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* ''[http://www.orientalarchitecture.com/ Asian Historical Architecture]'', Timothy M. Ciccone (Hg.)<br/>Umfangreiche architekturhistorische Dokumentation, mit relativ vielen Beispielen aus Japan. | * ''[http://www.orientalarchitecture.com/ Asian Historical Architecture]'', Timothy M. Ciccone (Hg.)<br/>Umfangreiche architekturhistorische Dokumentation, mit relativ vielen Beispielen aus Japan. | ||
* [http://www.aisf.or.jp/%7Ejaanus/ ''JAANUS - Japanese Architecture and Art Net Users System''], Mary N. Parent (Hg.)<br /> Ca. 8000 Einträge zur traditionellen japanischen Baukunst. | * [http://www.aisf.or.jp/%7Ejaanus/ ''JAANUS - Japanese Architecture and Art Net Users System''], Mary N. Parent (Hg.)<br /> Ca. 8000 Einträge zur traditionellen japanischen Baukunst. | ||
− | |update= | + | * [https://mapsengine.google.com/map/edit?mid=zpYugVYwq21A.k3D5OeDZozCI Tempel und Schreine Kyotos], Google Maps. Zusammengestellt vom Autor dieses Webprojekts zur Verdeutlichung des Stadtpalns von 1710 (s. Abb. oben). |
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Aktuelle Version vom 21. November 2023, 15:30 Uhr
Japans religiöse Bauten gliedern sich in Tempel und Schreine. „Tempel“ (tera [tera (jap.) 寺 buddhistischer Tempel; das Wort leitet sich von einem koreanischen Begriff her, der ehemals in etwa tyər ausgesprochen wurde]) bezieht sich dabei auf buddhistische, „Schreine“ (jinja [jinja (jap.) 神社 Shintō-Schrein; rel. Gebäude für einheimische Gottheiten (kami)]) auf shintōistische Bauwerke. Beide Begriffe können nicht nur einzelne Gebäude, sondern auch weit ausgedehnte Anlagen bezeichnen. Buddhistische Anlagen enthalten aber fast immer auch einige Schreingebäude, ebenso wie shintōistische Anlagen auch Tempelhallen enthalten. In diesem Kapitel werden die architektonischen Besonderheiten von Tempeln und Schreinen anhand ausgewählter Beispiele näher erläutert, auf der vorliegenden Seite geht es dagegen um allgemeine Charakteristika religiöser Bauten in Japan.
Religiöse Topographie
Die vielen Einzelgebäude einer religiösen Anlage in Japan lassen sich funktionell mit den Altären in einer christlichen Kirche vergleichen: Eine (katholische) Kirche beherbergt meist viele verehrungswürdige Gestalten, Altäre sind hingegen einzelnen Heiligen geweiht. In Japan gilt dasselbe für die einzelnen Hallen. Und so wie der Heilige des Hauptaltars einer (katholischen) Kirche ihre Identität verleiht, wird auch in Japan meist eine Hauptgottheit bzw. ein Hauptbuddha in einem zentralen Heiligtum verehrt, was aber die Verehrung anderer Gottheiten keinesfalls ausschließt.
