geistigem Erbe. Im zwanzigsten Jahrhundert ging aus dem Nichiren Buddhismus unter anderem die Nichiren Shōshū [Nichiren Shōshū (jap.) 日蓮正宗 wtl. „wahre Schule des Nichiren“; Untergruppe des Nichiren Buddhismus, gegr. 1912] hervor, deren Laienorganisation, die Sōka Gakkai [Sōka Gakkai (jap.) 創価学会 wtl. in etwa „Organisation zum Studium vermehrter Werte“; neu-religiöse buddhistische Laienorganisation, gegr. 1930], sich nach dem Zweiten Weltkrieg zur erfolgreichsten Neureligion Japans emporarbeitete. Die Kōmeitō [Kōmeitō (jap.) 公明党 „Partei der öffentlichen Sauberkeit“, buddhistisch orientierte politische Parlamentspartei], Japans erfolgreichste religiöse politische Partei, ist wiederum aus Sōka Gakkai hervorgegangen (s.a. Sidepage Sōka Gakkai). Alle drei Gruppierungen zählen zum konservativen Spektrum der japanischen Gesellschaft.

Die politische Dimension des Nichiren Buddhismus

Nichiren seichoji.jpg
6 Nichiren
Moderne Darstellung Nichirens. Die Statue befindet sich an jener Stelle, wo sich dem betenden Mönch das Emblem (daimoku [daimoku (jap.) 題目 wtl. „Titel [des Lotos Sutras]“; Gebetspraxis des Nichiren Buddhismus]) des Lotos Sutras in der aufgehenden Morgensonne offenbart haben soll.
Taishō-Zeit, 1923. Shōnan Boy.

Nichirens Lehre folgte nicht nur ähnlichen Prinzipien wie der Buddhismus vom Reinen Land, sie resultierte auch aus einer ähnlichen Hinwendung zu breiteren Bevölkerungsschichten und beinhaltete zur Zeit ihrer Entstehung eine ähnliche sozial-revolutionäre Sprengkraft. Während Hōnen und Shinran diese Sprengkraft jedoch in Schranken zu halten versuchten und sich selbst nicht zu den politischen Verhältnissen äußerten, beschritt Nichiren hier einen ganz anderen Weg, indem er aktiv in den politischen Diskurs eingriff und seine Heilslehre als Lösung aller gesellschaftlichen Probleme propagierte. In diesem Sinne bezeichne ich Nichiren als „Fundamentalisten“.

Radikaler als irgendein anderer Denker seiner Zeit forderte Nichiren, dass sich die weltlichen Mächte ganz der Autorität Buddhas unterwerfen müssten, weil nur der Buddhismus (bzw. das Lotos Sutra, Hoke-kyō [Hoke-kyō (jap.) 法華経 Lotos Sutra; skt. Saddharma pundarika sutra; jap. auch Hokkekyō oder Myōhō renge kyō; zählt zu den einflussreichsten Texten des Mahayana-Buddhismus, älteste Fassungen dürften im ersten Jh. v.u.Z. entstanden sein.]) die Normen für ein „friedliches Land“ in sich bergen würde. Derartige Überlegungen hielt er unter anderem in seiner heute bekanntesten Schrift, dem Risshō ankoku ron [Risshō ankoku ron (jap.) 立正安国論 „Thesen zur Errichtung der Wahrheit und des Friedens im Land“, pol. Traktat von Nichiren, verf. 1260] („Thesen zur Befriedung des Landes“) fest. Laut Satō Hiroo [Satō Hiroo (jap.) 佐藤弘夫 1953–; japanischer Religionshistoriker an der Universität Tōhoku, Sendai] bedeutete „friedliches Land“ bei Nichiren nicht mehr nur die ungehinderte Ausübung der Herrschaft durch den Tennō oder die politische Elite (wie dies im sogenannten „alten Buddhismus“ der Fall gewesen war), sondern enthielt die Utopie einer gesamtgesellschaftlichen Gerechtigkeit als Basis für das Gedeihen des Buddhismus.2 Herrscher, die sich der Verwirklichung einer buddhistischen Weltordnung nicht unterordneten, würden, so Nichiren, in der Hölle landen.

