Alltag/Opfergaben: Unterschied zwischen den Versionen

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Religiöse Opfergaben begegnen einem in Japan an allen möglichen und unmöglichen Orten. Der Charakter dieser Opfergaben ist dabei betont friedvoll, Blutopfer, wie sie beispielsweise auf dem asiatischen Kontinent keine Seltenheit sind, findet man im religiösen Alltag Japans keine. Wie auf dieser Seite besprochen, gehören vegetarische Opfer sowie Geld- und Sachspenden seit jeher zur Ausübung von Religion in Japan, unabhängig ob shintōistisch oder buddhistisch. Wie sich im letzten Abschnitt dieser Seite andeutet, ist dieser  Zugang allerdings nicht ganz so konfliktfrei wie es oft den Anschein hat.
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== Semantik ==
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Die Vorstellung, dass ein Opfer an die Götter mit Entbehrung oder mit Töten zu tun hat, wird im Deutschen dadurch verstärkt, dass das Wort „Opfer“ sowohl eine Opfergabe als auch ein Mordopfer bezeichnen kann. Andere Sprachen differenzieren hier stärker. Im Englischen hat zwar das Wort ''sacrifice'' einen ähnlichen Bedeutungsumfang wie das deutsche Opfer, doch wird eine Opfergabe auch als ''offering'' bezeichnet. Die verschiedenen japanischen Bezeichnungen für Opfergaben ({{g|sonaemono}}, {{g|houken}}, {{g|kuyou}}) stehen dem Englischen ''offering'' semantisch nahe: Sie könnten auch als „Spende“ übersetzt werden, haben aber nichts mit einem Opfer von Gewalt (en. ''victim'', jp. ''giseisha'') zu tun. In diesem Sinne implizieren japanische Opfergaben nicht so sehr Schmerz und Verzicht, sondern eher einen positiven Beitrag zu Ehren einer Gottheit. In den meisten Fällen ist damit die Erwartung einer konkreten göttlichen Gegenleistung verbunden.
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== Opferformen ==
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Geldspenden ({{g|saisen}}) sind heute die gängigste Form der Opfergabe. Die Summe kann von ein paar Yen-Münzen, die man in den {{g|saisenbako}} wirft, bis zu enormen finanziellen Beiträgen zur Erhaltung oder Erneuerung religiöser Anlagen reichen. Daneben gibt es eine Unzahl von symbolischen Opfergaben, die man an religiösen Orten aufstellen kann. Während die meisten sowohl für {{g|kami|''kami''}} als auch für Buddhas tauglich sind, sind z.B. Räucherstäbchen, die die Flüchtigkeit des Daseins veranschaulichen, stark buddhistisch konnotiert. Das berühmte Zickzackpapier ({{g|gohei}}) ist dagegen eine symbolische Opfergabe des Shintō. Es dient häufig zusammen mit einem Götterseil ({{g|shimenawa}}) zur Kennzeichnung eines sakralen Bereichs.
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=== Nahrungsopfer ===
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Im Unterschied zu Europa, findet man in Japan zahlreiche religiöse Opfergaben in Form von Nahrung. Tieropfer sind allerdings sehr selten, die häufigste Form des Nahrungsopfers ist Reis. Opferreis wird meist zu {{g|mochi}} — also zu Teig — gestampft und in eine runde, fladenartige Form gebracht. Man nennt dies {{g|kagamimochi}}, wtl.  „Spiegel-''mochi''“. ''Kagamimochi'' werden besonders zu [[Alltag/Jahr|Neujahr]] prächtig arrangiert und den ''kami'' dargebracht. Sie werden auf charakteristischen kleinen Opfertischchen ({{g|sanbou}}) präsentiert.
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Wenn man vom abend·ländischen Religions·verständnis ausgeht, verbindet sich mit dem Begriff „Opfer“ die Vorstellung des Blutopfers oder der Ver·nich·tung von essentiellen Ressourcen (vgl. die biblische Episode von Kain und Abel: Abel opfert Fleisch, Kain Getreide, indem sie es ver·bren·nen). Auch wenn die moderne christliche Religion keine der·artigen Opfer mehr fordert, existiert die Idee des Blut·opfers weiter fort, mani·festiert sie sich doch nicht zuletzt in Christus, der sich selbst zum Opfer macht. In Japan ist diese Art von Selbst·opfer keines·wegs unbe·kannt — man denke an die Tradition des ''seppuku'' (''harakiri''), beispiels·weise um als Vasall seinem Herrn in den Tod zu folgen, oder an die {{Glossar:Kamikaze}}-Selbst·mord Piloten. Ent·sprechende Rollen·vor·bilder finden sich auch zahlreich in der japani·schen Lite·ratur, etwa in Krieger·epen wie {{Glossar:Heikemonogatari}} oder {{glossar:Taiheiki}}. Erstaun·licher·weise gibt es jedoch nur wenige Vorbilder für derartige blutige Selbst·opferun·gen in der Religion. Es mag zwar in grauer Vorzeit Menschen·opfer in Japan gegeben zu haben (s.u.), diese wurden aber unter chinesi·schem bzw. buddhisti·schem Einfluss zurück·ge·drängt.  
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Auch {{g|Sake}} (Reiswein) wird gern geopfert. Zu großen Feiertagen werden vor vielen Tempeln und Schreinen Gestelle errichtet, auf denen die dekorativen Fässer des gespendeten Sakes weithin sichtbar ausgestellt sind. Große Sakebrauereien vereinigen auf diese Weise Werbung mit frommer Andacht.  
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Auch Tiere werden heute kaum im Rahmen religiöser Riten geopfert, während solche Blutopfer auf dem asiatischen keine Seltenheit sind. Der Grund für das Fehlen von Tieropfern in Japan dürfte im strengen Tötungsverbot des Buddhis·mus liegen, das ja auch die traditionelle, über·wiegend vege·tarische Küche Japans stark geprägt hat. Tieropfer lassen sich in den ältesten Texten Japans zwar nach·weisen, doch wurden sie in den meisten Fällen durch die buddhis·tische Frei·lassung von Tieren ersetzt. Bei derartigen Zeremonien werden ge·fan·gene Wild·tiere (meist Vögel oder Fische) in einem feierlichen Ritus frei·ge·lassen, um damit gutes {{skt:Karma}} zu er·wirt·schaften. Solche Frei·las·sungs·zeremonien ({{glossar: houjoue}}) werden sogar in einigen [[Bauten:schreine|Shinto-Schreinen]] abgehalten.  
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In einem etwas bescheidenerem Rahmen werden Früchte und Blumen als Opfergaben verwendet. Neben den standardisierten Opfergaben gibt es auch eine ganze Reihe individueller Opfer, die Leute aufgrund sehr persönlicher emotionaler Bindungen an bestimmte Gottheiten spenden. Besonders an weniger prominenten sakralen Orten fallen Getränkedosen, Obst und Kekse ins Auge, die keineswegs achtlos weggeworfen, sondern sorgfältig arrangiert sind, um einer Gottheit, die wohl eher Mitleid als Ehrfurcht erregt, einen Liebesdienst zu erweisen. Die {{g|jizou}}-Statuen für verstorbene Kinder sind beliebte Objekte dieser spirituellen Fürsorge, die sich aber auch auf alle anderen Arten von Gottheiten beziehen kann. Diese Praxis wirft ein interessantes Licht auf das Konzept von Gottheiten in Japan: Sie sind keineswegs immer überlegen, allwissend und mächtig, sondern können auch hilfsbedürftig und ungeschickt sein.
  