Was die Lage religiöser Anlagen betrifft, gibt es einen wesentlichen Unterschied zu den Gotteshäusern monotheistischer Religionen: Sie befinden sich nämlich zumeist am Rand kommunaler Zentren, nicht in der Mitte. Zwar sind alle japanischen Städte von zahlreichen kleinen religiösen Gebäuden durchsetzt, doch wirklich große Gebäude und Anlagen finden sich in den urbanen Zentren kaum. Als Faustregel lässt sich daher festhalten, dass je weiter eine Anlage am Rand liegt, umso bedeutender sie ist. Oder anders ausgedrückt: Japanische Dörfer und Städte sind zumeist ringförmig von religiösen Anlagen umgeben, die die Grenze zwischen Wildnis und Zivilisation oder zwischen dem Innen und dem Außen der Gemeinde markieren. Religiöse Anlagen sind insofern nicht der letzte innere Zufluchtsort einer Gemeinde, sondern eher Außenposten gegen (spirituelle) Bedrohungen aus der „anderen Welt“, also der Welt der Dämonen und der Totengeister, die häufig mit den Bergen assoziiert wird. Daher liegen Tempel und Schreine typischerweise am Fuß eines Bergs oder eines Hügels, vor dem sich eine Ebene mit Feldern und Häusern — die Welt des säkularen Alltags — erstreckt. Während die religiösen Anlagen zu dieser Ebene hin durch Mauern oder Zäune klar abgegrenzt sind, gehen sie gegen den Berg hin langsam in dichte undurchdringliche Wälder über. Religiöse Anlagen bilden daher so etwas wie eine Membran zwischen Zivilisation und Wildnis und beziehen einen Teil ihrer Bedeutung aus der ihnen zugesprochenen Fähigkeit, die unbekannten Mächte der anderen Welt zu kontrollieren. Diese religiöse Topographie ist natürlich nicht überall konsequent aufrecht zu erhalten, schon gar nicht in Japans modernen Megacities. In den alten Hauptstädten Kyōto (früher Heian-kyō [Heian-kyō (jap.) 平安京 urspr. Name der Stadt Kyōto; wtl. Stadt des Friedens; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]) und Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō] lässt sie sich jedoch noch heute klar erkennen.
Beispiel Kyōto
Werk von Hayashi Yoshinaga. Edo-Zeit. David Rumsey Map Collection.
Auf dieser historischen Karte Kyōtos sind die religiösen Anlagen durch rote Unterstreichungen hervorgehoben und teilweise durch kleine Graphiken repräsentiert. Daran erkennt man, dass die Stadt von einem Ring aus Tempeln und Schreinen umgeben ist. Innerhalb des Stadtgebiets gibt es zwar ausgedehnte Anlagen für Prunkbauten, doch sind sie nicht rot hervorgehoben: Es handelt sich um die Paläste für Tennō [Tennō (jap.) 天皇 jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels] und Shōgun [Shōgun (jap.) 将軍 Shōgun; Titel der Militärherrscher aus dem Kriegeradel (bushi, Samurai)]. Die bedeutendsten religiösen Anlagen sind an den Berghängen zu finden. Insbesondere entlang der östlichen Bergkette der Stadt (Higashiyama [Higashiyama (jap.) 東山区 „östlicher Bergbezirk“; einer der 11 Stadtbezirke (ku) von Kyōto]) ist die Konzentration von Tempeln hoch. Im Südosten der Stadt befanden sich traditionellerweise auch die Friedhöfe. Eine Besonderheit dieser Karte besteht darin, dass auch verhältnismäßig weit entfernte religiöse Anlagen verzeichnet sind. Die Karte muss daher wie ein Froschaugenbild gelesen werden, an dessen Rand sich die Abstände extrem verkürzen. Die Proportionen innerhalb des Stadtgebiets sind dagegen realistisch.
Vergängliche Materialien, beständige Struktur
Meiji-Zeit, 1897. Ō-Edo to rakuchū („Groß-Edo und Kyōto“; Ausstellungskatalog). Edo-Tōkyō Hakubutsukan, 2014, S. 142, Abb. 108.
Die traditionelle japanische Architektur hat sich ganz besonders in den religiösen Bauwerken Japans erhalten. Sie arbeitet fast ausschließlich mit Holz. Dies liegt nicht zuletzt an der beständigen Bedrohung durch Erdbeben in Japan. Gegenüber Steinbauten haben Holzhäuser den Vorteil, dass sie leichter und biegsamer sind und im Fall der Zerstörung schneller wieder aufgebaut werden können. Es ist daher auch verhältnismäßig einfach, Gebäude auseinanderzunehmen und an anderer Stelle wieder aufzubauen. Auch lassen sich einzelne schadhafte Hölzer ohne große Schwierigkeiten durch neue ersetzen, wenn der Schaden nicht allzu groß ist. Allerdings fallen sie umso leichter einem Brand zum Opfer.
