Grundbegriffe/Yin und Yang/Himmelskunde: Unterschied zwischen den Versionen
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+ | In Japan wird die Sieben-Tage-Woche erst seit der Einführung des westlichen Kalenders (1873) allgemein anerkannt. Wie im Westen gibt es einen „Sonnen-“ und einen „Mond-Tag“, die restlichen Wochentagsnamen lauten allerdings: „Feuer-, Wasser-, Holz-, Metall- und Erd-Tag“. In Japan dienen somit keine in den Himmel projizierten Götter, sondern {{g|yinyang|Yin und Yang }} (Mond und Sonne) sowie die Fünf Wandlungsphasen ({{g|gogyou}} = Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser) zur Markierung der Zeit. | ||
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+ | Tatsächlich besteht aber eine erstaunliche Übereinstimmung in diesen Benennungen. Die Fünf Phasen wurden nämlich traditionellerweise auch zur Bezeichnung der fünf am Nachthimmel sichtbaren Planeten herangezogen: der Mars wurde wegen seiner rötlichen Färbung dem Feuer zugeordnet, und heißt in Ostasien daher „Feuerstern“, der Merkur ist der „Wasserstern“, der Jupiter der „Holzstern“, die Venus der „Metallstern“ und der Saturn der „Erdstern“. Das japanische Wochentag-System orientiert sich also ebenfalls an den „Sieben Planeten“ und zählt sie in der gleichen Reihenfolge auf wie die Europäer seit der Antike. | ||
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Version vom 9. März 2021, 14:49 Uhr
Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Grundbegriffe/Yin_und_Yang/Himmelskunde.
Himmelskunde (tenmon [tenmon (jap.) 天文 Himmelskunde, proto-wissenschaftliche Astronomie]) war im alten Japan eine bedeutende, proto-wissenschaftliche Kunst, die sowohl zur Zeitmessung als auch zur Vorhersage der Zukunft herangezogen wurde. Das auf der Himmelskunde beruhende Kalenderwesen war seit dem Altertum ein Privileg des kaiserlichen Hofes und blieb auch in Zeiten der politischen Bedeutungslosigkeit des Tennō weitgehend in kaiserlicher Hand. Die eigentlichen Berechnungen wurden aber natürlich von Spezialisten vorgenommen und folgten den Prinzipien der chinesischen Naturphilosophie. Überraschenderweise findet man aber gerade auf diesem Gebiet auch Gemeinsamkeiten mit der antiken europäischen Himmelskunde.
Deutungen des Nachthimmels
Obwohl die Sonne in vielen Kulturen der Welt als Sinnbild der Herrschaft herangezogen wird (in Japan etwa leitet sich die Tennō-Dynastie von der Sonnengottheit Amaterasu [Amaterasu (jap.) 天照 Sonnengottheit; Ahnherrin des Tennō-Geschlechts; Hauptgottheit von Ise] ab), stellt der Nachthimmel mit seinen unzähligen Sternenkonstellationen ein wesentlich reichhaltigeres Reservoir an Symbolismen dar und wurde auch in Ostasien entsprechend genützt.
Astronomische Voraussetzungen
Aus Sicht der Erde rotieren die Sterne des Nachthimmels innerhalb von 24 Stunden um einen Fixpunkt: Auf der nördlichen Hemisphäre um den sogenannten Himmelsnordpol, auf der Südhalbkugel um den Himmelssüdpol. Heute weiß man, dass die scheinbare Rotation des Sternenhimmels durch die Drehung der Erde um die eigene Achse hervorgerufen wird. Die Himmelspole liegen genau dort, wo die verlängerte Erdachse das „Himmelsgewölbe“ durchstoßen würde. Der diesem Punkt am nächsten gelegene Stern ist der Polarstern.1
Werk von Gunther Wegner. gwegner.de, 2012.
Primat des Nordens
Im alten China sah man den Himmelsnordpol als Zentrum des gesamten Universums an. Er wurde als das „Große Äußerste“ (taiji [taiji (chin.) 太極 Urmaterie, wtl. das Große Äußerste]) bezeichnet, aus dem sich alle Materie bildete. Mitunter wurde er auch als Palast gedeutet, um den die anderen Sterne gleichsam als Untertanen ihre ewig gleichen Kreise drehen. Insofern lag es nahe, den Kaiser mit dem Himmelsnordpol zu identifizieren. Bezeichnungen wie „Sohn des Himmels“ (tianzi [tianzi (chin.) 天子 Titel des chinesischen Kaisers], China) oder „Himmelsherrscher“ (tennō [Tennō (jap.) 天皇 jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels], Japan) leiten sich von diesem Symbolismus ebenso ab wie der Brauch, den Palast des Kaisers im Norden der Hauptstadt zu errichten, ein Muster, das man u.a. in der Tang-zeitlichen Hauptstadt Changan [Changan (chin.) 長安 chin. Hauptstadt, u.a. in der Tang-Dynastie; wtl. „Langer Friede“; heute Xian], in Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō] und in Kyōto [Kyōto (jap.) 京都 von 894 bis 1869 Sitz des Tennō und damit offizielle Hauptstadt Japans. Im Lauf der Zeit unter verschiedenen Bezeichnungen bekannt, u.a. Heian-kyō] verwirklicht findet.