Im Kontext der japanischen Religion ist das Opfer daher eher als Spende (''offering'') zu ver·stehen und tatsächlich gibt es im Japanischen auch termino·logisch keine klaren Unter·schiede zwischen Spende und Opfer ({{glossar:sonaemono}}, {{glossar:houken}}, {{glossar:kuyou}}). Hingegen könnte man eine Opfer·gabe im Japanischen nicht mit dem gleichen Wort wie ein [Mord-]Opfer (''giseisha'') be·zeich·nen, wie im Deutschen. „Opfer“ bedeutet also nicht so sehr Schmerz und Ver·zicht, sondern eher einen positiven Bei·trag zu Ehren einer Gott·heit. In den meisten Fällen ist damit die Erwartung einer konkreten Gegen·leistung seitens der Gott·heit verbunden. Opfer·gaben in diesem Sinne gehören seit jeher zur Aus·übung von Religion in Japan, unabhängig ob shintoistisch oder buddhistisch.  
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Auch im Rahmen häuslicher Rituale vor dem buddhistischen [[Alltag/Butsudan|Hausaltar]] werden üblicherweise Nahrungsmittel für die Seelen der Verstorbenen dargebracht. Es spricht nichts dagegen, sie nach einer Weile selbst zu essen.
  
==Opferformen==
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=== Freilassung von Tieren ===
Geldspenden ({{glossar:saisen}}) sind heute die gängigste Form der Opfer·gabe. Die Summe kann von ein paar Yen-Münzen, die man in den {{glossar:saisenbako}} wirft, bis zu enormen finanziellen Bei·trägen zur Er·haltung oder Er·neuerung religiöser An·lagen reichen. Daneben gibt es eine Unzahl von symbo·li·schen Opfer·gaben, die man an religiösen Orten aufstellen kann. Während die meisten sowohl für {{glossar:kami|Kami}} als auch für Buddhas tauglich sind, sind z.B. Räucher·stäb·chen, die die Flüchtig·keit des Daseins ver·an·schau·lichen, stark buddhistisch konnotiert. Das berühmte Zick·zack·papier ({{glossar:gohei}}) ist dagegen eine symbo·lische Opfer·gabe des Shinto. Es dient häufig zu·sammen mit einem Götter·seil ({{glossar:shimenawa}}) zur Kenn·zeich·nung eines sakralen Bereichs.
 
===Nahrungsopfer===
 
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Auch wenn Blutopfer in Japan so gut wie inexistent sind, gibt es zahl·reiche Opfer·gaben in Form von Nahrung, allen voran in Form von Reis. Opfer·reis wird meist zu ''mochi'' — also zu Teig — gestampft und in eine runde, fladen·artige Form gebracht. Man nennt dies {{glossar:kagamimochi}}, wtl.  „Spiegel-''mochi''“. ''Kagami·mochi'' werden besonders zu [[Alltag:Jahr|Neujahr]] prächtig arrangiert und den Kami dargebracht. Auch {{glossar:Sake}} (Reiswein) wird gern geopfert. Zu großen Feier·tagen werden vor vielen Tempeln und Schreinen Gestelle errichtet, auf denen die dekora·ti·ven Fässer des gespen·deten Sakes weithin sichtbar ausgestellt sind. Große Sake·brauer·eien vereinigen auf diese Weise Werbung mit frommer Andacht.
 
  
In einem etwas bescheidenerem Rahmen werden Früchte und Blumen als Opfer·gaben ver·wendet. Neben den stan·dardi·sierten Opfer·gaben gibt es auch eine ganze Reihe individu·eller Opfer, die Leute aufgrund sehr per·sönli·cher emotionaler Bindungen an bestimmte Gott·heiten dar·bringen. Besonders an weniger pro·mi·nenten sakralen Orten fallen Ge·tränke·dosen, Obst und Kekse ins Auge, die keines·wegs acht·los weg·gewor·fen, sondern sorg·fältig arrangiert sind, um einer Gottheit, die wohl eher Mit·leid als Ehr·furcht erregt, einen Liebes·dienst zu erweisen. Die {{glossar:jizou}}-Statuen für verstorbene Kinder sind beliebte Objekte dieser spirituellen Fürsorge, die sich aber auf alle anderen Arten von Gott·heiten beziehen kann. Diese Praxis wirft ein inter·es·san·tes Licht auf das Konzept von Gott·heiten in Japan: Sie sind keineswegs immer überlegen, allwissend und mächtig, sondern können auch hilfs·bedürftig und ungeschickt sein.
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Der Grund für das Fehlen von Tieropfern in Japan dürfte im strengen Tötungsverbot des Buddhismus liegen, das ja auch die traditionelle, überwiegend vegetarische Küche Japans stark geprägt hat. Tieropfer lassen sich in den ältesten Texten Japans zwar nachweisen, doch wurden sie in den meisten Fällen durch die buddhistische Freilassung von Tieren ersetzt. Bei derartigen Zeremonien werden gefangene Wildtiere (meist Vögel oder Fische) in einem feierlichen Ritus freigelassen, um damit gutes {{s|Karma}} zu erwirtschaften. Solche Freilassungszeremonien ({{g|houjoue}}) werden sogar in einigen [[Bauten/Schreine|Shintō-Schreinen]] abgehalten.  
  