In manchen Fällen, etwa im Fall der Schreinanlage von Ise [Ise (jap.) 伊勢 vormoderne Provinz Ise (heute Präfektur Mie); Stadt Ise; Kurzbezeichnung für die Schreinanlage von Ise Ise Jingū], reißt man sämtliche Gebäude alle zwanzig Jahre ab, um sie nach exakt dem gleichen Muster, aber mit neuen Hölzern wieder aufzubauen. Heute geschieht dies vor allem aus rituellen Gründen, in alter Zeit, als Bauholz in beinahe unlimitierter Menge zur Verfügung stand, gab es aber auch die durchaus rationale Erwägung, auf diese Weise dem natürlichen Verfall zuvorzukommen.
Interessanterweise hat diese Bereitschaft, die Vergänglichkeit mit in die Architektur einzubeziehen, dazu geführt, dass sich die Grundstruktur der traditionellen Baukunst seit der japanischen Klassik (Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō]- und Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit) kaum nennenswert verändert hat. Sobald man durch Versuch und Irrtum die effektivste Methode gefunden hatte, um einen bestimmten Gebäudetyp herzustellen, behielt man ihn bei. Dies ist im Fall buddhistischer Pagoden (jap. tō [tō (jap.) 塔 Pagode; Turm; abgeleitet von skt. stupa; auch sotoba]) ganz besonders auffällig: Sie entwickelten sich aus einem chinesischen Urtyp, der in China schon längst nicht mehr existiert, in Japan aber bis heute fast unverändert weiter tradiert wird.
Im Übrigen sind einige Bauten aus ältester Zeit vor dem Unbill der Natur verschont geblieben. In der Gegend um die alte Hauptstadt Nara stammen einige Holzbauten aus dem achten Jahrhundert und zählen damit zu den ältesten Holzbauwerken der Welt, etwa der buddhistische Tempel Hōryū-ji [Hōryū-ji (jap.) 法隆寺 Tempel in Ikaruga bei Nara, gegr. 607; wtl. „Tempel des prosperierenden [Buddha]-Gesetzes“].
Bauliche Charakteristika
745 errichtet, heutige Form seit 1709. Standard Grey, Flickr, 2008.
Sowohl die Tempel des Buddhismus [bukkyō (jap.) 仏教 Lehre des Buddha, Buddhismus] als auch die Schreine des Shintō [Shintō (jap.) 神道 Shintō; wtl. Weg der Götter, Weg der kami] widmen die größte architektonische Sorgfalt dem Dach. Die Dächer von Tempeln und Schreinen ziehen daher mit ihren eleganten Schwüngen und raffinierten Konstruktionen sofort alle Blicke auf sich. Was darunter ist, beschränkt sich zumeist auf eine stabile Konstruktion von Balken, die oft nur durch einfache Bretterwände oder gar Papierschiebetüren verbunden sind. Die Wände haben daher so gut wie gar keine tragende Funktion. Die meisten traditionellen Gebäude sind ebenerdig oder einstöckig. Auch die Böden sind aus Holz und lagern nicht direkt auf der Erde, sondern schweben auf stützenden Pfählen. Dies schützt die Gebäude vor Feuchtigkeit und unerwünschten Schädlingen.
Tempel und Schreine unterscheiden sich untereinander oft nur in Details, die dem Laien zunächst nicht ins Auge fallen. Auch funktionell ähneln sich die Gebäude des Shintō und des japanischen Buddhismus: Die Hauptgebäude dienen im Wesentlichen der Aufbewahrung von Heiligtümern und nicht der Versammlung von Gläubigen. Religiöse Massenveranstaltungen im Stil christlicher Messen finden weder im Shintō noch im Buddhismus mit ähnlicher Regelmäßigkeit statt wie in christlichen Ländern. Wenn viele Leute an einer religiösen Feier beteiligt sind, nimmt das Ganze rasch einen bunten Festcharakter an und wird im Freien abgehalten.