Das charakteristischste und am deutlichsten erkennbare Sternbild der nördlichen Hemisphäre ist der Große Wagen. Er besteht aus sieben verhältnismäßig hellen Sternen und befindet sich nicht allzu weit vom Himmelsnordpol entfernt. Daher wird das Sternbild auch mit dem Norden selbst gleichgesetzt. In Ostasien wird das Sternbild als „Nördlicher Schöpflöffel“ (hokuto [hokuto (jap.) 北斗 Sternbild des Großen Wagens (chin. Nördlicher Schöpflöffel)]) bezeichnet. Ähnlich wie der Polarstern selbst wurde auch das Sternbild des Nördlichen Schöpflöffels mit bestimmten Gottheiten assoziiert und in den Mittelpunkt eigener Kulte gestellt. Neben Sonne und Mond stellt das Sternbild das wichtigste dem Himmel entnommene Symbol dar, das sowohl in der religiösen als auch in der politischen Ikonographie, etwa als Symbol des Herrschers, zur Anwendung kommt.
Der Südpol als alter Mann
Werk von Tachibana Morikuni. Edo-Zeit. National Diet Library, Tōkyō, bildbearbeitet.
In China war spätesten nach Ausweitung des Überseehandels in der Song [Song (chin.) 宋 chin. Herrschaftsdynastie, 960–1279]-Zeit bekannt, dass der südliche Sternenhimmel um einen anderen Punkt kreist: den Südlichen Polarstern. Dieser wurde bisweilen mit der berühmtesten Figur des Daoismus, dem legendären Philosophen Laozi [Laozi (chin.) 老子 trad. Schreibung: Laotse; Lao Tse, Lao-tzu; wtl. „alter Knabe“; legendärer Philosoph und Begründer des Daoismus] als Gott des Langen Lebens, identifiziert. In Japan wurde diese Gestalt wiederum in den Glücksgott Fukurokuju [Fukurokuju (jap.) 福禄寿 Glücksgott, Gott des Langen Lebens] verwandelt, dem man zusätzlich zu seinen großen Ohrläppchen auch einen phallisch elongierten Schädel verpasste. Gelehrte Schriften wussten zu berichten, dass es sich um die Manifestation des Südlichen Polarsterns handle, Erklärungen, wie es zu dieser Wesensgleichheit kam, findet man hingegen kaum.
Einteilung der Zeit
Tierkreiszeichen
Ähnlich wie in Europa und dem Vorderen Orient stößt man auch in Ostasien auf zwölf Tierkreiszeichen (jūni shi [jūni shi (jap.) 十二支 Zwölf Erdzweige (chin. Tierkreiszeichen)]), die zur Einteilung des Raums, der Zeit und schließlich auch zur horoskopischen Vorhersage von menschlichen Schicksalen verwendet werden. Es handelt sich dabei in Ostasien um folgende Tiere:
Ratte (Maus), Ochse (Büffel, Rind), Tiger, Hase, Drache, Schlange,
Pferd, Ziege (Schaf), Affe, Hahn, Hund, Eber (Schwein)
Die Rolle dieser Tiere für die Zeitmessung und das chinesische Horoskop wird auf der Spezialseite Der traditionelle Kalender näher erläutert.
Die ostasiatischen Tierkreiszeichen werden zwar auch zur Benennung der Himmelsrichtungen verwendet, haben aber keine direkte Entsprechung im Nachthimmel. Hier findet man allerdings auch die hierzulande bekannten Tierkreiszeichen, wenn auchin eher untergeordneter Funktion. Wie auf der Spezialseite Westliche Astrologie im vormodernen Japan genauer ausgeführt, wurden die Tierkreiszeichen aus dem Westen des eurasiatischen Kontinents offenbar — ähnlich wie die Wochentage, s.u. — durch den esoterischen Buddhismus in Japan bekannt gemacht.