Auch im Rahmen häuslicher Rituale vor dem bud·dhis·tischen [[Alltag:Butsudan|Hausaltar]] werden üblicherweise Nahrungs·mittel für die Seelen der Ver·storbenen dargebracht. Es spricht nichts dagegen, sie nach einer Weile selbst zu essen.
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===Wertvolle Opfergaben===
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Es gibt allerdings ein paar Ausnahmen von der vegetarischen Opferform, z.B. den {{g|Nishinomiyajinja}} Schrein in Ōsaka, wo Fische geopfert werden, oder den  Großschrein von {{g|suwataisha|Suwa}}, wo auch heute noch tote Wildtiere wie Hirsche oder Hasen bei bestimmten Zeremonien als Opfergaben dargebracht werden.
  
Aus der {{glossar:Heian}}-Zeit (794–1185) gibt es sehr genaue Listen von Opfer·gaben, die den großen Schreinen durch den Hof·staat des {{Glossar:Tennou}} bei regel·mäßigen großen Zere·monien dargebracht werden sollten. An prominenter Stelle werden dabei immer Stoffe genannt. Da Stoffe einst eine Art Zahlungs·mit·tel darstellten, kann man aus diesen Berichten schließen, dass Opfer schon damals im Grunde den Unter·halt von religiösen Institutionen sichern halfen. Opfer darbringen bedeutet in Japan also in den seltensten Fällen wertvolle Dinge zu Ehren der Gott·heit vernichten, sondern eher wertvolle Dinge zur Unter·stützung des Gottes-Dienstes zu spenden. Als Gegen·leistung werden auf dem Tempel- oder Schrein·areal häufig sichtbare Hin·weise auf die Spender auf·ge·stellt. Stein·laternen ({{glossar:tourou}}) oder Schrein·tore ({{glossar:torii}}) sind beliebte Gegen·stände, auf denen die Namen substantieller Spender für alle Welt sichtbar aus·gestellt sind.  Die Laternen des [[Kasuga Schrein]]s in Nara oder die ''torii'' des  [[Fushimi Inari Schrein]]s in Kyoto sind dank der zahl·reichen Unter·stützer dieser Schreine zu riesigen Gesamt·kunst·werken zusammen·ge·wachsen. Obwohl die Form der jeweiligen Spenden·objekte standardisiert ist, trägt jedes einzelne eine andere Auf·schrift und ist insofern wiederum einzigartig. Am häufigsten kommt diese Form von kollektiven Opfer-Kunst·werken in Form von Votiv·bildern ({{Glossar:Ema}}) zum Ausdruck.
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=== Wertvolle Opfergaben ===
  
==''Ema''&shy;: Pferdebilder, auch ohne Pferde==
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Wie bereits erwähnt, werden Tiere im religiösen Kontext nicht getötet, allerdings gab es früher sehr wohl Tiere als Opfer/Spenden, die entweder frei·ge·lassen oder auf dem Schrein·gelände gehalten wurden. Besonders weiße Tiere sah man als religiös be·deu·tungs·voll an und hielt sie in religiösen Kult·stätten fest. In älterer Zeit zählten Pferde zur obersten Kategorie solcher Opfer·gaben. Später ging man dazu über, statt lebendiger Pferde Statuen und Bilder darzubringen.
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In vielen Schreinen und Tempeln findet man heute noch die „Hallen der Bild-Pferde“ (''ema-dō'', ''ema-den'') mit prächtigen Gemälden. Obwohl der Name {{glossar:ema}} (wtl. „Bild-Pferd“) bei·be·halten wurde, findet man auch ganz andere Motive als Pferde dar·gestellt. Schließ·lich wurden diese bild·lichen Opfer·gaben immer kleiner. Heute versteht man unter ''ema'' kleine Holz·täfel·chen mit vor·ge·druckten Bildern, die man bei fast jedem Schrein oder Tempel erwerben kann. Kein Opfer ohne bestimmten Zweck: Dem japanischen Ver·ständ·nis von Religion widerspricht es keines·wegs, ''ema''-Täfelchen mit ganz konkreten, durchaus egoistischen Bitten zu beschriften, um sie dann als kleine Opfergabe darzubringen (s. [[Alltag:Opfergaben/Ema|Sidepage]]).
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Aus der {{g|Heian}}-Zeit (794–1185) gibt es sehr genaue Listen von Opfergaben, die den großen Schreinen durch den Hofstaat des {{g|Tennou}} bei regelmäßigen großen Zeremonien dargebracht werden sollten. An prominenter Stelle werden dabei immer Stoffe genannt. Da Stoffe einst eine Art Zahlungsmittel darstellten, kann man aus diesen Berichten schließen, dass Opfer schon damals im Grunde den Unterhalt von religiösen Institutionen sichern halfen. Opfer darbringen bedeutet in Japan also in den seltensten Fällen wertvolle Dinge zu Ehren der Gottheit vernichten, sondern eher wertvolle Dinge zur Unterstützung des Gottes-Dienstes zu spenden. Als Gegenleistung werden auf dem Tempel- oder Schreinareal häufig sichtbare Hinweise auf die Spender aufgestellt. Steinlaternen ({{g|tourou}}) oder Schreintore ({{g|torii}}) sind beliebte Gegenstände, auf denen die Namen substantieller Spender für alle Welt sichtbar ausgestellt sind. Die Laternen des {{g|kasugataisha|Kasuga Schreins}} in Nara oder die ''torii'' des  {{g|fushimiinaritaisha|Fushimi Inari Schreins}} in Kyōto sind dank der zahlreichen Unterstützer dieser Schreine zu riesigen Gesamtkunstwerken zusammengewachsen. Obwohl die Form der jeweiligen Spendenobjekte standardisiert ist, trägt jedes einzelne eine andere Aufschrift und ist insofern wiederum einzigartig. Am häufigsten kommt diese Form von kollektiven Opfer-Kunstwerken in Form von Votivbildern ({{g|Ema}}) zum Ausdruck.
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==''Ema'': Pferdebilder, auch ohne Pferde==
  