Nichiren mandala.jpg
7 Mandala des Nichiren Buddhismus
Der Lobpreis des Lotos-Sutra: „namu myōhō renge kyō“ nimmt die zentrale Position dieses kalligraphischen Mandalas ein. Daneben die Namen von verschiedenen im Lotos Sutra erwähnten Gottheiten, u.a. die Vier Himmelskönige (Shi-Tennō), deren Namen in den vier Ecken zu finden sind.
Nichiren's Coffeehouse.
Der Lobpreis des Lotos-Sutra (namu myōhō renge kyō) nimmt die zentrale Position dieses kalligraphischen Mandalas ein.

Nichirens Theologie war daher nicht allein auf das Jenseits gerichtet, sondern enthielt eine Vision der gesellschaftlichen Veränderung. Zugleich findet man aber auch den Glauben an die Auserwähltheit und Überlegenheit Japans im Nichiren Buddhismus stark vertreten. Vor allem in der jüngeren und jüngsten Geschichte tendierten Nichiren Anhänger daher auch oft zu nationalistischen Positionen. Diese Tendenz, die auch als Nichirenismus (nichiren shugi [nichiren shugi (jap.) 日蓮主義 Nichirenismus; nationalistische Auslegung Nichiren-buddhist. Lehren; insb. Ideologie des Tanaka Chigaku]) bezeichnet wird, manifestierte sich in ihrer ausgeprägtesten Form in den Lehren von Tanaka Chigaku [Tanaka Chigaku (jap.) 田中智学 1861–1939; ausgeb. buddh. Mönch und Schriftsteller; Begründer des Nichirenismus (nichiren shugi), einer ultra-nationalistischen Auslegung des Nichiren Buddhismus] (1861–1939), der im Tennō die Verkörperung der Wahrheit des Lotos-Sutras sah.3 Tanakas Lehre passte damit perfekt in das System des Staatsshintō [kokka shintō (jap.) 国家神道 Staatsshintō, staatliche Ideologie der Moderne vor dem 2. WK]. Andere Anhänger Nichirens, etwa die Gründer der Sōka Gakkai wurden zwar unter dem Staatsshintō politisch verfolgt, tendierten aber nach dem Krieg ebenfalls zu nationalistischen oder zumindest zu konservativ-autoritären Positionen.

Wie diese Beispiele zeigen, treten Gruppierungen mit dezidiert politischen Zielsetzungen innerhalb der Nichiren Schule häufiger auf als anderswo im japanischen Buddhismus. Dies liegt zweifellos an den prononcierten politischen Statements in Nichirens Schriften, die auch in seiner Märtyrerbiographie noch deutlich zutage treten. Heute wird der politische Nichirenismus vor allem mit konservativen und nationalistischen Positionen assoziiert, doch gibt es darunter natürlich auch moderate Fraktionen wie die Nichiren-shū [Nichiren-shū (jap.) 日蓮宗 Nichiren Schule; Sammelnamen für Schulen in der Tradition Nichirens, aber auch Namen einer bestimmten Schule innerhalb des heutigen Nichiren Buddhismus; nicht zu verwechseln mit der 1912 gegr. Nichiren Shōshū], die sich weder in ihren Zielen noch in ihrem äußeren Erscheinungsbild stark vom japanischen Mainstream Buddhismus unterscheiden. Schließlich findet man Anhänger Nichirens auch unter linken politischen Gruppierungen. Die sozialreformerischen Ideen Nichirens sind im kulturellen Gedächtnis Japans daher keinesfalls ganz verloren gegangen.

Verweise

Fußnoten

  1. Dolce 2023.
  2. Satō 1999, S. 112–113.
  3. „The Most Holy Tennō, descendant of the kami, is the embodiment of the right path, and is the very truth of the Lotus Sutra itself.“ Aus Tanakas Nichiren-shugi gairon („Abriss des Nichirenismus“), 1936, zitiert nach Satō 1999, S. 322.