Planeten und Wochentage
Planeten sind jene Himmelskörper, die aus der scheinbar fest gefügten Architektur der Sterne ausbrechen, und eigene Bahnen ziehen. In der europäischen Antike kannte man „Sieben Planeten“, nämlich Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn. Sie wurden u.a. zur Einteilung der Wochentage herangezogen. Fast alle europäischen Sprachen benennen und reihen ihre Wochentage nach diesem Schema (auch wenn im Deutschen Mars zu Odin, Jupiter zum Donner und Venus zu Freia wurden).
In Japan wird die Sieben-Tage-Woche erst seit der Einführung des westlichen Kalenders (1873) allgemein anerkannt. Wie im Westen gibt es einen „Sonnen-“ und einen „Mond-Tag“, die restlichen Wochentagsnamen lauten allerdings: „Feuer-, Wasser-, Holz-, Metall- und Erd-Tag“. In Japan dienen somit keine in den Himmel projizierten Götter, sondern gogyō [gogyō (jap.) 五行 Fünf Wandlungsphasen; Prinzip der chin. Naturphilosophie] = Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser) zur Markierung der Zeit.
(Mond und Sonne) sowie die Fünf Wandlungsphasen (Tatsächlich besteht aber eine erstaunliche Übereinstimmung in diesen Benennungen. Die Fünf Phasen wurden nämlich traditionellerweise auch zur Bezeichnung der fünf am Nachthimmel sichtbaren Planeten herangezogen: der Mars wurde wegen seiner rötlichen Färbung dem Feuer zugeordnet, und heißt in Ostasien daher „Feuerstern“, der Merkur ist der „Wasserstern“, der Jupiter der „Holzstern“, die Venus der „Metallstern“ und der Saturn der „Erdstern“. Das japanische Wochentag-System orientiert sich also ebenfalls an den „Sieben Planeten“ und zählt sie in der gleichen Reihenfolge auf wie die Europäer seit der Antike.
Tatsächlich war das Sieben-Tage-Wochen Prinzip bereits im alten China bekannt, wurde aber von anderen Zeiteinteilungen, etwa dem Sechziger-Zyklus (kanshi [kanshi (jap.) 干支 Sechzigerzyklus des traditionellen Kalenders, wtl. Himmelsstämme (干) und Erdzweige (支)]), in den Hintergrund gedrängt. Beide, das europäische wie das ostasiatische Wochensystem, besitzen also einen gemeinsamen Ursprung. In Japan soll die Kenntnis der chinesischen Sieben-Tage-Woche auf den Mönch Kūkai [Kūkai (jap.) 空海 774–835, Gründer des Shingon Buddhismus; Eigennamen Saeki Mao, Ehrennamen Kōbō Daishi] zurückgehen, der entsprechende Schriften Anfang des neunten Jahrhunderts von seiner Chinareise mitbrachte.
Auch China verwendet heute die Sieben-Tage-Woche, doch hat sich die alte Konvention, die Wochentage nach Yin Yang und den Fünf Phasen abzuzählen, interessanterweise nicht durchgesetzt. Während sie in Japan zum Standard wurde, zählt man in China die Wochentage heute einfach numerisch ab.
Verweise
Verwandte Themen
Fußnoten
- ↑ Gegenwärtig ist dieser Punkt auf der nördlichen Halbkugel mehr oder weniger identisch mit dem hellsten Stern im Sternbild des Kleinen Wagens (dem äußersten Stern an der Deichsel), der daher auch als Polarstern bezeichnet wird. In Folge der sogenannten Präzession (einer sehr langsamen, kreiselartigen Verschiebung der Erdachse) lag der Himmelsnordpol allerdings vor etwa 2000 Jahren in der Nähe des Kochab, einem Stern am anderen Ende des Kleinen Wagens.
Bilder
- ^ Aufnahme des nördlichen Sternenhimmels mit Zeitraffertechnik, welche die Rotation der Sterne um den astronomischen Nordpol sichtbar werden lässt.
Werk von Gunther Wegner. gwegner.de, 2012. - ^ Der Glücksgott Fukurokuju mit einem Kranich als Tierbegleiter in der Edo-zeitlichen Bild-Enzyklopädie Kinmō zui. In der Anmerkung wird erwähnt, dass er eine Manifestation des Südlichen Polarsterns (tennan sei 天南星) sei.
Werk von Tachibana Morikuni. Edo-Zeit. National Diet Library, Tōkyō, bildbearbeitet.
- ^ Die Tierkreiszeichen des chinesischen Kalenderwesens.
Meiji-Zeit, 1875. Waseda University Library.
Glossar
- Fukurokuju 福禄寿 ^ Glücksgott, Gott des Langen Lebens