== Menschenopfer im frühgeschichtlichen Japan==
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Wie bereits erwähnt, werden Tiere im religiösen Kontext Japans üblicherweise nicht getötet, allerdings gibt es sehr wohl Tiere als Opfer oder Spende, die entweder freigelassen oder auf dem Schreingelände gehalten werden. In alter Zeit sah man besonders weiße Tiere als religiös bedeutungsvoll<ref>Die Regierungsdevise Hakuchi 白雉 („Weißer Fasan“), die die Zeit von 650 bis 672 bezeichnet, leitet sich zum Beispiel vom Fund eines ebensolchen Vogels her. </ref> an und hielt sie in religiösen Kultstätten fest. Weiße  Pferde zählten zur obersten Kategorie solcher Opfergaben. Obwohl sich dieser Brauch vereinzelt bis heute gehalten hat, ging man mit der Zeit dazu über, statt lebendiger Pferde Statuen und Bilder darzubringen.
  
Das chinesische Geschichtswerk {{glossar:Weizhi}} (Chronik der Wei, 297 u.Z.), das die ältesten histori·schen Berichte über Japan enthält, berichtet, dass anlässlich des Todes der Priester·königin {{glossar:Himiko}} über hundert Ge·folgs·leute gezwun·gen wurden, ihr in den Tod zu folgen.<ref>Seyock 2004: 58</ref> Auch das {{glossar:nihonshoki}} (720) erzählt vom Brauch der Todes·gefolg·schaft im früh·ge·schicht·lichen Japan: Als der jüngere Bruder des {{glossar:Suinintennou}} (legendäre Daten: 29 v.u.Z–70 u.Z.) starb, mussten seine persön·lichen Vassallen ihm in den Tod folgen, indem man sie aufrecht stehend mit ihm zu·sam·men begrub. Sie starben also einen lang·samen, qual·vollen Tod und ihr Weh·klagen war noch Tage nach dem Begräbnis zu ver·nehmen. Der Tenno beschloss daraufhin, diesem Brauch ein Ende zu machen, und befahl, anstatt lebender Personen Grab·bei·gaben aus Ton ({{glossar:haniwa}}) zu ver·wenden. <ref>Aston 1972 (Teil 1): 178–181 </ref> Die Histori·zität und zeitliche Ein·ordnung dieses Berichts ist zwar nicht eindeutig erwiesen, doch scheint er zu bestä·tigen, dass es Menschen·opfer in Japan gab und dass sie — wohl unter dem Ein·fluss Chinas, wo es bereits im ersten Jahr·tausend vor unserer Zeit·rechnung zu einer ähnlichen Ent·wicklung gekom·men war —  irgend·wann zwischen dem 4. und 7. Jahr·hundert abge·schafft wurden.
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In vielen Schreinen und Tempeln findet man heute noch die „Hallen der Bild-Pferde“ (''ema-dō'', ''ema-den'') mit prächtigen Gemälden. Obwohl der Name {{g|ema}} (wtl. „Bild-Pferd“) beibehalten wurde, findet man auch ganz andere Motive als Pferde dargestellt. Schließlich wurden diese bildlichen Opfergaben immer kleiner. Heute versteht man unter ''ema'' kleine Holztäfelchen mit vorgedruckten Bildern, die man bei fast jedem Schrein oder Tempel erwerben kann. Kein Opfer ohne bestimmten Zweck: Dem japanischen Verständnis von Religion widerspricht es keineswegs, ''ema''-Täfelchen mit ganz konkreten, durchaus egoistischen Bitten zu beschriften, um sie dann als kleine Opfergabe darzubringen (s. [[Alltag/Opfergaben/Ema|Sidepage]]).
  
Schließlich kursieren im ländlichen Raum zahlreiche Legenden von Mensch·opfern, vor allem im Zusam·men·hang mit Damm·bauten, aus denen Volks·kundler wie z.B. {{Glossar:Yanagitakunio}} auf die Existenz ent·sprech·ender Bräuche geschlossen haben. Dagegen spricht anderer·seits, dass sich bei einer größeren Ver·breitung derartiger Bräuche ent·sprechende Skelette finden lassen müssten. Archäo·logisch ist jedoch bisher noch kein ein·deutiger Nach·weis von Menschen·opfern erbracht worden.
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Trotz des friedlichen Charakters japanischer Opfergaben, sind Blut- und Selbstopfer in Japan keineswegs unbekannt — man denke nur an die Tradition des {{g|seppuku}} (''harakiri''), beispielsweise um als Vasall seinem Herrn in den Tod zu folgen, oder an die {{g|Kamikaze}}-Selbstmord Piloten. Entsprechende Rollenvorbilder finden sich auch zahlreich in japanischen Kriegerepen.
  
Link
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Es gibt für Selbstopferungen sogar religiöse Vorbilder, die allerdings in heutiger Zeit kaum noch bekannt sind. Der Buddhismus selbst enthält z.B.  einige Beispiele von Bodhisattvas, die ihr Leben opfern, z.B. die [[Essays/Opfer|Selbstverbrennung des Yakuō]].
  
* [http://www41.tok2.com/home/kanihei5/kagawa-konpira.html Votivbilder des Konpira-Schreins in Shikoku], Chindera Dai-Dōjō (jap.)
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In grauer Vorzeit mag es neben Tieropfern sogar Menschenopfer gegeben zu haben, die aber unter buddhistischem Einfluss zurückgedrängt wurden.
|update= Aug. 2010|
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Es gibt jedenfalls keine eindeutigen Hinweise, dass irgend eine bekannte religiöse Institution in historisch gut dokumentierter Zeit je ein Menschenopfer gefordert hätte. Legenden oder semi-historische Berichte zeigen allerdings auf, dass die Vorstellung von Menschenopfern im kulturellen Gedächtnis ständig präsent war. Vor allem Schlangengottheiten, die eine tiefsitzende Verbindung zum Wasser haben (siehe Kap. Mythen, [[Mythen/Imaginaere_Tiere|Imaginäre Tiere]]), werden als Rezipienten von Menschenopfern genannt. Entsprechende Beispiele werden auf der Essay-Seite
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„{{showTitel|Essays/Opfer}}“ vorgestellt.
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* [https://web.archive.org/web/20140912035657/http://www41.tok2.com/home/kanihei5/kagawa-konpira.html Votivbilder des Konpira-Schreins in Shikoku], Chindera Dai-Dōjō (jap.)
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}}
 