Internetquellen

Siehe auch Internetquellen


Letzte Überprüfung der Linkadressen: Jul. 2020

Literatur

Siehe auch Literaturliste

Lucia Dolce, „The Buddhist World of Hokusai: Lotus Practices and the Religious Frenzy of Urban Edo“. In: Timothy Clark (Hg.), Late Hokusai: Thought, Technique, Society, Legacy. London: The British Museum, 2023, 89–102. (Online.)
Yukio Matsudo, Nichiren, der Ausübende des Lotos-Sūtra. Norderstedt: Books on Demand, 2004.
Hiroo Satō, „Nichiren’s View of Nation and Religion“. In: Ruben Habito, Jacquline Stone (Hg.), Revisiting Nichiren.
Japanese Journal of Religious Studies 26/3–4, 1999, 307–23. (Online.) [Sondernummer des JJRS.]
Jacquline Stone, „Rebuking the Enemies of the Lotus: Nichirenist Exclusivism in Historical Perspective“. Japanese Journal of Religious Studies 21/2–3 (1994), 231–59. (Online.)

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    Odaimoku hasegawa.jpg
    Die dynamische Kaligraphie, die auf Nichiren selbst zurückgehen soll, stellt die Silben na-mu-myō-hō-ren-ge-kyō dar, die im Nichiren Buddhismus zentrale Anrufungsformel (daimoku) des Lotos Sutras (Myōhō renge kyō [Myōhō renge kyō '"`UNIQ--nowiki-00000002-QINU`"' (jap.) 妙法蓮華経 Lotos Sutra (des Wunderbaren Dharma), skt. Saddharma-pundarīka-sūtra (jap. auch Hoke-kyō)]). Darunter die Unterschrift Nichirens.
    Werk von Hasegawa Tōhaku (1539–1610). 16. Jh. Wikimedia Commons.
  2. ^ 
    Nichirens enthauptung.jpg
    Nichiren soll am Strand von Tatsu-no-guchi nache Kamakura exekutiert werden. Ungewöhnliche Wetterphänomene verhindern die Exekution in letzter Sekunde.
    Werk von Katsushika Isai (1821–1880). Museum of Fine Arts, Boston.
  3. ^ 
    Nichiren regen kuniyoshi.jpg
    Diese Episode aus dem Leben Nichirens erzählt von einer großen Dürre, die Kamakura im Jahr 1271 (damals Hauptstadt) heimgesucht hatte. Die Regierung befahl den wichtigsten Tempeln, Regenbitt-Zeremonien (amagoi) durchzuführen, doch nichts half, bis endlich Nichiren auf den Plan trat. Er rezitierte (wie immer) seine schlichte „Anrufung des Lotos Sutra“ (namu myōhō renge kyō) und siehe da, der Regen kam.
    Werk von Utagawa Kuniyoshi (1797–1861). Edo-Zeit. The British Museum.
  4. ^ 
    Nichiren hokusai.jpg
    Der Mönch Nichiren erblickt das Emblem des Lotos Sutras (daimoku) in der aufgehenden Sonne. Die Erscheinung soll sich 1253, in Nichirens 32. Lebensjahr, zugetragen haben und gilt als der Beginn von Nichirens eigener Lehrtätigkeit. Die Szene ist daher ein häufiges hagiographisches Motiv. In diesem Fall zeigen sich in der Sonne zwei Buddhas, während die sogenannten 30 Schutzgötter (sanjū banshin), die im Nichiren-Buddhismus die Tage eines Monats beschützen, eine Art shintōistische Leibgarde bilden.
    Werk von Katsushika Isai. Museum of Fine Art, Boston.
  1. ^ 
    Nichiren shichimen hokusai.jpg
    Nichiren, umgeben von seinen Anhängern, zähmt die Gottheit des Berges Minobu, welche zunächst als junge Frau, schließlich aber in Form eines „siebengesichtigen Drachens“ erscheint. Die Gottheit wird dadurch zur Beschützergottheit des Nichiren-Temples auf Berg Minobu, wo Nichiren seine letzten Jahre verbrachte und auch bestattet ist. In der Edo-Zeit war der Berg ein bedeutendes Pilgerzentrum. Katsushika Hokusai erdachte unterschiedliche Möglichkeiten, den Drachen mit sieben Gesichtern zu visualisieren, hier reihen sie sich hintereinander in einer Linie auf. Mehr dazu:
    Dolce, Lucia, „The Buddhist World of Hokusai: Lotus Practices and the Religious Frenzy of Urban Edo“. In: Timothy Clark (Hg.), Late Hokusai: Thought, Technique, Society, Legacy. London: The British Museum, 2023, 89–102. (Online.)