Um Shintō-Schreine und buddhistische Tempel auseinander zu halten, bedarf es der Kenntnis ganz bestimmter Merkmale: Schreine sind in der ersten Linie anhand von torii [torii (jap.) 鳥居 Torii, Schreintor; wtl. „Vogelsitz“; s. dazu Torii: Markenzeichen der kami] zu identifizieren, Pagoden [tō (jap.) 塔 Pagode; Turm; abgeleitet von skt. stupa; auch sotoba] oder Tore [mon (jap.) 門 Tor] mit Wächterfiguren (niō [niō (jap.) 仁王 Wächterfigur, Torwächter]) sind ein Hinweis, dass es sich wahrscheinlich (wenn auch nicht sicher) um einen buddhistischen Tempel handelt. Weitere Einzelheiten dazu werden auf den folgenden Seiten besprochen.
Die Listen berühmter Tempel und Schreine in diesem Kapitel bieten weiteres Anschauungsmaterial, erheben allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Verweise
Internetquellen
- Asian Historical Architecture, Timothy M. Ciccone (Hg.)
Umfangreiche architekturhistorische Dokumentation, mit relativ vielen Beispielen aus Japan. - JAANUS - Japanese Architecture and Art Net Users System, Mary N. Parent (Hg.)
Ca. 8000 Einträge zur traditionellen japanischen Baukunst. - Tempel und Schreine Kyotos, Google Maps. Zusammengestellt vom Autor dieses Webprojekts zur Verdeutlichung des Stadtpalns von 1710 (s. Abb. oben).
Bilder
- ^ Halle des Hase-dera in Nara. Der Tempel soll bereits im 7. Jh. gegründet worden sein, die Haupthalle wurde allerdings nach mehrfachen Bränden in der Edo-Zeit neu errichtet.
Edo-Zeit, 1650. Bong Grit, flickr, 2019 (mit freundlicher Genehmigung). - ^ Auf dieser historischen Karte Kyōtos sind die religiösen Anlagen durch rote Unterstreichungen hervorgehoben und teilweise durch kleine Graphiken repräsentiert. Daran erkennt man, dass die Stadt von einem Ring aus Tempeln und Schreinen umgeben ist. Auch verhältnismäßig weit entfernte religiöse Anlagen sind verzeichnet. Die Karte muss wie ein Froschaugenbild gelesen werden, an dessen Rand sich die Abstände extrem verkürzen. Die Proportionen innerhalb des Stadtgebiets sind dagegen realistisch.
Werk von Hayashi Yoshinaga. Edo-Zeit. David Rumsey Map Collection.
- ^ Auf dieser Architekturskizze einer fünfstöckigen Pagode (gojū-tō) erkennt man anhand der beigefügten Säulenschemata sehr schön, wie sich die fünf „Stockwerke“ mit zunehmender Höhe verjüngen. Nur der Mittelpfeiler ist aus einem Stück, er ist allerdings nicht im Boden verankert. Die anderen Stützpfeiler sind immer nur so hoch wie ein Stockwerk. Die Pagode selbst wurde 1631 errichtet und zählt zu den wenigen erhaltenen Gebäuden des einstmals weitläufigen Kan’ei-ji, des Familientempels der Tokugawa im heutigen Ueno-Park .
Meiji-Zeit, 1897. Ō-Edo to rakuchū („Groß-Edo und Kyōto“; Ausstellungskatalog). Edo-Tōkyō Hakubutsukan, 2014, S. 142, Abb. 108. - ^ Der größte traditionelle Holzbau der Welt, die Halle des Großen Buddha (daibutsu), der Tempelanlage Tōdaiji in Nara.
745 errichtet, heutige Form seit 1709. Standard Grey, Flickr, 2008.
Glossar