}}
==Anmerkungen==
 
<references/>
 
{{ThisWay|Alltag: Glücksbringer}}
 

Aktuelle Version vom 29. April 2024, 16:01 Uhr

Opfergaben

Religiöse Opfergaben begegnen einem in Japan an allen möglichen und unmöglichen Orten. Der Charakter dieser Opfergaben ist dabei betont friedvoll, Blutopfer, wie sie beispielsweise auf dem asiatischen Kontinent keine Seltenheit sind, findet man im religiösen Alltag Japans keine. Wie auf dieser Seite besprochen, gehören vegetarische Opfer sowie Geld- und Sachspenden seit jeher zur Ausübung von Religion in Japan, unabhängig ob shintōistisch oder buddhistisch. Wie sich im letzten Abschnitt dieser Seite andeutet, ist dieser Zugang allerdings nicht ganz so konfliktfrei wie es oft den Anschein hat.

Semantik

Die Vorstellung, dass ein Opfer an die Götter mit Entbehrung oder mit Töten zu tun hat, wird im Deutschen dadurch verstärkt, dass das Wort „Opfer“ sowohl eine Opfergabe als auch ein Mordopfer bezeichnen kann. Andere Sprachen differenzieren hier stärker. Im Englischen hat zwar das Wort sacrifice einen ähnlichen Bedeutungsumfang wie das deutsche Opfer, doch wird eine Opfergabe auch als offering bezeichnet. Die verschiedenen japanischen Bezeichnungen für Opfergaben (sonaemono [sonaemono (jap.) 供え物 Opfergabe], hōken [hōken (jap.) 奉献 Spende, Opfergabe, Widmung], kuyō [kuyō (jap.) 供養 Opfer(ritus), Spende; auch: Totenritual]) stehen dem Englischen offering semantisch nahe: Sie könnten auch als „Spende“ übersetzt werden, haben aber nichts mit einem Opfer von Gewalt (en. victim, jp. giseisha) zu tun. In diesem Sinne implizieren japanische Opfergaben nicht so sehr Schmerz und Verzicht, sondern eher einen positiven Beitrag zu Ehren einer Gottheit. In den meisten Fällen ist damit die Erwartung einer konkreten göttlichen Gegenleistung verbunden.

Opferformen

Gohei.jpg
1 Papieropfergabe
Zeremonielles Dekor für Shintō-Riten. Abgesehen von Papier in der charakteristischen Zickzack Form sind auch Bastfäden des Papiermaulbeerbaums zu erkennen. Diese dürften die ursprüngliche Form der gohei (auch heihaku) dargestellt haben.
taima.org, (Cannabis in Japan).
Sake hachimangu.jpg
2 Opfer-Sake
Sake und Bier als Opfergaben (sonaemono) am Tsurugaoka Hachiman Schrein.
Olivier Théreaux, 2004, über Internet Archive.

Geldspenden (saisen [saisen (jap.) 賽銭 Spende, Spendengeld]) sind heute die gängigste Form der Opfergabe. Die Summe kann von ein paar Yen-Münzen, die man in den saisen bako [saisen bako (jap.) 賽銭箱 Spendenbox, Kasten für Spendengeld] wirft, bis zu enormen finanziellen Beiträgen zur Erhaltung oder Erneuerung religiöser Anlagen reichen. Daneben gibt es eine Unzahl von symbolischen Opfergaben, die man an religiösen Orten aufstellen kann. Während die meisten sowohl für kami [kami (jap.) Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō] als auch für Buddhas tauglich sind, sind z.B. Räucherstäbchen, die die Flüchtigkeit des Daseins veranschaulichen, stark buddhistisch konnotiert. Das berühmte Zickzackpapier (gohei [gohei (jap.) 御幣 Papieropfergabe, Zickzack-Papier]) ist dagegen eine symbolische Opfergabe des Shintō. Es dient häufig zusammen mit einem Götterseil (shimenawa [shimenawa (jap.) 注連縄 shintōistisches „Götter-Seil“; geschlagene Taue aus Reisstroh.]) zur Kennzeichnung eines sakralen Bereichs.

Nahrungsopfer

Im Unterschied zu Europa, findet man in Japan zahlreiche religiöse Opfergaben in Form von Nahrung. Tieropfer sind allerdings sehr selten, die häufigste Form des Nahrungsopfers ist Reis. Opferreis wird meist zu mochi [mochi (jap.) Japanische Reiskuchen bzw. Klöße aus gestampftem Reis, die traditionell vor allem zu Neujahr (O-shōgatsu) gegessen werden.] — also zu Teig — gestampft und in eine runde, fladenartige Form gebracht. Man nennt dies kagamimochi [kagamimochi (jap.) 鏡餅 Speiseopfer in Form von Reiskuchen (mochi); wtl. Spiegel-Mochi], wtl. „Spiegel-mochi“. Kagamimochi werden besonders zu Neujahr prächtig arrangiert und den kami dargebracht. Sie werden auf charakteristischen kleinen Opfertischchen (sanbō [sanbō (jap.) 三宝 Drei Schätze oder Drei Juwelen, skt. triratna: Buddha, Dharma, Sangha; im Kontext des Shinto bezeichnet der Begriff ein Opfertischchen, wird in diesem Fall allerdings meist mit den Zeichen 三方 („drei Richtungen“) geschrieben.]) präsentiert.

Kagamimochi meiji.jpg
3 Kagamimochi (Opferreis)
Opfergaben in Form von kagamimochi am Meiji Jingū in Tōkyō. Gestampfter Reis (mochi) zu runden "Spiegeln" (kagami) geformt.
Guido Gautsch, 2007, flickr.
Sake tsurugaoka.jpg
4 Opfer-Sake
Gestell mit Opfersake in Strohfässern (koromo) im Tsurugaoka Hachiman Schrein, Kamakura.
kamachrome, flickr 2015.