    Werk von Katsushika Hokusai. Edo-Zeit, 1847. Dolce 2023, S. 97, Abb. 6.7.
  2. ^ 
    Nichiren seichoji.jpg
    Moderne Darstellung Nichirens. Die Statue befindet sich an jener Stelle, wo sich dem betenden Mönch das Emblem (daimoku [daimoku '"`UNIQ--nowiki-00000000-QINU`"' (jap.) 題目 wtl. „Titel [des Lotos Sutras]“; Gebetspraxis des Nichiren Buddhismus]) des Lotos Sutras in der aufgehenden Morgensonne offenbart haben soll.
    Taishō-Zeit, 1923. Shōnan Boy.
  3. ^ 
    Nichiren mandala.jpg
    Der Lobpreis des Lotos-Sutra: „namu myōhō renge kyō“ nimmt die zentrale Position dieses kalligraphischen Mandalas ein. Daneben die Namen von verschiedenen im Lotos Sutra erwähnten Gottheiten, u.a. die Vier Himmelskönige (Shi-Tennō), deren Namen in den vier Ecken zu finden sind.
    Nichiren's Coffeehouse.

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • Amida 阿弥陀 ^ Buddha Amitabha; Hauptbuddha der Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū bzw. Jōdo Shinshū)
  • Buddha (skt.) बुद्ध ^ „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)
  • daimoku 題目 ^ wtl. „Titel [des Lotos Sutras]“; Gebetspraxis des Nichiren Buddhismus
  • Dharma (skt.) धर्म ^ Gesetz (des Universums), Lehre (des Buddha) (jap. 法)
  • Edo 江戸 ^ Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
  • fujufuse 不受不施 ^ wtl. „nichts nehmen, nichts geben“, d.h. weder Opfergaben empfangen, noch religiöse Dienstleistungen erfüllen; Prinzip der radikalen Abschottung von Nichiren-Anhängern gegenüber potentiellen Gönnern, die nicht den exklusiven Glauben an das Lotos Sutra teilten
  • Fujufuse-ha 不受不施派 ^ Edo-zeitl. Fraktion des Nichiren Buddhismus, die Andersgläubigen „nichts nehmen und nichts geben“ (fujufuse) wollte. Ähnlich wie die japanischen Christen stand auch die Fujufuse-ha auf der Liste verbotener Religionen der Edo-Zeit.
  • Hoke-kyō 法華経 ^ Lotos Sutra; skt. Saddharma pundarika sutra; jap. auch Hokkekyō oder Myōhō renge kyō; zählt zu den einflussreichsten Texten des Mahayana-Buddhismus, älteste Fassungen dürften im ersten Jh. v.u.Z. entstanden sein.
  • Hokke-shū 法華宗 ^ Andere Bez. des Nichiren Buddhismus
  • Hōjō 北条 ^ Regentenfamilie des Shōgunats von Kamakura; pol. Machthaber der Kamakura-Zeit
  • Hōnen 法然 ^ 1133–1212; Gründer der Jōdo-shū, der Schule vom Reinen Land
  • Ikkō-shū 一向宗 ^ Ikkō Sekte, eine Fraktion des Buddhismus vom Reinen Land ( Jōdo-shū)
  • Jōdo-shū 浄土宗 ^ Schule des Amida-Buddhismus
  • Kamakura 鎌倉 ^ Stadt im Süden der Kantō Ebene, Sitz des Minamoto Shōgunats 1185–1333 (= Kamakura-Zeit)
  • kokka shintō 国家神道 ^ Staatsshintō, staatliche Ideologie der Moderne vor dem 2. WK