Auch Sake [Sake (jap.) Reiswein] (Reiswein) wird gern geopfert. Zu großen Feiertagen werden vor vielen Tempeln und Schreinen Gestelle errichtet, auf denen die dekorativen Fässer des gespendeten Sakes weithin sichtbar ausgestellt sind. Große Sakebrauereien vereinigen auf diese Weise Werbung mit frommer Andacht.

In einem etwas bescheidenerem Rahmen werden Früchte und Blumen als Opfergaben verwendet. Neben den standardisierten Opfergaben gibt es auch eine ganze Reihe individueller Opfer, die Leute aufgrund sehr persönlicher emotionaler Bindungen an bestimmte Gottheiten spenden. Besonders an weniger prominenten sakralen Orten fallen Getränkedosen, Obst und Kekse ins Auge, die keineswegs achtlos weggeworfen, sondern sorgfältig arrangiert sind, um einer Gottheit, die wohl eher Mitleid als Ehrfurcht erregt, einen Liebesdienst zu erweisen. Die Jizō [Jizō (jap.) 地蔵 wtl. Schatzhaus/Mutterleib der Erde; skr. Kṣitigarbha; populäre Bodhisattva Figur]-Statuen für verstorbene Kinder sind beliebte Objekte dieser spirituellen Fürsorge, die sich aber auch auf alle anderen Arten von Gottheiten beziehen kann. Diese Praxis wirft ein interessantes Licht auf das Konzept von Gottheiten in Japan: Sie sind keineswegs immer überlegen, allwissend und mächtig, sondern können auch hilfsbedürftig und ungeschickt sein.

Auch im Rahmen häuslicher Rituale vor dem buddhistischen Hausaltar werden üblicherweise Nahrungsmittel für die Seelen der Verstorbenen dargebracht. Es spricht nichts dagegen, sie nach einer Weile selbst zu essen.

Freilassung von Tieren

Der Grund für das Fehlen von Tieropfern in Japan dürfte im strengen Tötungsverbot des Buddhismus liegen, das ja auch die traditionelle, überwiegend vegetarische Küche Japans stark geprägt hat. Tieropfer lassen sich in den ältesten Texten Japans zwar nachweisen, doch wurden sie in den meisten Fällen durch die buddhistische Freilassung von Tieren ersetzt. Bei derartigen Zeremonien werden gefangene Wildtiere (meist Vögel oder Fische) in einem feierlichen Ritus freigelassen, um damit gutes Karma [Karma (skt.) कर्म „Tat“, auch „konsequente Folge“; moralische Bilanz der gesetzten Handlungen (jap. 業)] zu erwirtschaften. Solche Freilassungszeremonien (hōjō-e [hōjō-e (jap.) 放生会 Rituelle Freilassung von gefangenen Tieren]) werden sogar in einigen Shintō-Schreinen abgehalten.

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5 Shintōistische Freilassungszeremonie
Unter Aufsicht eines Shintō-Priesters (shinshoku) setzen Mädchen in den traditionellen Kostümen des gagaku-Tanzes Goldfische frei. Das hōjō-e, die zeremonielle Freilassung von Tieren, zählt zu den traditionellen Feiern vieler Hachiman-Schreine. Nach 1868 im Zuge der „Trennung von Shintō und Buddhismus“ gesetzlich verboten, wurde die Tradition im Jahr 2003 neu belebt.
2006. Bildquelle: Takakuwa Susumu.
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6 Buddhistische Freilassungszeremonie
Mönche des Tendai Buddhismus und Shintō-Priester vollziehen gemeinsam eine hōjō-e Zeremonie, bei der Laien Goldfische freisetzen. Das hōjō-e, die zeremonielle Freilassung von Tieren, zählt zu den traditionellen Feiern vieler Hachiman-Schreine. Nach 1868 im Zuge der „Trennung von Shintō und Buddhismus“ gesetzlich verboten, wurde die Tradition im Iwashimizu-Schrein 2003 neu belebt.
15. 9. 2011. J-Blog, über Internet Archive.

Es gibt allerdings ein paar Ausnahmen von der vegetarischen Opferform, z.B. den Nishinomiya Jinja [Nishinomiya Jinja (jap.) 西宮神社 Ebisu Schrein in der Stadt Nishinomiya, Hyōgo-ken, bei Ōsaka] Schrein in Ōsaka, wo Fische geopfert werden, oder den Großschrein von Suwa [Suwa Taisha (jap.) 諏訪大社 traditionsreicher Schrein in der Präfektur Nagano], wo auch heute noch tote Wildtiere wie Hirsche oder Hasen bei bestimmten Zeremonien als Opfergaben dargebracht werden.

Wertvolle Opfergaben

Aus der Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit (794–1185) gibt es sehr genaue Listen von Opfergaben, die den großen Schreinen durch den Hofstaat des Tennō [Tennō (jap.) 天皇 jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels] bei regelmäßigen großen Zeremonien dargebracht werden sollten. An prominenter Stelle werden dabei immer Stoffe genannt. Da Stoffe einst eine Art Zahlungsmittel darstellten, kann man aus diesen Berichten schließen, dass Opfer schon damals im Grunde den Unterhalt von religiösen Institutionen sichern halfen. Opfer darbringen bedeutet in Japan also in den seltensten Fällen wertvolle Dinge zu Ehren der Gottheit vernichten, sondern eher wertvolle Dinge zur Unterstützung des Gottes-Dienstes zu spenden. Als Gegenleistung werden auf dem Tempel- oder Schreinareal häufig sichtbare Hinweise auf die Spender aufgestellt. Steinlaternen (tōrō [tōrō (jap.) 灯篭 Laterne, meist Stein oder Metall]) oder Schreintore (torii [torii (jap.) 鳥居 Torii, Schreintor; wtl. „Vogelsitz“; s. dazu Torii: Markenzeichen der kami]) sind beliebte Gegenstände, auf denen die Namen substantieller Spender für alle Welt sichtbar ausgestellt sind. Die Laternen des Kasuga Schreins [Kasuga Taisha (jap.) 春日大社 Kasuga Schrein, Nara; ehemals Ahnenschrein der Fujiwara] in Nara oder die torii des Fushimi Inari Schreins [Fushimi Inari Taisha (jap.) 伏見稲荷大社 Großschrein der Gottheit Inari in Fushimi, im Süden Kyōtos] in Kyōto sind dank der zahlreichen Unterstützer dieser Schreine zu riesigen Gesamtkunstwerken zusammengewachsen. Obwohl die Form der jeweiligen Spendenobjekte standardisiert ist, trägt jedes einzelne eine andere Aufschrift und ist insofern wiederum einzigartig. Am häufigsten kommt diese Form von kollektiven Opfer-Kunstwerken in Form von Votivbildern (ema [ema (jap.) 絵馬 Votivbild; wtl. Bild-Pferd]) zum Ausdruck.