  • Kōmeitō 公明党 ^ „Partei der öffentlichen Sauberkeit“, buddhistisch orientierte politische Parlamentspartei
  • mappō 末法 ^ Endzeit des Dharma
  • Myōhō renge kyō 妙法蓮華経 ^ Lotos Sutra (des Wunderbaren Dharma), skt. Saddharma-pundarīka-sūtra (jap. auch Hoke-kyō)
  • namu myōhō renge kyō 南無妙法蓮華経 ^ „Lobpreis dem Lotos Sutra“; Gebetsformel des Nichiren Buddhismus
  • nenbutsu 念仏 ^ Anrufung des Namens von Buddha Amida, Gebetsformel der Amida-Anhänger
  • Nichiren 日蓮 ^ 1222–1282; Begründer des Nichiren Buddhismus
  • Nichiren Shōshū 日蓮正宗 ^ wtl. „wahre Schule des Nichiren“; Untergruppe des Nichiren Buddhismus, gegr. 1912
  • nichiren shugi 日蓮主義 ^ Nichirenismus; nationalistische Auslegung Nichiren-buddhist. Lehren; insb. Ideologie des Tanaka Chigaku
  • Nichiren-shū 日蓮宗 ^ Nichiren Schule; Sammelnamen für Schulen in der Tradition Nichirens, aber auch Namen einer bestimmten Schule innerhalb des heutigen Nichiren Buddhismus; nicht zu verwechseln mit der 1912 gegr. Nichiren Shōshū
  • Nirvāṇa (skt.) निर्वाण ^ „Erloschen, ausgelöscht“, Ort der Erlösung von allem Leid, absolutes Jenseits (jap. Nehan 涅槃)
  • Oda Nobunaga 織田信長 ^ 1534–1582, Kriegsfürst, Reichseiniger
  • Risshō ankoku ron 立正安国論 ^ „Thesen zur Errichtung der Wahrheit und des Friedens im Land“, pol. Traktat von Nichiren, verf. 1260
  • Ryōzen Jōdo 霊山浄土 ^ Reines Land im Nichiren Buddhismus; Ryōzen, wtl. mystischer Berg, stellt einen Anspielung auf den Geierberg (auch: Ryōjū-sen 霊鷲山, Berg des mystischen Geiers) dar, wo Buddha u.a. das Lotos Sutra vorgetragen haben soll (s.a. Juhō-sen, Grdhrakuta)
  • Sado 佐渡 ^ Insel im Nordosten Japans, die von vormodernen Regierungen gern als Verbannungsort politischer Gegner genützt wurde
  • Satō Hiroo 佐藤弘夫 ^ 1953–; japanischer Religionshistoriker an der Universität Tōhoku, Sendai
  • Shaka Nyorai 釈迦如来 ^ jap. Name des historischen Buddha, Shakyamuni
  • shakubuku 折伏 ^ „brechen und unterwerfen“; Motto des Schulgrüders Nichiren
  • Shinran 親鸞 ^ 1173–1262; Gründer der Jōdo Shin-Schule
  • Shōgun 将軍 ^ Shōgun; Titel der Militärherrscher aus dem Kriegeradel (bushi, Samurai)
  • Sōka Gakkai 創価学会 ^ wtl. in etwa „Organisation zum Studium vermehrter Werte“; neu-religiöse buddhistische Laienorganisation, gegr. 1930
  • Tanaka Chigaku 田中智学 ^ 1861–1939; ausgeb. buddh. Mönch und Schriftsteller; Begründer des Nichirenismus (nichiren shugi), einer ultra-nationalistischen Auslegung des Nichiren Buddhismus
  • Tendai-shū 天台宗 ^ Tendai-Schule, chin. Tiantai
  • Tokugawa 徳川 ^ Kriegerdynastie, die während der Edo- oder Tokugawa-Zeit (1603–1867) das Amt des Militärmachthabers (Shōgun) inne hatte.
  • ukiyo-e 浮世絵 ^ „Bilder der fließenden Welt“, populäre Farbholzschnitte der Edo-Zeit