Ema: Pferdebilder, auch ohne Pferde

Wie bereits erwähnt, werden Tiere im religiösen Kontext Japans üblicherweise nicht getötet, allerdings gibt es sehr wohl Tiere als Opfer oder Spende, die entweder freigelassen oder auf dem Schreingelände gehalten werden. In alter Zeit sah man besonders weiße Tiere als religiös bedeutungsvoll1 an und hielt sie in religiösen Kultstätten fest. Weiße Pferde zählten zur obersten Kategorie solcher Opfergaben. Obwohl sich dieser Brauch vereinzelt bis heute gehalten hat, ging man mit der Zeit dazu über, statt lebendiger Pferde Statuen und Bilder darzubringen.

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7 Halle für Votivbilder (ema-den)
Ema-Halle, wie man sie auch heute noch bei manchen großen Tempeln und Schreinen findet. Neben einigen großformatigen Bildern mit individuellen Motiven, sind kleinformatige, standardisierte Darstellungen zu sehen, einige davon mit Pferdemotiv. Diese Bilder wurden wahrscheinlich — ähnlich wie heute — direkt vor Ort gekauft und gespendet. Einige der Bilder entstanden bereits in der Edo-Zeit.
Bildquelle: unbekannt.
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8 Traditionelles Pferde-Motiv
Das Votivbild (ema) wurde für den Toyokuni Schrein des Toyotomi Hideyoshi in Kyōto angefertigt.
Werk von Kanō Sanraku (1559–1635). Frühe Edo-Zeit, 1614. Hideyoshi to Kyōto. Toyokuni jinja shahōde [Austellungskatalog], Kyōto: Toyokuni Jinja, 1998.
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9 Moderne ema
Am Kiyomizu-dera in Kyōto hinterlassen auch westliche Touristen gerne ihre Wünsche in Form von ema.
Onizuka Kentarō, 2001.

In vielen Schreinen und Tempeln findet man heute noch die „Hallen der Bild-Pferde“ (ema-dō, ema-den) mit prächtigen Gemälden. Obwohl der Name ema [ema (jap.) 絵馬 Votivbild; wtl. Bild-Pferd] (wtl. „Bild-Pferd“) beibehalten wurde, findet man auch ganz andere Motive als Pferde dargestellt. Schließlich wurden diese bildlichen Opfergaben immer kleiner. Heute versteht man unter ema kleine Holztäfelchen mit vorgedruckten Bildern, die man bei fast jedem Schrein oder Tempel erwerben kann. Kein Opfer ohne bestimmten Zweck: Dem japanischen Verständnis von Religion widerspricht es keineswegs, ema-Täfelchen mit ganz konkreten, durchaus egoistischen Bitten zu beschriften, um sie dann als kleine Opfergabe darzubringen (s. Sidepage).

Blut- und Selbstopfer im alten Japan

Trotz des friedlichen Charakters japanischer Opfergaben, sind Blut- und Selbstopfer in Japan keineswegs unbekannt — man denke nur an die Tradition des seppuku [seppuku (jap.) 切腹 ritueller Selbstmord durch Bauchschnitt; „Harakiri“] (harakiri), beispielsweise um als Vasall seinem Herrn in den Tod zu folgen, oder an die kamikaze [kamikaze (jap.) 神風 Götterwind; urspr. ein poetischer Beinamen der Provinz Ise, wird der Begriff seit den Mongolenangriffen des 13. Jh.s mit göttlichem Schutz im Krieg assoziiert und daher auch mit den Selbstmord-Piloten des 2. Weltkriegs in Verbindung gebracht]-Selbstmord Piloten. Entsprechende Rollenvorbilder finden sich auch zahlreich in japanischen Kriegerepen.

Es gibt für Selbstopferungen sogar religiöse Vorbilder, die allerdings in heutiger Zeit kaum noch bekannt sind. Der Buddhismus selbst enthält z.B. einige Beispiele von Bodhisattvas, die ihr Leben opfern, z.B. die Selbstverbrennung des Yakuō.

In grauer Vorzeit mag es neben Tieropfern sogar Menschenopfer gegeben zu haben, die aber unter buddhistischem Einfluss zurückgedrängt wurden. Es gibt jedenfalls keine eindeutigen Hinweise, dass irgend eine bekannte religiöse Institution in historisch gut dokumentierter Zeit je ein Menschenopfer gefordert hätte. Legenden oder semi-historische Berichte zeigen allerdings auf, dass die Vorstellung von Menschenopfern im kulturellen Gedächtnis ständig präsent war. Vor allem Schlangengottheiten, die eine tiefsitzende Verbindung zum Wasser haben (siehe Kap. Mythen, Imaginäre Tiere), werden als Rezipienten von Menschenopfern genannt. Entsprechende Beispiele werden auf der Essay-Seite „Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer“ vorgestellt.

Verweise

Verwandte Themen

Fußnoten

  1. Die Regierungsdevise Hakuchi 白雉 („Weißer Fasan“), die die Zeit von 650 bis 672 bezeichnet, leitet sich zum Beispiel vom Fund eines ebensolchen Vogels her.

Internetquellen

Siehe auch Internetquellen


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Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    Gohei.jpg
    Zeremonielles Dekor für Shintō-Riten. Abgesehen von Papier in der charakteristischen Zickzack Form sind auch Bastfäden des Papiermaulbeerbaums zu erkennen. Diese dürften die ursprüngliche Form der gohei (auch heihaku) dargestellt haben.
    taima.org, (Cannabis in Japan).
  2. ^ 
    Sake hachimangu.jpg
    Sake und Bier als Opfergaben (sonaemono) am Tsurugaoka Hachiman Schrein.
    Olivier Théreaux, 2004, über Internet Archive.
  3. ^ 
    Kagamimochi meiji.jpg
    Opfergaben in Form von kagamimochi am Meiji Jingū in Tōkyō. Gestampfter Reis (mochi) zu runden "Spiegeln" (kagami) geformt.
    Guido Gautsch, 2007, flickr.
  4. ^ 
    Sake tsurugaoka.jpg
    Gestell mit Opfersake in Strohfässern (koromo) im Tsurugaoka Hachiman Schrein, Kamakura.
    kamachrome, flickr 2015.
  5. ^ 
    Hojoe iwashimizu.jpg
    Unter Aufsicht eines Shintō-Priesters (shinshoku) setzen Mädchen in den traditionellen Kostümen des gagaku-Tanzes Goldfische frei. Das hōjō-e, die zeremonielle Freilassung von Tieren, zählt zu den traditionellen Feiern vieler Hachiman-Schreine. Nach 1868 im Zuge der „Trennung von Shintō und Buddhismus“ gesetzlich verboten, wurde die Tradition im Jahr 2003 neu belebt.
    2006. Bildquelle: Takakuwa Susumu.
  1. ^ 
    Hojoe iwashimizu2.jpg
    Mönche des Tendai Buddhismus und Shintō-Priester vollziehen gemeinsam eine hōjō-e Zeremonie, bei der Laien Goldfische freisetzen. Das hōjō-e, die zeremonielle Freilassung von Tieren, zählt zu den traditionellen Feiern vieler Hachiman-Schreine. Nach 1868 im Zuge der „Trennung von Shintō und Buddhismus“ gesetzlich verboten, wurde die Tradition im Iwashimizu-Schrein 2003 neu belebt.
    15. 9. 2011. J-Blog, über Internet Archive.
  2. ^ 
    Emaden3.jpg
    Ema-Halle, wie man sie auch heute noch bei manchen großen Tempeln und Schreinen findet. Neben einigen großformatigen Bildern mit individuellen Motiven, sind kleinformatige, standardisierte Darstellungen zu sehen, einige davon mit Pferdemotiv. Diese Bilder wurden wahrscheinlich — ähnlich wie heute — direkt vor Ort gekauft und gespendet. Einige der Bilder entstanden bereits in der Edo-Zeit.
    Bildquelle: unbekannt.
  3. ^ 
    Ema kano sanraku1614.jpg
    Das Votivbild (ema) wurde für den Toyokuni Schrein des Toyotomi Hideyoshi in Kyōto angefertigt.
    Werk von Kanō Sanraku (1559–1635). Frühe Edo-Zeit, 1614. Hideyoshi to Kyōto. Toyokuni jinja shahōde [Austellungskatalog], Kyōto: Toyokuni Jinja, 1998.
  4. ^ 
    Ema kiyomizu.jpg
    Am Kiyomizu-dera in Kyōto hinterlassen auch westliche Touristen gerne ihre Wünsche in Form von ema.
    Onizuka Kentarō, 2001.

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • ema 絵馬 ^ Votivbild; wtl. Bild-Pferd
  • Fushimi Inari Taisha 伏見稲荷大社 ^ Großschrein der Gottheit Inari in Fushimi, im Süden Kyōtos
  • gohei 御幣 ^ Papieropfergabe, Zickzack-Papier
  • Heian 平安 ^ auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)
  • hōjō-e 放生会 ^ Rituelle Freilassung von gefangenen Tieren
  • hōken 奉献 ^ Spende, Opfergabe, Widmung
  • Jizō 地蔵 ^ wtl. Schatzhaus/Mutterleib der Erde; skr. Kṣitigarbha; populäre Bodhisattva Figur
  • kagamimochi 鏡餅 ^ Speiseopfer in Form von Reiskuchen (mochi); wtl. Spiegel-Mochi
  • kami^ Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō
  • kamikaze 神風 ^ Götterwind; urspr. ein poetischer Beinamen der Provinz Ise, wird der Begriff seit den Mongolenangriffen des 13. Jh.s mit göttlichem Schutz im Krieg assoziiert und daher auch mit den Selbstmord-Piloten des 2. Weltkriegs in Verbindung gebracht
  • Karma (skt.) कर्म ^ „Tat“, auch „konsequente Folge“; moralische Bilanz der gesetzten Handlungen (jap. 業)
  • Kasuga Taisha 春日大社 ^ Kasuga Schrein, Nara; ehemals Ahnenschrein der Fujiwara
  • kuyō 供養 ^ Opfer(ritus), Spende; auch: Totenritual
  • mochi^ Japanische Reiskuchen bzw. Klöße aus gestampftem Reis, die traditionell vor allem zu Neujahr (O-shōgatsu) gegessen werden.
  • Nishinomiya Jinja 西宮神社 ^ Ebisu Schrein in der Stadt Nishinomiya, Hyōgo-ken, bei Ōsaka
  • saisen 賽銭 ^ Spende, Spendengeld
  • saisen bako 賽銭箱 ^ Spendenbox, Kasten für Spendengeld
  • Sake^ Reiswein
  • sanbō 三宝 ^ Drei Schätze oder Drei Juwelen, skt. triratna: Buddha, Dharma, Sangha; im Kontext des Shinto bezeichnet der Begriff ein Opfertischchen, wird in diesem Fall allerdings meist mit den Zeichen 三方 („drei Richtungen“) geschrieben.
  • seppuku 切腹 ^ ritueller Selbstmord durch Bauchschnitt; „Harakiri“
  • shimenawa 注連縄 ^ shintōistisches „Götter-Seil“; geschlagene Taue aus Reisstroh.
  • sonaemono 供え物 ^ Opfergabe
  • Suwa Taisha 諏訪大社 ^ traditionsreicher Schrein in der Präfektur Nagano
  • Tennō 天皇 ^ jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels
  • torii 鳥居 ^ Torii, Schreintor; wtl. „Vogelsitz“; s. dazu Torii: Markenzeichen der kami
  • tōrō 灯篭 ^ Laterne, meist Stein oder Metall